SPANDAU Am vergangenen Donnerstag fand die Polizei einen Spandauer Jugendamts-Mitarbeiter tot in seiner Wohnung in Berlin-Mitte. Gegen ihn ermitteln die Staatsanwaltschaft und das Bezirksamt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit.
Über die Todesursache konnte die Polizei bislang keine Angaben machen. Es gebe aber keine Anhaltspunkte auf Fremdeinwirkung, erklärte ein Polizeisprecher. Vielmehr sei davon auszugehen, daß der Mann einen Herz-Kreislauf-Tod erlitten habe. Der Tote sei übergewichtig gewesen und habe mehrere weitere Risikofaktoren aufgewiesen. Um einen Selbstmord habe es sich offenbar nicht gehandelt. Die Leiche des 55jährigen, die schon etwa eine Woche in der Wohnung lag, werde aber in "nächster Zeit obduziert", so die Polizei.
Der Mitarbeiter des Jugendamtes war jahrelang für die Vermittlung von Heimplätzen für Spandauer Kinder an Einrichtungen in Westdeutschland zuständig. In diesem Zusammenhang warf ihm das Fernsehmagazin "ARD-exclusiv" im Januar 1994 vor, vom Leiter des Kieler "Kinderhauses" Geld genommen zu haben. Dafür habe er Kinder aus Problemfamilien bevorzugt in dem privaten schleswig-holsteinischen Heim untergebracht - das dafür täglich 200 Mark pro Kind einstrich.
Beide Beschuldigten haben gegenüber der Staatsanwaltschaft bestätigt, daß der Heimleiter "geldwerte Zuwendungen" an den nun verstorbenen Bezirksamts-Mitarbeiter geleistet habe. Dabei soll es sich um Einladungen zu Segeltörns, Spesen für Hotels und Geschenke gehandelt haben. Justizpressesprecher Rüdiger Reiff sagte: "Beide bestritten aber, daß der Heimleiter dafür bevorteilt wurde." Das Ermittlungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Inzwischen erhärtet weiteres Beweismaterial den Vorwurf, so Reiff.
Neben der Staatsanwaltschaft ermittelte auch das Bezirksamt gegen den eigenen Mitarbeiter parallel weiter. "Die Ermittlungsführung im Bezirksamt hat die staatsanwaltlichen Akten angefordert. Sie sind in der vorigen Woche eingetroffen", sagte Spandaus Bezirksamtsdirektor Heinz Schwarz. Ein abschließender Vermerk werde dazu noch in der Abteilung Jugend und Sport angefertigt.
Der Mitarbeiter war im Jugendamt versetzt worden und zuletzt im sozialpädagogischen Dienst tätig. Er galt als Außenseiter. Nachdem der Verdacht aufgekommen war, seien Kollegen von ihm abgerückt, wird berichtet. +++
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