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Interview mit Hans-Ulrich Rösner. WZ vom 27.11.2012

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Autor Beitrag
Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 27.11.12, 23:07  Betreff: Interview mit Hans-Ulrich Rösner. WZ vom 27.11.2012  drucken  weiterempfehlen



„Natur wird durch Windparks leiden“

Der Leiter des Wattenmeerbüros des WWF in Husum, Hans-Ulrich Rösner zum Spagat der Naturschützer beim Ausbau der Offshore-Windenergie

Herr Rösner, kommen die aktuellen Verzögerungen beim Ausbau der Offshore-Windenergie den Naturschützern etwa entgegen?

Wir brauchen für die Energiewende auch die Windenergie auf See. Aber es
wäre besser gewesen, mit den ersten Anlagen früher zu beginnen und erst
Erfahrungen zu sammeln. Jetzt soll stattdessen zuviel gleichzeitig
gebaut werden, da ist etwas Verzögerung an einigen Stellen eher ein
Vorteil. Schließlich muss der Ausbau der erneuerbaren Energien so
erfolgen, dass die Natur möglichst wenig beeinträchtigt wird – das gilt
besonders für den Ausbau der Offshore-Windenergie.
Wurde nicht gut genug geplant?


Ja. Seit dem Jahr 2000 wurden große Ziele formuliert, aber die
staatliche Planung beschränkte sich weitgehend auf die Schaffung
finanzieller Anreize. Keine Vorgabe, in welchen Gebieten der Schaden im
Vergleich am geringsten sein würde. Keine Planung des notwendigen
Stromnetzes. Und es wurde zwar eine Vorgabe der Gesamtleistung in Höhe
von 25 Gigawatt gemacht, also rund 5000 Windräder in Nord- und Ostsee,
aber das wurde nicht nach oben „gedeckelt“. Und deshalb liegen
inzwischen Planungen und Anträge für sehr viel mehr Windparks vor. Es
besteht die Gefahr, dass tatsächlich überall dort, wo in unseren Meeren
kein Schutzgebiet liegt und wo keine Schifffahrtsrouten sind, am Ende
ein Windpark steht. Das ist zuviel für die Meere, und es wäre auch weit
mehr, als wir für eine hundertprozentige Versorgung durch erneuerbare
Energien überhaupt brauchen, denn es gibt ja auch noch andere
erneuerbare Energien in Deutschland und es gibt auch noch erhebliche
Einsparmöglichkeiten.
Aber Offshore scheint doch der Bereich zu sein, wo es am wenigsten Widerstand der Menschen gibt?

Ja, da wohnt niemand, und man sieht die Windparks auch kaum, selbst von
den Inseln aus. Das ändert aber nichts daran, dass die Natur dort
erheblich leidet.
Wo sehen Sie die größten Probleme?


Der WWF sieht vor allem fünf große Probleme. Das ist der ungenügende
Schutz der Schweinswale vor den Lärmbelastungen bei den Rammarbeiten für
die Fundamente der Windräder. Dann die Störung und Vertreibung von
Seevögeln. Ganz problematisch sind auch das erhöhte Kollisionsrisiko für
die zahllosen Zugvögel, die Nord- und Ostsee überqueren, die Risiken
für mehr Schiffsunfälle und die Probleme, die durch die Verlegung der
Kabel entstehen.
Das klingt nach viel Widerstand Ihrerseits...


Nein, so kann man das nicht sagen. Wir brauchen ja die Windenergie. Für
uns geht es vor allem um Schadensbegrenzung und die Vermeidung
unnötiger Risiken und Projekte. Ein gutes Beispiel sind die Kabel, die
von den Offshore-Windparks nach Schleswig-Holstein
führen. Da konnte über die letzten Jahre erreicht werden, dass die nur
auf einer Route statt auf zwei durch den Nationalpark Wattenmeer geführt
werden, und dass es statt mehr als zehn Kabeln insgesamt „nur“ vier
sind. Das ist zwar immer noch ein schwerer Eingriff, aber immerhin ein
deutlich verringerter.
Und die Schifffahrt?


Durch die Vielzahl neuer Hindernisse im Meer wird die Unfallgefahr für
Schiffe steigen. Stellen Sie sich vor, ein Öltanker oder ein
Chemikalienfrachter hat einen Maschinenschaden oder es fällt die
Ruderanlage aus, und das Schiff treibt in einen Windpark, kollidiert,
und es treten Schadstoffe aus. Die Folgen fürs Wattenmeer wären
unabsehbar, und müssen durch zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen vermieden
werden.
Und gibt es Alternativen zur Rammtechnik?

Es gibt welche – etwa Bohrungen oder Absenkfundamente – und die sollten
weiter erforscht werden, um den extremen Lärm durch die Rammungen zu
vermeiden. Die jetzige Schallobergrenze von 160 Dezibel muss als
Notlösung aber auf jeden Fall eingehalten werden, etwa durch Techniken
wie Blasenschleier, um die empfindlichen Schweinswale zu schützen.
Was ist mit den Vögeln?

Durch die Zunahme der Windräder werden Seevögel wie der Sterntaucher
aus ihrem Lebensraum verdrängt. Die Tiere sind extrem störanfällig. Viel
riskanter wird es allerdings für die Zugvögel.
Warum?


Weil sie in den Windkraftanlagen sterben werden. Auch an Land kommen
Vögel an Windrädern zu Tode. Aber wenn diese nicht an falschen Stellen
gebaut wurden, sind das nur wenige. Keiner weiß aber, wie viele Vögel
auf See betroffen sein werden, weil es dazu keine seriösen Zahlen gibt.
Die ziehenden Vögel können dort bei Schlechtwetter nicht ausweichen und
auch nicht notlanden, denn das sind Singvögel, die nicht schwimmen
können. Bei Öl- oder Forschungsplattformen kennt man aus solchen
Situationen dann viele tote Vögel. Und zweimal pro Jahr sind rund 100
Millionen Zugvögel aus Skandinavien über unseren Meeren unterwegs.
Was kann man gegen das Sterben der Vögel in den Windrädern tun?

In den Genehmigungen für den Bau der Offshore-Anlagen
ist vorgesehen, diese zeitlich begrenzt abschalten zu können – etwa
wenn der Vogelzug besonders stark ist. Ansonsten brauchen wir
Forschungen – etwa was die richtige Beleuchtung der Anlagen angeht –
damit Vögel nicht auch noch von den Windrädern angezogen werden. Und
dafür brauchen wir Zeit.
Aber das verhindert doch das schnelle Gelingen der Energiewende?


Nein, wenn man sich anstrengt, auch die Forschung vorantreibt und die
Natur ausreichend in den Blick nimmt, kann man das schaffen. Und es
müssen seitens der Genehmigungsbehörden entsprechend verschärfte
Auflagen gemacht und beim Bau und Betrieb der Anlagen durchgesetzt
werden.
Interview: Kay Müller






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