«Endlich zu Hause»
Aminas Familie feierte - Erfolgreiche Beschwerde
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Die achtköpfige Erlanger Familie feierte erst einmal ausgelassen, als sie über ihren Schwabacher Anwalt Johannes Hildebrandt von der Entscheidung des Nürnberger Oberlandesgerichts (OLG) erfuhr. Er vertritt die älteste Tochter Amina in dem Verfahren, das die Nerven der Familie seit Monaten bis zum Zerreißen strapaziert. «Wir sind sehr erleichtert», sagte die Mutter auf Anfrage gestern Abend, «Amina hat gesagt: Jetzt bin ich endlich wieder richtig zu Hause.»
Seit drei Monaten war die Jugendliche von ihrer Familie getrennt, weil das Erlanger Jugendamt ihr Wohl gefährdet sah und vom Amtsgericht Recht bekommen hatte.
Das OLG hob den Entzug des Sorgerechts, den das Jugendamt durchgesetzt hatte, gestern Abend auf. Es gebe derzeit keine ausreichenden Gründe mehr, «die ein dringendes Einschreiten» rechtfertigen könnten. Damit erreichte Amina mit ihrer Beschwerde einen überraschenden Erfolg. Sie war im Februar mit einem Großaufgebot der Polizei aus der Wohnung geholt worden, landete zur Begutachtung in der Nürnberger Psychiatrie und wurde dann vom Jugendamt bei einer Pflegefamilie untergebracht. Von dort war sie an ihrem 16. Geburtstag geflohen.
Das Erlanger Familiengericht muss, so heißt es in dem OLG-Beschluss von gestern, nun «die aktuellen Verhältnisse im Rahmen des noch laufenden Hauptsacheverfahrens beachten» und kann gegebenenfalls auch erneut «vorläufige Regelungen» treffen. Das Nürnberger Gericht begründet seine Entscheidung mit einem «umfassenden Bericht» der evangelischen Jugendhilfe in Würzburg. Die dortigen Experten hatten Amina während der Zeit bei der Pflegefamilie betreut. Auf diesen Bericht stützte sich auch der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) der Stadt Erlangen in einer Stellungnahme, die dem Gericht vorlag.
Massive Eingriffe
Darin wird mitgeteilt, «dass die Beobachtungen und Wahrnehmungen von Amina im Alltag keine akuten Gefährdungshinweise erbracht haben, die ein erneutes Einschreiten des Jugendamtes notwendig erscheinen lassen». Der massive Eingriff in die Familie lässt sich «alleine auf die während eines nur kurzen Beobachtungszeitraums gewonnenen Erkenntnisse» des Sachverständigen am Nürnberger Klinikum heute nicht mehr stützen, heißt es in dem OLG-Beschluss.
Der Mediziner hatte bei dem Kind eine psychische Erkrankung diagnostiziert. Amina verwahrte sich mit ihrer Beschwerde dagegen, mit diesem Befund («emotionale Störung des Kindes- und Jugendalters, verbunden mit einer massiven Schulphobie und einer starken Selbstwertproblematik») stigmatisiert zu werden.
Ausgangspunkt des seit Jahren dauernden Streits mit den Behörden waren Schwierigkeiten Aminas im Gymnasium. Die Eltern hatten sie dann von der Schule genommen und selbst unterrichtet. Die von Amts wegen bestellte Verfahrenspflegerin Aminas hatte sich gegenüber dem OLG noch vergeblich darum bemüht, den Sorgerechtsentzug aufrecht zu erhalten. Die Eltern waren (wie berichtet) mit ihrer eigenen Beschwerde im März vor dem OLG noch gescheitert. Damals, so die Richter jetzt, hätten auch noch keine Anhaltspunkte vorgelegen, die eine Abänderung der Beschlüsse des Erlanger Familiengerichts hätten rechtfertigen können. Diese Entscheidung habe aber nun «unter Berücksichtigung des Kindeswohles» den aktuellen Verhältnissen angepasst werden müssen. Das Hauptsacheverfahren habe endgültig zu klären, ob Hilfen erforderlich sind, um die Erziehung Aminas zur Mündigkeit und zur Gemeinschaftsfähigkeit zu gewährleisten.
Michael Kasperowitsch
17.5.2007
http://www.nn-online.de/artikel.asp?art=646896&kat=10