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20.§
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Einem jeden Clavierspieler, der die Verhältnisse der Töne
versteht, wird auch zugleich bekannt seyn, daß die
Subsemitone, als: D mit dem Kreuz, und E mit dem b, u.s.w. um ein
Komma unterschieden sind; und folglich, aus Mangel der gebrochenen
Tasten, auf diesem Instrumente, einige Ungleichheit im Stimmen,
gegen die anderen Instrumente, welche diese Töne, in ihrem
Verhältnisse rein greifen, verursachen: zumal wenn sie das
Clavier, mit einem der letztgedachten Instrumente, im Einklange
spielet. Weil nun diese Töne nicht allemal können
vermieden werden, besonders in denen Tonarten, wo viel b und viel
Kreuze vorkommen: so thut der Accompagnist wohl, wenn er, so viel
als möglich ist, suchet, dieselben entweder in die mittelste
oder unterste Stimme zu verstecken; oder, wenn einer davon die
kleine Terze ausmachet, ihn gar weg zu lassen. Denn wenn besonders
die kleinen Terzen in der
obersten Octave, mit der Hauptstimme im Einklange angeschlagen
werden, klingen sie sehr faul und unvollkommen. Ich verstehe unter
diesen kleinen Terzen, hauptsächlich das C, D, und E der
zweygestrichenen Octave, wenn vor denselben ein b steht; oder
kürzer zu sagen, das Ces, Des, und Es. Ich rechne aber auch
hierher das eingestrichene G und A, und das zweygestrichene D und
E, wenn ein Kreuz davor steht, denn wenn diese letzern große
Terzen sind, so schweben sie zu sehr über sich, und sind also
zu hoch. Es ist wahr, daß man diesen Unterschied, wenn man
entweder allein auf dem Flügel spielt, oder wenn derselbe zu
einer starken Musik accompagniret, nicht so deutlich bemerken
kann: wenn aber oben gemeldete Töne auf einem anderen
Instrumente den Einklang berühren, so lassen sie, weil die
andern Instrumente diese Töne in ihrem Verhältnisse
angeben, da sie hingegen auf dem Claviere temperiret sind, ihren
Unterschied mehr, als zu wohl hören: und ist also besser sie
gar zu vermeiden, als das Gehör zu beleidigen. Wem aber
allenfalls das Weglassen nicht gefällt, der nehme diese
obenangezeigte kleinen und großen Terzen, so wie ich von den
andern Subsemitonen gelehret habe, zum wenigsten in der Tiefe,
allwo sie das Gehör noch eher vertragen wird. Der Einklang
thut ohne dem zu einem Instrumente nicht so gut Wirkung, als zu
einer Singstimme. Ueberdem ist auch das Unreine in der Tiefe dem
Gehöre nicht so empfindlich, als in der Höhe. Wer sich
hiervon überzeugen will, der stimme auf einem Claviere des
Flügels eine Octave unter oder über sich schwebend;
alsdenn stimme er, auf dem andern Claviere, eine Saite von dem
hohen Tone mit dem tiefen ganz rein. Man versuche hierauf den
verstimmten Einklang, und sehe, ob derselbe dem Gehöre nicht
mehr, als die verstimmte Octave, misfallen wird.
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8.§
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Mancher empfindet durch das angebohrne Gehör, wenn ein
andrer falsch spielet: wenn er aber eben denselben Fehler selbst
begeht, wird er es entweder nicht gewahr, oder er weis sich nicht
zu helfen. Das beste Mittel, sich aus dieser Unwissenheit zu
reißen, ist das Monochord oder der Klangmesser. Auf diesem
kann man man die Verhältnisse der Töne am
allerdeutlichsten erkennen lernen. Es wäre deswegen nöthig,
daß nicht nur ein jeder Sänger, sondern auch ein jeder
Instrumentist, sich dieselben bekannt machte. Er würde
dadurch die Erkenntniß der Subsemitone viel zeitlicher
erlangen, und viel eher lernen, daß die mit einem b
bezeichneten Töne um ein Komma höher seyn müssen
als die, welche ein Kreuz vor sich haben.
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