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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

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Autor Beitrag
Gast
New PostErstellt: 16.03.07, 08:52     Betreff: Jugendamt Osnabrück: Fall Kutzner vor dem EGMR Antwort mit Zitat  

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Urteil der Großen Kammer

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte
Pressemitteilung des Kanzlers
Nichtamtliche Übersetzung

26/02/02 RECHTSSACHE KUTZNER GEGEN DEUTSCHLAND

099d
26.2.2002

Mit einem am 26. Februar 2002 in Straßburg verkündeten Urteili hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte einstimmig entschieden, dass in der Rechtssache Kutzner gegen Deutschland (Nr. 46544/99) ein Verstoß gegen Artikel 8 (Recht auf Achtung des Familienlebens) der Europäischen Menschenrechtsrechtskonvention vorliegt.

Nach Artikel 41 (gerechte Entschädigung) der Konvention hat der Gerichtshof den Beschwerdeführern eine Entschädigung von 15000 Euro für den erlittenen immateriellen Schaden und von 8000 Euro (abzüglich 350,63 Euro) für die ihnen entstandenen Kosten und Auslagen zugesprochen. (Das Urteil liegt nur auf Französisch vor.)

1. Sachverhalt

Die Beschwerdeführer, Ingo und Annette Kutzner, sind deutsche Staatsangehörige, geboren 1966 bzw. 1968 und wohnhaft in Badbergen (Deutschland). Sie sind verheiratet und Eltern von zwei Töchtern, nämlich Corinna, geboren am 11. September 1991, und Nicola, geboren am 27. Februar 1993.

Die Beschwerdeführer und ihre beiden Kinder lebten seit der Geburt der Kinder zusammen mit den Eltern von Herrn Kutzner und einem nicht verheirateten Bruder in einem alten Bauernhaus. Die Beschwerdeführer hatten eine Sonderschule für Lernbehinderte besucht. Aufgrund eines Rückstands in ihrer physischen und vor allem intellektuellen Entwicklung wurden die beiden Kinder mehrfach ärztlich untersucht; auf den Rat eines der Ärzte hin wurden die beiden Mädchen auf Initiative der Beschwerdeführer bereits in frühester Kindheit pädagogisch unterstützt und gefördert.

Mit Urteil vom 27. Mai 1997 hat das Vormundschaftsgericht Bersenbrück den Beschwerdeführern die elterliche Sorge über ihre beiden Töchter entzogen und deren Unterbringung in Pflegefamilien angeordnet, insbesondere weil die Beschwerdeführer nicht die erforderlichen intellektuellen Fähigkeiten hätten, um ihre Kinder zu erziehen. Das Vormundschaftsgericht machte auch die erheblichen körperlichen und seelischen Entwicklungsverzögerungen der Kinder sowie die mangelnde Zusammenarbeit der Beschwerdeführer mit den Sozialdiensten geltend.

Mit Urteil vom 29. Januar 1998 bestätigte das Landgericht Osnabrück die Entscheidung des Vormundschaftsgerichts, die Unterbringung der Kinder in Pflegefamilien anzuordnen. Das Landgericht stützte sich dabei auf zwei Sachverständigengutachten; im ersten dieser Gutachen wurde der Akzent auf das intellektuelle Defizit der Eltern gelegt, während das zweite auf ihre emotionalen Defizite abstellte.

Die Kinder wurden in getrennten Familien in Inkognitopflege untergebracht, und den Beschwerdeführern wurde nur ein beschränktes Besuchsrecht gewährt. So konnten die Beschwerdeführer ihre Kinder in den ersten sechs Monaten überhaupt nicht sehen, anschließend wurde ihnen das Recht auf einen Besuch von einer Stunde pro Monat in Anwesenheit Dritter eingeräumt; später wurde das Besuchsrecht auf zwei Stunden monatlich ausgedehnt.

2. Verfahren und Zusammensetzung des Gerichtshofs

Die Beschwerde wurde am 5. Juli 1998 bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte eingereicht und am 1. November 1998 an den Gerichtshof weitergeleitet. Sie wurde am 10. Juli 2001 für zulässig befunden.

Das Urteil wurde von einer Kammer verkündet, die sich aus folgenden sieben Richtern zusammensetzte:

Antonio Pastor Ridruejo (Spanien), Präsident,
Georg Ress (Deutschland),
Lucius Caflisch (Schweiz),
Jerzy Makarczyk (Polen),
Ireneu Cabral Barreto (Portugal),
Nina Vajić (Kroatien),
Matti Pellonpää (Finnland), Richter

und Vincent Berger, Sektionskanzler.

3. Zusammenfassung des Urteils

Beschwerdepunkte

Die Beschwerdeführer machten geltend, dass durch den Entzug der elterlichen Sorge über ihre Töchter und durch deren Unterbringung in Pflegefamilien das in Artikel 8 verankerte Recht auf Achtung des Familienlebens verletzt worden sei.

Entscheidung des Gerichtshofs

Artikel 8

Der Gerichtshof gesteht zu, dass die Behörden zu Recht Befürchtungen wegen der bei den Kindern von den verschiedenen Sozialdiensten und den psychologischen Sachverständigen festgestellten Entwicklungsverzögerungen hegten; er ist allerdings der Auffassung, dass die Unterbringungsmaßnahme als solche und vor allem deren Durchführung nicht angemessen gewesen sind.

Die Kinder haben nämlich offensichtlich seit ihrer frühesten Kindheit, im Übrigen auf Bitte der Beschwerdeführer hin, pädagogische Fördermaßnahmen erfahren, und die Situation scheint sich insbesondere wegen des konfliktgeladenen Verhältnisses zwischen den Beschwerdeführern und einer Sozialarbeiterin, die dem Jugendamt Osnabrück einen sehr negativen Bericht erstattet hat, verschlimmert zu haben.

Außerdem widersprachen sich die in verschiedenen Stadien des Verfahrens von den innerstaatlichen Gerichten eingeholten psychologischen Sachverständigengutachten, wenn nicht in ihren Schlussfolgerungen, so doch zumindest in den angeführten Gründen (nach dem einen Gutachten: mangelnde intellektuelle Fähigkeit der Eltern; nach dem anderen: emotionales Defizit, das zur Unfähigkeit führt, zur Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder beizutragen). Ferner befürworteten andere psychologische Sachverständige, die vom Deutschen Kinderschutzbund oder der Aktion Rechte für Kinder e.V. bestellt worden waren, sowie die Ärzte der Familie die Rückkehr der Kinder in ihre Herkunftsfamilie. Diese Sachverständigen stellten insbesondere heraus, dass das Wohl der Kinder nicht gefährdet sei und die Beschwerdeführer durchaus in der Lage seien, ihre Kinder sowohl in emotionaler als auch intellektueller Hinsicht zu erziehen, und sprachen sich für ergänzende pädagogische Fördermaßnahmen für die Kinder aus. Die fraglichen Schlussfolgerungen können nicht einfach außer Acht gelassen werden, weil sich diese Sachverständigen privat geäußert haben. Außerdem ist zu keinem Zeitpunkt vorgebracht worden, dass es den Kindern an Pflege seitens der Beschwerdeführer gefehlt habe oder sie von ihnen misshandelt worden seien. Selbst wenn sich folglich die zu Beginn ergriffenen pädagogischen Fördermaßnahmen anschließend als unzureichend erwiesen haben, erhebt sich unter Umständen die Frage, ob die nationalen Behörden und Gerichte die Ergreifung ergänzender und alternativer Fördermaßnahmen zu der bei weitem radikalsten Maßnahme der Trennung der Kinder von ihren Eltern hinlänglich genug erwogen haben.

Der Gerichtshof macht anschließend darauf aufmerksam, dass eine Entscheidung zur Übernahme der Betreuung eines Kindes grundsätzlich als eine vorübergehende Maßnahme anzusehen ist, die aufzuheben ist, sobald die Umstände dies erlauben, und dass jede Durchführungshandlung ein letztes Ziel anstreben muss, nämlich die leiblichen Eltern und das Kind erneut zu vereinen. Die positive Verpflichtung, Maßnahmen zu ergreifen, um die Zusammenführung der Familie zu erleichtern, sobald dies wirklich möglich ist, besteht für die zuständigen Behörden schon zu Beginn des Zeitraums der Betreuungsübernahme und gewinnt immer mehr an Gewicht, muss jedoch stets gegenüber der Verpflichtung, das Wohl des Kindes zu berücksichtigen, abgewogen werden.

Im vorliegenden Fall sind nun aber nicht nur die Kinder aus ihrer Herkunftsfamilie herausgenommen worden, sondern auch in getrennten Familien in Inkognitopflege untergebracht worden, wobei jeglicher Kontakt zu ihren Eltern im ersten halben Jahr unterbrochen worden war. Die Kinder selbst sind im Übrigen nie von den Richtern angehört worden.

Aus den Verfahrensunterlagen geht überdies hervor, dass den Beschwerdeführern erst nach einer von ihnen eingereichten gerichtlichen Klage ein Besuchsrecht gewährt wurde und dass dieses Recht in der Praxis systematisch durch das Jugendamt Osnabrück behindert wurde, sich zunächst auf eine Stunde pro Monat beschränkte und in Anwesenheit von acht nicht zur Familie gehörenden Personen stattfand, bevor es durch Entscheidung des Vormundschaftsgerichts Osnabrück vom 9. Oktober 2000 auf zwei Stunden pro Monat ausgeweitet wurde, wobei den Großeltern gestattet wurde, ein Mal alle zwei Monate daran teilzunehmen.

Angesichts des sehr jungen Alters der Kinder mussten solche Kontaktunterbrechungen, dann solche Einschränkungen des Umgangsrechts nach Meinung des Gerichtshofs zwangsläufig zu einer wachsenden Entfremdung der Kinder in Bezug auf ihre Eltern, aber auch der Kinder untereinander führen. Ebenso kann die diesbezügliche Streitigkeit nicht als erledigt angesehen werden, denn die Beschwerdeführer haben stets nicht nur die Unterbringung ihrer Kinder in Pflegefamilien, sondern auch die Einschränkungen ihres Umgangsrechts beanstandet, und es kann ihnen wirklich nicht zum Vorwurf gemacht werden, von den von den innerstaatlichen Gerichten vorgeschlagenen Modalitäten Gebrauch gemacht zu haben, um ihre Kinder zumindest sehen zu können.

Angesichts all dieser Aspekte ist der Gerichtshof der Auffassung, dass die von den nationalen Behörden und Gerichten geltend gemachten Gründe zwar stichhaltig waren, jedoch nicht ausreichten, um diesen schweren Eingriff in das Familienleben der Beschwerdeführer zu rechtfertigen. Trotz des Ermessensspielraums der nationalen Behörden stand der Eingriff folglich im Hinblick auf die verfolgten legitimen Ziele außer Verhältnis. Artikel 8 der Konvention ist daher verletzt worden.

Die Urteile des Gerichtshofs sind auf dessen Website (http://www.echr.coe.int) zu finden.

***

Kanzler des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte
F - 67075 Strasbourg Cedex
Kontakt: Roderick Liddell (Telefon : +33 (0)3 88 41 24 92)
oder Emma Hellyer (Telefon: +33 (0)3 90 21 42 15)
Fax : +33 (0)3 88 41 27 91

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte wurde 1959 in Straßburg gegründet, um über Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention von 1950 zu urteilen. Am 1. November 1998 wurde er zu einer ständigen Einrichtung. Er trat an die Stelle der zwei ursprünglichen Organe, der Kommission und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die die Fälle nacheinander untersuchten.



[editiert: 03.05.07, 21:30 von Admin]

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