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lilu
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New PostErstellt: 08.12.09, 19:13     Betreff: Re: Afghanistan

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Malalai Dschoja
Ich erhebe meine Stimme

Malalai Dschoja ist die jüngste und freimütigste Parlamentarierin Afghanistans. Sie hat die Kriegsherren, die von den USA unterstützt werden und das afghanische Parlament beherrschen, offen angegriffen. Seitdem erhielt sie eine ununterbrochene Folge von Morddrohungen.
Orginalartikel: A Woman Among Warlords: The Extraordinary Story of an Afghan Who Dared to Raise Her Voice
Übersetzt von: Andrea Noll

Quelle: Znet

Dieser Artikel ist im Original mit Hilfe von Derrick O’Keefe entstanden.

‘A Woman Among Warlords: The Extraordinary Story of an Afghan Woman to Raise Her Voice’ von Malalai Joya (Dschoja) und Derrick O’Keefe (Scribner-Verlag, 2009). Auf Deutsch erschienen: ‘Ich erhebe meine Stimme’ Malalai Joya (2009).

Ich komme aus einem tragischen Land. Es heißt Afghanistan.

Mein Leben hat einige außergewöhnliche Wendungen genommen, und doch ist meine Geschichte in vielerlei Hinsicht die Geschichte meiner Generation. Ich bin 30 Jahre alt. Schon seit ich geboren wurde, leidet mein Land unter der Geißel des Krieges. Die meisten Afghanen meines Alters – oder jüngere - kennen Blutvergießen, Besatzung und Vertreibung. Als ich noch ein Baby in den Armen meiner Mutter war, marschierten die Sowjets in mein Land ein. Als ich vier Jahre alt war, sah sich meine Familie gezwungen, in den Iran zu flüchten. Später lebten wir in Pakistan. Millionen Afghanen wurden getötet oder ins Exil getrieben. Meine Familie floh in den von kriegsgebeutelten 80ger Jahren. Als die Russen abzogen und ihr Marionettenregime gestürzt wurde, sahen wir uns mit einem furchtbaren Bürgerkrieg zwischen fundamentalistischen Kriegsherren konfrontiert. Dann kam die Herrschaft der rückschrittlichen, mittelalterlichen Taliban.

Nach der Tragödie vom 11. September 2001 und dem darauf folgenden Sturz der Taliban glaubten viele Afghanen, endlich ein wenig Licht am Ende des Tunnels zu sehen – Zukunft und ein gewisses Maß an Gerechtigkeit. Doch es sollte nicht sein. Wieder einmal wurde das afghanische Volk betrogen – diesmal von jenen, die behaupteten, ihm helfen zu wollen. Mehr als sieben Jahre sind seit der US-Invasion vergangen. Noch immer sehen wir uns mit einer ausländischen Besatzung konfrontiert und mit einer von den USA gestützten Regierung, voller Kriegsherren, die nicht besser sind als die Taliban. Anstatt diese ruchlosen Killer für ihre Kriegsverbrechen vor Gericht zu bringen, haben die USA und ihre Verbündeten sie mit mächtigen Ämtern ausgestattet, so dass sie einfache Afghanen weiter terrorisieren können.

Vielleicht schockt es Sie, das zu hören – denn die Wahrheit über Afghanistan wird versteckt hinter Rauchschwaben aus Worten und Bildern, die die USA und deren Nato-Verbündete sorgfaltig geschaffen haben, häufig unkommentiert von den westlichen Medien. Vielleicht haben Sie sich einreden lassen, dass – gleich nach dem Sturz der Taliban -, die Gerechtigkeit einzog in Afghanistan. Afghanische Frauen wie ich, die wählen gehen und sich selbst wählen lassen, müssen als Beweis herhalten, dass das amerikanische Militär Afghanistan die Demokratie und den Frauen die Frauenrechte gebracht hat. Doch das alles ist Lüge. Man streut der Welt Sand in die Augen.

Ich bin das jüngste Mitglied des Afghanischen Parlamentes. Doch mein Abgeordnetensitz wird mir verwehrt. Man hat mich mit dem Tod bedroht. Warum? Weil ich die Wahrheit sage – über die Kriegsherren und die Kriminellen in der Marionettenregierung von Hamid Karsai. Ich habe mindestens fünf Attentate – und unzählige geplante Anschläge – überlebt. Aus diesem Grund bin ich gezwungen, im eigenen Land als Flüchtling zu leben. Ein Onkel, dem ich vertraue, managt die Details, was meine Leibwächter angeht. Wir ziehen von Haus zu Haus – fast jede Nacht – um den Feinden immer einen Schritt voraus zu sein.

Um meine Identität zu schützen, muss ich mich unter einem dieser schweren Tücher – Burka genannt – verbergen. Für mich ist die Burka ein Symbol der Unterdrückung der Frau. Es ist wie ein Leichentuch für den lebendigen Leib. Selbst während der dunklen Zeit der Taliban war es mir zumindest möglich, nach draußen zu gehen und in Geheimschulen Mädchen zu unterrichten. Heute fühle ich mich selbst unter der Burka nicht mehr sicher – nicht einmal in Begleitung der Bodyguards. Besucher werden nach Waffen durchsucht. Selbst die Blumen bei meiner Hochzeit wurden nach Bomben durchsucht. Ich kann Ihnen meinen Familiennamen nicht nennen – auch nicht den Namen meines Ehemannes – weil ich sie dadurch in höchste Gefahr bringen würde. Aus diesem Grund verwende ich in diesem Buch unterschiedliche Namen. Den Namen ‘Joya’ (Dschoja) legte ich mir zur Zeit der Taliban als mein Alias zu. Damals war ich Untergrundaktivistin. Der Name Joya hat in unserem Land große Bedeutung. Es gab einmal einen berühmten afghanischen Schriftsteller und Poeten namens Sarwar Joya. Er lebte im Zwanzigsten Jahrhundert. In den 20ger Jahren setzte er sich für die Verfassung ein und kämpfte gegen Unrecht. Fast 24 Jahre seines Lebens verbrachte er im Gefängnis. Weil er seine demokratischen Prinzipien nicht opfern wollte, töteten sie ihn.

Das kann ich nachempfinden. Auch ich weigere mich, meinen Widerstand gegen die Warlords und die Fundamentalisten aufzugeben oder sie mit weniger harschen Worten anzugreifen. Vielleicht werde ich eines Tages, so wie Joya, auf der langen Liste der Afghanen zu finden sein, die für die Freiheit gestorben sind. Wenn es um die Wahrheit geht, gilt es, keine Kompromisse zu machen. Ich fürchte mich nicht vor einem frühen Tod – sollte er dazu beitragen, die Sache der Freiheit voranzubringen. Selbst das Grab wird mich nicht zum Schweigen bringen, denn andere werden die Sache für mich weiter vertreten. Das Traurige an Afghanistan ist, dass die Ermordung einer Frau hier wie das Töten eines Vogels ist. Die USA haben versucht, ihre Besatzung rhetorisch zu rechtfertigen und sprachen von der „Befreiung“ der afghanischen Frauen. Dabei sind wir in unserem Land noch immer eingesperrt wie in einem Käfig. Wir haben keinen Zugang zum Recht und werden nach wie vor von frauenfeindlichen Kriminellen regiert. Die Fundamentalisten predigen nach wie vor, die „Frau gehört in ihr Haus oder ins Grab“. An vielen Orten ist es für eine Frau immer noch gefährlich, sich unverschleiert in der Öffentlichkeit zu zeigen oder ohne einen männlichen Verwandten auf die Straße zu gehen. Jeden Tag kommt es zu Vergewaltigungen, die nicht geahndet werden.

Unser Leben in Afghanistan ist kurz und oft durch Gewalt, Verlust und Angst geprägt. Das gilt sowohl für Frauen als auch für Männer. Die Lebenserwartung liegt unter 45 Jahren. Im Westen würde man von der ‘mittleren Lebensphase’ sprechen. Wir leben in verzweifelter Armut. Es ist unglaublich: 70% der afghanischen Bevölkerung leben von weniger als 2 Dollar am Tag. Laut Schätzungen sind etwas mehr als die Hälfte aller afghanischen Männer und 80 Prozent der Frauen Analphabeten. In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich Hunderte Frauen selbst verbrannt – sie haben sich buchstäblich verbrannt, bis sie tot waren. Auf diese Weise wollten sie ihrem Elend entrinnen.

Das ist der geschichtliche Hintergrund, vor dem sich mein Leben abspielt und die tragische aktuelle Situation. Gemeinsam mit vielen anderen arbeite ich daran, Veränderungen zu bewirken. Ich bin nicht besser als meine leidenden Landsleute, aber die Geschichte und mein Schicksal wollten es so, dass ich in gewisser Weise zu einer „Stimme der Stimmlosen“ geworden bin. Mit ‘Stimmlosen’ meine ich die vielen tausend Afghanen, die Jahrzehnte des Krieges und der Ungerechtigkeit ertragen mussten.

Seit Jahren drängen mich meine Unterstützer, ein Buch über mein Leben zu schreiben. Ich wollte es nie, weil es mir unangenehm ist, über mich selbst zu schreiben. Ich habe das Gefühl, meine Geschichte sei nicht wichtig. Schließlich überzeugten mich meine Freunde, das Buch in Angriff zu nehmen – denn es gibt mir die Möglichkeit, über das Elend des afghanischen Volkes zu schreiben (aus der Perspektive einer Frau aus der afghanischen Kriegsgeneration). Ich war einverstanden, meine persönlichen Erfahrungen einfließen zu lassen, um über die politische Geschichte Afghanistans schreiben zu können. Der Fokus meines Buches liegt auf den letzten drei Jahrzehnten – auf der repressiven Misswirtschaft. Ich schreibe über meinen gefährlichen Wahlkampf, als es mir darum ging, das arme Volk in meiner Provinz zu vertreten. Ich schreibe über die physischen und verbalen Angriffe, denen ich ausgesetzt war, als ich schließlich Parlamentsabgeordnete wurde. Ich schreibe über die gemeine und illegale Intrige, die mich mein Abgeordnetenposten kostete. Dies hat vor allem ein Licht auf jene Korruption und Ungerechtigkeit geworfen, die verhindern, dass Afghanistan eine echte Demokratie werden kann. So gesehen schreibe ich nicht nur meine eigene Story sondern auch die meines kämpfenden Volkes.

Nach dem 11. September wurden viele Bücher über Afghanistan geschrieben. Doch nur Wenige bieten ein umfassendes und realistisches Bild über die Vergangenheit dieses Landes. Die meisten Bücher zum Thema setzen sich eingehend mit der Brutalität und der Ungerechtigkeit des Taliban-Regimes auseinander, während sie meist versuchen, eine der dunkelsten Perioden unserer Geschichte zu ignorieren oder zu verhehlen. Damit meine ich die Herrschaft der fundamentalistischen Mudschaheddin (1992 – 1996). Ich hoffe, mein Buch wird die Aufmerksamkeit stärker auf die Gräuel dieser Warlords lenken, denn es diese Männer, die heute das Karsai-Regime dominieren.

Ich hoffe auch, dass mein Buch dazu beitragen wird, die unglaubliche Menge an Fehlinformationen über Afghanistan, die sich überall verbreitet haben, zu korrigieren. In den Medien werden die Afghanen manchmal als Hinterwäldler dargestellt – alle seien Terroristen, Kriminelle, Bandenmitglieder. Dieses falsche Bild ist extrem gefährlich – sowohl für die Zukunft meines Landes als auch für den Westen. In Wahrheit sind die Afghanen mutige, freiheitsliebende Menschen mit einer reichen Kultur und einer stolzen Geschichte. Wir sind durchaus in der Lage, unsere Unabhängigkeit selbst zu verteidigen, uns selbst zu regieren und unsere Zukunft selbst zu bestimmen.

Afghanistan wurde lange als ‘tödliches Spielfeld’ im „Todesspiel zwischen den Supermächten’ benutzt – angefangen vom Britischen Imperium über das Sowjetreich bis hin zu Amerika und seinen Verbündeten in heutiger Zeit, die versuchen Afghanistan zu beherrschen, indem sie es spalten. Schurken, Kriegsherren und Fundamentalisten gaben sie Geld und Macht. Diese Schurken haben die Menschen in schreckliches Elend getrieben. Doch wir wollen nicht missbraucht und nicht falsch gegenüber der Welt vertreten werden. Wir brauchen Sicherheit und eine helfende Hand (von Menschen) rund um die Welt – aber nicht diesen „Krieg gegen den Terror’ unter Führung der USA. Dieser Krieg ist im Grunde ein Krieg gegen das afghanische Volk. Das afghanische Volk besteht nicht aus Terroristen. Wir sind Terroropfer. Heute ist der Boden Afghanistan gespickt mit Landminen, Kugeln und Bomben. Was wir wirklich brauchen, ist eine Invasion von Kliniken, Hospitälern und Schulen für Jungen und Mädchen. Ein weiterer Grund, weshalb ich zögerte, meine Memoiren zu schreiben, ist, dass ich der Meinung bin, es sollten zuerst Bücher erscheinen über die vielen demokratischen Aktivisten, die den Märtyrertod gestorben sind, über die vielen Helden und Heldinnen aus der Geschichte Afghanistans. Das gleiche Gefühl beschleicht mich bei einigen Preisen, die mir in den letzten Jahren von internationalen Menschenrechtsorganisationen verliehen wurden. Die mir vorausgingen, hätten es eher verdient gehabt. Diese Anerkennung ehrt mich zwar, doch wünschte ich mir, dass all die Liebe und Unterstützung, die mir zuteil wurde, an die Waisen und Witwen Afghanistans gegangen wäre. Ich sehe es so, dass all diese Preise und Ehrungen meinem Volk gehören. Jede Ehrung, die mir zuteil wird, stärkt mein Gefühl der Verantwortung für unseren gemeinsamen Kampf. Aus diesem Grund werden alle Einnahmen aus diesem Buch an dringend benötigte humanitäre Projekte in Afghanistan fließen. Sie sollen helfen, das Leben Vieler zu verbessern.

Während der Eskalationskampagne sprach der neue Präsident der Vereinigten Staaten, Barack Obama, von mehreren zehntausend ausländischen Soldaten, die er zusätzlich nach Afghanistan entsenden will. Zum Thema Korruption und Kriegsherrentum – der doppelten Geißel, die mein Land zerstört – hatte er hingegen nichts zu sagen. Ich weiß, dass die Wahl Obamas viele friedliebende Menschen in den USA mit großer Hoffnung erfüllt hat. Für die Afghanen bedeuten Obamas militärische Aufstockungen aber nur noch mehr Leid und Tod für unschuldige Zivilisten, während die Taliban und die Al Kaida dadurch nicht einmal geschwächt werden. Ich hoffe, die Lektionen meines Buch werden Präsident Obama und seine Politiker in Washington erreichen und sie warnen: Das afghanische Volk weist eure brutale Okkupation und eure Unterstützung für die Warlords und Drogenbarone zurück.

Seit Jahrzehnten kämpfen demokratisch Gesinnte in Afghanistan für Menschenrechte und die Rechte der Frau. Unsere Geschichte beweist, dass diese Werte nicht durch ausländische Truppen aufgezwungen werden können. Ich werde niemals müde, meinem Publikum zu sagen: Keine Nation kann einer anderen Nation die Freiheit schenken. Für diese Werte muss ein Volk selbst einstehen und sie sich erringen. Diese Werte können nur wachsen und blühen, wenn das Volk sie in eigener Erde pflanzt und sie mit den eigenen Tränen und dem eigenen Blut bewässert.

Es gibt ein afghanisches Sprichwort, das mir sehr am Herzen liegt: Die Wahrheit ist wie der Aufgang der Sonne. Niemand kann sich ihr in den Weg stellen oder sie verbergen. Ich hoffe, dass dieses Buch und meine Story ein wenig dazu beitragen werden, dass die Sonne weiter scheinen kann und dass es Sie – wo immer Sie auch sein mögen, um es zu leisen -, dazu inspiriert, für Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit einzutreten.

http://mohart.wordpress.com/2009/12/08/ich-erhebe-meine-stimme/



"Immer weigere ich mich, irgendetwas deswegen
für wahr zu halten,
weil Sachverständige es lehren, oder auch,
weil alle es annehmen.

Jede Erkenntnis muss ich mir selbst erarbeiten.
Alles muß ich neu durchdenken, von Grund auf,
ohne Vorurteile."

Albert Einstein (1879-1955)
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