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Nordsee und Offshore-Windparks. WZ vom 21.07.2010

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Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 22.07.10, 00:14  Betreff: Nordsee und Offshore-Windparks. WZ vom 21.07.2010  drucken  weiterempfehlen

Wird die Natur übertölpelt?

Einige Fischarten könnten von den Offshore-Windparks profitieren / Für Seevögel, Schweinswale und Seehunde aber könnte es eng werden

Kiel/Büsum/Neumünster

Tölpel haben es gemeinhin schwer. Überall ecken sie an, stolpern oder
stürzen. Wenn ungünstige Windverhältnisse herrschen, können sie sich
bei der Landung ihres gut drei Kilo schweren Körpers schon mal ein Bein
oder einen Flügel brechen. Oder sie sitzen bei Windstille und hohem
Wellengang auf dem Meer fest, weil sie ihren etwas plump wirkenden
Körper nicht mit genügend Anlauf in die Höhe wuchten können.


Tölpel – genauer gesagt: Basstölpel – haben also ohnehin kein
leichtes Leben. Und es scheint in Zukunft noch schwerer zu werden: Die
auf Helgoland brütenden Seevögel, die ihren Namen aufgrund ihres
unbeholfenen Ganges erhalten haben, gehören zu den Verlieren auf der
Nordsee. Werden die bisher genehmigten Windparks realisiert, könnte es
eng werden für die Seevögel. Zu eng. Denn im Gegensatz zu wendigeren
Seevögeln wie etwa Möwen meiden die behäbigeren Basstölpel die Windparks
wohlweislich und umfliegen sie meist großräumig. Eine Kollision mit den
Rotorblättern ist dadurch zwar ausgeschlossen. Doch dafür müssen die
schweren Tiere Umwege in Kauf nehmen, die zusätzlich Kraft kosten. Und
dieser energetische Nachteil wiegt weitaus schwerer als die Gefahr einer
Kollision mit den Windrädern, schätzen Ornithologen.


Zwar würden die Tiere dann nicht gleich verenden wie bei einer
Kollision, durch die zunehmenden Nutzungen auf dem Meer könnten sie aber
geschwächt und vertrieben werden, so Stefan Garthe vom Forschungs- und
Technologiezentrum Westküste in Büsum. Ein Problem, das auch die Stern-
und Prachttaucher trifft. Denn diese beiden Arten, so haben es Flug- und
Schiffszählungen ergeben, sind gerade auf den Flächen vor Sylt und
Amrum besonders zahlreich, die bereits für Windparks genehmigt sind. Da
sie zudem vor stark befahrenen Schifffahrtsstraßen zurückweichen, könnte
es für die Seetaucher in ein paar Jahren tatsächlich kritisch werden.
„Wenn zu viele Flächen als Lebensraum verloren gehen, ist das irgendwann
nicht mehr zu kompensieren“, meint Garthe. Auch Ingo Ludwichowski vom
Naturschutzbund (Nabu) Schleswig-Holstein warnt: „Das ist ein großes Experiment mit ungewissem Ausgang.“


Was bei den Ornithologen große Sorgenfalten hervorruft, lässt die
Fischereibiologen hoffnungsvoll in die Windparks schauen. Denn unter
Wasser könnten die Windräder für Leben sorgen. Wie einige Beispiel aus
dem Ausland zeigen, bilden sich an den Fundamenten der Anlagen teilweise
künstliche Riffe. Miesmuscheln, Algen und Schnecken siedeln sich an den
Pfeilern an und locken ihrerseits Fische in die Windparks. Wie dieses
kleine Unterwasserparadies dann aussehen könnte und ob es überhaupt dazu
kommen wird, ist allerdings noch unklar. Matthias Kloppmann vom Thünen-Institut
für Seefischerei wagt eine Prognose: Man könne erwarten, dass sich in
den Windparks vermehrt Fischarten ansiedeln, die keinen sandigen,
sondern harten, steinigen Boden brauchen. „Ein Beispiel hierfür wären
die Lippfische, kleine bis mittelgroßer Tiere, die wiederum
Nahrungsgrundlage für größere Raubfische wie den Kabeljau sein können“,
meint Kloppmann. Solche Nachrichten dürften das Herz von Naturschützern
höher schlagen lassen: Ist der Kabeljau in der Nordsee doch besonders
stark von Überfischung betroffen. Aber Kloppmann warnt: „Bisher ist das
alles noch recht spekulativ.“


Fest steht jedoch: Sollte die Fläche zwischen den Windkraftanlagen
nicht für die Zucht von Muscheln oder Algen genutzt werden, könnten die
Parks zu einer Art Schutzgebiet für Fische werden. „Das wäre natürlich
ein sehr wünschenswerter Effekt“ meint Ingo Ludwichowski. „Man muss sich
den Meeresboden ja nur mal anschauen. Wie der aussieht! Wie ein
Acker!“, schimpft der Nabu-Sprecher über die Folgen der Grundschleppnetz-Fischerei, die mit schweren Geschirren den Meeresboden pflügt.


Den Windparks steht der Naturschutzbund dabei aber ähnlich kritisch
gegenüber wie der Fischerei. Schließlich wird ein einzelner Pfeiler für
die Offshore-Anlagen mit bis zu 15 000 Schlägen
in den Boden gerammt – eine Lärmbelästigung, die den empfindlichen, von
ihrem Gehör abhängigen Schweinswalen zu schaffen macht. Bei der
Errichtung des ersten Testfeldes vor Borkum etwa, haben die Tiere das
Gebiet im Umkreis von 20 Kilometern gemieden. Gerade bei den Windparks
vor der nordfriesischen Küste könnte das zum Problem werden. Denn wie
die Seetaucher sind auch die Schweinswale hier besonders stark
vertreten. Wird wie geplant gebaut, könnte sich spätestens 2030 die
Frage stellen: Windparks oder Schweinswale? Inwieweit die Schweinswale
dann in andere Gebiete ausweichen können, ist unklar. Schließlich sorgen
Schifffahrt, militärische Übungen und Sprengungen sowie der
Sonareinsatz des Militärs für zusätzliche Belastung.


Ingo Ludwichowski begleitet das Treiben auf dem Meer daher mit Skepsis.
Durch den Raumordnungsplan sei zwar der Wildwuchs auf der Nordsee
vorläufig gestoppt. Inwieweit die Belange des Naturschutzes in Zukunft
berücksichtigt werden, müsse sich aber noch zeigen. Denn sollte die
Offshore-Branche nach ihren Startschwierigkeiten
in Deutschland irgendwann tatsächlich boomen, ist fraglich, ob auf ein
paar arme Tölpel Rücksicht genommen wird.
Tomma Schröder

Mit diesem Teil endet unsere Nordsee-Serie








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