Visionär: Stromgewinnung aus Höhenwind
Hamburg
Mehr als 25 000 Windräder stehen in Deutschland in der Landschaft und
erzeugen Strom, plus 700 auf See. Wenn es nach den Pionieren der
Höhenwindtechnik geht, werden die Türme mit Rotoren bald von großen
Flugdrachen abgelöst. Bis 2018 soll es möglich sein, die Energie des
Windes in großer Höhe zu ernten. „Die Forschung macht große
Fortschritte“, sagt Guido Lütsch, Präsident des Bundesverbandes
Höhenwindenergie.
Weltweit arbeiten rund 70 Unternehmen und Forschungsinstitute an
entsprechenden Projekten. Viele der Tüftler setzen auf Flugdrachen
(Kites), andere auf Flügelsysteme, Segel, Gleiter oder wie die Firma
Altaeros auf einen Heliumring mit einem Windrad in der Mitte. Allen
gemeinsam ist: Sie wollen die Winde in 300 bis 500 Meter Höhe nutzen –
oder noch höher. Denn dort wehen sie stärker und stetiger als in
Bodennähe.
Die Firmen geben sich zurückhaltend, wenn sie über den Stand ihrer
Forschungen Auskunft geben sollen. Am weitesten ist vielleicht der US-Hersteller Makani, der vor einigen Monaten ein 600-Kilowatt-Modell
vorstellte. Das ist deutlich mehr, als die Versuchsanlagen der
Konkurrenz schaffen. Aber noch nicht genug. Am Ende sollen die Anlagen
ein oder zwei Megawatt Strom erzeugen, am besten rund um die Uhr und das
ganze Jahr. Das Makani-Konzept überzeugte immerhin den Internet-Giganten Google, der das Unternehmen vor zwei Jahren übernahm.
Nicht nur die hohen Energieerträge locken die Höhenwind-Pioniere, sondern auch die niedrigen Kosten. Eine herkömmliche Windkraft-Anlage besteht aus 5000 Tonnen Beton und Stahl. Die Höhenwind-Systeme
benötigen nur ein Zehntel des Materials. Sie können schnell und leicht
an Orte transportiert werden, wo Strom benötigt wird, zum Beispiel nach
Naturkatastrophen oder in abgelegene Gegenden. Die Firma EnerKite aus
Kleinmachnow in Brandenburg erwartet, dass Strom aus Höhenwind vier Cent
je Kilowattstunde kosten wird und damit billiger wäre als aus Kohle.
Ebenfalls weit vorn bei der Entwicklung der Technologie sieht sich die
Hamburger Firma SkySails. Sie hat bereits einen Zugdrachen für Schiffe
bis zur Marktreife entwickelt, der eine Antriebsleistung von bis zu zwei
Megawatt erbringt. Bislang erprobt Skysails die Technologie mit einem
Modell mit einer Leistung von 55 Kilowatt und 20 Quadratmeter
Segelfläche. Der nächste Schritt wäre eine Testanlage auf See mit einem
Megawatt Leistung und 400 Quadratmeter Segelfläche und einem 1000 Meter
langen Seil.
Eckart Gienke