Fast jede dritte Biogas-Anlage gefährlich
Kontrollen decken immer mehr Missstände bei Maissilage-Lagerung auf / Bauernverband: Gute Ernte lässt Speicherplatz knapp werden
Kiel
Die zwei Kreise mit den meisten Biogasanlagen im Land haben nach
anhaltenden Beschwerden damit begonnen, erstmals sämtliche Standorte im
Hinblick auf austretendes Sickerwasser zu kontrollieren. Die bisherigen
Erkenntnisse bestätigen die Befürchtung: Die zur umweltfreundlichen
Energieerzeugung gedachten Einrichtungen gefährden durch austretende
Flüssigkeit zunehmend Gewässer und Boden in Schleswig-Holstein.
Der Kreis Nordfriesland hat bei 70 bisher begutachteten Biogasanlagen
21 Fälle von Gewässerverunreinigungen festgestellt. 40 weitere
Überprüfungen sollen bis Ende des laufenden Quartals folgen – dann sind
dort sämtliche 110 Anlagen unter die Lupe genommen. Ursprünglich waren
die Wasserbau-Ingenieure nur bei Hinweisen aus
der Bevölkerung ausgerückt. „Nachdem sich bei solchen anlassbezogenen
Kontrollen gezeigt hat, dass da immer was war, sind wir zu einer
flächendeckenden Vorgehensweise übergegangen“, erklärt Kreis-Sprecher
Martin Slopianka. Die Schwere der festgestellten Verstöße sei
allerdings höchst unterschiedlich. Fünf Landwirte müssen ein Bußgeld
zahlen. Die Höhe reicht von 2000 bis 3000 Euro. Meistens geht es um eine
nicht sachgerechte Lagerung der Mais-Silage. Oft ist der dafür vorgeschriebene, teure Betonboden nicht groß oder dicht genug oder seine Abflüsse fehlerhaft.
Über noch mehr Biogasanlagen als die Nordfriesen verfügt mit 120 nur noch der Kreis Schleswig-Flensburg.
73 wurden bisher überprüft. Viermal deckten die Experten leichte Mängel
auf, viermal mittlere und viermal schwere. Die Vorkommnisse aus der
letzten Kategorie wurden der Polizei für strafrechtliche Ermittlungen
übergeben. Ob es zur Anklage kommt, hat die Staatsanwaltschaft noch
nicht entschieden. Neben einer möglichen Verurteilung besonders
schmerzhaft für die Betroffenen: In den vier schweren Fällen drohen den
Landwirten nach Angaben des Kreises Prämien-Kürzungen
durch die EU. Dass nicht noch mehr Missstände aufgedeckt worden sind,
erklärt Fachbereichsleiter Wilhelm Jähde damit, dass die Prüfer im
Frühsommer angekündigt hätten, in der Erntezeit ganz genau hinzugucken.
„Dadurch ist sicher schon einiges in Gang gekommen, ohne diese
Vorgeschichte hätte es wohl anders ausgesehen“, meint Jähde. Diese
kooperative Vorgehensweise erklärt er damit, „dass es uns nicht darum
geht, jemanden vorzuführen. Im Vordergrund steht für uns, dass die Dinge
zügig in Ordnung kommen.“
Bereits letzte Woche hatte der Kreis Rendsburg-Eckernförde
von 78 kontrollierten Biogasanlagen zwölf im Hinblick auf den
Gewässerschutz moniert, der Kreis Segeberg von 30 kontrollierten zehn.
Bedenken meldet auch der Kreis Ostholstein an. „Zwar haben wir das
Glück, mit nur 20 Biogasanlagen relativ wenige zu haben“, sagt der
Fachbereichsleiter für Bau und Umwelt, Bernd Straßburger. Einen
schweren, strafrechtlich relevanten Fall hat aber auch er gerade auf dem
Schreibtisch, in dem der Eigentümer zum Abpumpen und Ausheben eines
Grabens verpflichtet worden ist. Und sein genereller Eindruck lässt
Straßburger feststellen: „Die Erfahrungen zeigen, dass es einen
Regelungsbedarf gibt. Wir wünschen uns, dass das Land klarere Vorgaben
gibt.“ So sieht er kritisch, dass Kiel unter bestimmten Voraussetzungen
eine dreimonatige Zwischenlagerung von Silage ohne Mengenbegrenzung
erlaube.
Der sich zuspitzende Trend hat inzwischen durchaus das Umwelt- und
Landwirtschaftsministerium in Kiel alarmiert. Sprecher Christian Seyfert
erklärt: „Wir nehmen diese Hinweise sehr ernst. Sie sind für uns Anlass
für umfassendere Erhebungen, um einen detaillierteren Überblick zu
bekommen und gegebenenfalls weitere Schritte zu unternehmen.“ Seyfert
stellt klar: Das behelfsmäßige Anlegen von Feldsilage-Mieten
für Biogasanlagen, etwa wenn die genehmigten Lagerflächen wegen der
sehr reichhaltigen Ernte nicht ausreichen, ist nicht tolerierbar.“
Bauernverbands
-Sprecher Klaus Dahmke stellt
heraus: „Bei der Mehrzahl der landesweit 400 Biogasanlagen ist im Großen
und Ganzen alles in Ordnung.“ Dass sich die festgestellten Verstöße
häufen, erklärt er mit dem Zusammentreffen einer „überdurchschnittlich
guten Maisernte, für die der normale Lagerplatz offenbar nicht überall
ausreicht“ und den hohen Niederschlagsmengen, die Auswaschungen
befördern.
Frank Jung