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Claudia

Beiträge: 4532

New PostErstellt: 19.05.13, 23:33     Betreff: Re: 26.05.2013: Kreiswahl und Kommunalwahl

166/und die Brennende Stadt
WZ vom 14.05.2013:




„Oft hat der Wähler keine Wahl mehr“

Der Kieler Politologe Dr. Wilhelm Knelangen (41) über die Teilnahme an und die Aussagekraft von Kommunalwahlen

Herr Dr. Knelangen, vor fünf Jahren haben sich weniger als die Hälfte der Schleswig-Holsteiner an den Kommunalwahlen beteiligt – warum sind die so unbeliebt?

Der wichtigste Punkt dürfte sein, dass die Leute denken, die Wahl sei
nicht so wichtig. In der Fachsprache nennen wir das eine „second order
election“ – also eine Wahl mit nachgeordneter Bedeutung. Das können wir
an der geringen Wahlbeteiligung messen, aber auch daran, dass die
Menschen experimentierfreudiger sind als bei anderen Wahlen – etwa indem
sie bei einer Wählervereinigung ihr Kreuz machen oder eine ganz andere
Partei wählen als sonst.

Sind Kommunalwahlen Testwahlen für die Bundestagswahl?

Nur sehr begrenzt, weil die Themen und Personen über die entschieden
wird, ganz andere sind. Nach der Kommunalwahl wird die Partei, die gut
abgeschnitten hat, die Kommunalwahl als Testwahl bezeichnen. Die Partei,
die schlechtere Ergebnisse erzielt hat, wird das aber abstreiten. So
ist das Spiel – und es trägt auch ein bisschen zum Parteienverdruss der
Menschen bei.

Warum ist das so?
Die Kommune
gilt immer noch als Schule der Demokratie. Dabei ist sie das im
eigentlichen Sinne nicht. Viele Menschen engagieren sich nur noch bei
Fragen, die sie direkt betreffen – etwa: Kriege ich einen
Kindergartenplatz oder nicht? Menschen, die sich nicht besonders stark
für Politik interessieren, sind die Vorgänge in Berlin näher. Da kennen
sie die Personen und die Themen – das ist im lokalen Raum oft ganz
anders. Da kennen viele Menschen nicht mal das Wahlsystem.

Sind die Wahlergebnisse bei so geringer Beteiligung denn überhaupt noch repräsentativ?

Wenn nicht einmal die Hälfte der Bevölkerung zur Wahl geht, kann man
das bezweifeln. Doch auch wenn man die niedrige Wahlbeteiligung beklagt,
sind Kommunalwahlen die einzige Möglichkeit, jeden Bürger
mitentscheiden zu lassen. Problematischer scheint mir, dass die
Wahlbeteiligung stark von der sozialen Struktur der Stadtteile abhängt.
Im Westen Kiels liegt sie zum Teil bei deutlich über 60 Prozent, in
Gaarden aber bei unter 30.

Gibt es einen Unterschied zwischen Wählern auf dem Land und denen in der Stadt?

Gerade in den Städten identifizieren sich die Menschen nicht mehr so
mit ihrer Kommune. Viele junge Menschen leben geplant nur für eine
gewisse Zeit dort und wollen sich nicht dauerhaft binden.

Und auf dem Land?

Da wird in der Regel stärker gewählt als in der Stadt. Hier sind oft
die Kandidaten bekannter. Und die Identifikation mit der Gemeinde oder
einem Teil davon fällt vielen leichter. Aber auch hier geht die
Beteiligung zurück, auch hier verlieren die etablierten Parteien an
Zulauf.

Wie wirkt sich das aus?
Selbst die
CDU als stärkste Kraft wird bei der nächsten Kommunalwahl nur in gut der
Hälfte der Gemeinden einen Wahlvorschlag machen können. Oft hat der
Wähler gar keine wirkliche Wahl mehr. Und der Trend zu den parteifernen,
scheinbar unideologischen, ganz pragmatischen Wählergemeinschaften
nimmt zu.

Warum sind die so attraktiv für viele Menschen?

Das ist zunächst in der Schwäche der etablierten Parteien begründet.
Dazu kommt, dass Wählergemeinschaften lokal begrenzt agieren, viele
Menschen deshalb glauben, dass ihre Interessen dort am besten vertreten
werden. In den größeren Städten Schleswig-Holsteins
sind Wählergemeinschaften bislang nur in Flensburg richtig erfolgreich
gewesen. Auf Landesebene haben Zusammenschlüsse von freien Wählern noch
nie richtig funktioniert. Und so schlimm ist die Lage nun auch nicht: Es
kandidieren in Schleswig-Holstein noch geschätzt 15 000 Menschen für kommunale Ämter ...   

... es werden aber immer weniger. Warum?

Der Gestaltungsspielraum ist vergleichsweise gering. Vor allem machen
es die gesellschaftlichen Bedingungen für viele Menschen schwieriger,
sich in der Politik zu engagieren. Uns fehlen in den Gemeinderäten die
Freiberufler und die Handwerker, die auch mal aus fachlicher Sicht
begutachten können, ob ein Bauvorhaben für eine Gemeinde sinnvoll ist.
Und es fehlen die Hartz IV-Empfänger, die Frauen
und junge Leute. Statt dessen haben wir ein Überangebot an Rentnern,
Beamten und Beschäftigten im öffentlichen Dienst, die meist älter und
männlich sind.

Was kann man tun? Mehr Geld für die Abgeordneten?

Ich glaube nicht, dass das hilft. Einen lokalen Ehrenamtler kann man
nicht so gut bezahlen, dass er sich wegen des Geldes in der Gemeinde
engagiert. Eher könnte man die Menschen über Projekte zu einer stärkeren
Mitarbeit bewegen.

Wie meinen Sie das?

Bürgerinitiativen, die sich mit einer konkreten Frage beschäftigen,
bekommen oft schnell Zulauf. Wenn die Menschen merken, dass es Spaß
macht, gemeinsam etwas durchzusetzen, könnten sie Gefallen daran finden,
sich dauerhaft zu engagieren – auch wenn das anstrengend ist.

Können unsere Politiker aus anderen Ländern lernen?

Ja, gerade von nordischen und jüngeren Demokratien. In Skandinavien
kann man etwa in Einkaufszentren wählen oder online Petitionen an die
Verwaltung richten. In Polen hat man Ortsbeiräte mit einem eigenen Etat
ausgestattet, damit sie etwas gestalten können. Das ist alles kein
Durchbruch, um die kommunale Demokratie zu retten – aber Instrumente
dafür.

Wenn das nicht hilft, wäre es dann nicht
besser, der Verwaltung die Gestaltung der Kommunen zu überlassen, dann
brauchen wir gar keine Kommunalwahlen mehr?

Nein, ich halte
nichts von einem Verwaltungsstaat. Zwar hat die Verwaltung mit ihrem
Apparat an hauptamtlichen Mitarbeitern immer einen Informations- und
manchmal auch einen Kompetenzvorsprung. Aber wenn wir nicht wollen, dass
Verwaltung über alles entscheidet, gibt es keine Alternative zu
kommunalen Politikern. Schafft man die ab, öffnen Sie Tür und Tor für
Lobbyisten – oder auch für Populisten, die nur dank ihres
Unterhaltungswertes und eines populären Themas gewählt werden. Das wäre
dann wirklich eine Gefahr für die Demokratie.


Interview: Kay Müller






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