Frankfurter Rundschau
05. Februar 2007
Warschau: Deutschland diskriminiert Polen ;
Premier Kaczynski und Außenministerin Fotyga werfen Behörden Assimilierungspolitik vor
Frankfurt A. M. · Kaczynski warf Deutschland in einem Interview mit der rechtsgerichteten Zeitschrift Dziennik indirekt vor, Ansprüche auf die ehemals deutschen Gebiete in Polen zu erheben und seine historische Rolle als Täternation abschütteln zu wollen. Auch würden polnische Einwanderer in Deutschland unterdrückt.
Kaczynski formulierte seine Anschuldigungen als Gegenfragen, sagte etwa auf die Frage nach den schlechten deutsch-polnischen Beziehungen seiner Regierung: "Ist es Polen, das nicht das Eigentumsrecht auf einem Drittel des deutschen Staatsgebietes akzeptieren will ? Will Polen die Geschichte umschreiben, um einen Teil der Verantwortung von den Tätern auf die Opfer abzuwälzen ?" Kaczynski kritisierte auch den Umgang mit polnischen Einwanderern in Deutschland: "Ist es denn die deutsche Minderheit in Polen, die derart strengen Beschränkungen unterworfen ist, dass Eltern mit ihren Kindern nicht in ihrer Sprache sprechen dürfen?"
Angeblich Sprachverbot für Kinder
Damit bezog der Premier sich offenbar auf Kritik von Außenministerin Anna in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Sie hatte monierte, es werde Kindern aus geschiedenen deutsch-polnischen Ehen verboten, mit dem polnischen Elternteil polnisch zu reden. Einen solchen Einzelfall hatten nationalistische polnische Massenblätter vor zwei Jahren groß publiziert: Ein Hamburger Jugendamt hatte einem Vater Umgangsrecht mit seinem Kind nur in Begleitung gestattet, weil die Mutter ihm Gewalttätigkeit vorwarf. Er sollte deutsch mit dem Kind reden, damit die Begleitperson vom Sozialamt die beiden verstehen könne.
Fotyga sagte, solche Regelungen seien ein Beispiel für eine "Assimilierungspolitik der deutschen Behörden". Nirgends sei die Lage der Diaspora "so schwierig wie in Deutschland". Sie forderte zudem mehr polnischen Unterricht an deutschen Schulen. Schon am Mittwoch hatte Fotyga von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei dessen Besuch in Warschau verlangt, Deutschland müsse den im Land lebenden Polen mehr Rechte zugestehen. Eine von Fotyga verlange "bilaterale Erklärung", in der beide Regierungen die Klagen der Vertriebenenorganisation Preußische Treuhand zurückweisen sollten, kam nicht zu Stande. V. Schmidt