Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

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Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen
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Autor Beitrag
Günter Sölken

Beiträge: 7

New PostErstellt: 14.03.05, 08:20     Betreff: Re: funny Soaps (@ Günter Sölken. Und Newsletter 4)

Lieber Lothar Samuel Tesche und alle,

zuerst eine Erwiderung auf Lothar Samuels Ungeduld: ich habe die meiste Zeit des Wochenendes mit Grippe im Bett verbracht und bin deshalb ziemlich gehandikapt.

Ich werte Lothars Ton und Vorwürfe zunächst als Ausdruck des Verdachts, dass sich da jemand in das Netzwerk eingeschlichen habe, der eigentlich auf der anderen Seite steht (So wie einige aus dem konservativen Lager tatsächlich die Forderung nach einem niedrigen Grundeinkommen vertreten, um das ganze Sozialthema damit erschlagen zu können). Dies ist grundsätzlich nachvollziehbar und ich nutze gerne die Gelegenheit, meine Position hier näher zu erläutern.

Zunächst: ich war selbst überrascht, dass ich auf dem Treffen am 12.12.04 in den SprecherInnenkreis gewählt wurde, obwohl ich mich bereits dort mit genau diesen Aussagen vorgestellt hatte. Die Betroffenenseite der Elendsentwicklung, in der wir uns derzeit befinden, war und ist im Netzwerk in jeder Weise bestens vertreten. Die andere Seite, die der Gut-Bezahlten und der Unternehmen, nimmt an diesen und ähnlichen Runden traditionell gar nicht teil. So habe ich in meiner Zwitterstellung als Angestellter, der recht nah am Management eines Unternehmens arbeitet, eine Chance gesehen, das Spektrum der Diskussionsstandpunkte im Netzwerk zu verbreitern. Und dazu stehe ich heute wie gestern.
Ich ärgere mich bereits seit langem darüber, dass die meisten der Arbeitsplatzbesitzer und Gutsituierten ignorieren, was in diesem Land (und nicht nur in diesem) seit einigen Jahren abgeht, und dass beispielsweise die große Demo im vergangenen April 2004 nur deshalb als Teilnahmeerfolg gewertet werden konnte, weil der DGB massenhaft mobilisiert und seine Leute mit Bussen aus ganz Deutschland rangefahren hat, während sogar die Mehrheit der Berliner Hartz IV-Betroffenen den Samstag auf der Couch verbracht haben. Die meisten aus meinem Berliner Bekanntenkreis, selbst wenn sie politisch auf der „richtigen“ Seite standen, sind der Demo fern geblieben (wie ich es in der Vergangenheit auch häufig getan hatte). Ich habe für mich jedenfalls kapiert, dass es zu spät ist, sich erst dann zu engagieren, wenn man selbst betroffen ist.

Nun mal genug der Erklärung und Rechtfertigung und dafür zur Sache:

Ich halte es für einen großen und schon viel zu lange praktizierten Fehler der Linken, alle Unternehmen über einen Kamm zu scheren. Das ist zwar zum Teil verständlich, wenn man bedenkt, wie die Unternehmensverbände seit Jahrzehnten jeden wirklichen Reformversuch als sozialistisches Teufelszeug brandtmarken – aber dieses wechselseitige Feinddenken hilf uns nun mal nicht wirklich weiter. Ich meine, dass es zum einen es sehr wohl Unternehmer und Manager gibt, die eine politische Gesamtverantwortung für dieses Land und seine Menschen empfinden und die ihr unternehmerisches Handeln auch danach ausrichten (sei es der Trigema-Chef oder der ermordete Deutsche Bank-Chef Herrhausen); und dann sollte man durchaus zwischen kleinen Unternehmen und den Global Playern unterscheiden.

Ich möchte jetzt mal auf mein Lieblingsthema „Mittelstandspolitik“ zu sprechen kommen: Solange ich mich erinnern kann, setzen sich bundesdeutsche Regierungen für eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des Mittelstandes ein. Nun: als ich in den 50er Jahren groß wurde, kauften wir beim selbständigen Lebensmittelhändler, Metzger, Bäcker, Drogisten und den ersten Fernseher in einem kleinen Radio- und Fernsehgeschäft ein, bei denen jeweils entweder der Firmeninhaber oder Familienmitglieder hinter der Theke standen. Die gibt es heute alle nicht mehr. Stattdessen gehen wir zu Real und Aldi, zu Rossmann und Schlecker, Saturn und Media-Markt. Ich habe diese Entwicklung immer bedauert (Ihr mögt das als wirklichkeitsfremd bezeichnen), weil die Existenz dieser Geschäfte damals die Chance beinhaltete, dass sich Real- und Hauptschulabsolventen nach dem Lehrabschluss und bestandener Meisterprüfung selbständig machen konnten und somit Unternehmer wurden und ein gutes Einkommen erwarten durften. Kannste heute alles vergessen.

Wirklichen Protest oder gar Widerstand gegen diese mittelstandsfeindliche Konzentrations-Entwicklung im Einzelhandel hat es selbst aus Mittelstands- oder IHK-Kreisen nie gegeben. Wahrscheinlich waren die alle eingenebelt von ihrer Angst vor den Russen, den Kommunisten und der „sozialistischen“ SPD und der von allen zusammen angeblichen Gefahr für das „freie Unternehmertum“, die vor allem die CDU schürte. Und in alle den Jahren sprach die Regierung von einer Politik zu r Stärkung des Mittelstandes, ohne dass davon wirklich etwas zu spüren war..

Das Ganze wiederholt sich heute, nur das SPD, Grüne, FDP und CDU jetzt alle in das selbe Horn stoßen: Diesmal geht es um zu hohe „Lohnnebenkosten“, die der Grund dafür sein sollen, dass Unternehmen lieber im Ausland investieren und dort arbeiten lassen und dass sie immer weiter rationalisieren „müssen“. Alle vier Parteien werfen hierbei Großunternehmen und Kleinunternehmen in einen Topf, was ich einfach nicht für zulässig halte.

Erlaubt hier bitte einen Exkurs zum Thema „Lohnnebenkosten“ (sehr bewusst in Gänsefüßchen gesetzt), mit dem ich dann auch zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen komme:

Wie man aus den Nachrichten und Zeitungen weiss, hat die Regierung das „ehrgeizige“ Ziel, die Lohnnebenkosten von der derzeit 42 Prozent auf „unter 40 Prozent“ zu senken.

Es lohnt sich, die unterschiedlichen Auswirkungen dieser „Lohnnebenkosten“ auf kleine und große Unternehmen einmal genau anzusehen. Zunächst sind diese für alle gleich. Bei einem Bruttoeinkommen von 2.000 € erhält der Arbeitnehmer netto bei Lohnsteuerklasse 1 (ohne Kirchensteuer) ca. 1.297 € ausgezahlt (Quelle: gehaltsrechner.de). Da der Arbeitgeberbeitrag zu den Sozialabgaben auch noch zu berücksichtigen ist, stehen dem Nettoeinkommen des Arbeitnehmers 2.422 € Aufwendungen tatsächliche Lohnkosten entgegen (weitere Lohnnebenkosten wie Fahrgeld, mögliche Essenszuschüsse und Beiträge zur Berufsgenossenschaft nicht berücksichtigt). Die Differenz zwischen dem Nettoeinkommen und den Aufwendungen der Arbeitgeber verteilt sich wie folgt:

Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag: 280 € Finanzamt
Rentenversicherung: 390 € z.B. BFA
Kranken- und Pflegeversicherung: 324 € Krankenversicherung
Arbeitslosenversicherung: 130 € B-Angentur für Arbeit
Gesamtabzüge 1.124 €

Zunächst ist die Kostenbelastung pro Arbeitsplatz für große und kleine Unternehmen gleich; aber auch nur zunächst. Während die großen die Möglichkeit haben, kontinuierlich zu rationalisieren, ins Ausland zu verlagern und damit gewaltige Kosten zu sparen, haben die kleinen (z.B. ein Klempnerbetrieb) diese Möglichkeit nicht, zumindest aber nur in einem sehr geringen Umfang. Wenn ein hochprofitables Unternehmen wie die Deutsche Bank ankündigt, ca. 2.000 Arbeitsplätze allein in Deutschland abzubauen, hat dies bei einem angenommenen (tatsächlich aber wohl höheren) Durchschnittseinkommen von 2.000 € einen Steuereinnahmeverlust von 560.000 € und einen Verlust bei den Sozialversicherungen in Höhe von ca. 844.000 € pro Monat (jährlich = 6,8 Mio. € bzw. 20.256 Mio. €) zur Folge.

Während die gewinnträchtigen Großunternehmen folglich die Chance haben, sich in Größenordnungen durch Rationalisierungen und Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland auf der Kostenseite selbst zu entlasten, bleibt für die kleinen Unternehmen nur die Hoffung auf eine Senkung der „Lohnnebenkosten“ auf unter 40 Prozent, die die Regierung in Aussicht gestellt hat. Sitzen die großen und die kleinen Unternehmen wirklich in einem Boot?

Nun, ich meine: Nein, das tun sie nicht. Während sich die großen ständig selbst entlasten (können), müssen die kleinen damit rechnen, dass sich ihre Belastungen pro Arbeitsplatz kaum verringert bzw,. wie das durch die sachfremde Übertragung der einigungsbedingten Sonderlasten auf die Sozialversicherungssysteme bereits geschehen ist, bei weiter abnehmender Zahl der Beitragszahler sogar weiter erhöhen könnte.

An dieser Stelle sollten wir den ständig verwandten Begriff der LOHN-NEBEN-KOSTEN doch endlich mal aus-ein-ander-nehmen. Am besten mit einem Perspektivwechsel: Wir leben in einem Land mit ca. 80 Mio. Einwohnern. Jeder von diesen 80 Mio. hat ein individuelles Recht auf Chancengleichheit, körperliche Unversehrtheit (=gleich Gesundheit) und vieles mehr. Dies alles steht im Grundgesetz, geht aber letztlich auf einen Herrn von Bismarck zurück, der im letzten Jahrzent des 19. Jahrhunderts das System der Sozialversicherung ins Leben rief. Auf Bismarck geht zurück, dass die allgemeine Sozialfürsorge als eine staatliche Aufgabe gilt, die nicht weniger bedeutsam ist als z.B. der Unterhalt einer Armee. Auf Bismarck geht aber auch zurück, diese Aufgabe an Sozialversicherungsinstitutionen zu übertragen und die Kosten über Abzüge vom Lohn der Beschäftigten zu finanzieren, was letztlich bis heute wirkungsvoll verschleiert, dass es sich hierbei um eine staatliche Aufgabe handelt. .

Dieses Bismarcksche Grundprinzip der individuellen Sozialversicherungen wurde in der Bundesrepublik nach dem 2. Weltkrieg reaktiviert und für die Nichtversicherten sollte die Sozialhilfe aufzukommen haben. Das hat solange der Bedarf an Arbeitskräften und die Löhne noch stiegen, also unter den Bedingungen der Vollbeschäftigung, auch recht lange ganz gut funktioniert. Aus bekannten Gründen kann das heute nicht mehr funktionieren:

1. In vielen Branchen hat die technologische Entwicklung enorme Möglichkeiten der Rationalisierung und des Ersatzes menschlicher Arbeitskraft geschaffen. Natürlich machen die Unternehmen von diesen Möglichkeiten im Interesse der Kostenreduzierung Gebrauch und sie werden das auch zukünftig tun.
2. Die Handelsliberalisierung (GATT) und die den Unternehmen eingeräumte Freizügigkeit innerhalb der erweiterten EU schaffen vielfältige Möglichkeiten, Arbeitsplätze in Niedriglohnländer zu verlegen. Auch davon machen die meisten Unternehmen, die dies können, ungehemmten Gebrauch und werden dies weiter tun.

Da diese Effekte auch in Zukunft wirken werden, ist nur allzu offensichtlich, dass die Zahl der bezahlten Arbeitsplätze weiter deutlich zurückgehen wird und das beitragsfinanzierte Sozialversicherungssystem nur durch weitere Beitragssteigerungen oder extreme Leistungskürzungen aufrechterhalten werden kann. (Nicht zu vergessen ist, dass den Sozialversicherungen nach der Wende eine Reihe von einigungsbedingten Kosten auferlegt wurden).

Die Offiziellen der vier o.g. Parteien wollen uns jedoch weiter vormachen, diesen Trend stoppen zu können und in ausreichender Zahl neue Arbeitsplätze schaffen zu können. Dazu werden die abstrusesten Forderungen an die Arbeitnehmer gestellt: die Wochen- und Lebensarbeitszeit müsse verlängert, die Arbeitszeiten insgesamt „flexibilisiert“ werden und überhaupt müsse mehr gearbeitet werden. Da werden untaugliche Kombilohnmodelle vorgeschlagen und Langzeitarbeitslose sollen durch 1 €-Jobs wieder an den Arbeitsmarkt herangeführt werden. Gleichzeitig will aber die EU-Kommission eine Dienstleistungsnovelle durchsetzen, die es ausländischen Unternehmen erlaubt, ihre Arbeitskräfte zu Sozial- und Lohntarifen, die bisher nur in den Herkunftsländern gelten, in den Mitgliedsstaaten arbeiten zu lassen, was mit Sicherheit zur Verdrängung tausender Arbeitsplätze für inländische ArbeitnehmerInnnen führen würde.

Leidtragende dieser fehlgeleiteten Politik der heimlichen Großen Koalition sind natürlich in erster Linie die Arbeitslosen und die ArbeitnehmerInnen, die mit Hartz IV an den untersten Rand des Existenzminimums „grundversorgt“ bzw. deren Gewerkschaften unter den gegebenen Bedingungen nicht einmal mehr in der Lage sind, in Tarifverhandlungen einen Inflationsausgleich auszuhandeln. Die nächsten Betroffenen sind allerdings bereits die kleinen Unternehmen, die zu Recht unter einer zu hohen Kostenbelastung der Lohne ächzen und die im Gegensatz zu den großen Unternehmen nicht die Möglichkeit haben, in Größenordnungen zu rationalisieren, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern und auch Gewinne, wie bei vielen Konzernen üblich, bei Konzerntöchtern im Ausland anfallen zu lassen und dort geringer zu versteuern. Und der dritte Leidtragende ist der Staat (und damit wir alle), der geringere Steuereinnahmen bekommt und jetzt bereits Schwierigkeiten hat, das Bildungssystem im bisherigen Leistungsumfang aufrecht zu erhalten.

Den Teufelskreis ständig wachsender „Lohnnebenkosten“ bei wachsender Arbeitslosenzahl und der negativen Auswirkungen dieser Kosten auf den Arbeitsmarkt kann man m.E. nur durch eine schrittweise und möglichst weitgehende Ablösung des nicht mehr tragfähigen Bismarckschen Versicherungssystems durch ein neues, überwiegend steuerfinanziertes System erreichen, bei dem sich die Großunternehmen nicht in einem solchen Umfang wie heute von Steuer- und Sozialbeiträgen selbst freistellen können. Dass deren Anteil am Steuer- und Sozialaufkommen durch das Ausnutzen von Steuerschlupflöchern, Rationalisierungen und Arbeitsplatzverlagerungen ins Ausland immer geringer wird, halte ich nicht für akzeptabel und deshalb bin ich der Meinung, dass man dem wirkungsvoll entgegenwirken muss. Ein Weg dazu kann die Umstellung auf ein weitgehend steuerfinanziertes System der sozialen Sicherung sein und das bedeutet für mich natürlich auch, dass ein Grundeinkommen weitgehend steuerfinanziert sein müsste.

Nun zu Lothar Samuel Tesches Parteilichkeitsvorwurf: Er nimmt in seinem ersten Beitrag Bezug auf meine Äußerung, dass wir das bedingungslose Grundeinkommen nicht gegen die Unternehmen durchsetzen können werden. Und in seinem zweiten Beitrag stellt er lakonisch fest, dass ich auf der Seite der Unternehmen (und damit meint er sicherlich: auf der falschen Seite) stehe. Er fragt auch, welches Machtpotential ich denen zubillige.

Also zunächst ist das Netzwerk eine pluralistische Plattform, in der jeder mitmachen kann, der zu den vier Grundkriterien steht (was ich tue). Zudem stehe ich tatsächlich auf der Seite bestimmter Unternehmen (vornehmlich der kleineren, die – wie dargelegt – mit zu den Verlierern der derzeitigen Politik gehören). Drittens hätte ich besser ausdrücken können. Statt zu sagen, dass man ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht gegen die Unternehmen durchsetzen kann, hätte ich vielleicht schreiben sollen, dass man bei der Größe und Komplexität der Aufgabe, die wir uns vorgenommen haben, gar nicht Verbündete genug haben kann. Tatsächlich halte ich die kleineren UnternehmerInnen, deren Nettoeinkommen teilweise deutlich unter dem eines Ministerialbeamten oder eines Lehrers (und dem meinen) liegt, für mögliche, vielleicht sogar natürliche Verbündete im Kampf um ein Grundeinkommen nach den vier Kriterien. Schließlich hält sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nicht ohne Grund seit Jahren auf einem erschreckend hohen Niveau. Um ein Bündnis solcher Art einzugehen ist aber erforderlich, Vorurteile übereinander abzubauen und wechselseitig die Sorgen und Probleme der jeweils anderen Seite ernst zu nehmen und sie zunächst einmal zu verstehen.

Mir persönlich fällt dies relativ leicht. Vielleicht deshalb, weil ich in zehn Jahren bei der FDP und bei meiner jetzigen Tätigkeit sowohl solche als auch solche Unternehmer kennen gelernt habe.

Dass ich auf die Behandlung der Argumente der Unternehmerseite in der Sozialstaatsdiskussion so großen Wert lege, hat aber noch einen anderen Grund: Wir müssen dafür sorgen, dass wir die Meinungsführerschaft in dieser Diskussion bekommen. Denn diese liegt derzeit ganz eindeutig bei den vier Parteien, die sich in einem Wettbewerb um die wirkungsvollsten und einschneidensten Sozialkürzungen befinden und damit auch noch Zuspruch von den betroffenen ArbeitnehmerInnnen und sogar den Arbeitslosen finden. Denn wie ist es denn sonst zu erklären, dass die Umfragewerte der Union, die wie die großen Unternehmerverbände am liebsten gleich Hartz V – X umsetzen möchten, stetig steigen. Die Meinungsführerschaft der vier Parteien kommt schlicht und ergreifend darin zum Ausdruck, dass die Mehrheit der Bevölkerung tatsächlich glaubt, dass die jetzigen und weitere Sozialkürzungen, längeren Arbeitszeiten und „Lohnzurückhaltung“ tatsächlich ein wirkungsvolles Rezept im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit ist, bzw. dass es zu diesem Rezept, so unangenehm es sein mag, keine Alternative gäbe. Die Stimmungslage ist unterm Strich so (groß-)unternehmensfreundlich wie nie zuvor. So können sich die Unternehmensverbände leisten, lautstark nach weiteren Steuererleichterungen zu rufen und die vier Parteien pflichten ihnen alle bei, (wobei sie zwangsläufig die anderen Probleme: Abbau der Staatsverschuldung, Aufrechterhaltung des Bildungssystems und vieles andere mehr zurückstellen müssen).

Der Grund für diese konservative Meinungsführerschaft ist m.E. darin zu sehen, dass es zu wenige, überzeugende alternative Wirtschaftskonzepte gibt, bzw. diese nur in linken Kreisen ernst genommen und diskutiert werden. Auch die Medien, vom Fernsehen bis zur Bildzeitung, befassen sich kaum und wenn nur abfällig mit Alternativkonzepten. Dafür senden und drucken sie in Endlosschleife die immer gleichen Rezepturen „zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Mittelstands“ ab, die in Wirklichkeit nichts anderes als Mogelpackungen einer neoliberalen Wirtschaftspolitik sind. Die Wirkungen dieser konservativen Meinungsführerschaft sind unübersehbar: die Wechselstimmung zur Union, die noch konsequenter kürzen und sparen will, ist – wie die Meinungsumfragen zeigen – bereits da. Und diese Stimmungslage ist denkbar schlecht, um unsere Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen durchzusetzen.

Um diese Situation zu ändern, müssen wir mit unseren Forderungen und Argumenten u.a. auch den Mittelstand, d.h. die kleinen Unternehmen, den Klempner um die Ecke und den vielleicht tatsächlich noch nicht von Fielmann und Essanell geschluckten Optiker oder Friseur erreichen. Deshalb mein Plädoyer dafür, die Probleme und Sorgen der Unternehmen ernst zu nehmen, mit den Wirtschaftsverbänden ins Gespräch zu kommen und dort Aufmerksamkeit für unsere Positionen und Argumente anzustreben..

Tut mir leid, dass dieser Beitrag so lang geworden ist, aber ich derzeit aus o.g. Gründen nicht in der Lage mich kürzer und präziser auszudrücken.

Günter Sölken

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