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Rechtsruck der Gesellschaft in Deutschland und Europa

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Eva S.
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Beiträge: 6549
Ort: bei München


New PostErstellt: 14.10.10, 03:00  Betreff: Rechtsruck der Gesellschaft in Deutschland und Europa  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

Hallo @ll,

einseitige Integrationsdebatte, noch mehr Herumtrampeln auf Hartz-IV-Empfängern, Wiederaufleben der Nazi-Rassenlehre, wenn auch in einem etwas geänderten Gewand, Vertreibung der Roma in Frankreich, Aufwind für rechtspopulistische Parteien wie z. B. in den Niederlanden - die Gesellschaft ist mehrheitlich wieder rechts außen angekommen und das nicht erst nach Thilo Sarrazins Thesen.

Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung ergab u. a., dass sich mehr als 10 % der Deutschen wieder einen Führer wünschen, welcher mit "starker Hand regiert" und halten die Diktatur für die bessere Staatsform. Gut 25 % wünschen sich laut Studie eine "starke Partei", die die "Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert". 58,4 % der Deutschen pfeiffen auf die im Grundgesetz garantierte Religionsfreiheit und möchten die Ausübung der islamischen Religion hier im Lande einschränken; mehr als 30 % glauben, dass Ausländer (überwiegend sind hier abermals die Moslems gemeint) nur in unsere Sozialsysteme einwandern wollen und darüber hinaus Deutschland an Überfremdung leidet.

Mir machen solche Äußerungen wirklich Angst. Zeigen sie erstens, dass die Masse sich nach wie vor beliebig instrumentalisieren lässt und der größte Teil nach wie vor bei Krisen lieber Sündenböcke sucht anstatt über wirkliche Ursachen nachzudenken.

Besonders deutlich wird das bei Sarrazins Thesen. Als vor gar nicht so langer Zeit Sarrazin über Hartz-IV-Empfänger (einschl. der deutschen) herzog, ihnen vorrechnete dass man mit nicht einmal 4,-- Euro pro Tag sich gesund ernähren kann (wobei diese "gesunde Ernährung" u. a. aus Bratwurst mit Sauerkraut bestand) und ihnen warme Pullover empfohl, damit die Wohnungstemperatur von gerade mal 15°C nicht überschritten werden muss um Heizkosten zu sparen, war die Empörung in der Bevölkerung (zurecht) noch groß.

Aber Sarrazin ist ja lernfähig und so schoss er sich auf Muslime ein und wurde damit zum Märtyrer hochstilisiert! Plötzlich war "rechtsextrem" gesellschaftsfähig. Was aber noch viel schlimmer ist, dass seitens der Sarrazin-Anhänger nicht einmal zugegeben wird, rechts außen zu sein.

So blendeten seine Fans die unsäglichen "Gen-Theorien" (Nazirassenideologie im neuen Gewand) einfach aus. Darauf angesprochen wichen sie immer auf die Integrationsproblematik aus. Dass für Sarrazin aber nicht "nur" Muslime die schlechteren Gene sondern generell die sozial Schwachen haben - für Sarrazin existiert so etwas wie ein "Dummsein-Gen" - wurde ebenfalls übersehen.

Sarrazin wurde zum Märtyrer der Meinungsfreiheit hochgejubelt und so getan, als hätte der Mann nicht öffentlich auftreten und für sein Buch werben dürfen und/ oder als wäre sein Buch verboten und die sich bereits im Umlauf befindlichen Exemplare verbrannt worden.

Was mich hier besonders erschüttert - es wird wieder einmal eine Minderheit - die extremen, tatsächlich nicht integrationswilligen Muslime - zur Mehrheit erhoben. Ich frage mich wirklich, wer alles von den Sarrazin-Fans überhaupt Kontakt mit Muslimen hat/te, um wirklich beurteilen zu können, wie diese Menschen sind. Meine persönliche Erfahrung mit Muslime war überwiegend positiv. Nach Sarrazin und Co. dürfte das aber nicht sein.

Ja - es gibt sie, diese Parallelgesellschaften, aber eben nicht nur bei Muslimen (man denke zum Beispiel an die Chinatowns in den USA). Darüber hinaus ist unsere Politik, aber auch unsere Gesellschaft mit schuld, dass es überhaupt solche Parallelgesellschaften gibt. So gab es zum Beispiel unter anderem Anweisungen, dass Einwanderer nur in bestimmte Stadtviertel wie z. B. Berlin-Kreuzberg ziehen durften. Aber auch dort, wo es solche Beschränkungen nicht gab, hatten Deutsche nichts besseres zu tun, als gleich wegzuziehen, sobald z. B. türkische Einwanderer ins Viertel zogen.

Heutzutage wird schon an der nächsten Parallelgesellschaft gearbeitet - die, der Hartz-IV-empfänger. Sie sind angehalten, sich "angemessenen Wohnraum" zu suchen - was als angemessen gilt, bestimmt der Staat. Es ist egal, ob und wie lange ein Hartz-IV-empfänger einer Erwerbsarbeit nachging - es gibt eine feste Wohnkostenpauschale und so sind viele gezwungen, ins "Glasscherbenviertel" zu ziehen, weil die ursprüngliche Wohnung nicht mehr bezahlbar ist. Das wirklich Paradoxe ist jedoch, dass gerade deutsche Hartz-IV-empfänger zu den glühendsten Anhängern von Sarrazin und Co. gehören!

Dennoch vollzog/ vollzieht sich dieser Rechtsruck nicht "nur" in Deutschland, wo noch das Problem hinzu kommt, dass keiner "rechts außen" sein will, also nicht wirklich zu seinen Überzeugungen steht, sondern sich mehrheitlich beschwert, immer gleich in die (schmuddelige) "rechte Ecke" gestellt zu werden. Somit artet jede Integrationsdebatte weitgehend in Heuchelei aus, eine sachliche Debatte über Integrationsprobleme ist dann auch nicht mehr möglich.

Nervig finde ich auch, wenn explizit von "Ausländerkriminalität" gesprochen wird. Warum spricht man nicht einfach von Kriminalität? Warum, wie heute wieder bei "Hart aber fair" geschehen, wird explizit betont, dass man doch darauf hinweisen muss, wenn ein türkischer Vater seinen Sohn verprügelt? Das kommt bei mir so rüber, als wenn es zwar nicht o.k. ist, wenn ein türkischer Vater seinen Sohn verprügelt, ein deutscher Vater das aber darf. Genügt es nicht einfach (zurecht) zu rügen bzw. darauf aufmerksam zu machen, dass ein Vater seinen Sohn verprügelt??? Gibt es insgesamt keine deutschen Kriminellen mehr, dass man ständig Ausländerkriminalität betont? Kriminell bleibt kriminell, egal welcher Kultur oder Staatsangehörigkeit der Kriminelle angehört - so einfach ist das! Jegliche explizite Unterscheidung nach Kultur/ Staatsangehörigkeit ist eigentlich schon wieder Rassismus.

Andere europäische Länder haben weniger Berührungsängste mit "rechts außen" sein, wie z. B. die Niederlande oder Österreich. Der Rechtsruck ist zwar auch hier erschreckend, aber es wird zumindest zugegeben, dass man die vermeintlich Schuldigen ausgemacht hat und so ganz offen seine Ressentiments pflegt und sich so wenigstens weitgehend die (deutsche) Heuchelei spart, welche sich u. a. in dem in der letzten Zeit beliebten Satz "man muss doch sagen dürfen" äußert.

Insgesamt kann man aber an dieser Entwicklung sehen, wie leicht sich Menschen instrumentalisieren und verhetzen lassen. Nicht Muslime oder sozial Schwache haben die gegenwärtige Krise ausgelöst, sondern gierige Banker, Börsenzocker und Spekulanten! Man kann auch sehen, dass der Kapitalismus am Ende ist. Aber genau das wollen die meisten nicht sehen. Kaum geht es etwas schlechter, werden marktschreierisch wieder Ressentiments gepflegt und verbreitet. Man gebe dem Volk ein Feindbild und schon kann man weiter machen wie bisher - "teile und herrsche" funktioniert immer noch bestens - leider! Vor über 70 Jahren führte dies zum Zweiten Weltkrieg und brachte Leid über Millionen - und heute?

Liebe Grüße,
Eva

Politik muss aufhören, auf die Industrie zu hören, sie muss auf die Menschen hören. (Bassey, Umweltschützer aus Nigeria)
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Viele kleine Leute, in vielen kleinen Orten, die viele kleine Dinge tun, können das Gesicht der Welt verändern. (Spruchweisheit der Mandika, Afrika)
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Eva S.
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Ort: bei München


New PostErstellt: 28.12.10, 01:05  Betreff: Re: Rechtsruck der Gesellschaft in Deutschland und Europa  drucken  weiterempfehlen

Passend zum Thema ein sehr guter Artikel bei Telepolis:

http://www.heise.de/tp/r4/artikel/33/33857/1.html

Diese Entwicklung macht mir wirklich Angst, da es definitiv Parallelen zur Vorgeschichte des Dritten Reiches gibt.

Liebe Grüße,
Eva

Es ist unglaublich, dass nichts von dem, was man geschichtlich für überholt hielt, wirklich verschwunden ist. Alles ist da, bereit zur Wiederauferstehung. (Jean Boudrillard - Die Illusion des Endes)
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