Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

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14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs".
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Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen
zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des
"Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO .
Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste,
Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
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Die Nutzer dieses FORUMS haben sich trotzdem mit Mehrheit für die Beibehaltung dieses FORUMs ausgesprochen, das weiterhin wohl auch hauptsächlich das weitere Vorgehen von http://Grundeinkommen.INFO begleiten wird.
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Das FORUM ist z.Zt. versuchsweise ÖFFENTLICH geschaltet.
Es kann also JEDEr Beiträge lesen, die Dateien ansehen und auch downloaden. Die Dateien sind auch verlinkbar. Wer mitschreiben will, muss sich anmelden, auch mit Pseudonym. Die Berechtigung muss bestätigt werden. Bitte die Frage "Warum..." beantworten.
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Autor Beitrag
Reimund Acker

Beiträge: 21


New PostErstellt: 03.10.04, 00:31     Betreff: Re: Warum ein Grundeinkommen?

    Zitat: Binsfred
    Finde ich einen sehr interessanten Beitrag. Ich meine, das mit der Transzendenz
    und so. Aber hieß der Thread nicht "Warum ein Grundeinkommen"? Vielleicht habe ich
    es überlesen, die Antwort auf diese Frage habe ich jedenfalls nicht finden können.
Die Überschrift dieses Diskussionsfadens weckt wohl gerade bei Neueinsteigern die
Erwartung, hier einen kurzen Überblick und schnellen Einstieg ins Thema dieses
Forums finden zu können. Um dieser Erwartung etwas mehr entgegenzukommen, möchte ich
versuchen, ein paar Argumente übersichtsartig zusammenzustellen, die vielleicht auch
denjenigen nützlich erscheinen, die sich von stärker philosophisch geprägten
Beiträgen nicht nicht so sehr beeindrucken lassen. Natürlich kann und soll dies nicht
die sorgfältige Auseinandersetzung mit den in diesem Forum bereitgestellten
Expertentexten ersetzen, für all jene, die sich intensiver mit der Materie
beschäftigen wollen. Da mir klar ist, daß nicht jeder Besucher dieses Forums mehrere
Stunden Zeit aufwenden will, um sich durch sämtliche Texte zu arbeiten, möchte ich
meinen Appell wiederholen, ein FAQ, Übersicht für Einsteiger, Zusammenfassung der
wichtigsten Begriffe und Argumente, oder etwas in der Richtung, in einem einzigen
Text zusammenzustellen. Vielleicht läßt sich die eine oder andere Passage dieses
Beitrags dafür verwenden.


Warum ein Grundeinkommen?
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Definition: Das "Grundeinkommen" oder "GE" ist ein existenzsicherndes Einkommen, das
bedingungslos an jeden Bürger (von der Wiege bis zur Bahre) gezahlt wird und für das
ein individueller Rechtsanspruch besteht. "Bedingungslos" heißt ohne Arbeitszwang und
ohne Bedürftigkeitsprüfung.


Warum individuell?

Die Alternative wäre eine Auszahlung nach dem "Haushaltsprinzip" oder dem
Subsidiaritätsprinzip. Dabei erhält eine dem Haushalt oder der Familie angehörige
Person A weniger als das Existenzminimum, wenn eine andere Person B desselben
Haushalts oder derselben Familie über ein Einkommen verfügt, das hinreichend weit
über dem Existenzminimum liegt. A wird für die Sicherung ihrer Existenz von B
abhängig gemacht. Das lehnen wir ab. Das Recht auf Existenzsicherung ist genauso
individuell wie etwa das Recht auf freie Meinungsäußerung. Kein Mensch würde auf die
Idee kommen, B das Recht, ihre Meinung selbst zu äußern, zu verwehren mit dem
Hinweis, sie könne ihre Meinung ja von A äußern lassen.


Warum ohne Bedürftigkeitsprüfung?

Eine Bedürftigkeitsprüfung im Hinblick auf die Gewährung eines existenzsichernden
Transfer-Einkommens an eine Person A durch die Gesellschaft untersucht folgende
Fragen:

a) Hat A andere eigene Einkommensquellen zur verfügung?
b) Kann A eigenes Einkommen durch Erwerbsarbeit erzielen?
c) Kann A einen Anteil am Einkommen einer anderen Person B beanspruchen?
d) Wie hoch ist A's Einkommensbedarf nach Ausschöpfung der Möglichkeiten (a), (b)
und (c)?

Der Aufbau oder die Aufrechterhaltung einer Sozialbürokratie ist für die Prüfung von
(a) allein nicht notwendig (und daher nicht angemessen), weil dazu die Kompetenz eines
herkömmlichen Finanzamts ausreicht. Die technische Ausgestaltung des Ausgleichs
zwischen ausbezahltem Transfer-Einkommen und Steuerforderung ist Geschmacksache. Es
macht aber Sinn, ein existenzsicherndes Transfer-Einkommen unabhängig von später zu
erwartenden Steuerforderungen vorab auszuzahlen, um ohne erhöhten Verwaltungsaufwand
das Existenzminimum auch bei zwischenzeitlichen Einkommenseinbußen zu sichern.

Die Frage (b) wird weiter unten behandelt unter "Warum ohne Arbeitszwang?". Mit dem
Arbeitszwang entfällt auch die Prüfung dieser Frage.

Die Frage (c) wurde oben bereits unter "Warum individuell?" beantwortet. Diese
Prüfung kann also ebenfalls entfallen, da kein Anspruch an eine andere Person B
besteht.

Die Frage (d) bedarf nun ebenfalls keiner Prüfung mehr: Da es nach Wegfall der
Prüfungen der Fragen (a), (b) und (C) nichts mehr auszuschöpfen gibt, ist der
verbleibende Einkommensbedarf gleich dem maximal zur Verfügung stehenden
Transfer-Einkommen, z.B in Höhe des Existenzminimums.


Warum ohne Arbeitszwang?

Die Beantwortung dieser Frage erfordert etwas mehr Aufwand, der aber gerechtfertigt
ist, da es sich bei diesem Punkt um den revolutionären Kern des GE-Konzepts handelt.
Im Folgenden wird lediglich versucht, die logische Struktur einer gängigen
Argumenationslinie dafür sichtbar zu machen, daß der Verzicht auf die Bedingung des
Arbeitszwangs akzeptabel ist. Eine entsprechende Darstellung dafür, daß der Verzicht
auf Arbeitszwang darüber hinaus wünschenswert ist, wird als Hausaufgabe gestellt ;-)

Der Einfachheit halber beschränkt sich die Darstellung auf Deutschland (obwohl es gute
Gründe dafür gibt, die Betrachtung mindestens auf die EU auszudehnen).

Die Darstellung geschieht in Form einer Liste numerierter Aussagen. Jede Aussage der
Liste enthält am Ende in Klammern entweder eine kurze Begründung, z.B. durch Angabe
der Nummern der Aussagen, aus denen sie folgt, wie "(wg. 1, 2, und 3)". Mit
"Erfahrungssatz" werden Aussagen begründet, für die es überzeugende empirische Daten
gibt; dabei wird auf Quellenangaben verzichtet ( wir sind hier nicht im
wissenschaftlichen Teil ;-)
Mit "Annahme" werden Aussagen gekennzeichnet, die lediglich vorübergehend als wahr
angenommen werden, um zu sehen was daraus folgen würde. Von Aussagen die als "Klar"
gekennzeichnet sind, wird angenommen, daß sie unmittelbar einleuchten, z.B. weil sie
eine logische Binsenwahrheit darstellen. Und jetzt festhalten, es geht los:

1. Technischer Fortschritt und verbesserte Arbeitsorganisation haben zur Folge, daß
immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt wird, um eine gegebene Menge an
Gütern und Diensten zu produzieren: Die Produktivität wächst. (Erfahrungssatz)

2. Die Produktivität wächst in Deutschland im Durchschnitt schneller als die
Produktion von Gütern und Diensten. (Erfahrungssatz im Entstehen; weitere
Untersuchungen notwendig)

3. In Deutschland wird zur Produktion der jeweiligen Menge an Gütern und Diensten
immer weniger menschliche Arbeitskraft benötigt. (wg. 1 und 2)

4. In Deutschland nimmt das Angebot an Erwerbsarbeitsplätzen weiter ab, die
strukturelle Massenarbeitslosigkeit nimmt weiter zu. (wg. 3)

5. Immer weniger Deutsche können ein Einkommen durch Erwerbsarbeit erzielen. (wg. 4)

6. Deutschland ist ein Sozialstaat und soll es bleiben. (Klar)

7. Jeder Bürger eines Sozialstaats hat Anspruch auf ein existenzsicherndes Einkommen.
(Definition von "Sozialstaat")

8. Jede(r) Deutsche hat Anspruch auf ein existenzsicherndes Einkommen. (wg. 7 und 6)

9. Immer mehr Deutsche beziehen ein existenzsicherndes Einkommen, ohne dafür zu
arbeiten. (wg. 8 und 5)

10. Man kann versuchen eine Situation zu ändern, oder sie akzeptieren. Eine Situation
zu beklagen ohne sie ändern zu wollen heißt sie zu akzeptieren. (Klar)

11. Die Situation 9 kann man nur ändern, indem man dafür sorgt, daß mehr Deutsche für
ihr Einkommen arbeiten. (wg. 8)

12. Damit mehr Menschen für ihr Einkommen arbeiten, kann die Gesellschaft eine der
vier Strategien 12a, 12b, 12c oder 12d verfolgen: (Klar)

12a. Mehr Menschen werden dazu bewegt, ihr Einkommen durch Erwerbsarbeit zu
verdienen. (Annahme)

12b. Tätigkeiten, die Menschen freiwillig und unentgeltlich ausführen (würden),
werden zur Gegenleistung und Bedingung für die Gewährung eines
existenzsicherndes Transfer-Einkommens erklärt. (Annahme)

12c. Menschen werden für die Gewährung eines existenzsicherndes Transfer-Einkommens
zu Tätigkeiten gezwungen, die von der Gesellschaft zwar als nützlich betrachtet
werden, für die sie jedoch nicht bereit ist, ein existenzsicherndes Entgelt zu
zahlen. (Annahme)

12d. Menschen werden zu nutzlosen Tätigkeit gezwungen, die daher keine
Gegenleistungen sein können, die aber als Dank für die Gewährung eines
existenzsichernden Transfer-Einkommens akzeptiert werden. (Annahme)

13. Die Strategie 12a erfordert den Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit.
(wg. 5, 4 und 3)

14. Der Kampf gegen die Massenarbeitslosigkeit besteht in fortlaufenden
Anstrengungen, bestehende Arbeitsplätze zu erhalten und die Schaffung neuer
Arbeitsplätze zu bewirken. (Erfahrungssatz; klar)

15. Zur Schaffung oder Erhaltung von Arbeitsplätzen lassen sich die Strategien 15a,
15b und 15c verfolgen: (Erfahrungssatz; klar)

15a. Das Wirtschaftswachstum wird angekurbelt. (Annahme)

15b. Die Erwerbstätigen geben einen Teil ihrer Arbeitszeit ab für neue Arbeitsplätze.
(Annahme)

15c. Unternehmen werden dazu gebracht, ökonomisch überflüssige Arbeitsplätze
künstlich beizubehalten oder gar neu zu schaffen. (Annahme)

16. Strategie 15a scheitert, da sie Arbeitsplätze im Durchschitt weder schafft noch
erhält, sondern vernichtet. (wg. 2, 3 und 4)

17. Strategie 15b scheitert, da sie den Rationalisierungsdruck auf Unternehmen nicht
nur nicht verhindert, sondern tendenziell erhöht. (wg. 2, 3 und 4)

18. Unternehmen, die vorhandenes Rationalisierungspotential nicht voll ausschöpfen,
veralten technologisch und verlieren dadurch erst ihre Wettbewerbsfähigkeit und
dann ihre Arbeitsplätze. (Erfahrungssatz; klar)

19. Eine humane Gesellschaft kann kein Interesse daran haben, daß der Einsatz
menschlicher Arbeitskraft dort erzwungen wird, wo er weder notwendig noch
sinnvoll ist. (Definition von "humane Gesellschaft")

19a. Eine humane Gesellschaft ist erstrebenswert. (Klar)

20. Strategie 15c scheitert und ist ohnehin nicht erstrebenswert. (wg. 18, 19 und 19a)

21. Es gibt keine erfolgversprechende Strategie gegen die Massenarbeitslosigkeit.
(wg. 14, 15, 16, 17 und 20)

22. Die Strategie 12a scheitert. (wg. 13 und 21)

23. Strategien 12b und 12d sind nicht akzeptabel, da sie die Freiheit der betroffenen
Bürger unnötig einschränken und ihre Würde verletzen. (Siehe Anmerkung A)

24. Strategien 12b und 12c sind nicht akzeptabel, da sie ehrenamtliche Tätigkeiten
entwerten und gegen das Zwangsarbeitsverbot des GG verstoßen. (Siehe Anmerkung B)

25. Es gibt keine akzeptable und erfolgversprechende Strategie um zu erreichen, daß
mehr Deutsche für ihr Einkommen arbeiten. (wg. 12, 22, 23 und 24)

26. Man muß akzeptieren, daß immer mehr Deutsche ein existenzsicherndes Einkommen
beziehen, ohne dafür zu arbeiten. (wg. 10, 11 und 25)

27. Wer akzeptiert, daß immer mehr Deutsche ein existenzsicherndes Einkommen beziehen
ohne dafür zu arbeiten, und wer weiß, daß Arbeitszwang an diesem Trend nichts
ändern kann, der muß auch akzeptieren, daß auf Arbeitszwang als Bedingung für ein
existenzsicherndes Einkommen verzichtet wird. (Klar)

28. Arbeitszwang ist keine akzeptable oder erfolgversprechende Strategie um zu
erreichen, daß mehr Deutsche für ihr Einkommen arbeiten. (wg. 25)

29. Man muß akzeptieren, daß immer mehr Deutsche ein existenzsicherndes Einkommen
beziehen ohne einem Arbeitszwang zu unterliegen. (wg. 26, 27 und 28)

30. Es ist akzeptabel, daß die Gewährung eines existenzsichernden Einkommens für
Deutsche durch ihren Staat nicht an die Bedingung eines Arbeitszwangs gebunden
wird. (wg. 29)


Anmerkungen:

A. Um einzusehen, warum es die Würde eines Menchen verletzt, wenn man ihn zwingt, eine
offensichtlich nutzlose Tätgkeit auszuführen als "Gegenleistung" für eine Leistung,
auf die er angewiesen ist, betrachte man etwa folgendes Beispiel: Jemand braucht
dringend einen Euro, um ein wichtiges Telefonat zu führen. Ich biete ihm an, ihm den
Euro zu schenken, wenn er als "Gegenleistung" vor mir fünf Minuten auf der Stelle
hüpft. Es ist nicht die verlangte Tätigkeit des Hüpfens an sich, die hier seine
(und übrigens auch meine) Würde verletzt. Ein Fußballtrainer könnte dies ohne
Probleme von den Mitgliedern seiner Mannschaft verlangen. Auch das Preis-
Leistungsverhältnis wäre bei einem rechnerischen Stundenlohn von zwölf Euro für das
Hüpfen in Ordnung. Die Verletzung der Würde im Beispiel besteht u.a. darin, daß
die Zwangslage dieses Menschen ausgenutzt wird, um ihn dazu zu bringen, eine
Handlung auszuführen, die ihn in seinen, meinen, und den Augen umherstehender
Schaulustiger der Lächerlichkeit preisgibt.

B. Ein Grundsatzurteil zur Entscheidung der Frage, ob es sich in solchen Fällen um
Zwangsarbeit handelt, steht noch aus, wird aber von Einigen angestebt mit der
Erwartung einer positiven Entscheidung. Was die Abwertung der ehrenamtlichen
Tätigkeit betrifft, so wird die Ehre, die eine solche Tätigkeit dem freiwillig
Tätigen verleiht, dadurch vermindert, daß die Gesellschaft es für angemessen hält,
sie auch als Zwangsarbeit erbringen zu lassen, von Personen also, denen man damit
keine Ehre antun will.


Reimund Acker

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