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Energie der Zukunft: Strom aus Ebbe und Flut. WZ vom 23.05.2012

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Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 25.05.12, 21:51  Betreff: Energie der Zukunft: Strom aus Ebbe und Flut. WZ vom 23.05.2012  drucken  weiterempfehlen



"Denkwerkstatt Schleswig-Holstein": In dieser Serie präsentieren Autoren aus verschiedenen Bereichen Visionen über die Zukunft des Landes.

Energie der Zukunft: Strom aus Ebbe und Flut


Wer einmal im Watt vor der Küste Schleswig-Holsteins
gestanden hat, der wundert sich, wie schnell die Flut die bei Ebbe
trocken gefallenen Sände überspült und wie reißend die Priele bei
ablaufendem Wasser werden. Ebbe und Flut gehen und kommen als Tide
zweimal am Tag. Das Maß zwischen dem höchsten Pegelstand bei Flut und
niedrigsten bei Ebbe ist der Tidenhub. Er beträgt an der relativ flachen
Nordseeküste zwischen zwei und drei Meter, in der Ostsee zeh n bis 30
Zentimeter und an der Ostküste Nordamerikas beispielsweise bis zu 15
Meter.


Seit Jahren wird weltweit daran gearbeitet, den Tidenhub, die
Meereswellen und die Gezeitenströmung für die Energiegewinnung zu
nutzen. Tidenhub und Gezeitenströmung haben im Unterschied zur Nutzung
von Wind und Sonne den Vorzug, dass sie mit konstanter Regelmäßigkeit
kommen und gehen und deshalb ihre Energie planbar gewonnen werden kann.
Und das ewig. Das Vorhalten von Gas- und Kohlekraftwerken zur Vermeidung
von Instabilität im Stromnetz könnte entfallen. Schwierigkeiten wie die
Abdichtung der Rotorwelle einer Turbine, der Korrosionsschutz und die
Vermeidung der Sedimentation von Schwebstoffen sind technologischer Art
und inzwischen weitgehend gelöst.


Gezeitenströmungskraftwerke funktionieren wie Windräder, nur eben
unter Wasser, in dem an geeigneter Stelle Turbinen im Gezeitenstrom
verankert werden. Sie laufen beim Hin- und Rückstrom. Da die Dichte von
Wasser etwa 1000-mal höher ist als die von Luft, wäre auch die Leistung
eines Wasserstroms entsprechend höher, bei gleicher Geschwindigkeit.
Turbinen, welche die Gezeitenströmung zur Energiegewinnung nutzen,
werden bereits in Deutschland gebaut und in Südkorea erprobt. Das
Küstenland Schleswig-Holstein sieht der Vielfalt
an Nutzungsmöglichkeiten der Meeresenergie seit Jahren nur zu. Alle
Anregungen wurden bisher vor allem mit dem Argument zurückgewiesen, der
Tidenhub sei zu gering. Dabei geht es gar nicht um Kraftwerke, die den
Tidenhub nutzen, sondern um Strömungskraftwerke.


Schleswig-Holstein beabsichtigt, vor allem
mithilfe von Windkraft, ein wenig Solarenergie und Biomasse, eine
100-prozentige Energieerzeugung sicherzustellen. Ein Teil dieser Energie
soll durch Windräder auf See, gewonnen werden. Die Bunderegierung
stellt für die ersten zehn Anlagen dieser Art ein Kreditvolumen von fünf
Milliarden Euro bereit. Um Schleswig-Holsteins
ehrgeiziges Ziel zu erreichen, soll die Fläche für Windkraftanlagen fast
verdoppelt werden - von derzeit rund 13 600 auf 22 800 Hektar. Bezogen
auf die Landesfläche mag das ein relativ geringer Prozentsatz sein. Er
liegt aber in etwa auf gleicher Höhe wie beispielsweise die
Verkehrsflächen, deren ökologische Folgen häufig beklagt werden. Mit den
Windrädern wird ein bisher noch nie da gewesener Raubbau an Natur und
Landschaft betrieben. Der ländliche Raum wird total umgestaltet. Werden
die Abstände der Windräder zueinander und zur Wohnbebauung mitgerechnet,
dann liegt nach Expertenmeinung der Raumverbrauch der Windenergie bei
durchschnittlich sechs bis sieben Hektar je Megawatt.


Hinzu kommen der Verlust an Flora und Fauna durch die weitere
Verinselung der Landschaft und den Vogelschlag. Er wird auf jährlich
250 000 Vögel geschätzt, darunter auch seltene Arten, wie Seeadler und
Nachtjäger wie Fledermäuse. Die Naturschutzverbände kennen das alles.
Sie sind bedauerlicherweise verstummt und richten ihren Ärger zurzeit
auf den Anbau von Mais für die Biogaserzeugung. Aber es brodelt gewaltig
unter dem Deckel, ganz besonders in den Dörfern. Die Windenergie sollte
deshalb nur eine Übergangstechnologie sein und die Forschung und
Erprobung von Alternativen endlich massiv in Angriff genommen werden.


Schleswig-Holstein ist wie kaum ein anderes
Bundesland in der glücklichen Lage, Meeresenergie zu nutzen. An die
Stelle von Ideologie sollte Ingenieurwissen treten, an die Stelle von
Ressortegoismen mindestens eine Stabstelle für Technologie-Innovationen,
die dem Ministerpräsidenten untersteht und die mit Weisungsrecht
gegenüber Ministerien ausgestaltet ist. Am Geld kann es nicht liegen. In
der Europäischen Union gibt es zum Beispiel das Forschungsprogramm
JOULE, der Bund hat ein sechstes Energieforschungsprogramm aufgelegt und
es gibt das Erneuerbare-Energiengesetz, in das
die Einspeisevergütung von Strom aus der Gezeitenströmung aufgenommen
werden könnte. Die Anträge müssten natürlich politisch begleitet,
kreativ formuliert und von dem unbedingten Willen getragen sein, das
Vorhaben zum Erfolg zu führen.


Am Eidersperrwerk könnte man zum Beispiel beginnen und in der Nähe
eine Forschungsstelle einrichten. Unser Nachbar Dänemark ist da schon
viel weiter. Dort ist man sicher, die Erfolge mit der Windenergie durch
die Erfolge bei der Nutzung der Meeresenergie wiederholen zu können.
Schleswig-Holstein ist bräsig geworden. Es
fehlen die großen Ideen und es fehlen die Persönlichkeiten, die dafür
kämpfen. Das Land hat wahrlich anderes verdient.


Dr. Peter Uwe Conrad
war Staatssekretär im Kieler Landwirtschaftsministerium, Ministerialdirigent im Schweriner Umweltministerium und als Energie- und Umweltberater in der Wirtschaft tätig.







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