– Es vergeht kaum ein Monat, in dem nicht neue Erkenntnisse über den
Klimawandel und Meeresspiegelanstieg veröffentlicht werden. Besonders
sensibel reagieren darauf die Küstenbewohner – auch in Schleswig-Holstein.
Auf welche Entwicklung muss sich das Land einstellen? Wir sprachen mit
Professor Dr. Hans von Storch (59), Leiter des
Küstenforschungsinstitutes am GKSS Geesthacht (Kreis Herzogtum
Lauenburg). Herr Professor von Storch – nach
neuesten Beobachtungen der amerikanischen Klimabehörde NOAA schmilzt
die Arktis schneller als bislang erwartet. Muss die Menschheit den
globalen Meeresspiegelanstieg neu berechnen?

Das Schmelzen des schwimmenden Meereises hat keinen Einfluss auf den
Meeresspiegel – wohl aber auf Veränderungen der großen „Eisschilde“
Grönland und Antarktis. Allerdings ist nicht wirklich klar, wie sich
diese beiden Eisschilde zukünftig verändern, weil zwei Vorgänge
gegeneinander arbeiten – nämlich möglicherweise verstärkter
Niederschlag in der Höhe der Eisschilde gegenüber höheren Temperaturen
an den Rändern der Eisschilde. Im Zusammenhang mit dem globalen
Meeresspiegel sind noch viele Fragen offen. Im Bezug auf regionale
Veränderungen etwa längs der Nordseeküste ist die Lage noch
verworrener. Einen Hinweis auf einen beschleunigten
Meeresspiegelanstieg in der Nordsee gibt es derzeit aber nicht.

Muss das Land Schleswig-Holstein
für Deichverstärkungen den bisherigen „Klimazuschlag“ von 50
Zentimetern an der Westküste und 30 Zentimetern an der Ostküste erhöhen?

Derzeit sind keine Planungsänderungen erforderlich; eine
Einschätzung in 10 oder 20 Jahren kann aber durchaus dann zu
aktualisierten Planungen führen. Wichtig ist, dass man sich klar macht,
wann Entscheidungen nötig sind, um zukünftig erwartete Gefahren
abzuwehren. Wenn ein verbesserter Küstenschutz eine Bauphase von zum
Beispiel 20 Jahren benötigt, und verändernde Wasserstände für 2050
erwartet werden, dann würde man in 2030, vielleicht 2020 mit dem Bauen
beginnen. Vorher wird man die Zeit nutzen, um Optionen für Küstenschutz
mit der Öffentlichkeit zu erörtern.

Nicht nur die Klimawissenschaftler sagen,
dass es mehr und heftigere Stürme geben wird. Jeder Küstenbewohner
würde dies aus Erfahrung bestätigen. Müssen also Küstenschutzingenieure
langfristig umdenken? Deiche lassen sich ja nicht unbegrenzt verstärken.

In der Tat kann man mit geringfügig verstärkter Sturmaktivität zum
Ende dieses Jahrhunderts rechnen. Im vergangenen Jahrhundert hat es
aber keine systematische Veränderung bei unseren heimischen Stürmen
gegeben – obwohl dies sehr oft so wahrgenommen wird und
interessanterweise immer wieder behauptet wird. Die eigene Erinnerung
ist sehr trügerisch – sie macht die Vergangenheit regelmäßiger als die
immer sprunghafte Gegenwart. Ob wir im Küstenschutz umdenken müssen? Es
ist sicher sinnvoll, sich schon jetzt Gedanken zu machen zu weiteren
auch neuartigen Optionen im Umgang mit den Gefahren der Küste. Müssen sich die Küstenbewohner am Ende sogar darauf einrichten, dass bestimmte Landstriche aufgegeben werden müssen?