Forum Grundeinkommen
Offenes Forum zum Thema "Bedingungsloses Grundeinkommen"

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BGE+Mindestlohn=antagonistischer Widerspruch

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LOthar Samuel Tesche

Beiträge: 267


New PostErstellt: 19.07.05, 11:06  Betreff: BGE+Mindestlohn=antagonistischer Widerspruch  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen

(gesendet an attac listen und zu eurer Kenntnis)

Die Forderung eines Mindestlohnes in Verbindung mit dem Bedingungslosen Grundeinkommens ist kontraproduktiv!



Hardy Krampertz schrieb in der Taz kürzlich einen brauchbaren Artikel zum Bedingungslosen Grundeinkommen (er ist weiter unten nachzulesen). In einem Punkt (der scheinbar nicht ins Gewicht fällt, aber in sich unlogisch ist) möchte ich ihn aber korrigieren. Und zwar wo es im letzten Absatz heißt:

"Ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es seit zwei Jahren im Attac-Schwerpunkt "Genug für alle" und im Netzwerk Grundeinkommen diskutiert wird, ist ein Konzept zur Absicherung der Menschen und stellt auch die Frage nach dem Stellenwert der Arbeit in der Gesellschaft neu. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, kombiniert mit Mindestlöhnen, soll die materielle Lebensgrundlage aller hier lebenden Menschen sichern und ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen."

Da ich im Netzwerk Grundeinkommen aktiv mitarbeite (im Gegensatz zu Hardy) möchte ich erstmal sagen, daß bei uns vieles besprochen wird, auch das Konstrukt Mindestlohn. Nur wurde gerade dieses verworfen aus einem simplen Grund: Nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (= eines Einkommens, das so hoch ist, daß kein Mensch gezwungen ist, seine Arbeitskraft gegen Geld oder Nahrung zu verkaufen, um überleben zu können) muß der Lohn zwischen Unternehmer und Beschäftigungssuchenden absolut frei verhandelbar sein. Zwischen beiden muß Rechtsgleichheit herrschen. Nur diese beiden schließen einen Vertrag (Vertragsfreiheit) miteinander ab - aus diesem Grunde werden auch die Gewerkschaften überflüssig wie ein Kropf-. Ja wenn ich will darf ich sogar für einen Unternehmer unentgeltlich arbeiten, "ehrenamtlich" sagt man heute noch dazu (Löhne werden nicht mehr besteuert). Ein staatlich festgesetzter Mindestlohn würde abgesehen davon, ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht ermöglichen können. Dies zu begründen, würde hier allerdings zu weit führen.... Kurz: Mindestlöhne sollen angeblich (....daß dies Schwachsinn in Reinkultur ist, läßt sich wundervoll in den USA studieren, wo es seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrtausends Mindestlöhne gibt) die Existenz eines Menschen helfen zu sichern, ein Bedingungsloses Grundeinkommen tut dies aber bereits.

Hardy hat sich nicht "professionell" mit dem Thema Bedingungsloses Grundeinkommen beschäftigt. Den Passus mit dem Mindestlohn hat er von Werner Raetz wohl kritiklos übernommen. Ich habe Werner Raetz vor Monaten schon auf diesen (letztlich schwerwiegenden) Widerspruch aufmerksam gemacht. Er hat aber nach wiederholten Bitten weder darauf reagiert noch seine Haltung korrigiert. ...Aber es ist leider so, daß bei uns in attac manche Menschen ab einem bestimmten "Dienstgrad" es nicht mehr nötig haben, auf Einwände des Fußvolkes zu reagieren.

herzliche Grüße Lothar Samuel Tesche



Es ist genug für alle da!

Die Politik der vergangenen 30 Jahre hat die Armut-Reichtum-Schere weiter auseinander getrieben. Wenn künftig nur noch 20 Prozent der Arbeitenden für die herkömmliche Wirtschaft gebraucht werden, muss endlich Arbeit anders gedacht werden
von HARDY KRAMPERTZ

Ist das Ende der Arbeitsgesellschaft angebrochen? 30 Jahre Massenarbeitslosigkeit sprechen eigentlich eine deutliche Sprache, dennoch fehlen Politikern anscheinend Rezepte, die Menschen wieder in Arbeit zu bringen und ihnen damit eine zumindest partielle Existenzsicherung zu garantieren. Auch die "ruhige" Hand von Kanzler Schröder war keine Hilfe. Die Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze sind gescheitert unter der Maßgabe, dass der Sozialstaat behalten und Arbeit geschaffen werden soll. Im Gegenteil wurden im Namen der Standortsicherung Unternehmen milliardenschwere Steuergeschenke gemacht und der Sozialstaat geschliffen, weil er nicht mehr zu finanzieren sei.

Weltweite Billigstlöhne werden es ebenfalls nicht richten, sondern führen nur zu weiteren prekären Arbeitsverhältnissen. Im Gegenteil, alle Politik der letzten Dezennien hat die Armut-Reichtum-Schere weiter auseinander getrieben, und selbst für Menschen mit Arbeit haben prekäre Lebenslagen zugenommen. Für Arbeitsplätze im kulturellen oder sozialen Bereich wird die Förderung gestrichen. Ganz en passant wird der Abbau sozialer Rechte weltweit betrieben und werden rechtliche Standards wie Kündigungsschutz und Umweltgesetze zurückgedrängt oder unterlaufen.

Immer mehr Arbeit an Maschinen: Das ist gut so

Es lässt sich nicht von der Hand weisen: Die auf Vollzeit ausgerichtete Erwerbsarbeit reicht nicht mehr für alle Menschen aus. So simpel diese Tatsache ist, so wichtig scheint es zu sein, sie dennoch nicht auszusprechen. Das wäre die Bankrotterklärung neoliberaler Politik. Die einfachere Losung der Politiker lautet, auch wenn sie nicht funktioniert: Mehr und länger arbeiten bei gleichzeitig geringerem Einkommen. Wie soll sie auch funktionieren? Die Schüssel mit Suppe wird doch auch nicht voller, wenn ich noch mehr Gäste einlade und ihnen sagen, sie sollen bitte auch schneller essen.

Rationalisierungen, technologische Innovationen und die "digitale Revolution" haben mehr Arbeitsplätze vernichtet als neue geschaffen. Die Produktivkraft ist zudem heute um ein Vielfaches effizienter und kann weiter gesteigert werden. Immer mehr Arbeit wird von Maschinen übernommen und durch neue Technologien ersetzt. Dies ist gut so. Es ist besiegelt: Das in der Ära des rheinischen Kapitalismus ausgeprägte "Normalarbeitsverhältnis" ist überholt. Vielleicht ist es übertrieben, schon jetzt davon auszugehen, dass in weiterer Zukunft nur etwa 20 Prozent der arbeitsfähigen Bevölkerung ausreichen werden zur Warenproduktion und Erstellung hochwertiger Dienstleistungen, um damit die Weltwirtschaft in Schwung zu halten. Dies ist aber keine leere Vision, und es braucht daher andere als die hilflosen Konzepte von Politikern und Wirtschaftsvertretern, die am Dogma vom Wirtschaftswachstum und weiteren Deregulierungen festhalten. Darum ist das erste deutsche Sozialforum der Ort, an dem die Zivilgesellschaft Alternativen diskutieren kann und muss.

Am nötigsten ist jetzt eine wahre Existenzsicherung

Es ist unumgänglich: Eine "Neudefinition" der Arbeit muss vorgenommen werden! Wenn Arbeit zur Existenzsicherung nicht mehr im ausreichenden Maße vorhanden und diese darüber hinaus selten genug sinnstiftend ist, wenn zugleich die gesellschaftlich geleistete Arbeit und der so geschaffene Reichtum Not und Armut ohne Mühe beseitigen könnten, dann kann es Sinn machen, den Rest vorhandener Arbeit anders zu verteilen und die Arbeitszeit zu verkürzen. Am allernötigsten ist jetzt eine Existenzsicherung, die den Namen auch verdient.

Ein bedingungsloses Grundeinkommen, wie es seit zwei Jahren im Attac-Schwerpunkt "Genug für alle" und im Netzwerk Grundeinkommen diskutiert wird, ist ein Konzept zur Absicherung der Menschen und stellt auch die Frage nach dem Stellenwert der Arbeit in der Gesellschaft neu. Ein bedingungsloses Grundeinkommen, kombiniert mit Mindestlöhnen, soll die materielle Lebensgrundlage aller hier lebenden Menschen sichern und ihnen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen. Tätigkeiten in sozialen, kulturellen und auf Gemeinwohl ausgerichteten Sektoren der Gesellschaft werden aufgewertet. Nicht die häufig sinnentleerte Arbeit, sondern die kreative, selbstbestimmte Tätigkeit ist Ziel gesellschaftlicher Veränderung. Dies ist der Weg in eine freie und emanzipatorische Gesellschaft, zu einer menschenwürdigen Globalisierung, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und gesellschaftliche Teilhabe und die Ausweitung der Demokratie ermöglicht.

Hardy Krampertz ist im bundesweiten Koordinierungskreis von Attac

taz Nr. 7711 vom 9.7.2005, Seite 4, 157 Zeilen (Dokumentation), HARDY KRAMPERTZ

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matthias_dilthey

Beiträge: 130
Ort: Erlangen


New PostErstellt: 19.07.05, 18:21  Betreff: Re: BGE+Mindestlohn=antagonistischer Widerspruch  drucken  weiterempfehlen

Hallo Lothar, hallo Forum,

leider hast Du, lieber Lothar mit Deiner Einschätzung recht.
Mindestlohn und BGE ist ein Widerspruch in sich.

Der Mindestlohn ergibt sich gemäß den Regeln der Marktwirtschaft in Abhängigkeit der BGE-Höhe und der Attraktivität der Arbeit ganz von selbst.

Wer dem nicht zustimmt, hat das BGE und seine Wirkung nicht verstanden.

Liebe Grüße

Matthias Dilthey



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reiner

Beiträge: 35
Ort: 35460 Staufenberg



New PostErstellt: 19.07.05, 19:59  Betreff: Re: BGE+Mindestlohn  drucken  weiterempfehlen

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jan.G

Beiträge: 6
Ort: Potsdam


New PostErstellt: 19.07.05, 21:54  Betreff: Re: BGE+Mindestlohn  drucken  weiterempfehlen

Lieber Lothar,

ein Mindestlohn wird nicht mehr gebraucht, wenn das Bedingungslose
Grundeinkommen eingeführt ist.
Es benötigt jedoch trotzdem gewisser Sicherheiten für AreitnehmerInnen,
dass sie nicht ausgebeutet werden. Auch in einem abhängigen
Arbeitsverhältnis, in dem Konsumgüter produziert werden, muss
gewährleistet sein, dass Menschen eine entsprechende Entlohnung
bekommen. Ansonsten werden die Verhältnisse nicht verändert, sondern
bleiben starr. Und deswegen möchte ich Dich fragen, wie Du dazu kommst,
Gewerkschaften seien überflüssig.
Sicherlich hat jeder das Recht, autonom und frei Verträge zu schließen.
Ist es dann aber nicht wesentlich einfacher, Löhne,
Aufwandsentschädigungen und alles was dazu gehört, abzuschaffen? D.h.
sämtliche Umsätze, Gewinne u.ä. kommen der Gemeinschaft zu gute und
fördern Lebensqualität, Kultur, Wissenschaft, Forschung und tragen dazu
bei, dass das Lebensnotwendige erreichbar wird für jedeN. Und in diesem
Zusammenhang möchte interessiert es mich, wie Dein Ansatz der
"ehrenamtlichen" also unentgeldlichen Tätigkeit in den starren
Verhältnissen, die Du hier nicht in Frage stellst, mit dem Grundsatz
"Genug für alle" vereinbar ist.
Mensch kann sich nur gleichberechtigt gegenüberstehen, wenn jegliche
Lohnzahlung abgeschaft ist, nur das Grundeinkommen gezahlt wird - denn
nur dadurch können die Verhältnisse ins wanken gebracht werden,
Hierarchien würden brüchig werden und ganz verschwinden.

jan.G
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matthias_dilthey

Beiträge: 130
Ort: Erlangen


New PostErstellt: 19.07.05, 22:52  Betreff: Re: BGE+Mindestlohn  drucken  weiterempfehlen

Hallo Jan,

offensichtlich ist der Grundgedanke des BGE noch nicht so richtig durchgedrungen:

    Zitat: jan.G
    Lieber Lothar,

    ein Mindestlohn wird nicht mehr gebraucht, wenn das Bedingungslose
    Grundeinkommen eingeführt ist.
    Es benötigt jedoch trotzdem gewisser Sicherheiten für AreitnehmerInnen,
    dass sie nicht ausgebeutet werden.
Wenn das BGE existenzsichernd eingeführt ist, kann der Arbeitnehmer nur noch so weit ausgebeutet werden, wie er es selbst zuläßt. Denn der Arbeitnehmer hat im Gegensatz zu heute die Möglichkeit, Nein! zu sagen.
    Zitat:
    Auch in einem abhängigen
    Arbeitsverhältnis, in dem Konsumgüter produziert werden, muss
    gewährleistet sein, dass Menschen eine entsprechende Entlohnung
    bekommen. Ansonsten werden die Verhältnisse nicht verändert, sondern
    bleiben starr. Und deswegen möchte ich Dich fragen, wie Du dazu kommst,
    Gewerkschaften seien überflüssig.
Was machen Gewerkschaften heute? Sie vertreten den Arbeitnehmer bezüglich Arbeitsbedingungen und Löhnen. Warum ist das notwendig? Weil der einzelne Arbeitnehmer nicht Nein! sagen kann, da er auf den Arbeitsplatz angewiesen ist, um sein (soziales) Überleben zu sichern. Es findet durch die Gewerkschaften im Endeffekt eine "Erpressung" der Arbeitgeber statt.
Mit BGE ist es eine Entscheidung jedes einzelnen Arbeitnehmers, ob er unter den angebotenen Bedingungen die Arbeit aufnehmen möchte. Nötig hat der Arbeitnehmer die Arbeitsaufnahme nicht, so daß weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer auf das primitive Mittel der "Erpressung" angewiesen sind.
    Zitat:
    Sicherlich hat jeder das Recht, autonom und frei Verträge zu schließen.
    Ist es dann aber nicht wesentlich einfacher, Löhne,
    Aufwandsentschädigungen und alles was dazu gehört, abzuschaffen? D.h.
    sämtliche Umsätze, Gewinne u.ä. kommen der Gemeinschaft zu gute und
    fördern Lebensqualität, Kultur, Wissenschaft, Forschung und tragen dazu
    bei, dass das Lebensnotwendige erreichbar wird für jedeN.
Das würde den Folgeschritt nach Einführungeines BGE darstellen können. In vielleicht 200 Jahren.
    Zitat:
    Und in diesem
    Zusammenhang möchte interessiert es mich, wie Dein Ansatz der
    "ehrenamtlichen" also unentgeldlichen Tätigkeit in den starren
    Verhältnissen, die Du hier nicht in Frage stellst, mit dem Grundsatz
    "Genug für alle" vereinbar ist.
Das BGE hebt die starren Verhältnisse alleine durch dessen Einführung auf. Das gilt es zu kapieren, dann "platzt der gordische Knoten"!
    Zitat:
    Mensch kann sich nur gleichberechtigt gegenüberstehen, wenn jegliche
    Lohnzahlung abgeschaft ist, nur das Grundeinkommen gezahlt wird - denn
    nur dadurch können die Verhältnisse ins wanken gebracht werden,
    Hierarchien würden brüchig werden und ganz verschwinden.

    jan.G
Diese Betrachtungsweise greift zu kurz, ist aber der richtige Ansatzpunkt. In Fortsetzung dieses Gedankens unterscheidet die PfsG z.B. zwischen Lohnbestandteilen aus Arbeit und in "Lohnzahlung versteckte Gewinnausschüttungen".
Dabei geht die PfsG davon aus, daß Arbeit (abgesehen von relativ kleinen Schwankungsbereichen) prinzipiell gleichwertig ist. Was in der Entlohnung z.B. das Doppelte des Durchschnittseinkommens übersteigt, ist eine "verdeckte Gewinnausschüttung". Zumindest hat dieser Lohnbestandteil nichts mehr mit "Arbeit" zu tun.

Matthias Dilthey



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LOthar Samuel Tesche

Beiträge: 267


New PostErstellt: 20.07.05, 18:59  Betreff: Re: BGE+Mindestlohn=antagonistischer Widerspruch  drucken  weiterempfehlen

(Als Antwort auch auf den Beitrag von Jan G. gedacht)






Merke: Der Mindestlohn ergibt sich gemäß den Regeln
der Marktwirtschaft in Abhängigkeit der BGE-
Höhe und der Attraktivität der Arbeit ganz von selbst.


Lieber Phillip,

…….hmmm…“Wie sag ich’s meinem Kinde?“ Manchmal denke ich, man müsste kleine Science Fiction Kurzgeschichten schreiben über das Leben in der Welt des Bedingungslosen Grundeinkommen.
Ich mache immer wieder die Erfahrung, daß viele ihre Fantasie nicht zum spielerischen Einsatz bringen, um sich solch einen Zustand erstmal überhaupt vorzustellen….

Jeder Mensch erhält so viel Geld, daß er nicht um sein Leben bangen muß. Er erhält soviel, daß er unter einem festen Dach leben kann, genug Nahrung, Bildung bis zum 18. Lebensjahr ohne Abschluß und sich beschäftigen kann.
Was bedeutet das? (mal langsam durchatmen bitte…......) Mir kann praktisch nichts passieren, ich muß nicht um mein Leben fürchten. Niemand muß das. Auch ein Unternehmer nicht. Er braucht auch keine Angst zu haben, Insolvenz beantragen zu müssen, wenn seine Geschäfte schlecht laufen; dann versucht er eben etwas anderes auf die Beine zu stellen. Er muß ja auch nicht sein Lebtag lang Unternehmer bleiben, kann zwischendurch was anderes machen. Jeder kann mal was UNTERNEHMEN, muß aber nicht. Ich kann mir sogar vorstellen, daß es etlichen Spaß machen würde, mal Unternehmer zu werden, ein Unternehmen zu gründen. –
In der bisherigen vergangenen Welt war es doch so, daß wir Menschenkinder alle mehr oder weniger in bestimmte Tätigkeiten hineingeführt, oft auch hineingepresst wurden, um dort ein Lebtag lang dem einmal Erlernten nachzugehen. Allerdings ist das heute schon so gut wie unmöglich.Ich erinnere mich an eine HÖR ZU- Illustrierte, in der ich als Kind blätterte. In der Rubrik „Bilder aus aller Welt“ wurde ein Mann als Sensation gezeigt, der drei verschiedene Berufe hatte - so was wäre heute keine Meldung mehr wert…..
Selbstverständlich will ich damit nicht sagen, daß es in der Welt des Bedingungslosen Grundeinkommens nicht auch Menschen geben wird, die eine einmal gelernte Sache ein Leben lang ausführen wollen. Warum auch nicht? Die Wissenschaft der Lernbiologie weiß längst, daß der (geistig und körperlich gesunde) Mensch ein lernendes Wesen ist, das sich lernend an seinen Neigungen orientiert, um seine Fähigkeiten in der realen Welt zu überprüfen und in gegenständlicher Art und Weise zu gestalten (wenn man ihn lässt ! *grins*).

In der Welt des Bedingungslosen Grundeinkommens stehen sich praktisch zwei gleichberechtigte Menschen gegenüber. Auch Du kannst jederzeit einen Menschen gegen Geld für Dich arbeiten lassen!
Stell Dir vor, du wärest Architekt und suchtest einen zweiten Architekten für ein Brückenbauprojekt. Du gibst eine Suchanzeige auf…..Über den Verdienst des anderen wirst Du Dich mit ihm einig werden (Arbeit selbst wird nicht besteuert, nur das Endprodukt). Anders formuliert: Wenn ein EXISTENZSICHERNDES Bedingungsloses Grundeinkommen eingeführt ist, kann ein Mensch von einem anderen nur so weit „ausgebeutet“ werden, wie er es selbst zulässt. Warum? Weil ein Beschäftigungsuchender im Gegensatz zum heutigen Arbeitnehmer das Recht hat, nein zu sagen. Der „Lohn“, den du diesem anderen Architekten zugestehst, wird also nur so tief in den Keller fallen können, wie er es selbst verantworten will.
(An diesem Punkt möchte ich in einer längeren Klammer kurz auf die Funktion der Gewerkschaften eingehen, bzw. auf die oft gestellte Frage, warum sie überflüssig werden….
Was machen Gewerkschaften heute? Sie vertreten den Arbeitnehmer bezüglich Arbeitsbedingungen und Löhnen. Warum ist das notwendig? Weil der einzelne Arbeitnehmer nicht NEIN sagen kann, da er auf den Arbeitsplatz angewiesen ist, um sein Überleben in der Gesellschaft zu sichern. Es findet durch die Gewerkschaften im Endeffekt eine "Erpressung" der Arbeitgeber statt.
In Jahr 1 des Bedingungslosen Grundeinkommens ist es eine Entscheidung jedes einzelnen Arbeitnehmers, ob er unter den angebotenen Bedingungen die Arbeit aufnehmen möchte. Nötig hat der Arbeitnehmer die Arbeitsaufnahme nicht, so daß weder Arbeitgeber noch Arbeitnehmer auf das primitive Mittel der "Erpressung" angewiesen sind)

Das Bedingungslose Grundeinkommen hat selbstverständlich nichts, auch nicht im weitesten Sinne mit einer Subvention der vereinigten Unternehmerschaft (eines Landes) zu tun! Da ausschließlich das Endprodukt besteuert wird, ist jeder an der „Wertschöpfung“ des Bedingungslosen Grundeinkommens beteiligt.
Ein Unternehmer wird eben nicht irgendwelche „Löhne“ „einsparen“ können.

Du fragst:

„Warum denkst Du, dass nach Einführung eines BGE der Lohn frei
verhandelbar sein muss? Da im Netzwerk Grundeinkommen auch einige
wirtschaftsorientierte Menschen unterwegs sind, bedeutet eine
entsprechende Diskussion im Netzwerk erstmal nicht viel.“

Er „muß“ nicht – er kann überhaupt nicht anders, als frei verhandelbar zu sein! Daß er das nicht nicht kann, ist dem Umstand geschuldet, daß ja beide, Unternehmer als auch Beschäftigungssuchender, sich als Menschen gegenüberstehen, die beide definitiv wissen, daß ihre Existenz, ihr Über-Leben , was auch immer geschehen mag, gewährleistet ist.

Das Netzwerk Grundeinkommen ist ein riesiges Gedankensammelbecken, in dem alle scheinbar sinnigen und unsinnigen Gedanken zum Thema gesammelt werden, ein unsägliches Chaos im ersten im ersten und auch noch im zweiten Moment….aber immer wieder kristallisieren sich bleibende Gedanken heraus, die sich als eine Art erratischer Monolith manifestieren. Dazu gehört zum Beispiel die Erkenntnis, daß menschliche Arbeit nicht besteuert werden darf (auch nicht Maschinenarbeit; denn die ist ja nix anderes als transformierte menschliche Arbeit). So betrachtet, hast du erstmal recht, wenn Du sagst, daß entsprechende Diskussionen erstmal nicht viel bringen….

Du schreibst:

„Natürlich kannst Du für Freunde auch kostenlos/eheramtlich tätig sein,
aber wenn man etwas nun eben nicht aus Spass oder Freundlichkeit macht,
sondern weil man Geld verdienen will, solltet man dafür auch ordentlich
bezahlt werden. Dies sollte gesetzlich garantiert sein, denn dass in
dieser Frage die UnternehmerInnen am längeren Hebel sitzen, sollte uns
die Geschichte gelehrt haben. Und dass das Grundeinkommen soo hoch wird,
dass alle sich davon ihre Träume erfüllen können, glauben wir wohl alle
nicht. Ergo: es "muss" gearbeitet werden, ArbeiterInnen treten in
Konkurrenz. Um hier ein Race-to-the-Bottom zu verhindern, soll der
Mindest/stundenlohn eingeführt werden.“

Die Welt des Bedingungslosen Grundeinkommens wird in vielerlei Hinsicht mit der heutigen nicht viel zu tun haben. Ganz gewiß wird in ihr nicht jeder eine Segeljacht in irgendeinem Hafen liegen haben, um es mal krass zu sagen. Wenn einer dennoch eine Segeljacht will, muß er in der Tat viel Geld erarbeiten. Da man aber andererseits weiß, daß die meisten Segeljachten dieser Welt von 365 Tagen höchstens 20 Tage auf See sind, könnte man die Liebe zum Segeln ja vielleicht anders regeln.
Daß die Unternehmer nicht am „längeren Hebel sitzen werden, habe ich wohl einigermaßen deutlich gemacht. Ja irgendwo hoffe ich sogar, daß sie dann endlich mal den Nimbus des Bösen verlieren werden (*grins*).
Und was die unerfüllten Träume anbelangt, so weiß ich nicht – egal in welcher Wirtschaftswelt auch immer-, ob die sich ein Mensch wird allzeit erfüllen können.
Ach so, ja, was die so genannten ehrenamtlichen Tätigkeiten anbelangt: Wenn es Dir Spaß macht, kannst Du auch unentgeltlich für paar Stunden arbeiten… muß ja nicht unbedingt immer nur für Freunde sein....noch besser (aber extrem idealistisch) wärs, wenn alle Freunde wären.
- Klar, lieber Philipp, „muß“ gearbeitet werden. Der Mensch ist unbenommen ein unendlich neugieriges, schwatzhaftes arbeitendes Wesen; - wäre er dies von seiner Spezies her nicht, würde er heute noch an den afrikanischen Meeresgestaden, zwischen Wasser und Savanne als schwimmendes und aufrechtgehendes Amphibientierchen sein Dasein fristen. Ich finde es gut, daß es nicht so geblieben ist.

Ist es nun ein wenig klarer geworden, daß Mindestlöhne im Bedingungslosen Grundeinkommen nichts zu suchen haben? (Das die Kapitalisten allerdings ein grundsätzliches Interesse daran haben, hab ich an anderer Stelle mal ausführlich beschrieben….müsste ich jetzt aber lange suchen……. Deshalb ist es auch so schlimm, daß dieser Werner Rätz immer noch so beharrlich an Mindestlöhnen festhält )


Merke:

Das Bedingungslose Grundeinkommen hebt die starren Verhältnisse allein durch dessen Einführung auf. Das gilt es zu kapieren, dann "platzt auch der gordische Knoten"!!

herzliche Grüße

Lothar Samuel Tesche

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Vossp Flickflack

Beiträge: 123
Ort: Odense NV


New PostErstellt: 22.07.05, 22:43  Betreff: Re: BGE+Mindestlohn  drucken  weiterempfehlen

Hardy Krampertz weiss auf alle Fälle, dass die Welt aus Theorien über Menschen besteht, und da kann man richtigere oder weniger passende
auswählen.

Wenn man die falschen wählt, kommt man zu solchem Quatsch, wie dem, der hierunter citiert ist, der aber kaum etwas mit Menschen innerhalb der nächsten hundert Jahre zu tun haben dürfte. Ich habe einige Male ausführlich besprochen, warum ein Mindestlohn notwendig ist, wenn man ein ausgeglichenes Steuersystem aufrechterhalten will, mit dem man die Steuern hereinbekommen möchte, die für die Finanzierung des BGE nun einmal notwendig sind.

MvH / Peter Voss

Citat Samuel Tesche:

Die Forderung eines Mindestlohnes in Verbindung mit dem Bedingungslosen Grundeinkommens ist kontraproduktiv!



Hardy Krampertz schrieb in der Taz kürzlich einen brauchbaren Artikel zum Bedingungslosen Grundeinkommen (er ist weiter unten nachzulesen). In einem Punkt (der scheinbar nicht ins Gewicht fällt, aber in sich unlogisch ist) möchte ich ihn aber korrigieren. Und zwar wo es im letzten Absatz heißt:

Da ich im Netzwerk Grundeinkommen aktiv mitarbeite (im Gegensatz zu Hardy) möchte ich erstmal sagen, daß bei uns vieles besprochen wird, auch das Konstrukt Mindestlohn. Nur wurde gerade dieses verworfen aus einem simplen Grund: Nach Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens (= eines Einkommens, das so hoch ist, daß kein Mensch gezwungen ist, seine Arbeitskraft gegen Geld oder Nahrung zu verkaufen, um überleben zu können) muß der Lohn zwischen Unternehmer und Beschäftigungssuchenden absolut frei verhandelbar sein. Zwischen beiden muß Rechtsgleichheit herrschen. Nur diese beiden schließen einen Vertrag (Vertragsfreiheit) miteinander ab - aus diesem Grunde werden auch die Gewerkschaften überflüssig wie ein Kropf-. Ja wenn ich will darf ich sogar für einen Unternehmer unentgeltlich arbeiten, "ehrenamtlich" sagt man heute noch dazu (Löhne werden nicht mehr besteuert). Ein staatlich festgesetzter Mindestlohn würde abgesehen davon, ein Bedingungsloses Grundeinkommen nicht ermöglichen können. Dies zu begründen, würde hier allerdings zu weit führen.... Kurz: Mindestlöhne sollen angeblich (....daß dies Schwachsinn in Reinkultur ist, läßt sich wundervoll in den USA studieren, wo es seit den 30er Jahren des vergangenen Jahrtausends Mindestlöhne gibt) die Existenz eines Menschen helfen zu sichern, ein Bedingungsloses Grundeinkommen tut dies aber bereits.



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Tobias Teetz

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Ort: Berlin


New PostErstellt: 29.07.05, 09:27  Betreff: Re: BGE+Mindestlohn=antagonistischer Widerspruch  drucken  weiterempfehlen

Lieber Lothar,

soweit ich das sehe, gibt es ca. 5,5 Millionen Nichterwerbstätige zwischen 20-55 Jahren in Deutschland, die entweder noch nie gearbeitet haben oder seit über drei Jahren keiner (sozialversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit nachgegangen sind (nach Angaben des Stat. Bundesamtes).
Diese Personengruppe - neben den regulären Arbeitslosen - muß auch einen montären Grundeinkommensanspruch erhalten.

Auf meiner Homepage habe ich versucht, eine vorläufige Testversion für das Grundeinkommen mittels des Transfergrenzenmodells fertigzustellen. Leider gibt die Statistik bisher zu wenig Aufschlüsse über die Einkommenslage von Haushalten, Haushaltsgrößen, Wohnkostenausgaben usw..

Mit freundlichen Grüßen

Tobias Teetz

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