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Strom aus heißer Luft. WZ vom 20.03.2009

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Autor Beitrag
Claudia

Beiträge: 4532

BI Teilnehmernummer: 106

New PostErstellt: 20.03.09, 23:25  Betreff: Strom aus heißer Luft. WZ vom 20.03.2009  drucken  weiterempfehlen



Aus der Serie: "Tolle Idee! Was wurde daraus?"

Strom aus heißer Luft


Vom Börsenmakler zum Ökovisionär. Die Wende, die Roger Davey aus
Melbourne mit Mitte 50 vollzog, war ebenso gewagt wie das Projekt, mit
dem er Geschichte schreiben wollte. Mit seiner Firma Enviromission
wollte er im australischen Outback ein Megaprojekt in Sachen
erneuerbare Energie verwirklichen: Das weltweit erste kommerzielle
Aufwindkraftwerk. Ein 1000 Meter hoher Betonturm, umringt von einem
Gewächshaus mit sieben Kilometern Durchmesser. Die unter dem Glasdach
von der Sonne erwärmte Luft sollte durch den Kamin nach oben zischen.
Berechnungen zufolge sollte dabei ausreichend Sog entstehen, um 32
Windturbinen anzutreiben.


Strom aus heißer Luft? Wer Davey 2004 in Melbourne besuchte, traf
einen leise, aber eindringlich redenden Mann um die 60, der mit
funkelnden Augen für seine Vision warb. „Es wird ein Symbol der
Ingenieurskunst sein, ein neues Wahrzeichen Australiens und ein
Plädoyer für die Nutzung erneuerbarer Energien“, schwärmte der Ex-Börsianer damals.


Die Zeit schien reif für das gigantische Aufwindkraftwerk, das
Sonnenwärme in Wind und diesen in Strom verwandeln sollte. Dass die
Idee im Prinzip funktioniert, hatte ein Prototyp im spanischen
Manzanares gezeigt. Mit Fördergeldern vom Bundesforschungsministerium
hatte das Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich-Bergermann
dort 1982 einen 200 Meter hohen Turm errichtet und seinen Fuß mit einem
transparenten Dach von 244 Metern Durchmesser umringt. Bei Sonnenschein
entstand unter dem kreisförmigen Dach ein Wind, der durch den Kamin im
Zentrum nach oben pfiff und sieben Jahre lang eine Turbine antrieb.


Von Fördermitteln der australischen Regierung ermutigt, begann Roger
Davey vor zehn Jahren eine ähnliche Windmaschine im Outback zu planen.
Nur viel viel größer. „Mit einem Kilometer Höhe wird unser Solarturm
das höchste Bauwerk der Welt sein“, erklärte Roger Davey seinerzeit.
Das Grundstück für das gigantische Aufwindkraftwerk hatte er da bereits
gekauft. Es liegt vier Autostunden nördlich von Melbourne, auf dem
Gelände einer ehemaligen Schaffarm. Mit den geplanten 200 Megawatt
Ausgangsleistung wolle man ab 2009 rund 200 000 Haushalte mit Strom
versorgen, verkündete Roger Davey 2004: „Es ist ein ziemlich großes
Projekt.“


Ziemlich groß war auch die für den Bau veranschlagte Summe: 600
Millionen Euro. Immerhin schien das Ganze prinzipiell machbar. Das
beauftragte Bauunternehmen bestätigte, die Anlage bauen zu können. Die
Technik war simpel, versprach geringen Wartungsbedarf und Strom für 10
Cent pro Kilowattstunde. 2004 gab sich Enviromission-Chef Davey deshalb noch optimistisch, Geldgeber zu finden. Doch auf die wartet man in Melbourne bis heute.


Rudolf Bergermann wundert das nicht. Der damals an der Planung beteiligte Experte vom Stuttgarter Ingenieurbüro Schlaich-Bergermann, das weltweit Brücken und Stadiondächer (zum Beispiel das Zeltdach des Münchner Olympia-Stadions)
baut, erklärt heute: Schon 2003 sei klar gewesen, dass das Projekt zum
Scheitern verurteilt ist – nicht aus technischen, sondern aus
wirtschaftlichen Gründen. „Bei normalen Finanzierungsbedingungen wären
wir mit den Einnahmen, die in Australien garantiert waren, zurecht
gekommen“, erinnert sich Bergermann. „Die Investoren haben dann aber
hohe Risikozuschläge für die erste Anlage gemacht. Damit hat es sich
nicht mehr gerechnet.“


Davey versuchte daraufhin, mit einer abgespeckten 50 Megawatt-Variante
seiner Vision doch noch ins Geschäft zu kommen. Ohne Erfolg, denn die
Wirtschaftlichkeitsanalysen sprechen bei Aufwindkraftwerken eine klare
Sprache: Man muss sie entweder richtig groß bauen oder besser gar
nicht. Auch ein angeblich viel versprechendes Projekt bei Shanghai
verlief im Sand. Nichts als heiße Luft also?


Laut Enviromission-Geschäftsbericht betrug
Roger Daveys Jahresgehalt 2008 gut 125 000 Euro. Projekte in
Nordamerika sollen nun endlich den Durchbruch bringen, verspricht er
seinen Aktionären. Für einen CNN-Fernsehfilm schwebte der Ex-Börsianer 2007 in einem Heißluft-Ballon
über jenes Fleckchen australischer Erde, wo sein Traum Wirklichkeit
werden sollte. Vermutlich um symbolträchtig zu suggerieren, die tolle
Idee, Strom aus heißer Luft zu machen, werde doch noch Fliegen lernen.
Nüchternen Zuschauern drängte sich allerdings eher der Eindruck auf,
dass da einer jede Bodenhaftung verloren hat. Schon vor Jahren hat
Rudolf Bergermann aus Stuttgart jegliche Zusammenarbeit mit dem
Australier eingestellt. An die Idee glaubt er aber immer noch. Die
aktuellen Bemühungen eines südafrikanischen Unternehmens, Milliarden
für den Bau eines 1,5 Kilometer hohen 400 Megawatt-Solarturms
in Namibia einzuwerben, hält er jedoch für wenig hilfreich. „Die
Aktivitäten aus Australien und jetzt auch die aus Namibia schaden den
Aufwindkraftwerken ganz arg“, sagt Bergermann. Projekte, die erst
jahrelang für Schlagzeilen sorgen und dann in aller Stille begraben
werden, schädigten den Ruf einer nach wie vor viel versprechenden
Technologie.


Aktuellen Analysen der Stuttgarter Ingenieure zufolge könnte eine 200 Megawatt-Sogmaschine
Strom zu vergleichbaren Kosten produzieren wie heutige Kohle- und
Gaskraftwerke. Um das zu beweisen, bräuchten sie aber Geldgeber, die
700 Millionen Euro vorstrecken. Doch solche Leute setzen lieber auf
bewährte Technologien.


Bergermann weiß, dass ihm bei den Aufwindkraftwerken allmählich die
Felle davon schwimmen: „Das ist unser Problem, ganz eindeutig: Uns
läuft da die Zeit davon“, sagt er. Um besser spät als nie zu starten,
planen die Stuttgarter jetzt kleinere 50 Megawatt-Kraftwerke. Die würden nur halb so viel kosten wie eine 200 Megawatt-Windmaschine
und Strom für rund 20 Cent je Kilowattstunde liefern. Dank großzügiger
Einspeisevergütungen in Spanien und anderswo, wäre das immer noch
lukrativ. Es könnte die letzte Chance sein. Wenn nicht bald ein
kommerzielles Aufwindkraftwerk ans Netz geht, dürfte die Technologie
für immer gestorben sein.


Ralf Krauter

[] Internet: www.dradio.de 




 





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