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1991: Brunnen für Devi-dschi

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Jan
Administrator

Beiträge: 85
Ort: Oebisfelde


New PostErstellt: 05.11.10, 00:59  Betreff: 1991: Brunnen für Devi-dschi  drucken  weiterempfehlen


Brunnen für Devi-dschi


Ich kerbte mit dem Fingernagel gerade ihre Augenlider und gab ihrem Blick den letzten Schliff, da raunte jemand hinter mir: “Das gibt ’s doch nicht!”
Ich fuhr herum. Ein Inder im dunklen Anzug war lautlos in meinen Lehmtempel getreten und starrte mit glühenden, dunkel umrandeten Augen auf die aus Ton modellierte Figur. “Was kostet das Ding?”
Ich hätte ihn am liebsten weggejagt. Wie hatte er den Weg zu meiner Lehmhütte gefunden? Wieso hatte ihn Kumar hier hoch gelassen? Hatte er ihm nicht gesagt, dass ich seit Monaten nicht sprach? Wie sollte ich mich ihm verständlich machen? Ich konnte einen Zettel schreiben und ihn bitten, wieder zu verschwinden. Aber etwas in mir sträubte sich dagegen. Ich wies auf den Zimmerbrunnen neben mir mit mehreren nach oben kleiner werdenden Überlaufbecken, aus deren Mitte ein Kristallstab ragte, und öffnete einen Hahn. Aus der Spitze des Stabes sprudelte eine Fontäne, und der Aufbau mit den Überlaufbecken begann sich zu drehen. Dann knipste ich das Licht an, das den Stab von unten beleuchtete. Mit Gesten erklärte ich ihm, dass die Figur später über den Stab gestülpt und diesen Brunnen krönen würde.
“Fantastisch”, sagte er und sah sich erstaunt nach einer Stromquelle um. Im Gegensatz zu dem indischen Englisch dieser Gegend klang sein Englisch eher amerikanisch. “Zum Transportieren allerdings zu groß.”
Ich nickte.
“Und die Figur? Wen stellt sie dar?”
Er ließ nicht locker. Ich schluckte. Mir blieb wohl nichts anderes übrig, als mein Schweigen endgültig zu brechen. Mit einem Räuspern fischte ich meine Stimme aus der Tiefe.
“Diese Devi”, begann ich flüsternd, “ist das Kernstück meines Tempelbrunnens. Sie ist die Göttin, der ich die schönste Zeit meines Lebens verdanke. Sie kommen genau in dem Augenblick, wo diese Zeit zu Ende geht.”
“Wieso zu Ende?”
“Das Tonmodell ist fertig. Es muss nur noch gegossen werden. Dazu fehlt mir allerdings das Geld.”
Er zog die Mundwinkel nach unten. “Wie viel brauchen Sie? Ich gebe Ihnen das Doppelte, wenn ich dafür die Bronze bekomme.”
Ich setzte mich auf den mit Kuhmist gehärteten Boden und legte die Hand vor die Augen. Hier war ein Mensch, der mir den Bronzeguss bezahlen wollte, und er kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Gleichzeitig verlangte er von mir, ihm die Figur zu verkaufen, noch bevor sie meinen Brunnen zieren konnte. “Das geht nicht. Sie gehört nicht mir. Sie ist die Krönung dieses Brunnens, das Herz meines Devi-Tempels.”
“Ich baue Ihren Tempel nach”, meinte er leichthin. “Genauso wie er hier steht.”
“Wo?”
“Am Stadtrand von New York.”
Ich starrte ihn an. ”Dort kann man keinen Tempel aus Lehm bauen, der mit bloßen Füßen gestampft wurde.”
Mit einer Handbewegung wischte er meinen Einwand beiseite. “Warum nicht? Meine Villa steht in einem Naturpark mit See und Trauerweiden, voller Statuen und Kunstobjekte.”
“Sie wohnen in New York?”
“Ja. Ich bin dort verheiratet.” Er sagte das in einem Ton, als müsse er sich bei mir dafür entschuldigen, und legte die Hände zum indischen Gruß zusammen. “Ich heiße übrigens Devendra und kenne Kumars Familie seit meiner Kindheit. Als ich ihn vorhin besuchte, sagte er, ein Einsiedler habe sich oberhalb seiner Plantage zurückgezogen und baue einen Devi-Tempel aus Lehm.”
* * *
Die Sonne stand weiß am Himmel. Devendra war in die Kokosplantage hinabgestiegen und brachte von Kumars Frau Tonschüsseln mit Essen nach oben. Ich schöpfte Wasser aus dem Brunnenschacht, schürte das Holzfeuer vor der Hütte, walzte den Fladenteig und stellte eine Pfanne auf die Glut. Devendra schien in der Stille des Regenwaldes, die nur vom Kreischen der Affen und Vögel unterbrochen wurde, genauso aufzuleben wie ich. Plötzlich schrillte ein seltsamer Klingelton durch die Luft. Devendra zog ein längliches Gerät aus seiner Jackentasche, schob eine Antenne aus und bellte hinein: “Hallo Baby! Ja. Hab ich gefunden. Ein Meisterstück! Mindestens zwanzigtausend. Als kleiner Anfang. Klar. Lassen wir langsam anrollen. Aber kein Wörtchen zu meiner Frau. Wird ihr Geburtstagsgeschenk. Spätestens bis zum siebzehnten. Okay, das wär ‘s schon. Küsschen, Baby. Bye!”
Ich hielt mir die Ohren zu. Da hatte ich mich nun in der Südspitze Indiens ans Ende der Welt verkrochen, hatte beim Bau der Hütte statt Eisennägel nur Kokosstrick und Palmblätter verwendet und Kuhmist in den Lehm gemengt, um die Götter anzulocken, und dieser Mistkerl brachte mit seinem Piepsding den tiefsten Sumpf der Welt in diese Stille! Ich streute Weihrauch auf eine Schippe voll Glut und machte damit eine Runde um die Hütte. Aus der Pfanne qualmte es verkohlt. Unsere Fladen waren angebrannt. Devendra sah mich schräg von unten an und biss sich auf die Lippen wie ein Lausbub, der auf Prügel wartete. Dabei wirkte er so rührend, dass ich lachen musste. Was hatte er getan? Ein Ferngespräch geführt! Na und?
Ich legte neue Fladen in die Pfanne, breitete Bananenblätter auf dem Boden aus und verteilte darauf Reis mit Chutney und Gemüse. Während wir schweigend mit den Fingern aßen, ließ ich den Blick über die Ebene schweifen, vorbei am Backsteinhaus Kumars, über Palmen und Büsche bis zur diesigen Küste des Indischen Ozeans.
“Sorry für die Störung.” Er bestreute eine Papaya mit braunem Palmzucker. “Wie haben Sie eigentlich den Brunnen zum Leuchten und Sprudeln gebracht?”
Ich trat in die Hütte und zeigte ihm die eingebaute Autobatterie mit Lampe und den Gartenschlauch, der zur höher gelegenen Quelle führte und durch den Wasserdruck den Aufbau mit den Becken zum Drehen brachte. Er sah sich suchend um. “Haben Sie Skizzen vom Brunnen, Entwürfe, Zeichnungen?”
Ich holte meine Skizzen hervor, er studierte sie und hakte bei den kleinsten Einzelheiten nach.
“Wozu wollen Sie das alles wissen?”, fragte ich.
“Sie denken sicher, ich hätte einen Spleen. Aber ich glaube, in Serie hergestellt müsste sich Ihr Brunnen gut verkaufen lassen.”
“Dieser Brunnen? Wer will so was haben?”
“Ich. Und Sie. Man muss die Menschen nur begeistern. Ich höre schon die alten Ladies in New York: Ihr Tempel mit der Brunnen-Devi, eine Wucht. Kann man so was irgendwo bestellen?”
Ich spürte plötzlich ein flaues Gefühl im Magen, trat aus der Hütte und setzte mich ins Gras.
Devendras Augen sprühten vor Begeisterung. “Überschlagen wir doch mal ganz grob: Wenn wir für den Probelauf nur fünfzig Brunnen rechnen, in halber Größe, Stab und Figur aus Mattglas, Endpreis viertausend Dollar, davon zehn Prozent für Sie, was wäre das?”
“Zwanzigtausend Dollar.”
“Genau. Ihr Startkapital für weitere Figuren, Brunnen, Studienreisen ...”
“... bis ich ein Bildhauer von Weltruf bin und von einer Vernissage zur nächsten jage.”
“Und ich habe Sie entdeckt! Wie klingt das?”
“Grauenhaft.”
Sein Gesichtsausdruck versteinerte. Eine Wand stand plötzlich zwischen uns. Ich merkte, dass er meine Antwort nicht begreifen konnte. “Sie haben nur gesagt, was ich gewinne. Was ich verliere, haben Sie verschwiegen.”
“Unsinn. Keinen Cent verlieren Sie. Auch den Bronzeguss bezahle ich.”
“Und meine schöpferische Stille? Ohne die es keinen Tempel, keinen Brunnen, keine Devi gäbe? Und da wollen Sie mich aus der Stille reißen, bis ich Sklave eines Piepsdings bin wie Sie!”
“Sie sehen das zu eng. Wenn die Sache erst einmal in Schwung kommt, läuft doch alles ganz von selbst. Sie brauchen sich nur zurückzulehnen und zu genießen. So geht das jedenfalls bei mir. Da kommt zum Beispiel ein Inder mit einem Säckchen voll Saphire nach New York und fragt mich: Devendra, wo kann ich die verkaufen? Ich erkläre ihm, an wen er sich wenden soll, aber er lässt nicht locker: Du kennst dich hier aus, sagt er, können wir den Deal nicht über dich laufen lassen? Ich sage: Mach deinen Deal alleine. Aber er will nicht. Und was springt dabei heraus? Wieder ne Million ... So geht das.” Er zuckte die Schultern. “Was soll ich dagegen machen?”
“Legen Sie doch mal Ihr Piepsding weg.”
“Hab ich schon versucht. Dann kommen mir meine Sekretärin und meine Frau auf den Hals. Ich sei ein Monster ohne Mitgefühl! ... Andererseits: Ich bin jetzt hart an der Schwelle, wo ich wieder langsamer treten sollte ...” Er stockte, sein Tonfall wurde nachdenklich, als spräche er zu sich selbst. “Wenn ich die Augen schließe, wird es dunkel. Früher sah ich viel mehr Licht, mehr Hoffnung. Als Junge war ich voller Ideale, voller Träume ... Das Spielchen mit der Macht fing eigentlich erst an, als sie mich abgewiesen hat. Dieser Tanz ums Goldene Kalb ... Wer zwingt mich eigentlich dazu? Geld hab ich längst genug.”
Er sah schweigend in die Glut und schob Palmenstümpfe nach, dass die Funken in den Himmel stoben. “... Trotzdem, keiner kann mir reinreden, befehlen ... Irgendwann, vielleicht im Alter ... lande ich doch noch im Himalaya.”
Immer deutlicher kam der Inder in ihm zum Vorschein und verdrängte den amerikanischen Geschäftsmann. “Und bei Ihnen ist es umgekehrt. Ihnen würde so ein Schwenk nach außen gut tun. Sie haben Angst vor Geld. Das ist grundfalsch. Geld ist wertneutral, ist reine Energie. Ob Sie damit Waffen oder Brunnen bauen, liegt bei Ihnen. Wie sind Sie eigentlich auf die Figur gekommen? Hatten Sie ein lebendes Modell?”
Ich nickte. “Die Schwester von Kumar. Ich nenne sie Devi, denn ich sah in ihr das Göttliche. Sie studierte Tempeltanz und brachte mir in den Ferien das Essen aus Kumars Plantage hoch. Leider waren die Fladen dann schon kalt und schmeckten wie Leder! Eines Tages brachte sie eine Pfanne mit, legte ein paar Steine zusammen, schürte vor der Lehmhütte ein Feuer und buk frische Fladen. Von da an wurde die Feuerstelle von Tag zu Tag häuslicher. Bald lagen Kupferkessel und Tongefäße herum und sie kochte hier oben für mich. Sie respektierte mein Schweigen und bewegte sich so leise, dass ich kaum ihren Sari rascheln hörte. Nachmittags ging sie zum Ziehbrunnen, stellte ihre Tontöpfe ins Moos, unterhielt sich mit den Krähen, die nach Essensresten pickten, und scheuerte mit Sand und Wasser ihre Töpfe aus. Zu der Zeit baute ich den Brunnen. Sie schmückte ihn mit Lotusblüten und stellte Öllämpchen am Rande auf. Endlich war er fertig bis auf die Figur. Ich hatte schon mehrfach angesetzt, den Ton zu Formen, aber es wollte einfach nichts werden. Der Batzen Ton war nicht befruchtet. Es fehlte ihm der Same, das Modell. Ich brauchte eine Haltung, ein Gefühl.”
“Und dann?”
“Dann kam jene heiße Nacht, als mein Brunnen völlig ausgetrocknet war. Gegen Abend stapfte ich hinunter zu Kumar, dessen Brunnen noch Wasser hatte. In seinem Backsteinhaus herrschte drückende Schwüle. Die Familie saß auf Schilfmatten davor am Lagerfeuer. Kumars Brüder, die in Kalkutta Musik studieren, waren zu Besuch. Ich freute mich, auch Devi in der Runde zu sehen, und setzte mich dazu. Der Monsun hätte längst einsetzen müssen, aber der Regen ließ auf sich warten. Einer der Brüder brüstete sich, er könne durch bestimmte Ragas Regen machen. ,Leere Sprüche!', meinte Kumar. ,Beweise es, bevor unser Brunnen versiegt!'
Die Brüder nickten sich zu, der Ältere packte seine Bambusflöten aus und setzte die größte an die Lippen. Vom ersten Ton an saß ich wie gebannt. Er blies so tief und wehmütig ins Rohr, als wollte er uns von der tiefsten und dunkelsten Zeit seines Lebens erzählen. Dann griff er zur mittleren Flöte. Sie klang heller, voller Tatendrang.
Beim ersten Trommelschlag der Tabla fiel mein Blick auf Devi. Ein Zittern ging durch ihren Körper. Als die Tabla schneller wurde, hatte ich das Gefühl, mich rekeln und strecken zu müssen. Eine Fontäne aus Licht und Klang durchströmte meine Wirbelsäule. Im gleichen Augenblick hoben sich Devis Arme und bewegten sich. Erst langsam und schlangenhaft, dann wie eine Flamme im Wind. Beim Tablasolo stand sie auf und tanzte.
Die Flöte zauberte Stufen aus Klang in die Luft, auf denen Devi in den Himmel zu steigen schien. Ihr langes Haar, das sie als Zopf ums Haupt gewunden hatte, löste sich, bis ihre Mähne wild um Brust und Hüften schwang. Als Flöte und Tabla mit kräftigen Sprüngen zum Höhepunkt eilten, hielt sie plötzlich inne, den Kopf nach hinten geworfen, die Lider gesenkt. Reglos stand sie da, das Antlitz dem Himmel entgegen gestreckt, als die Musik verebbte und Kumar anfing zu klatschen. Hinter ihr das tiefblaue Samt des Alls und das tropische Glühen der Sterne.
Der Himmel färbte sich schwarz, ein dicker Tropfen klatschte auf meine Stirn. Dann prasselte der Regen herab, auf ihre Stirn, ihre Lippen, auf ihren rosa Sari, der am Körper klebte, auf ihre Hände, von denen das Wasser herunterfloss und segnend die Erde tränkte. Wie eine Bronze stand sie im Regen, die Linke empfangend zum Himmel gerichtet, die Rechte gebend zur Erde, bis das Feuer verlöschte. Das war das letzte Mal, dass ich sie sah.”
“Und diesen Augenblick haben Sie verewigt. Ich spendiere Ihnen den Abguss. Ich möchte die Bronze unbedingt sehen, bevor ich zurückfliege.”
* * *
Devendra saß in meinem Tempel und folgte mit seinem Blick dem Lauf des Wassers, das in Strömen über breite Blattgewächse floss. Voll und warm senkte sich der Regen übers Palmendach und tauchte uns in weiches Dämmerlicht. Der Boden dampfte, roch nach Moos und Erde. Zur Feier des Tages hatte Devendra seinen CD-Spieler mitgebracht und indische Flötenmusik aufgelegt. Er trug ein weißes Tuch als Beinkleid und um die Schultern eine Kaschmirdecke. Die Bambusflöte mischte sich mit dem Prasseln und Quirlen des Regens.
Im Brunnen drehte sich der Beckenaufsatz mit der Bronze. Der leuchtende Kristallstab ließ den Schmuck durch die winzigen Löcher in Krone, Halsband und Gürtel glitzern und das Wasser sprudeln. Mit dem Gefühl, mein Werk vollendet zu haben, lehnte ich mich zurück.
Versonnen betrachtete Devendra die Figur, deren Glieder durch das fließende Wasser wie lebendig wirkten. “Ja, sie tanzt. Zur Flöte, zur Tabla, zum Regen, wie Ihr Modell. Wissen Sie, wo sie jetzt lebt?”
“Nein. Ich habe nie mit ihr gesprochen. Am nächsten Tag brachte mir Kumars Frau das Essen hoch. Statt fertiger Fladen lag ein Leinentuch mit einem Klümpchen Teig im Korb. Daneben ein jasminduftender Zettel:
'Lieber Gyani, ab heute musst du dir die Fladen selber backen. Für mich beginnt ein neues Leben. Ach, es könnte so schön sein und ist doch so schwer! Ich muss ihm helfen, zu sich selbst zu finden. Ich hatte ihn abgewiesen, aber jetzt ... Früher war er so sanft, und jetzt ist er so hart. Meine Sehnsucht geht in die Berge, in die Weite des Himalayas, aber mein Weg führt nach Amerika. Leb wohl! Deine Devi.”
“Sie hat mit ‚Ihre Devi‘ unterschrieben?” Devendra runzelte die Stirn. “Was ist aus ihr geworden?”
“Soviel ich weiß, ist sie in Amerika verheiratet. Mit einem steinreichen Mann.”
“Und Sie vermissen sie nicht?”
“Vom Gefühl her hat sich nichts verändert. Ich spüre ihre Nähe wie zuvor. Im Herzen bleiben wir verbunden. Ihr Mann dagegen braucht ihre körperliche Nähe. Und sie will Mutter sein.”
“Mögen Sie Kinder?”
“Ja. Diese Brunnen-Devi ist mein schönstes.”
“Schade. Ich hätte sie gerne nach New York entführt.” Devendra stand auf und legte die Hände zum Abschiedsgruß zusammen. “Sie haben sie wirklich täuschend echt getroffen. Bald wird sie Mutter sein. Und am 17. ist ihr Geburtstag.”
Da fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich hob die Bronze vom Sockel und legte sie in seine Arme. “Hier! Mein Geburtstagsgeschenk – für Ihre Devi.”
* * *
Als ich heute in den Tempel kam, lag ein Umschlag auf dem leeren Brunnenaufsatz. “Als Trost für die Entführung Ihrer Devi – Devendra.”
Trost? Der Brunnen wirkte kahl und öde, der Tempel verlassen und verwaist ohne die Figur, die jetzt im Flugzeug auf dem Weg nach New York war. Ich riss den Umschlag auf: ein Scheck mit einer Zahl und vielen Nullen ... Es juckte mich in den Fingern, dieses kalte Stück Papier einfach ins Feuer zu werfen. Unschlüssig drehte ich den Umschlag um, da entdeckte ich auf der Rückseite folgende Zeilen:
“Jetzt, da Sie die Figur verschenkt haben, kann ich es Ihnen sagen: Der Abguss, den Sie mir gestern gaben, war nur einer von dreien. Ich habe die Fotos Ihres Brunnens nach New York gemailt, und verschiedene Kunstsammler fragten bereits nach Brunnen in Originalgröße. Kleinere Modelle können in das Sortiment eines Herstellers für Park- und Zimmerbrunnen aufgenommen werden. Die Keramik wird in Thailand hergestellt, die Elektronik und Mechanik in Taiwan. Um das Geschäftliche brauchen Sie sich nicht zu kümmern. Ich achte Ihre Stille. Unterschreiben Sie nur den Lizenz-Vertrag, der in der Kiste hinter Ihrem Ton liegt. Darunter finden Sie die Bronze für Ihren Brunnen. Unsre gemeinsame Liebe verbindet uns. – Herzlich Devendra”

Veröffentlicht im April 2005 auf schreib-lust.de


Dese Geschichte ist auch enthalten in dem Kurgeschichtenband:
https://www.alfa-veda.com/9783945004067-jan-mueller-reich-ueber-nacht.html


[editiert: 04.01.23, 13:22 von Jan]
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