Wenn der Wind mal nicht mehr weht
Flensburg/Kiel
Der Netzausbau in Schleswig-Holstein soll die
erfolgreiche Energiewende ermöglichen. Windkraftanlagen sollen Strom
erzeugen, dieser über Trassen abtransportiert werden. Die Zeit für den
Bau neuer Leitungen drängt, denn auch der Ausbau der Windkraft schreitet
voran. Nur: Was macht das mit dem Wind? Schließlich gewinnen die
Windkrafträder Energie aus den Luftströmungen und wandeln sie in
Bewegungsenergie um. Der Wind gibt Energie ab, die Windkrafträder nehmen
sie auf. Wind ist also – wie alles auf der Welt – auch endlich. Das
zeigen beispielsweise Berechnungen von Forschern in den USA. Dort hatte
der Wirbelsturm Katrina im Jahr 2005 New Orleans verwüstet. In Computer-Simulationen hat der US-Forscher
Mark Jacobson den verheerenden Wirbelsturm jedoch um fast 150 Kilometer
pro Stunden abbremsen können, wie er in der Zeitschrift Nature Climate
Change schreibt – mit Hilfe von Windparks.
Dass der Gedanke hinter solchen Überlegungen nicht verkehrt ist,
bestätigten auch norddeutsche Wissenschaftler. „Grundsätzlich ist es
natürlich so, dass ein Teil der Energie aus dem Wind genommen wird“,
sagt Professor Torsten Faber an der Fachhochschule Flensburg. Moderne
Windkraftanlagen hätten einen Wirkungsgrad von 50 Prozent. Allerdings
gibt der Leiter des Wind Energy Technology Institute zu bedenken, dass
man das Verhältnis des Windes insgesamt zur Fläche der Windkrafträder
sehen müsste.
Windkraftanlagen für windarme Regionen
Mit anderen Worten: Wind gibt es sehr viel, Flächen von Windrädern
sind im Vergleich dazu noch immer rar. Und so sind auch im Computer-Modell
von Jacobson nicht einige Hundert oder Tausend Windkrafträder vonnöten,
um den Wirbelsturm herunterzubremsen – sondern eine halbe Million
Windkrafträder, dicht gedrängt im Golf von Mexiko mit mehr als 300
Gigawatt installierter Leistung. Zum Vergleich: Anfang des Jahres waren
in Nord- und Ostsee zusammen gerade einmal 258 Offshore-Windkraftanlagen mit einer Leistung von einem einzigen Gigawatt installiert.
Insofern ist die Sorge der Ingenieure, dass den Anlagen der Wind
ausgehen könnte, gering. Zugleich arbeitet die Wissenschaft immer
stärker daran, auch dort Strom aus Windkraft zu ernten, wo nur ein laues
Lüftchen weht. Fünf Meter pro Sekunde müsste die mittlere
Windgeschwindigkeit pro Jahr betragen, damit Anlagen rentabel laufen
könnten, erklärt Faber. Inzwischen gebe es jedoch auch schon
Schwachwindanlagen, die vor allem in Süddeutschland Verwendung finden.
Sorgen vor einem Windstillstand, der dann die gesamte Stromproduktion
aus Windkraftanlagen in Frage stellt, hat Faber nicht. In der Höhe von
100 Metern, wo heutige Anlagen seien, gebe es immer Wind, sagt er.
Künftige Potenziale der Technik sind aus seiner Sicht heute schwer
vorhersehbar. Früher wurde über die Machbarkeit schwimmender Offshore-Anlagen
diskutiert, heute würde es diese geben. „Noch mehr Potenzial sehe ich
in der Meeresenergie“, sagt er, wenn die Anlagen also nicht mehr Energie
aus den Windströmen aufnehmen, um daraus Strom zu erzeugen, sondern die
Meeresströmungen nutzen.
Till H. Lorenz