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Autor Beitrag
chiisu
Lucifer

Beiträge: 1393


New PostErstellt: 06.06.05, 06:24     Betreff: Re: J-Rock/Pop/ Visual Kei Bildergallerie

Braun Thermoscan IRT 4520 Fieberther...
ich weiß leider nicht, in welcher zeitschrift er erschienen ist, aber hier isser. viel spaß. *grins*


Mad Stalin sucht Tokiomausi

Dir en grey sind eine berühmte japanische Rockband. In Deutschland kennt sie niemand. Oder doch? Am Sonnabend spielten sie in Berlin vor 3 500 hysterischen Fans

BERLIN, 29. Mai. Am Sonnabend wurde in der Tempelhofer Columbiahalle das erstaunlichste, begeisterndste und bizarrste Rock'n'Roll-Konzert der Saison absolviert; ein wildes Fest, ein rasender Rave; ein Ereignis, von dem die, die dabei sein durften, noch ihren Enkelkindern erzählen werden.

Die, die dabei sein durften: das waren dreieinhalbtausend enthemmte Teenager aus ganz Europa, die sich drei Stunden lang ihre Seelen aus dem Leib schrien, kreischten und weinten - sofern sie nicht schon umstandslos in Ohnmacht gefallen waren, als die Band die Bühne betrat. Im Garten der Halle, wo sonst ein Grill und ein Biertresen stehen, hatten die Veranstalter vorsorglich ein Open-Air-Krankenlager errichtet; die endlose Reihe an Lazarettliegen war nach einer dreiviertel Stunde vollständig belegt. Und das, obwohl offensichtlich niemand trank oder rauchte oder sonst welche Drogen einnahm; wenn die Tresenbedienung nicht Leitungswasser in mitgebrachte Plastikflaschen ausschenkte, stand sie am Rand der tosenden Halle und drehte Däumchen.

Wer waren diese Menschen, die nichts rauchten und tranken, und wieso waren sie derart aus dem Häuschen? Das Konzert war der erste Deutschland-Auftritt der japanischen Gruft-Metal-Band Dir en grey. Nie gehört, den Namen? In Japan zählen Dir en grey zu den erfolgreichsten Teenie-Rock-Bands. In Europa haben sie bisher noch niemals gespielt; ihre Platten sind nur als teure Japan-Importe erhältlich. Kein einziges Musikmagazin hat jemals über sie berichtet, kein Radiosender spielt ihre Songs. Vor ihrem Auftritt in der Columbiahalle wurde kein einziges Plakat geklebt, keine Anzeige geschaltet, kein Vorbericht oder sonst irgendein Hinweis in der Presse lanciert.

Drei Tage hat es gedauert, dann waren die dreieinhalbtausend Karten verkauft.

Von denen, die sich in der Columbiahalle drängen, ist kaum jemand über achtzehn, vier Fünftel sind Mädchen. Der Kleidungs- und Schminkstil ist im weitesten Sinn gothic: schwarze Rüschenkleider; leichenhaft geweißte Gesichter mit verschmiertem schwarzen Lippenstift und Kajal um die Augen; darunter laufen blutrot ausgepinselte Tränen die Wangen hinunter.

Aber es ist nicht die Schwarzkittelszene, die sich hier trifft. Auch in deren Fachorganen und Internet-Foren sucht man vergebens nach Dir en grey. Wer etwas über die Gruppe erfahren will, muss sich in die Chatrooms der Manga-Szene begeben: in die Welt der otaku, der fanatischen Liebhaber japanischer Comics und Zeichentrickfilme; ein der sonstigen Öffentlichkeit weithin unbekanntes, in sich aber perfekt vernetztes Paralleluniversum. Hervorgegangen ist es aus dem Manga-Boom der vergangenen Jahre; inzwischen wird hier jeder beliebige Bestandteil der japanischen Popkultur fetischisiert: vom Comic bis zum Kochen; vom cosplay, dem kostümierten Nachspielen populärer Manga-Geschichten, bis zum J-Pop, der japanischen Popmusik.

In den Internet-Chatrooms dieser Szene sind Dir en grey die größten Stars. Hier wird ausführlich jeder Frisurwechsel des Sängers Kyo diskutiert, jeder neue Kleidungsstil kommentiert, jeder neue Songtext in die verschiedensten europäischen Sprachen übersetzt; es gibt von den Fans erdachte Kurzgeschichten und manchmal auch Comics, in denen Dir en grey die Heldenrollen übernehmen.

Zum Berliner Konzert sind die Besucher nicht nur aus ganz Deutschland angereist gekommen, sondern auch aus England, Frankreich, Italien. Auf der Internet-Seite animexx.de haben die Dir-en-grey-Fans wochenlang darüber diskutiert, ob sie nicht zwei Stücke der Band als Dankeschön-Ständchen einstudieren sollen. Für diesen Teil der europäischen Jugend ist Japanisch das neue Esperanto.

Die Musik der Band erweist sich dann als grauenerregend; ein völlig unstrukturiertes Gemisch aus Prog-Rock und Metal, aus falsettierend gesungenem melodischen Pop und einer Art Grindcore-Hochgeschwindigkeitsgrunzen. Jede Metalband aus Mittelbaden bekommt das musikalisch schlüssiger hin. Aber es geht ja auch gar nicht zuerst um Musik, sondern um die Optik und die Posen, die sie ermöglicht. Dir en grey beherrschen das klassische Rock-Macho-Gehabe; aber zugleich verkörpern sie das, was die europäischen Mädchen an den japanischen Pop-Männern so schätzen: sie sind niedlich, kawai, bei aller männlichen Ausstrahlung romantische, verweiblichte Typen, die ein Mädchen bewundern kann, ohne sich unterwerfen zu müssen. Oder anders gesagt: Dir en grey sehen wie archetypische Manga-Charaktere aus: wie die androgynen, zwischen Männlichkeit und Weiblichkeit, Hetero- und Homosexualität hin- und herirrenden Helden, die man aus den shojo manga kennt, jenen Comics, die sich vornehmlich an Mädchen richten und nicht selten in zart-erotischen Bildern von platonischer Liebe zwischen Männern berichten.

Nach dem Konzert stehen die Dir-en-grey-Fans noch lange in der glühenden Frühlingsnacht vor der Columbiahalle und halten kleine Pappschilder in die Luft, auf denen zum Beispiel "Mao!!?", "Tokiomausi" oder "Mad Stalin" steht. Das sind die Pseudonyme, unter denen sie in den Dir-en-grey-Chatrooms kommunizieren. Im Angesicht ihrer Helden hoffen die einsamen Seelen darauf, dass man sie endlich erkennt.


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"Das Unnötige ist das Einzige was wir wirklich benötigen." Oscar Wilde
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