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Jan
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Erstellt: 25.12.10, 16:49 Betreff: Wie das Märchenbuch geöffnet wurde |
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Wie das Märchenbuch geöffnet wurde
Obwohl es draußen kalt war, standen dem Weihnachtszwerg Schweißperlen auf der Stirn. Breit und kräftig stellte er sich vor uns hin, setzte seinen Knüppel auf dem Boden auf und ließ ihn in seiner hohlen Faust schwingen, dass sich die Astgabel am oberen Ende drehte. Seine Stimme klang jetzt tief und weich, als er sagte:
„Na dann wolln wir mal bescheren. Wo soll ich den Sack hin leeren?“
Liane deutete auf das weiße Tuch, das auf dem Boden unterm Tannenbaum ausgebreitet lag. Er hiefte den Sack von der Schulter, kippte ihn um, und alles purzelte rumpeldipumpel unter den Baum. Zwischen Paketen und Päckchen kuller- ten rotgelbe Äpfel, Mandarinen, Nüsse und goldene Mozartkugeln über das weiße Tuch. Der Weihnachtszwerg – jetzt in richtiger Menschengröße – setzte sich im Schneidersitz neben die Geschenke und legte das große Buch vor sich hin. Als er die Gürtelschnalle öffnen wollte, zuckte seine Hand erschrocken zurück.
„Was ist das denn?! Tiefgefroren? Liegt auf diesem Märchenbuch immer noch der alte Fluch? Tut mir leid, wir sind verloren, Kennt niemand den Zauberspruch?“
Er schaute Hilfe suchend in die Runde, bis sein Blick an Tante Ilse hän- genblieb. Die grübelte eine Weile vor sich hin und meinte dann: „Deswegen geht die Geschichte also nicht weiter. Tja, da bin ich leider mit meiner Weisheit am Ende.“ Traurig erhob sich der Weihnachtszwerg, packte das Buch wieder unter den Arm und wandte sich zur Tür. „Augenblick mal!“, rief Tante Ilse. „Mir kommt da ein Gedanke. Wenn wir tatsächlich mitten in einer Geschichte leben, dann wird diese Geschichte ja vielleicht irgendwo gerade erzählt. Wir sind also nicht alleine, sondern könnten die Zuschauer fragen. Hallo! Liebe Zuhörer oder Leser. Falls jemand den Spruch kennt, mit dem das Buch aufgeht, dann schickt ihn uns doch bitte rüber, damit die Geschichte weitergehen kann.“ Tja, was sagt ihr dazu? Wir lauschten alle mucksmäuschenstill, ob irgendein Spruch zu hören war. Plötzlich schlug sich Tante Ilse an die Stirn und rief: „Ach ja, natürlich, dass ich darauf nicht selber gekommen bin.“ „Ach so?!“, riefen jetzt alle achtzehn Gören und schlugen sich an die Stirn. „Den Spruch kennt doch jeder!“ Alle lachten und wunderten sich, wieso ihnen der Spruch nicht vorher eingefallen war. Der Weihnachtszwerg strahlte übers ganze Gesicht, sein Mund zog sich von einem Ohr zum anderen, und als es wütend an den Fensterläden rüttelte, rief er:
„Denkt den Spruch, dann weicht der Fluch endlich aus dem Märchenbuch.“
Lag es wirklich an dem Spruch, oder war der Gürtel in der warmen Stube inzwischen einfach aufgetaut? Jedenfalls ließ sich der Gürtel jetzt mühelos aufschnallen. Der Weihnachtszwerg schlug das Buch auf, schaute ins Inhaltsverzeichnis, murmelte „Seite zwölfeinviertel“, fing an zu zählen und blätterte dabei die knisternden Seiten um. „Null, eins, vier, drei, fünf, acht, sieben ...“ „Falsch“, rief Liane, die in der ersten Reihe saß. Der Zwerg stutzte. „Falsch? Wie zählt man denn bei euch? Zähl doch mal vor.“ Liane zählte ordentlich der Reihe nach, und der Zwerg blätterte dazu um, bis sie bei zwölf angekommen waren. Jede Seite war mit breiter Feder beschrieben, mit riesigen Anfangsbuchstaben und märchenhaften Bildern, und die Seitenränder waren braun und ausgefranst. Bei Seite zwölf hob der Zwerg den Buchdeckel, dass ihm niemand mehr ins Buch schauen konnte, blätterte um und fing an zu lesen.
Forts. folgt
Jan
Lernmethode, Kursbeschreibung, Preise und Anmeldung über: http://www.genial-zeichnen-lernen.de
[editiert: 26.12.10, 20:54 von Jan]
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