Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

*
14.05.2005: Die Administration dieses FORUMs wird ab heute von den Nutzern dieses FORUMs gestaltet. Siehe dazu im FORUM Beitrag in "Infos zur Nutzung des FORUMs".
*
Dieses FORUM dient der Diskussion von Ideen
zum BEDINGUNGSLOSEN GRUNDEINKOMMEN. Es war zuerst ein FORUM des
"Netzwerk Grundeinkommen", Näheres: http://Grundeinkommen.INFO .
Die Sprecher+..Innen des Netzwerkes betreiben seit April 05 eine eigene Mailingliste,
Näheres: http://listi.jpberlin.de/mailman/listinfo/debatte-grundeinkommen.
*
Die Nutzer dieses FORUMS haben sich trotzdem mit Mehrheit für die Beibehaltung dieses FORUMs ausgesprochen, das weiterhin wohl auch hauptsächlich das weitere Vorgehen von http://Grundeinkommen.INFO begleiten wird.
*
Das FORUM ist z.Zt. versuchsweise ÖFFENTLICH geschaltet.
Es kann also JEDEr Beiträge lesen, die Dateien ansehen und auch downloaden. Die Dateien sind auch verlinkbar. Wer mitschreiben will, muss sich anmelden, auch mit Pseudonym. Die Berechtigung muss bestätigt werden. Bitte die Frage "Warum..." beantworten.
*
 
Sie sind nicht eingeloggt.
LoginLogin Kostenlos anmeldenKostenlos anmelden
BeiträgeBeiträge SucheSuche HilfeHilfe
VotesUmfragen FilesDateien CalendarKalender BookmarksBookmarks

Anfang   zurück   weiter   Ende
Autor Beitrag
LOthar Samuel Tesche

Beiträge: 267

New PostErstellt: 20.04.05, 12:04     Betreff: Geht das, BGE und Mindestlohn gleichzeitig?

...Und nicht vergessen, der Mindestlohn ist das Trojanische Pferd, mit dem die versteckten Feinde des Bedingungslosen Grundeinkommens, dieses zu Fall bringen wollen.

Kürzlich schrieb Werner Rätz einen Beitrag in der Frankfurter Rundschau:
Wider die Existenzangst

Man muss auch ohne Arbeit leben können /
Plädoyer für ein Grundeinkommen

VON WERNER RÄTZ
******************

Er nennt es schon nicht mehr Bedingungsloses Grundeinkommen, sondern nur Grundeinkommen (genauer: er nennt es mal so und mal so). Dieser Ausdruck kann alles und nichts bedeuten. In seinem Beitrag sagt er, daß es den Arbeitslosen sehr schlecht gehe.
Er schreibt:


"In den neuen Bundesländern können wir leider vielen Menschen in der derzeitigen Wirtschaftslage kaum etwas bieten." Mit diesen Worten kommentierte der Präsident der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank Weise, jüngst die Arbeitslosenstatistik. Für seinen Vorschlag, ältere Arbeitslose in Ostdeutschland aus der Arbeitsvermittlung herauszunehmen, erntete er Kritik von allen Seiten. Die meisten Kommentatoren warfen ihm zu Recht Zynismus vor - und gingen dabei dennoch in die Irre, indem sie unterstellen, dass es darauf ankomme, weiterhin allen Menschen ein Arbeitsangebot zu machen.

Mit seiner zentralen Aussage hat Weise Recht: Die Arbeitsvermittlung hat heute tatsächlich vielen Menschen "kaum etwas zu bieten". Das betrifft nicht nur ältere Ostdeutsche mit angeblich veralteten oder geringen Qualifikationen. Das betrifft einen Großteil der fast zwei Millionen Langzeitarbeitslosen deutschlandweit. Das betrifft viele Jugendliche, die keine Ausbildungsstelle finden. Das betrifft Millionen, die gar nicht mehr in den Statistiken auftauchen, weil sie sich ohnehin keine Chancen ausrechnen.

Und auch für eine zweistellige Millionenzahl von Arbeitenden bedeutet ihre Beschäftigung keineswegs, dass die ihnen "etwas zu bieten" hat: Sie sitzen in Minijobs, überschuldeten Ich-AGs, befristeten Verträgen, Zeitarbeitsfirmen, unter der Armutsgrenze bezahlten Tätigkeiten, Scheinselbstständigkeit und zukünftig in Ein-Euro-Jobs. Die Hartz-Gesetze haben keine neuen Jobs geschaffen, sondern nur den Druck auf die noch Beschäftigten erhöht: Arbeitskräfte, die sich vor allem um ihre Zukunft sorgen, sind offen für Lohnsenkungen, unbezahlte Mehrarbeit, Arbeitsverdichtungen und was dergleichen Strategien mehr sind, mit denen die Konzerne sich fit machen für unbeschränkte Kapitalverwertung. Auch die tariflich abgesicherten Dauerarbeitsverhältnisse sind zunehmend bedroht, wie immer neue Entlassungen belegen.

Seit Jahrzehnten sind Wirtschaft und Gesellschaft nicht mehr in der Lage, dieser Entwicklung mit einem auch nur annähernd ausreichenden Angebot an bezahlter Arbeit entgegenzutreten. Das Problem lässt sich nicht durch mehr Wachstum lösen. Wenn - wie im Fall der Deutschen Bank - 16 Prozent Rendite nicht ausreichen, um im internationalen Standortwettbewerb zu bestehen und Arbeitsplätze zu erhalten, dann kann ein Unternehmen systematisch keine Beschäftigten gebrauchen, die so etwas wie Arbeitsplatzsicherheit einfordern.

Der BA-Chef benennt den Regelfall: Die Arbeitsvermittlung hat den Menschen "kaum etwas zu bieten". Und deshalb sollten seine Äußerungen zum Anlass genommen werden, darüber nachzudenken, welche Konsequenzen jetzt notwendig sind."

Sein Fazit lautet:

"Es ist Zeit für eine gesellschaftliche Debatte, die die Wirklichkeit auf dem Arbeitsmarkt zur Kenntnis nimmt."

Und er fährt fort:

"Wir können keine Gesellschaft wollen, in der Menschen trotz wachsenden gesellschaftlichen Reichtums dauerhaft von der Teilhabe ausgeschlossen sind. Verunsicherung, flexible Verfügbarkeit für die Verwertungsanforderungen der Konzerne werden zum weltweit gemeinsamen Merkmal von Beschäftigung wie von Arbeitslosigkeit. Dagegen müssen wir den Anspruch auf soziale Sicherung setzen.

Ohne Existenzangst leben zu können ist ein Menschenrecht, das nicht kurzfristigen Gewinnerwartungen oder staatlichen Haushaltsproblemen geopfert werden darf. Dieses Recht kann in den modernen Gesellschaften nur wahrnehmen, wer über ein Einkommen verfügt. Und wenn Arbeitsverhältnisse heute zum einen fehlen und zum anderen das Überleben nicht mehr sichern, dann brauchen wir neue Instrumente."

Daß Rätz die Welt einteilt in Menschen, die dauerhaft von der Teilhabe ausgeschlossen sind und solchen, deren gesellschaftlicher Reichtum ständig wächst, ist nicht zu beanstanden. Zu beanstanden ist jedoch, daß er diese Teilung auf sich beruhen läßt (den Status quo praktisch propagiert). Er sagt im Grunde genommen: So wie es ist, ist es nun mal. Da könne man nichts machen. Man könne die Reichen nur auffordern, den Armen einige Brosamen ihres Reichtums zu überlassen.

Mit dieser Argumentation gesteht er ihnen uneingeschränkte Macht zu. In dieser Position ist es selbstverständlich nicht einfach, den reichen Herrschaften mehr abzuverlangen, als sie eh schon geben. Das erinnert an die Quadratur des Kreises, eine unlösbare Aufgabe lösen zu wollen.
Und so sagt Rätz "logischerweise":

"Ein gesetzlicher Mindestlohn und ein b e d i n g u n g s l o s (hervorgehoben L.T.) zu zahlendes Grundeinkommen wären solche Instrumente, mit denen gewährleistet würde, dass man von Arbeit leben kann - und ohne Arbeit auch."

Mit anderen Worten: Die Verwirrung ist perfekt. Ein gesetzlich festgesetzter Mindestlohn bei gleichzeitiger Zahlung eines Bedingungslosen Grundeinkommens, wäre Staatskapitalismus der schlimmsten Art. Das kann niemand wollen, nicht mal ein notorischer Feind des Kapitalismus!

Wer sich mit dem Prinzip des gesetzlich festgesetzten Mindestlohnes näher befassen möchte, studiere am besten das amerikanische Wirtschaftssystem. Dort gibt es diesen Lohn bereits seit den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts. Das bedeutet in den Staaten, daß kein Unternehmen weniger als 5,31(?) Dollar in der Stunde zahlen darf.

Nun will Rätz darauf noch ein Bedingungsloses Grundeinkommen setzen.
Ein Bedingungsloses Grundeinkommen ist ein Einkommen, das so hoch ist, daß ein Mensch davon in dem Sinne existieren kann, daß er nicht gezwungen ist, sich gegen Geld oder Nahrung verkaufen zu müssen, um überleben zu können.

Rätz sagt direkt im Anschluß auch:

"Ein solches Grundeinkommen sollte jedem Menschen als individueller Rechtsanspruch zustehen und darf nicht an einen Arbeitszwang gebunden sein. Es würde bisherige Sozialtransfers ersetzen und müsste in der Höhe ausreichend sein um die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Es gibt eine Vielzahl von durchgerechneten Modellen eines solche Grundeinkommens (www.archiv-grundeinkommen.de). Sie alle zeigen, dass seine Finanzierung möglich wäre."
Der geneigte Leser möchte nun erfahren, wie hoch der Rätz'sche Mindestlohn sein soll. Dazu schreibt er:
"F: Wie hoch müßte ein Mindestlohn sein?

Wir haben keine Zahlen diskutiert, aber er darf natürlich nicht unter der
Armutsgrenze liegen. In der Bundesrepublik käme man auf monatlich 900 oder
1000 Euro netto, also deutlich über dem Arbeitslosengeld II und auch
deutlich über der alten Sozialhilfe. Teilhabe heißt mehr, als nicht
verhungern. Oper, Bücher, Internetzugang oder das Brot vom Biobäcker müssen
schon drin sein."
(Quelle: "Wir wollen für alle Menschen ein gutes Leben"

ATTAC fordert Mindestlohn von rund 1000 Euro. Kampagne gegen Verletzung
sozialer Mindestrechte wird vorbereitet. Ein Gespräch mit Werner Rätz*
(Interview "Junge Welt", 16.04.2005) )

Da nun jeder Mensch einen Anspruch auf ein Bedingungsloses Grundeinkommen haben soll, also auch ein Unternehmer, auch der reichste Mann und die reichste Frau Deutschlands (oder der Welt), gleichgültig, ob sie nun einer Lohnarbeit nachgehen oder nicht, muß das bedeuten, daß sie zusätzlich (zu dem Bedingungslosen Grundeinkommen) rund 1000 Euro (staatlich festgesetzen) Mindestlohn erhalten. Das aber kann keine Volkswirtschaft der Erde leisten, nicht einmal die deutsche. Jeder aufrechte Unternehmer würde gut daran tun, sein Unternehmen an den Nagel zu hängen, um mit seinem Bedingungslosem Grundeinkommen so zu leben, wie eben alle anderen auch.
Bedingungsloses Grundeinkommen bedeutet, daß sich Unternehmer und Tätigkeitssuchender als gleichberechtigte Menschen gegenüberstehen. Beide wissen, daß ihre Existenz gesichert ist, daß sie nicht Angst vor dem Morgen haben brauchen. Sie können gemeinsam einen Lohn aushandeln (Vertragsfreiheit !). Und es kann durchaus sein, daß einem Tätigleitssuchenden die angebotene Arbeit so gut gefällt, daß er sich mit einem Stundenlohn von 3 Euro zufrieden gibt (kann auch gut sein, daß der Unternehmer ihn nur 10 Stunden in der Woche braucht).

An diesem Punkt sollte auch allen bewusst sein, daß die Gewerkschaften der größte Feind eines Bedingungslosen Grundeinkommens sind oder sein werden. Warum?
Weil sie völlig überflüssig werden, weil sie nicht mehr zwischen Tätigkeitssuchenden und Unternehmer etwas zu vermitteln haben.

Rätz will die Kluft zwischen - ob bewusst oder unbewußt möchte ich nicht entscheiden- Kapitalismus und Kapitalismusabhängigen bis zum Sankt Nimmerleinstag aufrecht erhalten. Das kommt auch in einem Passus eines anderen seiner Werke gut zum Vorschein, wenn er sagt:

„Wer also sagt, es ist genug für alle da und wir wollen das auch haben, einfach so, nur weil wir Menschen sind, der erhebt einen Anspruch auf das in der toten Arbeit angehäufte Wissen vergangener Generationen und sagt, das gehört mir so gut wie denen, die es aktuell besitzen und zur Verwertung ihres Kapitals von lebendiger Arbeit aktivieren lassen. Er stellt damit die Produktionsverhältnisse des Kapitalismus ebenso in Frage wie seine zentrale Verteilungslogik (Reichtum durch und mit Armut). Und zwar ohne das ausdrücklich zu sagen oder auch nur zu wissen oder zu wollen.“

(Quelle: Vom Mangel zur Fülle Das Grundeinkommen als Richtungsforderung.-- In diesem Aufsatz entwickelt Rätz rhetorisch geschickt die Fragestellung:
„Es wären durchaus politische Situationen denkbar, in denen auch Teile des Herrschaftsapparates ein Interesse daran haben könnten, solche Regelungen umzusetzen. Sie könnten integrierend wirken und eskalierende soziale Konflikte dämpfen.“)

Bei diesen Worten höre ich eine leise Verhöhnung der Menschen heraus, die da sagen:
All das, was heute unsere Augen sehen und unsere Ohren hören, ist das Vermächtnis all jener ca. 75 Milliarden Menschen, die jemals diese, unsere Erde belebten. Nun, da die Hand-Produktion und die automatische Produktion einen Stand erreicht hat, der es ermöglicht, allen genügend Nahrung, eine Schulbildung bis zum 18.Lebensjahr ohne Abschluß, ein festes Dach und daseinserfüllende Beschäftigungen zu geben, ist es an der Zeit, dieses Vermächtnis in Dankbarkeit zu übernehmen. Und zwar A L L E .

- Das Bedingungslose Grundeinkommen jedoch will von seinem Ansatz her Kapitalismus und Kapitalismusabhängige in einer Art und Weise zu etwas Neuem miteinander verschmelzen – ohne blutige Revolutionen oder Kriege.


Rätz ist nicht attac, genau so wenig wie ich es bin. Ich kann nicht im Namen von attac sprechen und er kann es auch nicht. Niemand kann im Namen von attac sprechen. Jeder spricht hier für sich. Rätz für sich und ich für mich.
Möge sich jeder den Gedanken anschließen, von denen er glaubt, das sie die richtigen sind.

Lothar Samuel Tesche

_______________________________________________________________________________
(Wenn jemand sich mit Rätz's Werken näher befassen möchte, wird er auf den Begriff "Prekarisierung" stoßen. Da er nicht bereit war, mir mitzuteilen, wie er diesen Begriff verstanden haben möchte, füge ich hier eine Deutung von Wikipeda bei.
Unter Prekarisierung (von prekär lat.-fr.; durch Bitten erlangt; widerruflich, schwierig) wird unter Anderem der Prozess der Zunahme prekärer Arbeitsbeziehungen in der Erwerbsarbeit verstanden. Prekäre Arbeitsbeziehungen sind ökonomisch und historisch in Abgrenzung zum Normalarbeitsverhältnis bestimmt. In der Soziologie ist der Begriff Prekarisierung auch auf sämtliche lebensweltliche Aspekte, die nicht unmittelbar ökonomischen Mechanismen unterworfen sind, anwendbar. Beispielsweise wird die Verdrängung von alteingesessenen Bewohnern eines Stadtteils durch die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen bzw. die Erhöhrung des Mietzinses ebenfalls unter den Begriff Prekarisierung subsumiert. Ökonomisch sind prekäre Arbeitsbeziehungen solche, die die Reproduktion der sozialen Existenz der in ihnen für ihren Erwerb Arbeitenden (und weiterer Personen, deren Reproduktion von deren Erwerbsarbeitseinkommen abhängig ist – zusammen kurz: Lohnabhängige) im Vergleich zu Personen, deren Erwerbsarbeit als Normalarbeitsverhältnis organisiert ist, prekär werden lassen. Aus diesem Vergleich ergibt sich der historische Aspekt der Bestimmung prekärer Arbeitsbeziehungen: Nur dort, wo das Normalarbeitsverhältnis als normierend etabliert wurde, kann dessen prekäre Auflösung als Prekarisierung verstanden werden (Lit.: AG "Neue Heimat" im Bündnis kritischer GewerkschafterInnen Ost/West 1998). Prekarisierung existiert demzufolge nur in industrialisierten Ländern.)


"Wir wollen für alle Menschen ein gutes Leben"

ATTAC fordert Mindestlohn von rund 1000 Euro. Kampagne gegen Verletzung
sozialer Mindestrechte wird vorbereitet. Ein Gespräch mit Werner Rätz*
(Interview "Junge Welt", 16.04.2005)

F: ATTAC hat sich zur Debatte über gesetzliche Mindestlöhne geäußert. Aber
was haben die mit ATTACs eigentlichem Thema, der Globalisierung, zu tun?

Wir meinen, daß man die Globalisierung als Internationalisierung von
Konkurrenz verstehen muß. Und die hat auch hierzulande ihre Auswirkungen,
zum Beispiel, indem die Löhne immer mehr gedrückt werden. Insofern schauen
wir nicht nur in der weiten Welt auf die sozialen Verhältnisse, sonder auch
vor der eigenen Haustür.

F: Und was ist ATTACs Meinung? Brauchen wir einen Mindestlohn?

Ja. In aller Welt wollen die Menschen ein gutes Leben führen, und wir
denken, daß das im Rahmen der jeweiligen gesellschaftlichen Möglichkeiten
ein Menschenrecht ist. Wer also wie ATTAC weltweit eine Gesellschaft
anstrebt, die die Menschenrechte in den Mittelpunkt stellt, der muß jedem
das Recht auf Teilhabe am Reichtum und am gesellschaftlichen Leben
zugestehen. In modernen Gesellschaften ist das aber nur mit einem
entsprechenden Einkommen möglich.

Im Augenblick erleben wir jedoch das Gegenteil: Das Einkommen wird für immer
Menschen in Frage gestellt, und zwar nicht nur für Arbeitslose, sondern auch
für viele, die zwar arbeiten, aber von ihrem Lohn kaum leben können. Wir
brauchen also zum einen ein Grundeinkommen für alle, zum anderen aber eben
auch einen gesetzlichen Mindestlohn, um allen die gesellschaftliche Teilhabe
zu ermöglichen.

F: Wie hoch müßte ein Mindestlohn sein?

Wir haben keine Zahlen diskutiert, aber er darf natürlich nicht unter der
Armutsgrenze liegen. In der Bundesrepublik käme man auf monatlich 900 oder
1000 Euro netto, also deutlich über dem Arbeitslosengeld II und auch
deutlich über der alten Sozialhilfe. Teilhabe heißt mehr, als nicht
verhungern. Oper, Bücher, Internetzugang oder das Brot vom Biobäcker müssen
schon drin sein.

F: Die Bundesregierung scheint anderes im Sinn zu haben. Sie spricht zwar
seit neuestem ebenfalls vom Mindestlohn, kramt aber zugleich den alten
Sündenbock Schwarzarbeit aus der Mottenkiste.

Ja. Man fordert die Menschen in den Betrieben auf, einander zu denunzieren,
und man will die Mauern um Europa noch höher machen. Das ist das Gegenteil
von dem, was wir wollen.

Wer Schwarzarbeit bekämpfen will, muß die betroffenen Kollegen stark machen.
Lohnansprüche müssen einklagbar werden, ohne daß Daten an die Meldebehörden
weitergegeben werden. Nur wenn die Lohnansprüche auf der Höhe eines
Mindestlohns rechtlich durchsetzbar sind, wird auch der Gewinn aus der
Schwarzarbeit entfallen und damit das Motiv.

F: Mit der Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn stellen Sie sich
gegen einen Teil der Gewerkschaften, die um ihre Tarifhoheit fürchten.

Nun ja, die Gewerkschaften sind offensichtlich nicht in der Lage, mit ihren
Tarifverträgen ein Einkommen für die Beschäftigten sicherzustellen, das vor
Armut schützt. Es gibt einerseits in der Bundesrepublik weite Bereiche, die
überhaupt nicht von Tarifverträgen erfaßt sind, andererseits viele Branchen,
in denen die tariflichen Einkommen unterhalb der Armutsgrenze liegen. An die
300 Tarifverträge sehen Stundenlöhne von weniger als sechs Euro vor. Damit
ist kein menschenwürdiges Leben möglich, das liegt deutlich unter der
Armutsgrenze.

F: Was heißt das alles nun für ATTAC? Bisher ist ja das Netzwerk in sozialen
Fragen nicht besonders mobilisierungsfähig.

Ja, leider. Aber ich denke, diese Forderung ist dennoch wichtig für uns,
denn sie beschreibt, wie die andere Welt aussieht, die wir wollen. ATTAC
steht für eine Welt, in der man von Arbeit leben kann - und ohne Arbeit
auch. Was die Mobilisierung angeht, haben wir vor, für den Herbst eine
Kampagne zu entwickeln. Wir werden uns in Zusammenarbeit mit Gewerkschaftern
und anderen ganz konkret einen bestimmten Konzern vornehmen, und dessen
Verletzung der sozialen Menschenrechte flächendeckend mit Aktionen
anprangern. Namen kann ich noch nicht nennen aber das Projekt wird auf
unserem Ratschlag in Mannheim vom 22. bis zum 24. April vorgestellt.


[editiert: 20.04.05, 12:07 von LOthar Samuel Tesche]
nach oben
Benutzerprofil anzeigen Private Nachricht an dieses Mitglied senden
Sortierung ändern:  
Anfang   zurück   weiter   Ende
Seite 529 von 1.808
Gehe zu:   
Search

powered by carookee.com - eigenes profi-forum kostenlos