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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Schweiz: Hau ab, Mann

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Autor Beitrag
Gast
New PostErstellt: 05.05.07, 04:32  Betreff: Schweiz: Hau ab, Mann  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  


FACTS

2. Dezember 2004

Hau ab, Mann

Gesellschaft Titel; Seite 36

Trotz neuem Scheidungsrecht kaempfen Schweizer Paare brutaler denn je um ihre Kinder. Die Vaeter sind fast immer die Verlierer. Nicht einmal mit Hilfe der Polizei koennen sie sich gegen egoistische Muetter durchsetzen. Nun fordern Politiker abermals eine Gesetzesrevision.

Von Nicole Althaus und Ruth Bruederlin

Er war ein Vater, wie sich ihn eine Frau nur wuenschen kann. Jeden Morgen stand er vor sieben Uhr am Herd, kochte Milch, um fuer seine Kinder das Fruehstueck zu bereiten: Ovomaltine fuer die dreijaehrigen Zwillingsbuben Nicolas und Kevin, Sugar Puffs fuer die fuenf-jaehrige Tochter Laura. Roman Keller *, 40, teilte Hausarbeit und Kinderbetreuung partnerschaftlich mit seiner Frau, 36. Und das, obwohl er ein Vollpensum bewaeltigte. Aber nur drei Tage pro Woche ausser Haus. Ansonsten erledigte er seinen Job im Heimbuero.

Sein Eifer wurde Keller zum Verhaengnis. Bei der Scheidung vor zwei Jahren schmetterten die Richter seinen Antrag auf das gemeinsame Sorgerecht ab. Begruendung: Keller habe zu viel gearbeitet. Seine Frau hatte bloss eine 50 -Prozent-Anstellung. So springt die Schweizer Justiz heutzutage mit einem Mann um, der jahrelang das war, was man einen Bilderbuchpapa nennt.


Heute sieht Keller seine beiden Buben und die Tochter - sie sind inzwischen sechs und acht Jahre alt - nur noch jedes zweite Wochenende. Der Mann, der ihnen frueher dreimal taeglich das Essen kochte, mit ihnen spielte, sie zu Bett brachte, ist den Kindern fremd geworden. "Ich bin vom Alltag meiner Liebsten ausgeschlossen", sagt Keller. "Ich bin nur der nette Onkel."

Es mag fuer Keller ein schwacher Trost sein, aber: Ob Vorzeigevater, Hausmann, Softie oder Macho - geht eine Beziehung im Kampf auseinander, zieht der Mann den Kuerzeren. Neun von zehn Kindern sprechen die Gerichte in einem solchen Fall der Mutter zu. Der Vater wird mit wenigen Besuchstagen abgespeist. Und oft kann er nicht einmal sein Recht, den Nachwuchs gelegentlich zu sehen, durchsetzen. Fatal: Genau diesen Misstand sollte das neue Scheidungsrecht beheben. Das Gegenteil traf ein: Seit im Januar 2000 die Moeglichkeit des gemeinsamen Sorgerechts eingefuehrt wurde, wird in der Schweiz heftiger, erbitterter, erbarmungsloser um das Kind gestritten als je zuvor.

Der Kampf ums Kind nimmt groteske Zuege an: 50 Personen gingen letzten Samstag in Luzern auf die Strasse, um im so genannten Fall Ruben den italienischen Vater Stefano Bianchi, 42, zu unterstuetzen. Bianchi kaempft dafuer, dass ein Bundesgerichtsurteil durchgesetzt wird und sein fuenfjaehriger Sohn zu ihm nach Italien zurueckkehrt. Unterstuetzt von Schweizer Vaetervereinigungen lieferte sich Bianchi in Luzern ein Gefecht der Parolen mit Sympathisantinnen der Kindsmutter, der 29-jaehrigen Lucille Hunkeler, die mit dem gemeinsamen Sohn vor Wochen untertauchte. Der Fall beschaeftigt mittlerweile die schweizerisch-italienische Aussenpolitik: Bundesrat Christoph Blocher sicherte Italiens Justizminister Roberto Castelli Unterstuetzung zu, um Ruben mit seinem Papa zusammenzufuehren.

Auch der Australier Russell Wood, 41, hat schlechte Aussichten, seine beiden Kinder, die er mit einer Schweizerin zeugte, wieder zu sehen. Das Bundesgericht hat zwar entschieden, dass die Geschwister zum Vater zurueck muessen, doch der fuer die Rueckfuehrung zustaendige Stadtammann vom Zuercher Kreis 6 trat Anfang November in den Ausstand: Er wolle das Urteil aus persoenlichen und rechtlichen Erwaegungen nicht vollziehen.

Die beiden Faelle tangieren zwar internationales Recht, sie illustrieren aber plastisch, wie schnell Vaeter zu Entrechteten werden koennen. In der Schweiz hat dies einen besonderen Grund: "Das gemeinsame Sorgerecht, wie es unser Land handhabt, ist eine Totgeburt", so das vernichtende Urteil von Jean-Luc Rioult, Scheidungsanwalt und Leiter der Fachgruppe Scheidungsrecht der Zuercher Anwaltskammer. "Es funktioniert nur dann, wenn Eltern sich ohnehin einig sind. In allen anderen Faellen aber laedt es geradezu zu Erpressungsspielen ein."

Finanzielle Erpressung

Die gemeinsame Sorge wird - anders als etwa in Deutschland oder Frankreich - nur dann ausgesprochen, wenn beide Elternteile damit einverstanden sind, heute in rund einem Viertel aller Faelle. Dabei sagt das Sorgerecht - oder schlicht die Sorge, wie es im Gesetz heisst - nichts darueber aus, bei wem die Kinder leben. Es umschreibt bloss, wer gesetzlicher Vertreter des Kindes ist. Trotzdem bockt in den meisten Faellen die Mutter. Sie kann ihre Einwilligung ohne Angabe von Gruenden verweigern. Wieso auch sollte sie teilen? Wieso sollte sie dem Vater ein Mitspracherecht bei den Kindern geben? Frauen koennen ohnehin damit rechnen, dass Sorgerecht und Obhut ihnen zugesprochen werden. Die Logik ist simpel, aber verhaengnisvoll: Die Frau bekommt die Kinder - der Mann bezahlt. Die Scheidungsvaeter werden damit faktisch entsorgt: Sie haben, was ihre Kinder betrifft, nichts mehr zu melden.

Mittlerweile hat auch die Politik erkannt, dass der Zustand unhaltbar ist: Ein Postulat aus dem Nationalrat sowie eine Petition, die letzte Woche von Vaeter- und Elternvereinigungen lanciert wurde, verlangt eine Gesetzesaenderung: Die geteilte Sorge soll nicht mehr Ausnahme sein, sondern die Regel. Fuer alle Vaeter, ob ledig oder geschieden. Auch der Bundesrat sieht die Dringlichkeit des Vorstosses, naechstes Jahr soll das Postulat vors Parlament. Fuer Fachleute ein Zeichen der Hoffnung: "Der Kampf um die Kinder ist ungleich haerter geworden", sagt der Zuercher Mediator und Familienberater Christoph Wieser. Seit zwanzig Jahren vermittelt er in Scheidungsstreitigkeiten und hat beobachtet, dass es vermehrt zu "Erpressungen und Manipulationen" kommt. So verbinden immer mehr Frauen ein Ja zur gemeinsamen Sorge mit der Forderung nach hoeheren Alimenten. Eine finanzielle Erpressung des Ex-Partners also, die erst das unzulaengliche heute geltende Gesetz ermoeglicht.

Damit nicht genug: Wenn Konflikte zu Eheschlachten entarten, greifen immer mehr Frauen ungeniert zur haertesten Waffe, zum Totschlagargument schlechthin: Sie werfen ihrem Ex vor, den Nachwuchs verpruegelt oder - schlimmer noch - sexuell missbraucht zu haben. Mit dem Satz: "Er hat meine Tochter benutzt" beginnt laut einem Mitglied einer Basler Vormundschaftsbehoerde jedes zweite Gespraech. Der Tiefschlag sitzt immer: Die Vaeter sehen ihre Kinder nicht mehr, oft monatelang, bis der Vorwurf abgeklaert ist. Und auch wenn er sich als haltlos erweist, hat er sich in den Koepfen laengst festgesetzt. Das ist nicht bloss fuer den betroffenen Vater ein Skandal: Mit dem inflationaeren Gebrauch des Missbrauchvorwurfs untergraben Frauen die Glaubwuerdigkeit tatsaechlicher Opfer - und sie muten ihren eigenen Kindern zu, dass diese zur Abklaerung analgynaekologische Untersuchungen ueber sich ergehen lassen muessen.

In Fachkreisen spricht man von einer Zunahme der Missbrauchvorwuerfe von vierzig Prozent in den letzten Jahren. Neun von zehn Anschuldigungen gegen Vaeter, die um ihre Kinder kaempfen, werden aus rein taktischen Gruenden erhoben, so die Erfahrung vieler Aemter. Gestuetzt wird dieser Befund durch diverse Studien aus den USA, die sich in den letzten Jahren mit dem Problem falscher Missbrauchvorwuerfe waehrend einer Scheidung befassten.

Fast ebenso oft wie Missbrauch werfen die Muetter dem Vater Gewalttaetigkeit vor. Ein hartes Anpacken am Arm, ein Schubs oder eine Ohrfeige reicht. Natuerlich gehoeren solche Handgreiflichkeiten nicht zur hohen Paedagogik. Aber sie sind nicht vergleichbar mit den Akten von Gewalttaetigkeit, die andere Frauen und Kinder tatsaechlich jahrelang erdulden muessen.

Jeder Schritt von ihr geplant

Der Buendner Reto Indermuehle *, 36, fand in der Handtasche seiner Frau ein ausgetuefteltes Drehbuch, wie sie sich den Ablauf der Trennung und der Scheidung vorstellte. Darin war detailliert aufgelistet, wann welche Schritte zu unternehmen, welche Geldforderungen zu stellen, welche Anschuldigungen auszusprechen seien. Alles nach einem genauen Zeitplan. Das schlechte Gewissen, in der Tasche seiner Frau herumgeschnueffelt zu haben, verlor der hoehere Beamte spaetestens dann, als seine Frau, eine Bankerin, ihm vorwarf, er habe sie und die damals sechsmonatige Tochter regelmaessig verpruegelt. Vor Gericht gab sie spaeter unumwunden zu, dies frei erfunden zu haben. Konsequenz der falschen Anklage? Keine.

Solche oft rufschaedigenden Aussagen machen Frauen in Scheidungsverfahren zuhauf. Noch erschreckender aber ist: Kein einziger Fall ist bekannt, in dem sich eine Frau vor Gericht fuer falsche Anschuldigungen verantworten musste.

Muetter haben die besseren Karten. Muetter gehen kaum ein Risiko ein - selbst dann nicht, wenn sie das Besuchsrecht verweigern. Wenn sich eine Frau darum foutiert, zur verabredeten Zeit die Kinder dem Vater ins Weekend mitzugeben, passiert nichts. Kein Vormund taucht auf, niemand vom Jugendamt und schon gar keine Polizei, um die Herausgabe der Kinder durchzusetzen. Der Streifenwagen faehrt hoechstens vor, wenn der Vater an die Tuere haemmert oder vor dem Haus nach seinen Kindern schreit - um ihn wegen Ruhestoerung mitzunehmen.

Je laenger eine Frau dem Vater das Besuchsrecht vorenthaelt, desto groesser die Wahrscheinlichkeit, dass sich die Kinder dem Vater entfremden. Bis ihnen schliesslich im Namen des Kindswohls nicht mehr zugemutet werden kann, Zeit mit einem fremden Mann zu verbringen.

Im letzten Sommer hat Roger Bruehwiler, 37, endlich seine beiden Soehne wieder gesehen. An jenem Nachmittag im Juli durfte er zwei Stunden mit ihnen zusammensein - unter Aufsicht. Vor fuenf Jahren trennte sich der Architekt von seiner Frau. Sie verweigerte ihm das Besuchsrecht. Laut mehreren Gerichtsbeschluessen haette er seine heute sieben und elf Jahre alten Soehne jedes zweite Wochenende bei sich haben duerfen. Worauf seine Nochgattin kommentarlos wegzuegelte. Bruehwiler fand heraus, dass sie im Tessin lebte. Er versuchte anzurufen, er bemuehte sich, ueber einen Lehrer und die Vormundschaftsbehoerde Kontakt herzustellen. Seine Frau blieb stumm. Nach zwei Jahren - die Bruehwilers waren offiziell erst getrennt und noch nicht geschieden - wandelte das Obergericht Aarau die urspruengliche Besuchsregelung um. Bruehwiler duerfe seine Soehne kuenftig alle zwei Wochen unter Aufsicht fuer sechs Stunden sehen. Begruendung: Der Vater sei seinen Kinder so fremd geworden, dass der Kontakt wieder behutsam aufgebaut werden muesse. Sogar das blieb Theorie. Tatsaechlich sah Bruehwiler seine Kinder in vier Jahren insgesamt acht Stunden.

"In unserem Rechtsstaat", sagt der Zuercher Rechtsanwalt Rioult, "kann es Menschen, vor allem Vaetern, passieren, dass ihnen das gemeinsame Sorgerecht grundlos verweigert wird, dass ihnen die Kinder entzogen werden, die sie jahrelang miterzogen haben, und dass der Umgang mit ihnen systematisch vereitelt wird, ohne dass sie dagegen etwas unternehmen koennen." Das beschriebene Unrecht ist seit einem Monat gerichtlich sanktioniert: Anfang November wurde ein Urteil des Zuercher Obergerichts rechtskraeftig, das eine 37-Jaehrige freigesprochen hat, obwohl sie ihren Ex-Mann systematisch daran hinderte, die gemeinsame Tochter zu sehen. Das zehnjaehrige Kind, so das Obergericht, habe eine psychische Stoerung als Folge der Trennung vom Vater. Dies sei, so die lapidare Erklaerung, der Mutter nicht bewusst gewesen. Den Freispruch begruendete das Gericht mit dem "fehlenden Unrechtsbewusstsein der Mutter". Die Frau muss nicht einmal die Prozesskosten uebernehmen.

Ein Kind ist bei der Mutter, und nur bei der Mutter, am besten aufgehoben: Die helvetische Rechtsprechung ist einer Ideologie von gestern verhaftet.

Kinder als Waffe, um einen Partner abzustrafen, der einen verletzt und enttaeuscht hat. "Dieser Machtmissbrauch ist nicht geschlechtsspezifisch", sagt Rioult. "Die Machtverteilung allerdings schon." Maenner sind zwar nicht die besseren Menschen, aber in solchen Konflikten die sicheren Verlierer. Anders als in den USA und in einigen europaeischen Laendern - in Norwegen etwa - bleibt in der Schweiz der Widerstand von Muettern gegen die Besuchsrechte des Vaters ungeahndet.

Gesundheitsprobleme nach Trennung

Wie haelt dies ein Mann aus? Ueber die Noete der Scheidungsvaeter wusste man bisher wenig. Und das wenige, was man wusste, war von Vorurteilen gepraegt. Im oeffentlichen Diskurs waren die Vaeter die Uebeltaeter, die Verantwortungslosen, die sich aus dem Staub machten, die das Bezahlen der Alimente dem Staat ueberliessen. Wie hart sie in Tat und Wahrheit mit einer Scheidung zu kaempfen haben, beweist eine neue, breit angelegte Studie. Das Bremer Institut fuer Geschlechter- und Generationenforschung befragte unter der Aegide von Gerhard Amendt 3600 Scheidungsvaeter aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz: Mehr als drei Viertel der Befragten gaben an, dass der Trennungsschmerz zu akuten gesundheitlichen Problemen gefuehrt habe. 60 Prozent der Maenner aeusserten gar das Gefuehl, durch den Entzug der Kinder "alles verloren zu haben".

Zynischerweise strafen die Scheidungsrichter oft gerade diejenigen Maenner, die ihre Verantwortung engagiert wahrnehmen wollen. Das belegt der Fall Michael Andres *: Der 42-jaehrige Ingenieur aus Solothurn nahm sein Neugeborenes fast das ganze erste Jahr ueber mit ins Buero, weil sich seine Frau damals gerade selbststaendig gemacht hatte und ihre ganze Energie in den Job steckte. Er, der Mann, gab dem Kleinen den Schoppen, er schaukelte das Baby in der Wiege neben seinem Buerotisch. Auch spaeter arbeitete Andres nur zu 80 Prozent, um das Kind betreuen und so seine Frau unterstuetzen zu koennen. Trotzdem hat er jetzt, fuenf Jahre spaeter, bei der Scheidung nicht den Hauch einer Chance, die gemeinsame Sorge zu bekommen, geschweige den die Obhut fuer seinen Sohn. Das Geschaeft seiner Frau laeuft nicht gut - die Richterin befand, man koenne der Mutter eines fuenfjaehrigen Kindes nicht zumuten, berufstaetig zu sein. Nun zahlt Andres Unterhalt fuer seine Ex, obwohl er finanziell kaum besser dasteht.

Frauen gehoeren fuer die Schweizer Richter offenbar immer noch an den Herd, Maenner ins Erwerbsleben. Kommt es zum Schlagabtausch der Geschlechter, fehlt der Raum fuer differenzierte Loesungen: "Die Maenner werden Opfer tradierter Rollenbilder", sagt der Zuercher Bezirksrichter Urs Gloor. Eine erste Debatte um die Opferrolle des Vaters nach Scheidungs- und Trennungsdramen wurde 1998 erstmals von Matthias Matussek losgetreten. Der "Spiegel"-Redaktor unterstellte in seinem Buch "Die vaterlose Gesellschaft" den scheidungswilligen Frauen pauschal den Wunsch nach einer "Versorgungsvollkasko", mit der sie die Maenner an den Rand des Ruins trieben und ihnen zum Dank auch noch die Kinder vorenthielten. Diese "Muttermacht" tarne ihr fieses Spiel mit den "abgezockten Vaetern" mit der Behauptung, sie tue das aus "Mutterliebe".

Matusseks Anti-Mutter-Polemik war berechtigt, wie sich nun zeigt - auch wenn sie etwa so differenziert war wie das Maenner-Bashing radikaler Feministinnen, die dem Mann ausser Ausbeutung und Egoismus nichts zugestehen. Natuerlich gibt es die Scheidungsvaeter, die ihre Pflichten mit dem monatlichen Scheck und einem weihnachtlichen Postpaket erfuellt sehen. Genauso, wie es Scheidungsmuetter gibt, die das liebevoll eingepackte vaeterliche Weihnachtsgeschenk fuer die Kinder ungeoeffnet zurueckschicken. Natuerlich gibt es auch Vaeter, die nie ein Sorgerecht bekommen sollten: Weil sie tatsaechlich gewalttaetig sind, weil sie sich tatsaechlich nicht um das Wohl ihres Nachwuchses kuemmern wuerden. Und zugegeben, man kann sich letztlich zu Recht fragen, ob die Maenner an ihrer heutigen Misere nicht zu einem guten Teil selber Schuld haben: Die Zuercher Juristin Dorothee Jaun etwa, die in Scheidungsprozessen meistens Frauen vertritt, ist der Meinung: "Es sind auch heute noch die Frauen, welche die Kinder bis zur Scheidung mehrheitlich betreuen. Es ist also nur konsequent, dass sie meistens auch das Sorgerecht erhalten."

So oder so - das Resultat bleibt dasselbe: Die derzeitige Schweizer Rechtsprechung laesst es zu, dass jeder fuenfte geschiedene Vater den Kontakt zu seinem Nachwuchs gaenzlich verliert. Und zwar unfreiwillig. Die Schweiz ist auf dem besten Weg, die Maenner von der Erziehung auszuschliessen, ja auf dem Rechtsweg herbeizufuehren, was sie gesellschaftspolitisch seit Jahren bekaempft: die vaterlose Gesellschaft. Und sie tut das zu einer Zeit, in der endlich ein Gesinnungswandel eingetreten ist, in der die Maenner angefangen haben, Vaeter zu werden, die oefter als nur am Sonntagvormittag zu Hause sind - "refamiliarisierte Vaeter", wie die Soziologen sagen.

Es ist paradox: Seit Jahren werden die so genannten neuen Vaeter in der Oeffentlichkeit gekrault und gestreichelt. Die Medien singen einstimmig das Loblied auf die Papas, die wochentags Kinderwagen schieben, statt Ueberstunden zu machen, und sich am Wochenende enthusiastisch auf die Rutschbahn zwaengen. "Psychologie heute" widmete dieses Fruehjahr der "einzigartigen Weise", in der Vaeter ihre Kinder foerdern, eine Titelgeschichte. Und Politiker quer durch die Parteien fordern Arbeitsbedingungen, die dem gewandelten Rollenverstaendnis Rechnung tragen. Die Frauen haben erreicht, was sie jahrzehntelang forderten: ein Umdenken in der Gesellschaft. Und sie muessten, so sollte man meinen, alles daran setzen, dass ihnen diese neue Spezies Vater, die sie in muehseliger Ueberzeugungs- und Erziehungsarbeit herangezuechtet haben, erhalten bleibt. Doch sobald das Familienidyll zerplatzt, hat der Vorzeigevater ausgedient. Und es sind die Frauen, die dafuer sorgen, dass er per Gerichtsurteil in die Rolle des Zahlpapis zurueckspediert wird.

Aufgeopfert - und ausgeschlossen

"Ich bin weder ein Spitzenvater noch ein Supermann", sagt Peter Schiffer *, 42. Aber als seine Frau schwer erkrankte, kurz nach der Geburt des Juengsten, habe er die Buben versorgt, jedes Wochenende etwas mit ihnen unternommen; er habe sogar Ferien genommen, wenn die Frau wieder ins Spital musste. "Ich opferte mich fuer die Familie und die Kinder. Und ich meinte, es komme gut." Wegen seiner Ex-Frau ist Schiffer heute genoetigt, in seinem viel zu grossen Einfamilienhaus zu leben, das er 16 Jahre lang mit ihr bewohnte. Verkaufen kann er es nicht, denn seine ehemalige Gattin verweigert die Unterschrift. Selber darin wohnen kann sie aber wegen fehlender finanzieller Mittel auch nicht. "Alles, was ich will - selbst wenn es ihre eigene Situation verbessern wuerde -, lehnt sie kategorisch ab", sagt Schiffer.

Selbstverstaendlich verweigerte sie auch die Zustimmung zum gemeinsamen Sorgerecht. Sein Vorschlag, die heute 13- und 15-jaehrigen Buben bei sich wohnen zu lassen, wurde mit der Begruendung abgelehnt, er muesse ja arbeiten gehen und koenne sich nicht um die Kinder kuemmern. Dabei waere er ausgerechnet von seinem Arbeitgeber SBB unterstuetzt worden. Dieser haette ihm ermoeglicht, Teilzeit zu arbeiten, haette einen Krippenplatz zur Verfuegung gestellt und sogar aus einem Spezialfonds eine Tagesmutter mitfinanziert. In vielen Firmen wurde umgedacht - nicht aber bei den Gerichten.

Aber es gibt sie, die Maenner, die sich mit ihrer Diskriminierung als Vater nicht abfinden wollen. Europaweit hat sich eine eigentliche Scheidungsvaeter -Bewegung formiert, die sich mit allen Mitteln Gehoer verschafft: Im September etwa erregte die militante Gruppe Fathers 4 Justice weltweit Aufsehen, als der 32-jaehrige Maler und Tapezierer Jason Hatch in einem Batman-Kostuem die Sicherheitsschranken des Buckingham-Palasts ueberwand und mit seinem Transparent geraume Zeit auf dem koeniglichen Balkon verharrte.

Auch in der Schweiz regt sich Widerstand: Rund 25 geschiedene oder in Scheidung lebende Maenner sitzen an einem nebligen November-Abend im kahlen Klublokal der Maenner-Organisation IGMZ - bei Trennung und Scheidung, Zuerich. Junge Karrieristen in Anzug und Krawatte, die reden wie ein Wasserfall, Vaeter der neuen Generation, die ein Kleinkind mit derselben Nonchalance wickeln, wie sie Bierflaschen oeffnen. Und dann ein paar Grauhaarige mit verhaermten Gesichtszuegen, denen das Reden offenbar lange schon vergangen ist. Es riecht nach Aftershave und Arbeitsschweiss in dieser Zelle des Widerstands. Diese Maenner sitzen jeden Dienstagabend zusammen, beraten, wie sie sich vor Gericht verhalten sollen, suchen Hilfe, um sich gegen ihre Frauen zur Wehr zu setzen. Und vor allem: Sie reden darueber, wie sie zurueckbekommen koennen, was die Gerichte ihnen weggenommen haben - ihre Kinder.

Systematisch entfremdete Kinder

Was die Gerichte vermeintlich zum Wohle des Kindes entscheiden, hat nicht selten verheerende Folgen: Werden die betroffenen Kinder - im Jahr 2003 waren es in der Schweiz rund 90 000 - scheidungshalber von Vater oder Mutter getrennt, beginnt ein Drama, das sie ihr Leben lang verfolgen wird. Die Kinderpsychiatrie spricht von PAS, dem Parental Alienation Syndrom. Elternentfremdungs-Syndrom. Man geht heute davon aus, dass dieses Krankheitsbild, 1984 erstmals vom US-Kinderpsychiater Richard Gardner beschrieben, in 90 Prozent aller strittigen Sorgerechtsfaellen auftritt: In der Hoffnung, wenigstens einen Elternteil behalten zu koennen, lehnen Scheidungskinder den anderen, meist den Vater, ab.

Die Literatur zu den seelischen Folgen der Aussperrung des Vaters aus dem Leben eines Kindes fuellt inzwischen ganze Regale: Die Jungen leiden an fehlenden gleichgeschlechtlichen Rollenbildern und kompensieren das Manko mit uebertriebenem Maennlichkeitswahn. Die Toechter reagieren haeufig mit pathologischen Stoerungen wie Fressucht. Statistisch erwiesen ist, dass Kinder, die mit Scheidungs- oder Trennungskonflikten der Eltern konfrontiert waren, viel geringere Chancen haben, zukuenftig funktionierende Beziehungen eingehen zu koennen. Der Teufelskreis schliesst sich.

An der hohen Scheidungsrate - in der Schweiz wird bald jede zweite Ehe geschieden - koennen weder Gerichte noch Gesetz etwas aendern. An der Art und Weise, wie eine Trennung ueber die Buehne geht, allerdings schon.

Der Schwyzer CVP-Nationalrat Reto Wehrli, 39, reichte darum am 7. Mai sein Postulat ein, das die gemeinsame elterliche Sorge als Regelfall verlangt. Unterschrieben wurde der Antrag von 48 Parlamentarierinnen und Parlamentariern aus allen Parteien. "Fuer mich steht ausserhalb jeder Diskussion: Mutter und Vater haben beide die Verantwortung fuer ihre Kinder, sie teilen sich Rechte wie Pflichten", sagt Wehrli. "Man muss den Eltern ein fuer alle Mal klar machen: Verheiratet oder nicht, Beziehungsprobleme oder nicht - zum Wohl der Kinder muesst ihr euch zusammenraufen." Waere die geteilte Sorge die Regel, duerfen sich Vaeter nicht nur um ihre Kinder kuemmern, sie muessten es von Rechts wegen tun. "Wenn im Gesetz steht, Kinderbetreuung sei auch Maennersache, hat das sicher eine Rueckwirkung auf die Gesellschaft", ist Wehrli ueberzeugt.

Dass dieser Ansatz funktioniert, bewies Roland Proksch, Professor an der Evangelischen Fachhochschule Nuernberg, in seiner Studie fuer die deutsche Bundesregierung. Er untersuchte die Erfahrungen mit der gemeinsamen elterlichen Sorge, wie sie in Deutschland ueblich ist - naemlich als Regel, nicht als Ausnahme. Fazit: Wenn die Eltern sich von Gesetzes wegen einigen muessen, koennen sie es auch.

Im Jahr 2003 wurde in 85 Prozent der deutschen Scheidungen die gemeinsame Sorge beibehalten - mit Erfolg. In allen anderen Faellen allerdings kracht es laut dem "Spiegel" von dieser Woche wie bei uns. In Frieden scheiden klappt also nur, wenn beide wollen oder wollen muessen. Fuer Proksch ist das nur logisch: "Die gemeinsame Sorge entschaerft das Konfliktpotenzial, denn die meisten Unstimmigkeiten entstehen nicht bei der Sorge, sondern beim Umgang." Konkret: Es gibt Krach, weil der Vater das Kind zu spaet abholt oder zurueckbringt, es unangemessen kleidet oder ihm das falsche Essen vorsetzt. Je mehr aber ein Vater ausgeschlossen wird, desto mehr bockt er dort, wo er kann. Prokschs Fazit: Vaeter mit gemeinsamem Sorgerecht zahlen die Alimente puenktlicher, halten die Besuchszeiten korrekter ein und verhalten sich ganz allgemein kooperativer.

Volkswirtschaftlicher Unsinn

Diese Erkenntnisse kontrastieren mit der behoerdlichen Haltung in der Schweiz: Kurz vor Inkrafttreten des neuen Scheidungsrechts warnte das Bundesamt fuer Justiz die Gerichte davor, die gemeinsame Sorge allzu haeufig auszusprechen. Dabei waere diese auch volkswirtschaftlich sinnvoll: Jede zweite Scheidung, die das Sorgerecht nur einem Elternteil zuspricht, findet heute eine Fortsetzung beim Sozialamt.

"Der Staat regelt Dinge, die er gar nicht regeln muesste", sagt Roman Keller. Der ehemalige Bilderbuchvater musste sich damit abfinden, seinen Kindern Nicolas, Kevin und Laura nicht mehr das Fruehstueck machen zu duerfen. Heute waere er schon gluecklich, die Tochter duerfte spontan mal am Mittwochnachmittag ihre Aufgaben bei ihm erledigen. Dass in der Schweiz per Gesetz alte Rollenbilder zementiert werden, bringt Keller in Rage: "Wenigstens der Staat sollte einen kuehlen Kopf behalten, wenn es schon die Vaeter und Muetter nicht koennen."

* Name auch zum Schutz der Persoenlichkeitsrechte der Kinder geaendert.

Reto Indermuehle *, 36: Fand in der Tasche seiner Frau ein ausgetuefteltes Drehbuch, wie sie sich den Ablauf der Scheidung vorstellte.

Michael Andres *, 42: Die Richterin befand, man koenne der Mutter eines fuenfjaehrigen Kindes nicht zumuten, berufstaetig zu sein.

Vaeter-Demonstration am letzten Samstag in Luzern: Der Kampf ums Kind nimmt groteske Zuege an.

Roman Keller *, 40: "Ich bin vom Alltag meiner Liebsten ausgeschlossen. Ich bin nur der nette Onkel."

Peter Schiffer *, 42: "Ich opferte mich fuer die Familie und die Kinder, und ich meinte, es komme gut."

Studie

Der geschiedene Vater

justizpraxis

"Die Richter muessen umlernen"

Diskriminierte Maenner, durchtriebene Frauen: Der deutsche Soziologe Gerhard Amendt ueber ganz normale Scheidungskriege.

Facts: Herr Amendt, welche Schaeden tragen Maenner aus einem Scheidungskrieg davon?

Gerhard Amendt: Viele Maenner stuerzen nach einer Scheidung in die Lebenskrise schlechthin. 70 Prozent der Befragten fuehlten sich koerperlich und psychisch beeintraechtigt, die Haelfte nahm gar professionelle Hilfe in Anspruch. Wir diagnostizieren eingeschraenkte Arbeitsfaehigkeit, Isolation, Depressivitaet, ja sogar eine hoehere Suizidalitaet.

Facts: Ihre 3600 Probanden stammen aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Haben Schweizer Vaeter andere Probleme als ihre Nachbarn?

Amendt: Nein. Vaeter leiden in allen Laendern am selben Problem: Ihre Vaeterlichkeit ist nicht gesichert. Sie muessen dafuer kaempfen, auch nach einer Scheidung von der Gattin fuer ihre Kinder Vater bleiben zu duerfen.

Facts: In der Schweiz wird das gemeinsame Sorgerecht nur auf Wunsch beider Elternteile ausgesprochen. Die Frau bekommt damit faktisch ein Veto. Welches Weltbild steckt hinter einer solchen Rechtsgrundlage?

Amendt: Ein Weltbild, das von einem konventionellen und altmodischen Bild der Weiblichkeit und Maennlichkeit ausgeht und mit einer klaren Rollenteilung rechnet: Papa arbeitet, Mama ist zu Hause. Und die Kinder sind bei Mutter am besten aufgehoben. Dieses Weltbild ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt, es beherrscht Behoerden und Gerichte.

Facts: Die Maenner werden also diskriminiert?

Amendt: Eindeutig. Die Maenner sind diskriminiert. Es handelt sich um eine Rechtspraxis, die den Vaetern nach der Scheidung einseitig die Kosten aufbuerdet. In Deutschland musste hart und lange dafuer gekaempft werden, bis sich die wissenschaftliche Erkenntnis, dass beide Elternteile fuer das Kind gleichermassen wichtig sind, politisch durchgesetzt hat: Das gemeinsame Sorgerecht wurde zur Regel erklaert. In der Schweiz ist man offenbar noch nicht so weit.

Facts: Frueher wurden die alleinerziehenden Muetter bedauert, dann hat die Wissenschaft die traumatisierten Kinder entdeckt. Nun widmet sie sich dem Scheidungsopfer Mann: Muessen einem die Maenner tatsaechlich Leid tun?

Amendt: Es geht nicht um Opfer und Taeter, sondern um einen gesellschaftspolitischen Wandel in der Scheidungspraxis. Mitleid hilft keinem weiter.

Facts:Welche Maenner kommen bei einer Scheidung am besten weg?

Amendt: Unsere Untersuchung zeigt, dass gebildete Maenner mit hohem Einkommen grosszuegigere Besuchsregelungen erhalten als solche mit niedrigem Bildungsniveau und kleinem Lohn. Die Frauen verhandeln sehr oft den Kontakt zu den Kindern uebers Geld.

Facts: Also duerfen nur die Maenner mit dicker Lohntuete Vaeter bleiben?

Amendt: Es stellt sich tatsaechlich die Frage, ob Maenner dem Ruf nach "neuer Vaeterlichkeit" nur nachkommen duerfen, wenn sie die Erwartungen ihrer Ex -Partnerin nach finanzieller Absicherung erfuellen.

Facts: Was muesste politisch und juristisch geschehen, um das Kind vor diesem Tauschhandel zu schuetzen?

Amendt: Politisch muesste man eine Pflichtberatung fuer Scheidungswillige durchsetzen. Denn die meisten Paare sind sich nicht bewusst, dass jede Scheidung mit einem sozialen Abstieg verbunden ist. Wenn das Geld knapp wird, beginnt der Streit, und dann setzt jene Dynamik ein, die oft in der Verweigerung des Besuchsrechts gipfelt. Juristisch muesste man dem Elternteil, der dem Ex-Partner den Kontakt zum gemeinsamen Kind verweigert, klar signalisieren, dass er damit das Sorgerecht fuer das Kind aufs Spiel setzt. Auch Richterinnen und Richter muessen wie alle andern noch kraeftig umlernen, wenn die Belastung der Kinder durch Scheidungen halbwegs ertraeglich gemacht werden soll.

Interview: Nicole Althaus

Gerhard Amendt, 65, ist Direktor des Institutes fuer Geschlechterforschung der Uni Bremen. Sein Buch "Scheidungsvaeter" ist im IGG-Verlag erschienen (www.vaeterstudie.de).

Amendt: "Frauen verhandeln sehr oft uebers Geld."

justizpraxis

"Die Richter muessen umlernen"

Diskriminierte Maenner, durchtriebene Frauen: Der deutsche Soziologe Gerhard Amendt ueber ganz normale Scheidungskriege.

Facts: Herr Amendt, welche Schaeden tragen Maenner aus einem Scheidungskrieg davon?

Gerhard Amendt: Viele Maenner stuerzen nach einer Scheidung in die Lebenskrise schlechthin. 70 Prozent der Befragten fuehlten sich koerperlich und psychisch beeintraechtigt, die Haelfte nahm gar professionelle Hilfe in Anspruch. Wir diagnostizieren eingeschraenkte Arbeitsfaehigkeit, Isolation, Depressivitaet, ja sogar eine hoehere Suizidalitaet.

Facts: Ihre 3600 Probanden stammen aus Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Haben Schweizer Vaeter andere Probleme als ihre Nachbarn?

Amendt: Nein. Vaeter leiden in allen Laendern am selben Problem: Ihre Vaeterlichkeit ist nicht gesichert. Sie muessen dafuer kaempfen, auch nach einer Scheidung von der Gattin fuer ihre Kinder Vater bleiben zu duerfen.

Facts: In der Schweiz wird das gemeinsame Sorgerecht nur auf Wunsch beider Elternteile ausgesprochen. Die Frau bekommt damit faktisch ein Veto. Welches Weltbild steckt hinter einer solchen Rechtsgrundlage?

Amendt: Ein Weltbild, das von einem konventionellen und altmodischen Bild der Weiblichkeit und Maennlichkeit ausgeht und mit einer klaren Rollenteilung rechnet: Papa arbeitet, Mama ist zu Hause. Und die Kinder sind bei Mutter am besten aufgehoben. Dieses Weltbild ist in unserer Gesellschaft tief verwurzelt, es beherrscht Behoerden und Gerichte.

Facts: Die Maenner werden also diskriminiert?

Amendt: Eindeutig. Die Maenner sind diskriminiert. Es handelt sich um eine Rechtspraxis, die den Vaetern nach der Scheidung einseitig die Kosten aufbuerdet. In Deutschland musste hart und lange dafuer gekaempft werden, bis sich die wissenschaftliche Erkenntnis, dass beide Elternteile fuer das Kind gleichermassen wichtig sind, politisch durchgesetzt hat: Das gemeinsame Sorgerecht wurde zur Regel erklaert. In der Schweiz ist man offenbar noch nicht so weit.

Facts: Frueher wurden die alleinerziehenden Muetter bedauert, dann hat die Wissenschaft die traumatisierten Kinder entdeckt. Nun widmet sie sich dem Scheidungsopfer Mann: Muessen einem die Maenner tatsaechlich Leid tun?

Amendt: Es geht nicht um Opfer und Taeter, sondern um einen gesellschaftspolitischen Wandel in der Scheidungspraxis. Mitleid hilft keinem weiter.

Facts:Welche Maenner kommen bei einer Scheidung am besten weg?

Amendt: Unsere Untersuchung zeigt, dass gebildete Maenner mit hohem Einkommen grosszuegigere Besuchsregelungen erhalten als solche mit niedrigem Bildungsniveau und kleinem Lohn. Die Frauen verhandeln sehr oft den Kontakt zu den Kindern uebers Geld.

Facts: Also duerfen nur die Maenner mit dicker Lohntuete Vaeter bleiben?

Amendt: Es stellt sich tatsaechlich die Frage, ob Maenner dem Ruf nach "neuer Vaeterlichkeit" nur nachkommen duerfen, wenn sie die Erwartungen ihrer Ex -Partnerin nach finanzieller Absicherung erfuellen.

Facts: Was muesste politisch und juristisch geschehen, um das Kind vor diesem Tauschhandel zu schuetzen?

Amendt: Politisch muesste man eine Pflichtberatung fuer Scheidungswillige durchsetzen. Denn die meisten Paare sind sich nicht bewusst, dass jede Scheidung mit einem sozialen Abstieg verbunden ist. Wenn das Geld knapp wird, beginnt der Streit, und dann setzt jene Dynamik ein, die oft in der Verweigerung des Besuchsrechts gipfelt. Juristisch muesste man dem Elternteil, der dem Ex-Partner den Kontakt zum gemeinsamen Kind verweigert, klar signalisieren, dass er damit das Sorgerecht fuer das Kind aufs Spiel setzt. Auch Richterinnen und Richter muessen wie alle andern noch kraeftig umlernen, wenn die Belastung der Kinder durch Scheidungen halbwegs ertraeglich gemacht werden soll.

Interview: Nicole Althaus

Gerhard Amendt, 65, ist Direktor des Institutes fuer Geschlechterforschung der Uni Bremen. Sein Buch "Scheidungsvaeter" ist im IGG-Verlag erschienen (www.vaeterstudie.de).



[editiert: 05.05.07, 04:33 von Admin]

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