Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

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Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen
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Autor Beitrag
Tobias Teetz

Beiträge: 97

New PostErstellt: 09.09.04, 18:24     Betreff: Re: Anmerkungen zum Opielka-Artikel

Lieber Herr Opielka,

die Aufklärung über eine mögliche inhaltliche Ausgestaltung des Grundeinkommens ist sehr interessant und aus meiner Sicht sinnvoll. Diesen Beitrag möchte ich inhaltlich voll unterstützen -auch im den letzteren Teil- und würde das Grundeinkommen gegenüber dem Verfahren der negativen Einkommenssteuer favorisieren. (Die Sache mit dem Darlehnsanteil wirkt auf mich ähnlich wie das Hartz IV Projekt in geänderter Fassung - mit längerfristiger Verschuldung und zukünftiger Armut beim Ausschlagen eines Arbeitsangebotes).

Folgende Konstellation ist aber bei einem Darlehn vorstellbar: Ich habe keine Vermögenseinkünfte und keine Arbeit, beziehe dann das Darlehn für das Grundeinkommen. Dann mache ich mich selbständig und beziehe ein zusätzliches Selbständigen- Einkommen, sagen wir durchschnittlich 800 €/Monat (mit großer Schwankungsbreite von Monat zu Monat). Ich verbrate das gesamte Grundeinkommen + Erwerbseinkommen im Laufe des Jahres. Am Jahresende bekomme ich nun vom Finanzamt eine Steuerbescheid, dass ich 3000 € für das letzte Kalenderjahr zurückzahlen muß. Ich kann es nicht und muß meine Utensilien, die ich für die Selbständigkeit benötige, wieder verkaufen und gehe mit Schulden ins nächste Kalenderjahr.
Natürlich hätte ein bedingungsloses Grundeinkommen auch erhebliche Folgen bezüglich Schwarzarbeit.


Eine Anmerkung noch zur technologischen Arbeitslosigkeit.
Sie schrieben " Zwar geben die langfristigen Daten bislang wenig Anlass für die auch unter Linken und Ökologen verbreitete Befürchtung einer "technologischen Arbeitslosigkeit", da die Inklusionsfähigkeit der Arbeitsmärkte in den OECD-Staaten noch immer erheblich ist."

Rationalisierung durch Roboter:

In vielen Industriezweigen findet eine Rationalisierung durch moderne Techniken statt.
Beispielsweise in der Stahlindustrie, durch computerisierte Walzwerke. "Die United States Steel, das größte Stahlunternehmen der USA, beschäftigte 1980 noch 120000 Mitarbeiter, zehn Jahre später reichten 20000 Arbeiter um ungefähr dieselbe Menge Stahl zu erzeugen." (s. J. Rifkin "Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft" Campus Verlag, S. 104).

Jeder siebente Arbeitsplatz Deutschlands hängt von der Automobilproduktion ab.
Die Zahl der Arbeitsplätze im Automobilbau ist in Deutschland trotz der vielfältigen Rationalisierungstechniken (automatisches Lackieren, automatisches Schweißen usw.) zwischen 1993-2004 kaum wesentlich zurückgegangen.

In Deutschland werden jährlich gegenwärtig über 5,5 Mio. Kraftfahrzeuge (5,1 Mio. PKW´s) bei einem Umsatz von 209 Mrd. € gebaut. Ca. 770.000 Arbeitnehmer sind im deutschen Automobilbau beschäftigt, ähnlich hoch war die Zahl der Arbeitsplätze 1994 (ca. 700.000 Arbeitsplätze) . Ein immer größer Teil des Umsatzes der Automobilindustrie muß für Neuinvestitionen in verbesserte Produktionsanlagen ausgegeben werden (1994 lagen die Kosten noch unter 6 Mrd. € / Jahr, im Jahr 2003 bereits bei 13 Mrd. € / Jahr, zusätzlich müssen noch 14,5 Mrd. €/ Jahr in die Erforschung von verbesserten Automobilen gesteckt werden - ohne Forschung und Neuinvestitionen würde die Beschäftigungslage in der Automobilproduktion vermutlich auch nicht gerade rosig ausfallen , einfache Tätigkeiten und Handgriffe werden in dieser innovativen Industrie vermutlich weniger benötigt, dies machen heute die Fertigungsroboter).
(s. Homepage des VDA, Verband der Automobilproduktion, Jahresbericht 2004, S. 203, 204, 5).

Dennoch sind die gegenwärtig guten Produktionszahlen der deutschen Automobilproduktion (mit durchschnittlichen Wachstumsraten zwischen 1995-2003 von 9,1%, die höchste Rate von allen Industriezweigen) zukünftig kaum noch zu steigern. Gründe: hohe Marktsättigung in Europa, die Höhe des Ölpreises, ein demographischer Rückgang in fast allen Staaten Europas.
Beim italienische Autohersteller Fiat sind die Verkaufszahlen seit dem Jahr 2000 dramatisch zurückgegangen (um gut 30%). Die Absatzzahlen von Automobilen eines Unternehmens sind keine konstante Größe (s. VDA Jahresbericht 2004).

Das Problem der Moderne ist, dass Roboter und Computer viele einfache Tätigkeiten tatsächlich übernehmen können und somit bisherige Arbeitskräfte verdrängen.
Es gibt Roboter die die folgenden Tätigkeiten übernehmen können: transportieren , beschicken , sortieren, strahlen, flämmen , lackieren, schleifen, messen, stapeln, beladen, schneiden, löten, kleben, schäumen, entgarten, testen, montieren, entnehmen, schweißen, dosieren, dichten, palettieren, fräsen, schrauben, verpacken, gießen, reinigen, sprühen, bohren, polieren usw. usf.
Mitsubishi Elektrik allein hat im letzten Jahr 2500 Industrieroboter in Westeuropa verkauft, eine Verkaufssteigerung um 20% (s. www.mitsubishi-automation.de). Der Industrieroboter ist auf dem Vormarsch, natürlich werden einige begabte Konstrukteure gebraucht, um diese Geräte zu entwickeln. In der Produktion werden heutzutage immer weniger einfach begabte Menschen benötigt, dass war am Anfang der industriellen Entwicklung anders. Unternehmen des produzierenden Gewerbes (in Großbritannien, Frankreich, Deutschland) setzen heutzutage jedenfalls mehr auf moderne, menschenlose Technik, ob der Dienstleistungssektor nicht früher oder später von einer ähnlichen Entwicklung getroffen wird, kann niemand vorraussagen.
Noch gibt es beispielsweise in Großbritannien erhebliche Zuwachsraten bei der Beschäftigung im Finanzdienstleistungssektor. Ob eine erhebliche Zunahme von Versicherungsvertretern, Bankangestellten und Immobilienmaklern tatsächlich den Wohlstand eines Volkes mehren kann oder ob dies nicht eine Form von Einkommensumverteilung zu einer bestimmten Bevölkerungsschicht darstellt, bleibt jedenfalls noch offen.

Jeremy Rifkin schreibt auf Seite 139 seines Buches "Das Ende der Arbeit und ihre Zukunft": Etwa ein halbes Prozent der Bevölkerung der USA gehört zu denjenigen , die die wirtschaftliche Macht im Lande ausüben und die über das Wohlergehen von mehr als 250 Mio. Menschen bestimmen. Diese kleine Elite besaß 37,4% aller Aktien und Wertpapiere und 56,2% allen privaten Geschäftsvermögens.
Den Superreichen am nächsten kommt eine Schicht, zu der vor allem eine neue Gruppe hochqualifizierter Beschäftigter zählt: die Symbolanalytiker oder Wissensarbeiter, die über eine sehr gute Ausbildung verfügen und die neue High-Tech-Wirtschaft steuern. Diese schmale Schicht, die weniger als 3,8 Mio. Menschen zählt und vier Prozent der US-amerikanischen Werktätigen umfaßt, verdient genausoviel wie die mehr als 49,2 Mio. Menschen, die zu den unteren 51% der US-amerikanischen Einkommenspyramide zählen."

Vermutlich hat Rifkin hier etwas übertrieben, weil auch in den USA steuerliche und sozialstaatliche Umverteilungen stattfinden und wahrscheinlich die ärmeren Bevölkerungsgruppen von dieser Umverteilung profitieren.

Die neue Armut in Deutschland hat auch etwas mit dem zunehmenden Individualismus, der veränderten Altersstruktur und natürlich auch der modernen Technik zu tun.
Hätten wir eine Gesellschaftsordnung wie zu Beginn des 20igsten Jahrhunderts - so dass nur Männer im erwerbsfähigen Alter die Haupteinkommensbezieher wären - und aus sozialer Verantwortung für Frauen, Kinder und ältere Menschen (Großfamilie wie in vielen Entwicklungsländern) sorgen müßten , dann könnte - rein mathematisch ohne Realitätsbezug gesehen - das Nettoeinkommen jedes Mannes im erwerbsfähigen Alter (zwischen 16-65 Jahren) bei durchschnittlich 4100 €(netto)/ Monat liegen. Die Krankenkassenkosten könnte der Staat dann auch noch locker zahlen - ohne dass die Nettoeinkommen der erwerbsfähigen Männer angetastet werden.
In diesem Fall wäre auch ein Einkommensbezug von 2000 € (netto)/ Monat für nichterwerbstätige Männer denkbar.
Diese Rechnung ist natürlich blödsinnig, weil dadurch die gegenwärtigen Leistungen der weiblichen Arbeitskräfte ausgeblendet werden und die Verteilungsgerechtigkeit gegenüber der älteren Generation nicht berücksichtigt wird.
Außerdem würde das Rollenverhalten eines Franz Moors (s. Schillers "Räuber") möglich werden.

Nach Ende des zweiten Weltkrieges entwickelten sich DDR und Bundesrepublik unterschiedlich, dies gilt auch in bezug auf das Erwerbsverhalten von Frauen. In der DDR wurden alle Personen im erwerbsfähigen Alter in Arbeit und Beschäftigung gedrängt, damit sich das Output der Produktion sich erhöhte. Die Männer häufig im Bauwesen und der Produktion - ähnlich wie im Westen- , die Frauen häufig im Handel und in Büroberufen.
Die Einkommenverteilung - (die mittlere Breite der Gaußkurve) zwischen Gutverdienern und Geringverdienern war sowohl im Westen wie im Osten Deutschlands anfangs noch nicht sehr breit. Nahezu jeder erwerbsfähige Mann hat in dieser Zeit auch hart gearbeitet.
Im Westen tradierte eher die Hausfrauenrolle für Frauen (bei durchschnittlich mehr als zwei Geburten pro Frau und der Vermittlung von persönlichen Wertvorstellungen, kulturellen Traditionen, Höflichkeitsregeln, dem Spracherwerb, usw. usf. durch die Mutter, die ja ihr Kind nicht absolut fremd erzogen und bestimmt wissen möchte, war an eine Vollerwerbstätigkeit für Frauen mit Kindern zwischen dem 20-40 Lebensjahr selten zu denken, Ehescheidungen führten und führen für Frauen mit Kindern häufig direkt in die Armut), für Männer war die Erwerbsrolle zwingend, damit die Familie und ältere, kranke Menschen mitversorgt werden konnten.
Trotz der totalen Zerstörung deutscher Städte und Industrieanlagen, trotz der häufigen Nichterwerbstätigkeit von Frauen, trotz der Versorgungslasten für Kinder und Rentner konnten die erwerbsfähigen Männer eine ausreichende Versorgung sicherstellen und den Familien und Angehörigen ein relativ glückliches Leben bereiten.
In Ostdeutschland führte die hohe Erwerbsneigung der Frauen und die frühe staatlich verordneten Kindererziehung auch zu einer anderen Bindung zwischen Eltern und Kindern. Nicht mehr die Mutter und die Werte, Ansichten und Traditionen der Mutter (die Angst vor faschistischen, individualistischen Werten) sollten die frühkindliche Phase der Lebensentwicklung eines Kindes mitbestimmen, sondern die Regeln des Kollektivs und die vorgegebenen Erziehungswerte von Partei und Staat.

In der Produktion sind zwischen 1982-1990 im alten Bundesgebiet und dann zwischen 1990-2004 im wiedervereingten Deutschland viele Arbeitsplätze weggefallen. Seit 1996 fielen auch noch viele Arbeitsplätze im Bauwesen weg.
Diese Wirtschaftszweige wurden von männlichen Arbeitnehmern dominiert.
In den verbleibenden Berufsfeldern gibt es eine zunehmende Konkurrenz um Arbeitsplätze und Gehälter. Es gibt eine Art Rollenverständnis, zwischen den Geschlechtern, auch zwischen Jung und Alt und im Berufsleben. Ein Rollenverständnis ist aber auch mit gewissen Machtstrukturen (beispielsweise durch das Einkommen oder die Beachtung oder Nichtbeachtung durch Mitmenschen) verknüpft. Ein Akademiker wird sich selten von einem Hauptschüler in Wissensfragen belehren lassen wollen, ein Maurer wird kaum arbeitstechnische Belehrungen von einem fachfremden Juristen entgegennehmen. Jeder hat seine Rolle. Das eigene persönliche Rollenverständnis in Beruf und sozialen Beziehungen hat etwas mit der persönlichen Würde zu tun, die jeder Mensch braucht.

Unternehmen müssen zur Aufrechterhaltung der organisatorischen Strukturen für eine verbesserte Arbeitsleistung und für eine innere Gerechtigkeit Löhne differenzieren können, der Staat muß dafür sorgen, dass die Gesellschaft zusammengehalten wird und die Unzufriedenheit nicht überhand nimmt. Durch eine hohe Arbeitslosigkeit, eine veränderte Einkommenslage, die Wissensüberflutung, die veränderte Erwerbsneigung von Frauen können die alte Rollenverteilungen und gewisse soziale Verhaltensweisen gestört werden.
Einige Wissenschaftler glauben sogar, dass durch das übermäßige Konsumgüterangebot soziale Beziehungen und Fähigkeiten verloren gehen könnten und die Qual der richtigen Auswahl vor dem Kauf auch mitunter zu erheblicher Unzufriedenheit nach dem Kauf führt - falsche Nutzung des Konsumangebots und der Konsumzeit = Lebenszeit (s. Spektrum der Wissenschaften , September 2004, S. 70 ff).
Die neue berufliche Unsicherheit des Mannes: Soldaten zur Landesverteidigung (unwichtig, braucht man nicht ), Arbeiter im Bauwesen (genug Wohnraum vorhanden, überflüssig ), neue Produkte und Güter (machen Maschinen und Automaten längst besser ), Bücherschreiben (alle Bibliotheken und das Internet sind längst vollgestopft mit Schriftkram ) stellt zumindestens in dieser Hinsicht eine mögliche Orientierungsgefahr dar.
Die hohe Arbeitslosigkeit und auch die einkommensmäßigen Veränderungen für erwerbsfähige Männer in den unteren Lohngruppen haben sicherlich auch Auswirkungen auf das tradierte Rollenverständnis .
Ein zu schneller Rollenwechsel (im Beruf -mit wechselnden Einkommenslagen und Arbeitsorten-, in Freundschaften, in Ehe und eheähnlichen Beziehungen, in kulturellen Werten) stellt sicherlich für den modernen Menschen eine gewisse Gefahr dar.



Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

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