WZ vom 09.12.2011:
„China ist das Schlüsselland“
Finale beim UN-Klimagipfel in Durban: EU schmiedet Bündnis mit Entwicklungsländern / Druck auf die größten Treibhausgas-Verursacher wächst
Durban /dpa
Mit einem Schulterschluss haben 120 Länder den Druck auf die USA,
Indien und China erhöht, beim Klimagipfel weitgehende Klimaschutzzusagen
zu machen. Adressat seien die großen Verursacher von Treibhausgasen
außerhalb der EU, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU)
gestern bei der Klimakonferenz in der südafrikanischen Hafenstadt
Durban. „Einen Hilferuf würde ich es nicht nennen, es ist ein klarer
Appell“, sagte Röttgen. Er sieht auch Hoffnungszeichen bei dem geplanten
milliardenschweren Klimafonds.
Es ist das erste Mal seit vielen Jahren, dass die EU und fast 100
Entwicklungsländer und Inselstaaten in dieser Weise beim Klimaschutz
Seite an Seite voranschreiten. Das gemeinsame Ziel ist ein rechtlich
verbindliches Klimaschutzabkommen. Da sich nun die Mehrzahl der 194
Staaten zusammenschließt, wächst die Hoffnung auf einen Durchbruch.
Auch US-Chefunterhändler Todd Stern zeigte
sich angesichts des neuen Drucks offener als noch vor Tagen. Er stellte
in Aussicht, einen Fahrplan der EU für ein Klimaabkommen zu
unterstützen. Damit kommt kurz vor Ende der zweiwöchigen Klimakonferenz
neue Bewegung in die Verhandlungen, die von viel Taktiererei geprägt
waren, wie etwa unterschiedliche Signale Chinas zeigten. „Wir können
nicht mehr zehn Jahre warten und gar nichts tun“, betonte Röttgen.
Handeln und weiteres Verhandeln müssten parallel laufen.
Ein Erfolg oder ein Scheitern des UN-Klimagipfels hängt nach Einschätzung von zahlreichen Delegierten nun vor allem von China und anderen großen Treibhausgas-Verursachern ab. Die Mega-Konferenz
mit 15 000 Teilnehmern endet offiziell heute. Es wird allerdings
vermutet, dass sie bis in die frühen Morgenstunden des Sonnabend dauern
könnte.
Da die Industriestaaten, die sich für eine Fortsetzung des 2012 auslaufenden Kyoto-Protokolls einsetzen, nur 15 Prozent der globalen CO2-Ausstöße
verursachen, dringt die EU auf ein weitergehendes Abkommen. Ansonsten
sei die Erderwärmung nicht auf zwei Grad zu begrenzen. In einem neuen
Vertrag sollen sich möglichst viele Staaten zu verbindlichen
Minderungszielen beim Treibhausgas-Ausstoß
bereit erklären. „China ist das Schlüsselland“, sagte Martin Kaiser von
Greenpeace. Es sei entscheidend, ob es sich nun den USA zuwende, die
verbindliche Klimaschutzverpflichtung bisher boykottierten oder aber ob
es auf die Europäer zugehe. Peking ist nach Meinung von Greenpeace China
grundsätzlich einem internationalen Klimavertrag nicht abgeneigt. „Ich
bin sehr sicher, dass die chinesische Regierung bereit ist, sich auf
eine neue Ebene zu bewegen“, sagte die chinesische Greenpeace-Klimachefin Li Yan.
Fortschritte gab es gestern bei der Finanzierung von geplanten
Milliardenhilfen für vom Klimawandel betroffene Länder. „Da ist Licht am
Ende des Tunnels zu sehen“, sagte Röttgen. Details wollte er aber nicht
nennen. Geplant sind 100 Milliarden Dollar jährlich ab 2020. Bei der
Klimakonferenz in Südafrika soll das Gerüst für die Finanzierung
vereinbart werden. Umweltverbände befürchten, dass nicht genug Geld
zusammenkommt.
Strittig ist, wo der geplante Grüne Klimafonds, der die Milliardenhilfe
für Entwicklungs- und Schwellenländer verwalten soll, seinen Sitz mit
geschätzten mehreren Hundert Arbeitsplätzen haben soll. Röttgen hatte
Deutschland ins Spiel gebracht. In Bonn sitzt bereits das UN-Klimasekretariat. Mexikos Umweltminister Juan Rafael Elvira Quesada will Deutschland nicht kampflos den Sitz überlassen.