Forum der BiGKU
Bürgerinitiative Gesundheit u. Klimaschutz Unterelbe/Brunsbüttel
 
Sie sind nicht eingeloggt.
LoginLogin Kostenlos anmeldenKostenlos anmelden
BeiträgeBeiträge SucheSuche HilfeHilfe
ChatChat VotesUmfragen FilesDateien CalendarKalender
Steigende Nitratbelastung des Grundwassers. WZ vom 28.10.2013

Anfang   zurück   weiter   Ende
Autor Beitrag
Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 30.10.13, 00:06  Betreff: Steigende Nitratbelastung des Grundwassers. WZ vom 28.10.2013  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Seite 1:

Biogasanlagen bringen Trinkwasser in Gefahr

Gärreste als Dünger: Kieler Experte warnt vor den Folgen der Nitrat-Belastung

Kiel /fju

Die Gärreste aus Schleswig-Holsteins
mittlerweile 630 Biogasanlagen drohen zum Risiko für die Gesundheit zu
werden: „Gemeinsam mit den herkömmlichen Güllemengen bringen sie die
Sicherheit des Grundwassers immer stärker in Gefahr“, warnt Professor
Friedhelm Taube von der Kieler Universität. Der Forscher, Mitglied im
Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für Agrarpolitik, hat in
einer neuen Studie errechnet: Die Biogas-Gärrückstände allein in Schleswig-Holstein
entsprechen dem Mist von 150 000 Kühen. Das wiederum ist so viel wie
ein Viertel des Gülleaufkommens in ganz Deutschland.


Zahlen des Kieler Umweltministeriums untermauern die Sorge Taubes: 22
von 55 Grundwasserkörpern im Hauptgrundwasserleiter befinden sich durch
Nitrat und teils auch Pflanzenschutzmittel in einem schlechten Zustand.
Das betrifft die Hälfte des Landes. Gemeldet werden dort
durchschnittlich mehr als 55 Milligramm Stickstoff pro Liter. Der
Grenzwert beträgt 50 Milligramm. Unter Grünland werden lediglich 20
Milligramm gemessen.


Die Erkenntnisse erneuern für Taube die Dringlichkeit, dass das
Ausbringen von Gärrückständen in der Düngemittelverordnung
berücksichtigt werden müsse. In einer Arbeitsgruppe von Bund und Ländern
ist dies Konsens; Schleswig-Holstein hat dazu eine Bundesrats-Initiative
gestartet. Bisher ist nur der Umgang mit Substraten tierischen
Ursprungs, also klassischer Gülle, begrenzt – auf maximal 170 Kilogramm
Nitrat pro Hektar und Jahr. Für pflanzliche Gärstoffe wie aus dem Mais
der Biogasanlagen gibt es keine Regeln.


Wenn ein Grenzwert wie für tierische Gülle kommt, prognostiziert Taube in seiner Studie für die Kreise Schleswig-Flensburg,
Nordfriesland und Steinburg gewaltige Überkapazitäten der Substrate:
Dort würde die landwirtschaftliche Nutzfläche nicht zur Ausbringung
reichen. Kostspielige, die CO2-Bilanz
belastende Transporte wären erforderlich. Die drei Kreise sind besonders
betroffen, weil sich dort auf der Geest die Problematik ballt: Dort
konzentrieren sich die Biogasanlagen, dort wird für sie auf
vergleichsweise schlechten Böden der anspruchslose Mais angebaut – und
dort werden sie meist in der Kombination mit Milchviehhaltung betrieben.
„Ausgerechnet der sandige Geestboden lässt aber das Nitrat mehr oder
weniger ungefiltert in die Tiefe sickern“, schildert Taube.
Verschlimmert werde die Misere durch den Expansionsdruck der
Milchviehbetriebe angesichts des Wegfalls der Milchquote. Das wiederum
erzeuge mehr herkömmliche Gülle. „Das Problem verschärft sich aus zwei
Richtungen.“


Umweltminister Robert Habeck (Grüne) fordert: „Die Landwirte in Schleswig-Holstein müssen effizienter düngen – dann können sie auch bei Düngemitteln sparen“.


Seite 4:



Studie: Bauern düngen zu viel

Wissenschaftler, Ministerium und Landwirte suchen Lösungen für steigende Nitratbelastung des Grundwassers

Kiel

Durch die intensivierte Rinderfütterung mit Mais und die Zunahme der
Biogasanlagen, die bevorzugt Mais als Gärsubstrat einsetzen, hat sich
die Maisanbaufläche in Schleswig-Holstein
zwischen 2003 und 2012 von 86 400 auf 181 000 Hektar nach Angaben des
Agrarministeriums mehr als verdoppelt. Grenzwerte für das Ausbringen
pflanzlicher Gärreste aus Biogasanlagen sind für Professor Friedhelm
Taube von der Kieler Christian-Albrechts-
Universität zwar ein wichtiger – keineswegs jedoch der einzige nötige
Schritt, um der sich verschärfenden Nitratbelastung des Grundwassers
Herr zu werden. Mehr Kontrollen mit Kostenbeteiligung der Landwirte,
kürzere Verwendungszeiten und eine bessere Beratung zählen zu den von
ihm empfohlenen Instrumenten.


„Noch gigantische Reserven“ sieht der Kieler Professor und
Sachverständige der Bundesregierung etwa darin, dass die Landwirte ihren
Umgang mit mineralischem Dünger optimieren. Die Forschung wisse seit 20
Jahren, dass dessen Verwendung längst nicht in dem einst empfohlenen
Umfang notwendig sei. „Doch in der Praxis halten sich noch immer
erhebliche traditionelle Elemente“, beklagt der Wissenschaftler. Zum
Beispiel sei längst erwiesen, dass Maisfelder allein mit Gärresten und
Gülle ohne Ertragsverlust gedüngt werden könnten. Forschungen hätten
ergeben: 70 Prozent der Maisbestände in Schleswig-Holstein würden sogar mit zu viel Stickstoff versorgt.


Durchaus reichen Taube zufolge auch eingeschränkte Zeiten. Er
fordert, dass das Ausbringen von Gülle und Gärresten auf die
Hauptwachszeit zwischen März und Juni beschränkt bleiben müsse. Zwar ist
es seit zwei Jahren verboten, die Stoffe nach der Ernte der Hauptfrucht
zu benutzen – „doch es gibt in Schleswig-Holstein immer noch etliche Bauern, die es trotzdem tun“, kritisiert der Wissenschaftler.


Zwar müssen die Höfe eine eine Bilanz darüber erstellen, wieviel
Dünger sie einsetzen und wieviel Stickstoff ihre Erträge enthalten. Es
würden aber nur ein Prozent der Betriebe kontrolliert – und bei 30
Prozent der Kontrollierten hätten sich Fehler herausgestellt, moniert
Taube. Er empfiehlt eine Beratungspflicht für den Umgang mit
Düngemitteln zumindest für Bauern, bei denen Mängel aufgedeckt werden.


Auch gelte es, bei den Ackerbauern in der Marsch und im Östlichen
Hügelland Akzeptanz für das Düngen mit Gülle und Gärresten zu schaffen.
Dort beobachtet er bisher eine einseitige Bevorzugung von Mineraldünger.
Nur, wenn sich im Westen und im Osten des Landes mehr Abnehmer finden,
sieht Taube eine Lösung für die Gülle- und Gärstoffüberschüsse auf der
Geest. Mittelfristig wirbt er sogar dafür, zur Entzerrung der
Problematik die – meist mit Biogasanlagen und Maisanbau kombinierte –
Milchviehhaltung in der Mitte des Landes nicht zu erweitern. Stattdessen
solle sie zum Teil in die traditionellen Ackerbauregionen in Marsch und
Östlichem Hügelland auswandern. Das sei aber ein langfristiger Prozess.


Umwelt- und Agrarminister Robert Habeck (Grüne) schließt sich Taube in soweit an als er feststellt: „Die Landwirte in Schleswig-Holstein
müssen effizienter düngen – dann können sie auch bei Düngemitteln
sparen“. Derzeit werde zu viel gedüngt. „Das gefährdet das Trinkwasser
künftiger Generationen“, warnt der Minister. Zugleich betont sein Haus,
dass die Trinkwasser-Qualität im Land derzeit
insgesamt gut sei. Allerdings bestehe die Gefahr, dass es bei
anhaltenden Nitrateinträgen auch zu Grenzwertüberschreitung in tieferen
Grundwasserschichten kommt – und damit das Trinkwasser beeinträchtigt
wird. Neben mehr Beratung und einer von ihm auf Bundesebene unterstützen
Verschärfung der Düngeverordnung setzt Habeck auch auf die Allianz für
Gewässerschutz, die er mit dem Bauernverband verabredet hat. Ein
Baustein: Landwirte stellen freiwillig breite Gewässerrandstreifen ohne
Düngung zur Verfügung, für die sie eine Entschädigung bekommen.


Heute wollen die Partner der Allianz bei einem Treffen das weitere Vorgehen abstimmen. Nach Auskunft von Bauernverbands-Sprecher
Klaus Dahmke werde dabei auch über Taubes Studie zum Umgang mit den
Gärrückständen diskutiert. Für Dahmke geht es „vor allem um eine Frage
der räumlichen Verteilung“. Aufs ganze Land bezogen, erkennt er kein
Flächenproblem. Zugleich verweist er darauf, dass mit herkömmlicher
Gülle weniger gedüngt werde als noch vor wenigen Jahren – die Grenzwerte
seien auf 170 Kilogramm pro Hektar heruntergestuft worden. „Wenn in
Frage gestellt werde, ob die Landwirte das überall einhalten, soll die
Verwaltung das öfter überprüfen.“ Grundsätzlich ist ihm wichtig: „Gülle
ist wirtschaftlich hochwertig. Mich stört die oft geäußerte Sichtweise,
dass es dabei um Entsorgen gehe.“
Frank Jung






Stichwort Nitrate 
Nitrate
sind Salze, die aus Sauerstoff und Stickstoff zusammengesetzt sind. In
der Landwirtschaft ist Nitrat wichtiger Bestandteil von Düngemitteln. Es
dient Pflanzen als Stickstofflieferant – sie benötigen es zum Aufbau
von Eiweiß. Zwar ist Nitrat selbst ungiftig. Über die Nahrung und
Trinkwasser aufgenommen kann es jedoch selbst noch im Körper durch
Bakterien in gesundheitsschädliches Nitrit umgewandelt werden. Vor allem
bei Säuglingen kann Nitrit die Bildung von roten Blutkörperchen
verhindern („Säuglingsblausucht“). Im Magen kann Nitrit zudem in Studien
zufolge krebserregende Nitrosamine umgewandelt werden.







nach oben
Benutzerprofil anzeigen Private Nachricht an dieses Mitglied senden
Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 30.10.13, 00:11  Betreff: Re: Steigende Nitratbelastung des Grundwassers. WZ vom 28.10.2013  drucken  weiterempfehlen

Kommentar von Seite 2:



Ohne Grenzwerte geht es nicht

Um die Gesundheit zu schützen, müssen auch für das Düngen mit Gärstoffen aus Biogasanlagen Regeln gelten

Frank Jung

Nein, es geht nicht um pauschale Bauern-Schelte.
Es geht um den Schutz der Gesundheit aller, der von Landwirten
eingeschlossen. Narrenfreiheit beim Düngen mit Gärresten aus
Biogasanlagen darf es angesichts der inzwischen gewaltigen Mengen nicht
mehr geben. Sonst wird es nie etwas mit einer niedrigeren
Nitratbelastung des Grundwassers. Die ist aber erforderlich, um
langfristig Belastungen des Trinkwassers auszuschließen. Zu viel
Stickstoff darin behindert die Schilddrüse und steht im Verdacht, Krebs
zu erregen.


Deshalb ist das Ausbringen von Gülle aus tierischen Ausscheidungen
schließlich auch gesetzlich begrenzt. Dass dies für das Düngen mit
ebenso nitrathaltigen Gärrückständen pflanzlicher Herkunft jedoch nicht
gilt, ist widersinnig und allein historischen Gründen geschuldet: Als
die Düngeverordnung zuletzt 2005 geändert wurde, gab es längst nicht so
viele Biogaserzeuger wie heute. Geradezu absurd mutet die Regelungslücke
angesichts des Gülle-Bonus’ ein, mit dem seit 2009 der Bau von Biogasanlagen nochmal zusätzlich gefördert wird: Wer sich verpflichtet, in seinem Öko-Kraftwerk mindestens 30 Prozent Gülle zu verwenden – damit davon weniger auf dem Acker landet – erhält einen Extra-Zuschuss.
Verkehrte Welt: Wenn dann aber am Ende umso mehr Stickstoff aus
Gärsubstrat in unbegrenzter Menge ausgebracht werden darf – dann hat der
Gülle-Bonus das Gegenteil seines Zwecks
erreicht. So schädigt die Energiewende die Ökologie. Der Umwelt ist es
egal, woher das Zuviel an Stickstoff kommt.


Dass ein EU-Bericht erst vor wenigen Tagen Deutschland mit Malta die ungünstigsten Nitrat-Werte im Grundwasser in ganz Europa bescheinigt hat, sollte Anlass genug für eine Kehrtwende sein. Gerade für Schleswig-Holstein
ist es ein besonderes Anliegen. Außer in Niedersachsen ballen sich
deutschlandweit nirgends so gigantische Mengen an Gülle und Gärresten.


Wie man mit überschüssigen Gärrückständen umgeht, wird der
Landwirtschaft im Norden neue Konzepte abverlangen. Unweigerlich wird
dies für Betreiber von Biogasanlagen mit einem Organisations- und
Kostenaufwand einhergehen. Als Gegenleistung zu der sehr großzügigen
Förderung durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz erscheint das aber als zumutbar.







nach oben
Benutzerprofil anzeigen Private Nachricht an dieses Mitglied senden
Sortierung ndern:  
Anfang   zurück   weiter   Ende
Seite 1 von 1
Gehe zu:   
Search

powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos

Layout © Karl Tauber