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Robins-Insel...Tigers-Platz
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Maiken
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Beiträge: 7344 Ort: Frankenthal (Pfalz)
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Erstellt: 21.04.11, 12:35 Betreff: Robert Will
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Wenn Steine ihre Schwere verlieren
"Jede Kunst, die diesen Namen verdient, ist eine Mahnung an uns selber, daß, um wahrhaftig zu uns selber zu sein, wir unsere menschliche Eigenschaften verändern, bzw. transzendieren müssen. Der traditionelle Maler stell so das Gesicht eines Menschen mit subtil umgestalteten menschlichen Zügen dar. In einer ähnlichen Weise scheinen Steine in den Händen eines traditionellen Architekten ihre Schwere zu verlieren und mit Seele und Geist zu vibrieren."
Abu Bakr Siraj Ad-Din, Symbol and Archetype
Ägypten: Reine Schönheit und Glanz! Ich bin immer inspiriert worden, wenn ich von einem gerechten sozialen Kampf höre, aber was in Ägypten geschieht ist phänomenal. Ich hörte einen Berichterstatter-ein Professor, der sich auf die Politik im mittleren Osten spezialisiert hat-darlegen, daß die Revolution in Ägypten das wichtigste Ereignis im mittleren Osten in den letzten 100 Jahren ist. Ich weiß nicht, ob ich dieser Aussage zustimmen kann, aber was sich in Ägypten entwickelt, ist in der Tat eines der bedeutungsvollsten Ereignisse während der letzten hundert Jahre im mittleren Osten und der gesamten arabischen Welt.
Vor kurzem hörte ich eine Reportage von dem Journalisten und Author Robert Fisk, in welcher er über eine Begebenheit am Tahir Platz sprach, deren Zeuge er wurde. Die Protestler nahmen es mit der ägyptischen Armee auf, die am Eingang des Platzes aufmarschiert war. Es wurde viel über die Rolle der Armee in der jetzigen sozialpolitischen Situation geredet. Während ein Zwiespalt zwischen der Armee und der zentralisierten Mubarak-Regierung gesehen werden kann, gibt es in der Tat wichtige und nicht abzuleugnende Verbindungen zwischen beiden. Ich weiß nicht, warum die Medien nicht darüber berichteten, aber Mubarak ist ein Produkt des ägyptischen Militärs; er war Chef der Luftwaffe bevor er Präsident wurde. Nun scheint die Rolle des Militärs in der jetzigen Situation sehr konfliktbeladen, unklar und sich ständig entwickelnd.
So beobachtete Robert Fisk,der ein brillanter Journalist ist, nebenbei gesagt, einen jungen Soldaten der auf einem Armeepanzer saß. Er schien überwältigt von zwiespältigen Emotionen, brach dann plötzlich in Tränen aus, sprang vom Panzer und warf seine Arme um einen der Demonstranten. Wunderschön!
Dies erinnert mich an etwas, was hier vor einigen Jahren geschah. Es war damals, als Tony Egbuna Ford seinen Hinrichtungstermin hatte und wir beide an einer Kampagne des friedlichen direkten Protestes gegen den Wärter Hirsch, bzw. Direktor Hirsch, wie Reg ihn nannte, bzw. Tyrann Hirsch nach Kenneth Meinung, ich in einer wunderschönen Höchst-Sicherheitszelle direkt über Egbuna endete. Warum sind unterdrückende Individuen in Machtpositionen immer in Handlungen verwickelt, die ihren eigenen Interessen schaden? Alles, was daraus resultierte war ein großer Fortschritt in unsere Strategie unseres Protestes.
Eines Tages beging ich einen Akt des friedlichen Protestes, wurde wiederholt von Reizgas getroffen und komplett nackt in einer leeren Zelle zurückgelassen. Es kam der Schichtwechsel und eine junge Beamtin, die hier seit vielleicht 3 Jahren war, kam um abzuzählen. Ich war außerhalb der Zelle am Ende des Ganges. "Name und Nummer...in Ordnung," Klopf, Klopf. "Hey, Aufwachen, Abzählzeit, Name und Nummer; o.k." und so ging sie den den Gang runter, bis sie zu meiner Zelle kam:
Beamtin: Name und-was zur Hölle ist los, will? Warum trägst du keine Kleider? Hast Du nicht gehört, daß ich abzähle?
Ich: Nun, ja, natürlich habe ich es gehört, aber ich habe keine Kleider, weil sie mich vorher mit Reizgas übersprühten und der gute Offizier der ersten Schicht zu meinen schien, daß ich keine anderen Kleider brauche, nachdem sie mir die gasgetränkten vom Körper rissen. Oder es kann sein, daß sogar die Beamten mir welche geben wollten, es aber vom so wohlwollenden Wärter Hirsch verboten wurde.
Beamtin: Uh, O.K. Ich wollte gerade sagen, daß ich von Dir noch niemals hörte, daß Du Dich respektlos gegenüber weiblichen Beamten verhältst. Ich hörte, daß jemand eingegast wurde, dachte aber, das wäre im F-Pod gewesen.
Dann begann sie eine kleine Tirade darüber wie müde sie von dieser ganzen "Protestscheiße" wäre, müde von der zusätzlichen Arbeit und all den Supervisoren, die den Beamten das Leben schwer machten. Fast eine kafkaeske Szene entfaltete sich: Da war ich, bedeckt mit Reizgas, welches meine Haut weiter böse verbrannte, komplett nackt. Die Beamtin stand vor meiner Zelle mit ihrem Klemmbrett, Unterlagen und Stift und wir begannen eine Diskussion über unseren Protest und die Todesstrafe. Sie spuckte einen Schwall des typischen Unsinns aus: " Ihr müßt alle die Regeln befolgen und die Todesstrafe ist Gesetz, etc. etc., etc." Ich hörte nicht auf, ihre unlogischen Argumente mit stichhaltigen Gegenargumenten zu bekämpfen, wobei der sich ergebenden Unstimmigkeit in der Wahrnehmung Rationalisierung folgte.
Mein Kamerad Gabriel bezeichnete das, was ich tue, als "sich in einen weißen Malcolm x hineinsteigern, vielleicht in einen Carl Rogers ähnlichen, humanistischen Jung-Anhänger und weißen Malcolm X" oder so etwas ähnliches. Ich kann es nicht erklären, aber ich kann mit Leuten reden. Irgendwann war sie enerviert, warf ihren Stift in ihr Klemmbrett, um ein heftiges Wort zu unterstreichen, als ich sie mitten im Satz unterbrach, mit etwas wie diesem:
"Ich denke nicht, daß Sie mit Herz und Seele wirklich auch nur die Hälfte von dem glauben, was sie gerade sagten. Aber ich sage Ihnen eines: wenn sie die Treppe runter gehen um abzuzählen sehen Sie sich bitte Tony Ford genau an. Dieser Mann hat demnächst einen Hinrichtungstermin. Sie sahen seine Mami draußen beim Besuchstermin, die eine gute Frau ist und ihren Sohn liebt. Tony beteuert seine Unschuld auf sehr solider Basis. Aber selbst, wenn er nicht unschuldig wäre, so sahen sie in in den Jahren, wie Ford ist. Er verhält sich nicht wie ein Idiot, belästigt keinen von euch weiblichen Beamten, er ist ein guter Kerl. Wenn sie runter gehen, schauen sie ihn sich an, er ist ein Mensch, wie sie. Schauen sie ihn sich an, nicht als Nachnamen und TOC Nummer, sondern als Mensch."
Ich glaube, daß dieses eher in einem sehr ruhigen Ton gesagt wurde. Ich dachte, ich erwartete eine erregte Antwort ala Rush Limbaugh, aber dies geschah nicht. Sie war völlig still und sah mich in komplettem Schweigen an. Eine, zwei, drei, vielleicht 4 Sekunden verstrichen und dann begann sie zu weinen. Weinen? Dies scheint absurd, aber ich denke, es war die unmittelbare Antwort, die ich fand, auf jemanden, der vor meinen Augen weint: " Es tut mir leid, es tut mir wirklich leid." Und ihre Tränen herunterschluckend, sagte sie:" Ich, Ich kann hier nicht mehr arbeiten." und ging. Ich denke, was mit dem dem ägyptischen Armee-Offizier geschah und dieser Vollzugsbeamtin, eine ähnlich befreiende Erfahrung war. Selbst wenn Leute aufs schwerste indoktriniert wurden von einem repressiven System, so sind sie immer noch erreichbar. Für fast jeden gibt es Hoffnung. Die menschliche Erfahrung ist eine gemeinschaftliche Erfahrung, die von allen geteilt wird und deren Verwirklichung die meisten verstehen.
Es gibt so viele schöne Dinge, die in Ägypten geschehen. Dies ist eine wahrhaftige Graswurzelbewegung, eine echte friedliche Revolution. Die Mubarak Schurken griffen die friedlichen Demonstranten mit Steinen an. Ich hörte eine Reportage, wo ein Journalist aus einer Gegend um den Tahir Platz kam, wo ein Riesenhaufen Stein aufgeschichtet lag, umgeben von friedlichen Demonstranten, die skandierten:" Friedlich! Friedlich! Wir müssen friedlich protestieren!". Ein Leben und Widerstand gegen Unterdrückung ist eine Kunst des Lebens und Menschlichkeit ist die Leinwand. Und auf dieser Leinwand aufgetragen, können Steine ihre Schwere verlieren und zu beginnen, mit Seele und Geist zu vibrieren, einem Geist, der transformiert, dem Geist einer lebendigen Liebe für die eigenen Mitmenschen, für die Menschheit und Menschlichkeit. Seele und Geist der Ägypter, derer, die auf den Horizont der Zukunft schauen, um eine bessere, gerechte und menschlichere Welt zu sehen.
SALAAM!
Rob Will
____________________ Liebe Grüße aus der sonnigen Pfalz
Maiken
[editiert: 21.04.11, 19:02 von Maiken]
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