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Nachhaltiger Irrsinn deutscher Energiepolitik

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nomos

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New PostErstellt: 09.01.11, 15:49  Betreff: Nachhaltiger Irrsinn deutscher Energiepolitik  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Ob Photovoltaik, "ÖKO"- oder "BIO" der deutsche Eifer verbunden mit ungebremster Gier schädigt die Ökologie und Biologie nachhaltig und verteuern die Energie zu Lasten der Menschen in Gegenwart und Zukunft. Der Dioxin-Skandal lässt grüßen und die Bauern fordern schon wieder Entschädigung. Wer entschädigt die Verbraucher, die Natur und Umwelt?  

Heute in der Sonntagszeitung "Sonntag Aktuell" (Auszug):

Immer mehr Landwirte pflanzen Mais an. Als Grund nennen Experten die Energieproduktion durch Biogasanlagen. Doch Umweltschützer sehen die Artenvielfalt in Gefahr.

Nach Angaben des Deutschen Raiffeisenverbands (DRV) hat sich die Anbaufläche von Silomais seit dem Jahr 2000 nahezu verdoppelt - von gut 1,1 Millionen Hektar auf knapp 1,9 Millionen Hektar im Jahr 2010. Man sehe derzeit einen „rapiden Flächenzuwachs", sagte Henning Ehlers, Experte für nachwachsende Rohstoffe beim DRV.

In Baden-Württemberg ist besonders die Rheinebene Maisland. Zwischen Lörrach und Offenburg werden schon heute zwischen 45 und 70 Prozent der Ackerflächen mit der Ackerfrucht bepflanzt. In den schwäbischen Mais-Hochburgen im Rems-Murr-Kreis, auf der Ostalb und um Ravensburg sind es immerhin noch bis zu 30 Prozent. Aber auch im Norden und Osten der Republik sind die Maisflächen stark gewachsen.

Der Grund für den Mais-Boom ist nach Auskunft von Landwirtschaftsexperten die staatliche Förderung von Biogasanlagen. Ein Großteil der Anlagen wird mit Mais als Gärmasse betrieben. So zahlt die Bundesregierung seit einem Fördergesetz aus dem Jahr 2004 jedem Landwirt, der Mais oder ähnliche Grünpflanzen in seinen Gärtanks verwendet, zur Standardförderung einen Extra-Obolus. Berlin wollte damit die Energieerzeugung aus erneuerbaren Rohstoffen steigern und gleichzeitig die ehrgeizigen Klimaziele der Europäischen Union erfüllen.

Doch Umweltschützer fürchten nun negative Auswirkungen auf die Umwelt. So zehren die schnell wachsenden Maispflanzen den Humusanteil in den Feldern in Rekordgeschwindigkeit aus. Zurück bleibt oftmals ein ein karger, erosionsanfälliger Boden. Außerdem werde es auf den großen Anbauflächen für die meisten Tier- und Pflanzenarten schwierig. Jedes neue Maisfeld bedeute einen „fatalen Verlust von Lebensraum" für eine Vielzahl von Tier- und Pflanzenarten, sagte Hannes Huber, der Sprecher des Naturschutzbundes Nabu Baden-Württemberg.

Auch der Getreideexperte Ehlers vom Raiffeisenverband kritisiert die „überdimensionierte" Förderung für nachwachsende Rohstoffe. So müsse der Mais für größere Gärkraftwerke mitunter aus weiterer Entfernung angefahren werden, weil die ortsnahe Produktion für den Bedarf nicht ausreiche. „Nachhaltigkeit sieht anders aus", sagte Ehlers.

Wenn Hannes Huber im Spätsommer mit seinem Fahrrad durch die badische Ortenau radelt, beschleicht ihn oft ein Gefühl der Beklemmung. Rechts und links der Feldwege nichts als Mais. Meterhoch und oft über Kilometer hinweg ragen die grünen Pflanzen in den Himmel. „Das ist wie in einem Tunnel", sagt der 33-jährige Sprecher des Naturschutzbundes Nabu Baden-Württemberg. „Von der Landschaft sieht man fast gar nichts mehr."

Deutschland vermaist. Überall in der Republik pflanzen Landwirte lieber das mexikanische Süßgras als heimischen Roggen, Gerste oder Radieschen. Mitunter ackern sie sogar seit Jahrzehnten stillgelegte Brachen oder ökologisch sensible Feuchtwiesen um, um darauf die Körnerfrucht zu pflanzen. Seit der Jahrtausendwende hat sich die Anbaufläche von Silomais in Deutschland quasi verdoppelt - auf knapp 1,9 Millionen Hektar Ende 2010. Keine andere Nutzpflanze erlebt derzeit einen ähnlich nachhaltigen Boom wie Mais, der vielen als Synonym für Monokulturen und industrielle Landwirtschaft gilt.

In Baden-Württemberg ist besonders die Rheinebene Maisland. Zwischen Lörrach und Offenburg werden schon heute zwischen 45 und 70 Prozent der Ackerflächen mit der Ackerfrucht bepflanzt. In den schwäbischen Maishochburgen im Rems-Murr-Kreis, auf der Ostalb und um Ravensburg sind es immerhin noch bis zu 30 Prozent.

Dabei führte die um 1500 von spanischen Amerika-Reisenden nach Europa gebrachte Pflanze auf dem Kontinent jahrhundertelang ein Schattendasein. Im späten Mittelalter und in der frühen Neuzeit brachte sie es über den Status eines exotischen Ziergewächses für Kleingartergourmets nicht hinaus. Noch Ende des 19. Jahrhunderts lag die ebenfalls aus Südamerika importierte Kartoffel in der Gunst der Bauern weit vorn. Mais brachte es dagegen, außer im klimatisch begünstigten Baden, auf nicht einmal ein Prozent der gesamten Ackerfläche. Erst als die Pflanzenzüchtung in den 1970er Jahren neue, kälteresistentere Sorten entwickelte, begann die körnige Ackerfrucht auch in Deutschland zum Liebling der Bauern zu werden.

Besonders im Norden Deutschlands nimmt die Landnahme der Riesenstängel derzeit exorbitante Ausmaße an. In Niedersachsen haben die Maisflächen allein in den vergangenen fünf Jahren um mehr als 40 Prozent zugenommen. Ähnlich sieht es in Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein oder Brandenburg aus. In klassischen Kartoffelregionen wie dem Landkreis Cloppenburg müssen Pommeshersteller ihren Rohstoffbedarf seit neuestem mit Importen decken. Der Grund: Die heimischen Bauern sind auf Mais umgestiegen.

Mit der Nahrungsmittelproduktion hat der Boom des Maises allerdings wenig zu tun. Grund sind vielmehr die herausragenden Eigenschaften des Gewächses als sogenannte Energiepflanze. Die sehr stärkehaltigen Kolben eignen sich nämlich vorzüglich als Gärmasse in riesigen Biogasanlagen, die seit einigen Jahren überall in Deutschland in Windeseile gebaut werden. Als sogenanntes Substrat, dem Normalo-Mix aus Gülle und Pflanzenresten zugegeben, sorgt Mais für ein sattes Plus in der Wirtschaftlichkeitsbilanz der Gärreaktoren. Mehr Watt durch Mais lautet daher das Credo vieler Biogaserzeuger.

Besonders der sogenannte Nawaro-Bonus ist es, der die Maisnachfrage in den letzten Jahren nach oben hat schnellen lassen. Über den 2004 per Gesetz eingeführten Anreizmechanismus wollte die Bundesregierung die Energieerzeugung aus erneuerbaren Rohstoffen steigern und damit gleichzeitig die ehrgeizigen Klimaziele der Europäischen Union einhalten. Jeder, der seit damals Mais oder ähnliche Grünpflanzen in seine Gärtanks kippt, bekommt zur Standardförderung einen satten Extra-Obolus obendrauf.

Langsam wird aber klar, dass die Politik mit ihrer Förderung ziemlich danebenlag. Speziell die Gratifikation für nachwachsende Rohstoffe zur Biogaserzeugung - die sogenannten Nawaros - sei „überdimensioniert", sagt etwa Henning Ehlers, Getreideexperte beim Deutschen Raiffeisenverband (DRV). Die Folgen nähmen teilweise absurde Züge an. Das Maisfutter für die Gärkraftwerke größerer Bauart müsse mittlerweile aus bis zu 70 Kilometer Entfernung herangekarrt werden, weil die heimische Produktion den Bedarf schlicht nicht mehr decken könne, weiß der DRV-Experte. Im mecklenburg-vorpommerschen Penkun - dort steht eine der größten Biogasanlagen der Republik - werde der Mais gar von jenseits der polnischen Grenze angeliefert. „Nachhaltigkeit sieht anders aus", gibt Ehlers zu bedenken.

Die ist offenbar auch aus einem anderen Gesichtspunkt heraus nicht gegeben. Die schnell wachsenden Maispflanzen zehren den Humusanteil im Boden in Rekordgeschwindigkeit aus. Zurück bleibt nicht selten karges, erosionsanfälliges Sediment. Wenn die Pflanze auf Moorböden wurzelt, bringt sie überdies den CO2-Haushalt der Felder durcheinander. Durch den Anbau werde dann mehr CO2 freigesetzt, als durch die spätere Energiegewinnung eingespart werde, gibt Naturschützer Huber zu bedenken. Auf den oft Zehntausende Quadratmeter großen Feldern wird es überdies für die meisten Tier- und Pflanzenarten eng. „In Maismonokulturen lebt eigentlich nicht mehr viel", sagt Huber.

Und auch viele Bauern bekommen zunehmend Probleme mit dem Mais. Weil die Betreiber der Biogasanlagen durch die staatlichen Subventionen viel höhere Pachtpreise für die Äcker zahlen können, schnappen die neuen Energiebarone den traditionell wirtschaftenden Landwirten immer öfter die besten Äcker weg. „In den Biogashochburgen ist ein Verdrängungswettbewerb um Land in Gang gekommen", sagt DRV-Fachmann Ehlers. Die Gewinner stehen fast immer fest: Die Biogasbauern.

Ist die Vermaisung noch zu stoppen? Fachmann Ehlers weiß es nicht. In der Politik werde schon darüber nachgedacht, die Maisförderung zurückzuschrauben. „Vielleicht bauen die Landwirte dann wieder mehr Kartoffeln an."

PS:
Was unter dem Siegel erneuerbarer Energien möglich ist

Kritisch äußerte sich Merkel zum Boom der Bioenergie, wo sich „schon hinreichend viele Konflikte“ andeuteten. Innovation per se sei nicht gut. „Denn wenn wir nur noch Maisfelder in Deutschland haben, dann ist man nicht glücklicher, als wenn eine ordentliche Fruchtfolge eingehalten würde. Ich meine, man muss sich schon wundern, dass unter dem Siegel der erneuerbaren Energien plötzlich Sachen möglich sind, die dem klassischen Landwirt früher um die Ohren gehauen worden wären“, sagte Merkel. Deswegen müsse man da schon ein bisschen genauer hinschauen. Ein Bekenntnis legte die aus Templin in der Uckermark stammende Regierungschefin zur Entwicklung des ländlichen Raums ab. Zwar verdienten in Deutschland lediglich 2 % der Bevölkerung ihr Geld mit der Landwirtschaft. Nicht dies sei jedoch der Maßstab, sondern vielmehr die kulturelle und wirtschaftliche Lage des ländlichen Raums. Dabei machte sie auf die starke Rationalisierung in der ostdeutschen Landwirtschaft nach dem Zusammenbruch der DDR aufmerksam, wo in den späten achtziger Jahren noch mehr als 10 % der Beschäftigten in der Landwirtschaft gearbeitet hatten. Merkel sieht hier „einen der dramatischsten Strukturwandel nach der Wiedervereinigung“. Die Ernährungswirtschaft in Deutschland sieht Merkel heute gut aufgestellt. Jeder vierte Euro werde im Ausland erlöst. Deutschland sei der drittgrößte Agrarexporteur und der zweitgrößte Agrarimporteur. „Unsere Weltoffenheit“ sei im landwirtschaftlichen Bereich sehr stark ausgeprägt.


Quelle agri V Raiffeisen



[editiert: 10.01.11, 10:44 von nomos]
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nomos

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New PostErstellt: 17.01.11, 09:29  Betreff: Re: Nachhaltiger Irrsinn deutscher Energiepolitik  drucken  weiterempfehlen

Leserbriefe dazu in der Sonntag Aktuell vom 16.01.11:


Die Landschaft verödet
Es wird höchste Zeit, dass der Umfang des Maisanbaus wieder reduziert wird. Die Landschaft verödet, der Spaziergänger wandert ohne Sicht in Schneisen von hässlichem Mais, die Artenvielfalt von Pflanzen und Tieren leidet, der Boden wird ausgelaugt. Damit nicht genug: Da wir immer weniger Nahrungsmittel anbauen und lieber Biomasse erzeugen, kaufen wir Getreide auf dem Weltmarkt und treiben die Preise in die Höhe.

Das trifft dann die Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern, die sich ihre Grundnahrungsmittel nicht mehr leisten können. Und noch schlimmer: Weltkonzerne kaufen gerade dort, wo Hunger herrscht, ganze Landstriche auf, um Biomasse zu erzeugen! Ein kaum zu überbietender Zynismus gegenüber der Milliarde Menschen auf der Erde, welche nach UN-Angaben Hunger leiden.
GÜNTER SEYFFERTH, STUTTGART
Wo bleibt der Aufschrei?

Vielen Dank für den Bericht. Er war lange überfällig. Ich frage mich: Wo bleibt der grüne Aufschrei, wo der Protest? Wahrscheinlich sind die zu sehr mit Demonstrationen gegen Stuttgart 21 und die Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke beschäftigt. Mir gibt der Bericht sehr zu denken. Auch auf der Gemarkung meines Wohnortes ist die Vermaisung des Ackerlandes sichtbar.
GERHARD STROHM, GROSSBOTTWAR


[editiert: 17.01.11, 09:32 von nomos]
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