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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden
"Spurensuche
nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung "Systemkritik: Deutsche
Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/
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Erstellt: 18.01.09, 15:55 Betreff: Deutsche Mütter und Frauen
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SZEPANSKY, Gerda (1989): Deutsche Mütter und Frauen, in: COGOY, Renate; KLUGE, Irene; MECKLER, Brigitte (Hrsg.)(1989): Erinnerung einer Profession. Erziehungsberatung, Jugendhilfe und Nationalsozialismus, Münster: Votum Verlag, S. 59-66.
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Gerda Szepansky Deutsche Mütter und Frauen
Seit über einem Jahrzehnt beschäftige ich mich mit dem Thema Frauen im Nationalsozialismus. Da ich meine Jugend unter diesem Regime erlebte und 1947 einen ehemals Verfolgten heiratete, habe ich einen engen Bezug zur NS-Zeit. Daß in den Nachkriegsjahren die Auseinandersetzung mit der unheilvollen Vergangenheit in Ansätzen stecken blieb und sie dann in den 50er und 60er Jahren sogar total verdrängt wurde empfand ich als schmerzliche Tatsache und unheilvolles Manko. Ende der 70er begann ich, Widerstandskämpferinnen gegen die Nazidiktatur zu interviewen und ihre Lebensgeschichten aufzuschreiben, in den 80er Jahren wandte ich mich den Erlebnissen von Frauen im Zweiten Weltkrieg zu. Ich führte viele Gespräche, in denen Erinnerungen heraufbeschworen und Erfahrungen vermittelt wurden. Meine Recherchen führten mich weiter zum Studium von Zeitdokumenten und historischen Darstellungen der NS-Frauenpolitik und des Frauenlebens in dieser Zeit. Das Ergebnis meiner Arbeit sind zwei Bücher ("Frauen leisten Widerstand: 1933-1945", Frankfurt 1983 und "Blitzmädel", "Heldenmutter", "Kriegerwitwe", Frankfurt 1986) und zwei ihnen entsprechende Dokumentationsausstellungen, mit denen ich in Berlin-West und in Bundesgebiet von 1983-89 über 70 Stationen bereiste. Mein Anliegen wird durch drei Aspekte bestimmt. Erstens geht es mir um Erforschung und Darstellung der Alltagsgeschichte von Frauen, deren Anteil an den gesellschaftlichen Bewegungen in der offiziellen Geschichtsschreibung kaum berücksichtigt wird. Seit Ende der 60er Jahre hat sich erfreulicherweise ein neues, alternatives Geschichtsverständnis entwickelt. Geschichtswerkstätten, Projekte, Stadtteilinitiativen Schularbeitsgemeinschaften, Frauengruppen beschäftigen sich mit der Geschichte voi unten, den Auswirkungen der "hohen Politik" auf das Alltagsleben, mit Kiezgeschiche und erzählter Geschichte. Begriffe wie oral history, neue Wörter wie "Zeitzeugin" und "Zeitzeuge" haben Bedeutung gewonnen. Ich empfinde es so, daß alle individuellen Lebens-, Leidens- und Kampferfahrungen zusammen in den großen Strom eines gemeinsamen Gedächtnisses fließen. Aus ihrer Konkretheit, aus der Anschaulichkeit ihrer vielen Details erwächst auf dem Hintergrund der historischen Fakten das allgemeine Bild der Zeit. In dieser Art von Geschichtsschreibung wird auch Frauengeschichte mehr und mehr ihren Platz finden und behaupten. Zweitens will ich ein kritische Auseinandersetzung mit dem Zeitabschnitt von 1933 bis 1945 herbeiführen die viel zu lange versäumte Aufarbeitung der Nazi Vergangenheit fördern. Ich denke daß unwiderlegbares Wissen und emotionelle Betroffenheit ein heilsames Mittel gegen das Gift des Neonazismus sein können. Dafür anfällige Jugendliche können auf diese Weise Erkenntnisse gewinnen, die Kopf und Herz erfassen. Der letzte, doch sehr wichtige Aspekt hängt mit dem alles durchdringenden Themenkomplex Krieg und Frieden zusammen. Die Hoffnung vieler Menschen, daß nach dem Ende des zweite Weltkrieges eine neue, friedlich" Zeit, geprägt vom Verständigungswillen zwischen
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den Völkern, beginnen würde, erwies sich als trügerisch. Auch die als Ausdruck einer neuen Etappe der Völkerbeziehungen angesehende Gründung der Vereinten Nationen enttäuschte in der Folgezeit. Wie selten konnten wir nach 1945 die Abwesenheit von Krieg auf unserem Erdball konstatieren! Wie sah nun das Frauenbild und die daraus resultierende Frauenpolitik der Nazipartei aus? "Halten wir uns die Tatsache vor Augen, daß in der ganzen Weltgeschichte Staat, soziale Architektonik, überhaupt jeder dauernde Zusammenschluß die Folge männlichen Willens und männlicher Zeugungskraft gewesen sind, so ist klar, daß ein grundsätzlich zugestandener Einfluß der Frau den Beginn des offenkundigen Verfalls darstellen muß." Dieser Ausspruch des Chefideologen der NSDAP, Alfred Rosenberg, in seinem "Mythos des 20. Jahrhunderts" belegt, daß Frauen im NS-Staat in keiner Weise gleichberechtigt waren. Aus der Theorie der "Andersartigkeit" der Geschlechter wurde die "UngleichWertigkeit" hergeleitet, die in der Praxis Minderwertigkeit des weiblichen Geschlechts bedeutete. Politik wurde als der Frau "artfremd" dargestellt und ihr somit auch das passive Wahlrecht entzogen. Die Rolle, die die Nazi-Ideologie den Frauen zuwies, war die der aufopferungsvollen Mutter von vielen Kindern, der sparsamen, treusorgenden Hausfrau, der still dienenden Ehefrau. Reichspropagandaminister Goebbels drückte es so aus: "Die Frau hat die Aufgabe, schön zu sein und Kinder zur Welt zu bringen. Das ist gar nicht so roh, wie sich das anhört. Die Vogel-Frau putzt sich für den Mann und brütet für ihn die Eier aus. Dafür sorgt der Mann für die Nahrung. Sonst steht er auf der Wacht und wehrt den Feind ab." (Signale der neuen Zeit, München 1938) Ein wichtiges Beeinflussungsmittel, um die Frauen vom selbständigen politischen Denken fernzuhalten, waren die NS-Organisationen, in denen Frauen ihr Wirkungsfeld finden sollten. Es war vor allem die NS-Frauenschaft, in die nur bereits "bewährte" Frauen aufgenommen wurden. Sie war verantwortlich dafür, daß die Ausrichtung jeglicher Frauenarbeit den Zielsetzungen der Partei entsprach. Dazu die Leiterin der NS-Frauenschaft, Lydia Gottschewski, 1934: "Die neue Frauenbewegung verlangt nur ein einziges Recht, das Recht des Dienen dürfens, die willige, unseren Artgesetzen entprechende Einordnung in die Gemeinschaft des Volkes." Allen Frauen offen stand das 'Deutsche Frauenwerk" mit seinen Arbeitsgebieten wie Vorbereitung auf die Mutterschaft, Säuglingspflege, Erziehungsfragen, Volkswirtschaft-Hauswirtschaft und auch das "Hilfswerk Mutter und Kind", das eng mit der NS-Volkswohlfahrt zusammenarbeitete. 1939 zählten NS-Frauenschaft und Deutsches Frauenwerk zusammen 3,3 Mio. ind 1941 über 6 Mio. Mitglieder. Jede fünfte Frau über 18 Jahre war Mitglied! Einen großen Stellenwert maß die Naziregierung der hausfraulichen Tätigkeit bei. Ihre Spar- und Ersatzmittelwirtschaft, die im Zusammenhang mit der ab 1936 anlaufenden, Devisen verschlingenden Rüstungsproduktion zu sehen ist, konnte nur mit der Bereitwilligkeit der deutschen Hausfrauen durchgesetzt werden, die im Krieg dann die Kartenwirtschaft" mit ihren schmalen Kontingenten bewältigen mußten. Viele fühlten sich durch die ungewohnte öffentliche Anerkennung, wie z. B. die Vergabe des Diploms "Meisterhausfrau", geschmeichelt und hörten es gern, wenn sie als "Sachwalter des Volksvermögens" hochgelobt wurden. Das Ziel der weiblichen Erziehung hat unverrückbar die kommende Mutter zu sein." las hatte Hitler in seinem Buch "Mein Kampf" verkündet, und so war das Frauenbild der Nazi-Führung eigentlich ein Mutterbild. Die streng patriarchalische Famili-
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engesetzgebung beinhaltete terroristische Eingriffe des Staates in die Privatsphäre der Frauen: 1933 Gesetz gegen Abtreibung, 1934 Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, 1935 Gesetz zum Schutze der Erbgesundheit des deutschen Volkes und das Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre (Nürnberger Gesetze) mit dem Verbot der" Mischehen". 1938 wurde das bestehende Ehegesetz dahingehend geändert, daß bei kinderloser Ehe, einer sogenannten Fehlehe, der Mann sich ohne weiteres von der Frau scheiden lassen konnte. Neben einigen sozialen Vergünstigungen für kinderreiche Familien, die aus dem Ertrag der zahlreichen Geld-und Spendensammlungen (Winterhilfswerk, Eintopfsonntag) finanziert wurden, stand vor allem die ideologische Aufwertung, wurde ein regelrechter Mutterkult betrieben. Zum Muttertag im Mai 1939 stiftete der Führer das Mutterkreuz. Mit der Bekanntgabe der "Schaffung eines Ehrenzeichens für die kinderreiche deutsche Mutter" verlieh Reichsärzteführer Dr. Wagner wohl in Hinsicht auf den nahen Kriegsbeginn auch der Mutterschaft einen kriegerischen Aspekt: "Die deutsche kinderreiche Mutter soll den gleichen Ehrenplatz in der deutschen Volksgemeinschaft erhalten wie der Frontsoldat, denn ihr Einsatz von Leib und Leben für Volk und Vaterland ist der gleiche wie der der Frontsoldaten im Donner der Schlachten." Wie diese hehren Phrasen im praktischen Leben umgesetzt wurden, zeigt eine Heiratsanzeige aus den "Münchener Neuesten Nachrichten" vom 25.7.1940. Da heißt es: "52 Jahre alter rein arischer Arzt, Teilnehmer an der Schlacht bei Tannenberg, der auf dem Lande zu siedeln beabsichtigt, wünscht sich männlichen Nachwuchs durch eine standesgemäße Heirat mit einer gesunden Arierin, jungfräulich, jung, bescheiden, sparsame Hausfrau, gewöhnt an schwere Arbeit, breithüftig, flache Absätze, keine Ohrringe, möglichst ohne Eigentum." Der Erfolg aller bevölkerungspolitischen Maßnahmen war hingegen recht bescheiden. Vielmehr setzte sich der Trend zur Kleinfamilie durch. Dem Ideal der Familie mit mindestens vier Kindern entsprachen 1939 nur 21 % aller Ehen, 1933 waren es noch 25% gewesen. Bei alledem gilt es zu bedenken, daß jede Ehrung, jede Hilfeleistung nur die im Sinne der Nazis politisch einwandfreie und rassisch wertvolle Mutter betrafen. Wenn es auf einem Poststempel des "Bundes der Kinderreichen" heißt: "Bei hohem Erbwert ist Kinderreichtum nationale Flicht", so ist das ideologisches Programm. Der 1935 gegründete Verein "Lebensborn" war nichts anderes als eine Zuchtanstalt für nordische Herrenmenschen, wo sich ausgesuchte SS-Männer mit fanatisierten jungen Frauen paarten, die "dem Führer ein Kind schenken" wollten. Um den nach dem Krieg zu erwartenden Geburtenrückgang auszugleichen, sollten rassisch hochwertige SS-Männer berechtigt sein, eine "Doppel- oder Zweitehe" zu führen. Doch auch die massenweise deportierten jüdischen Frauen, die Frauen in den faschistischen Gefängnissen und Konzentrationslagern waren Mütter! Gleichzeitig mit der erstmaligen Verleihung des Mutterkreuzes wurden 867 weibliche politische Häftlinge in das gerade fertiggestellte Frauen-KZ Ravensbrück eingeliefert, in dem bis zur Befreiung im April 1945 132.000 Frauen - und auch Kinder - aus über 20 Nationen die Hölle auf Erden erlebten, 92.000 von ihnen wurden umgebracht, vergast, totgeschlagen, verendeten durch Seuchen, durch medizinische Experimente, verhungerten, erfroren, wie viele Mütter waren unter ihnen? Eine andere Kategorie der nicht genehmen Mütter waren die, deren Kinder aus Beziehungen zu "fremdvölkischen" Männern, Zwangsarbeitern oder Kriegsgefangenen, stammten. So heißt es in einem Lagebericht des SD
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(Sicherheitsdienstes) vom 22.1.42: "Aus allen Teilen des Reiches liegen zahlreiche Meldungen vor, aus denen hervorgeht, daß durch den Millioneneinsatz fremdvölkischer Arbeiter im Reich der Geschlechtsverkehr mit deutschen Frauen ständig zunimmt. Allein die Zahl der von Fremdvölkischen mit deutschen Frauen gezeugten Kinder wird auf mindestens 20.000 geschätzt. So würden die Gefahren der blutlichen Unterwanderung des deutschen Volkes immer größer." Und weiter: "Hier sei festgestellt worden, daß besonders auch auf dem Lande durch die enge Arbeitsgemeinschaft die Gelegenheit zum Verkehr begünstigt wird." In einem mir vorliegenden Brief vom 19.4.1942 schildert eine evakuierte Berlinerin aus dem Dorf Falkenberg den Fall einer Bäuerin, die "sich mit einem Ukrainer eingelassen hatte und im Februar ein Kind geboren" habe und die zu eineinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt wurde. Das kleine Mädchen kam in ein NS-Kinderheim. Entsprechend der Mutterschaftspropaganda und der zugewiesenen Mutterrolle wurde die Berufstätigkeit der Frauen eingeengt. Sofort nach Machtübernahme ging die Naziregierung mit Gesetzen und Verordnungen dazu über, die versprochene Beseitigung der Arbeitslosigkeit - auf Kosten der Frauen - durchzusetzen (Gesetz zur Verminderung der Arbeitslosigkeit vom 1.6.1933). Unter dem Vorwand des "Doppelverdienertums" wurden viele verheiratete Frauen aus den Betrieben, Büros und Verwaltungsstellen entlassen. Vor allem aber wurden Frauen aus den qualifizierten Berufen hinausgedrängt. Das Gesetz gegen die Überfüllung der deutschen Hochschulen vom 25.4.1933 besagte, daß nur noch 10% der Studierenden Frauen sein durften. Von 10.000 Abiturientinnen wurden 1934 nur 1.500 zum Studium zugelassen. Das Gesetz zur Änderung der Vorschriften auf dem Gebiet des allgemeinen Beamten- und Versorgungsrechts vom 30.6.1933 verfügte die Entfernung verheirateter Frauen, die nicht auf eigene Einkünfte angewiesen waren, aus dem öffentlichen Dienst und verbot die Besetzung von Stellen mit Frauen unter 35 Jahren. Mit dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7.4.1933 hatten sich die Nazis ein Instrument zur Entlassung politisch Unliebsamer, auch vieler Frauen, besonders der Lehrerinnen, geschaffen. Keine Frau durfte mehr den Posten einer Schulleiterin bekleiden. 1934/35 wurden verheiratete Ärztinnen zur Berufsaufgabe gezwungen. Auch das Amt der Richterin blieb den Frauen verschlossen. Schon vor 1933 hatte Goebbels im "Angriff" (Tageszeitung der NSDAP) geschrieben: "Kürzlich ist die Assessorin S. Vorsitzende des Schöffengerichts Charlottenburg geworden. Wenn dann vielleicht noch, wie in der ersten Sitzung, ein weiblicher Schöffe vorhanden ist, das Gericht also mit zwei Frauen und einem Mann besetzt ist, so bedeutet das eine Herabwürdigung der Rechtspflege, wie sie kaum ärger gedacht werden kann." Auch mit weniger gewaltsamen Methoden versuchte man, die Frauen an den häuslichen Herd zurückzuschicken. So war die Vergabe des Ehestandsdarlehens an die Aufgabe der Berufstätigkeit der Frau gebunden. Selbstverständlich betraf die Entfernung aus den gehobenen Berufen nur einen geringen Prozentsatz aller verheirateten erwerbstätigen Frauen. Die auf Verdienst angewiesenen weiblichen Arbeitskräfte wurden soweit wie möglich in hauswirtschaftliche, sozialpflegerische und landwirtschaftliche, in "frauliche" Berufe überführt, was durch Verminderung der Sozialabgaben für diese Tätigkeiten erleichtert wurde. Auch die große Zahl der minderqualifizierten, schlecht entlohnten Arbeiterinnen - die Löhne lagen 30-40 % unter denen der Männer - blieb der deutschen Industrie erhalten. Hier hatten deren Interessen den Vorrang.
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Die durch Gesetz verfügten "Dienste", für die Frauen ihre Arbeitskraft nur gegen geringes Entgelt zur Verfügung stellen mußten, betrafen viele, überwiegend junge Mädchen und Frauen unter 25. Schon ab 1934 wurden Mädchen nach Beendigung der Volksschule zum Landjahr herangezogen, um dem Arbeitskräftemangel in der Landwirtschaft abzuhelfen. Das zur gleichen Zeit eingeführte hauswirtschaftliche Jahr wurde 1938 in ein hauswirtschaftliches "Pflichtjahr" umgewandelt. Dies bedeutete die Schaffung eines Reservoirs an billigen Dienstmädchen für wohlhabende Familien, bevorzugt solche von NS-Funktionären, und auch Kinderreiche. Der bis dahin freiwillig abzuleistende Reicharbeitsdienst wurde vier Tage nach Kriegsbeginn Pflicht für jede Frau zwischen 17 und 25 Jahren, wenn sie unverheiratet war. Jedoch auch vom unmittelbaren Kriegsdienst blieben die Frauen nicht verschont. 1940 gab es schon Tausende von Wehrmachtshelferinnen, Frauen in Uniform. Eine etwas privilegierte Rolle spielten dabei die "Blitzmädel", Nachrichtenhelferinnen des Heeres, der Luftwaffe und Marine, so genannt wegen des Blitzes am Ärmel der Uniformjacke und am Käppi, der als Zeichen der Nachrichtenübermittlung galt. Die Nazis begünstigten diese Bezeichnung, suggerierte sie doch das Bild eines fixen, schneidigen Mädchens. Es gab eine Anzahl junger Frauen, die sich freiwillig zu diesem Dienst meldeten, um aus eingeschränkten Verhältnissen herauszukommen und Abenteuer zu erleben. Dem folgte meist klägliche Ernüchterung durch die Realität des Kriegseinsatzes. 1941 wurden an den halbjährigen Arbeitsdienst sechs weitere Monate "Kriegshilfsdienst" angehängt, der zunächst in Rüstungsbetrieben, dann ab 1943/44 mit Zunahme der Fliegerangriffe auf deutsche Städte als Flakwaffenhelferin abgeleistet werden mußte. Die Frauen hatten bei Luftangriffen die Scheinwerferbatterien zu bedienen oder die Soldaten auf der Flak (Fliegerabwehrkanone) mit Munition zu bedienen. Nicht wenige dieser 17- bis 18jährigen wurden durch Tiefflieger verwundet. Auch geriet ein nicht geringer Teil der weiblichen Wehrmachtsangehörigen bei Kriegsende in Gefangenschaft. Wurde ab 1936/37 mit Anlaufen der Produktion zur Kriegsvorbereitung wieder zunehmend um die weibliche Arbeitskraft mit Druck geworben (ab 1937 Gewährung des Ehestandsdarlehens nur noch bei Nichtaufgabe des Arbeitsplatzes), so gestatteten sich die NS-Ideologen mit Beginn des Krieges einen profitablen Schlenker, denn nun war die "tapfere kleine Soldatenfrau" gefragt, wurde die fleißige Arbeiterin in der Rüstung und überall, wo sie "ihren Mann stehen" mußte, für das Funktionieren der "Heimatfront" verantwortlich gemacht. Die Frauen hatten in die Arbeitsstellen der zur Kriegsfront kommandierten Männer nachzurücken. Hatte der Kranführer in einem Görlitzer Betrieb allerdings einen Stundenlohn von 74 Rpf., so erhielt die Frau, die jetzt die gleiche Arbeit verrichtete, nur 42 Rpf. Dazu Hitler 1944: "Wollte man die Löhne der Frauen denen der Männer angleichen, käme man in einen völligen Gegensatz zum nationalsozialistischem Prinzip der Aufrechterhaltung der Volksgemeinschaft." Bis Juni 1940 waren eine Viertelmillion Frauen aus kriegsunwichtigen in "kriegswichtige" Betriebe umgesetzt. In den folgenden Jahren stieg die tägliche Arbeitszeit auf zehn Stunden. Arbeitsschutzbestimmungen wurden abgebaut. Die Lage der Bäuerin war noch schwerer. Ihre Arbeitszeit betrug 10-13 Stunden täglich. Sie war in der Mehrzahl Mutter vieler Kinder und hatte neben der Erfüllung häuslicher Pflichten auch noch das Vieh zu füttern, zu melken und auf dem Felde ihre schwere Arbeit zu verrichten. Obwohl die Männerarbeit um fast die Hälfte zurückgegangen war, gelangten Frauen in keine führende Position, dafür blieben Männer weiterhin "uk gestellt" (unabkömmlich).
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Die arbeitende Frau beherrschte als Briefträgerin, Schaffnerin, Lastwagenfahrerin das Straßenbild. In der Not standen den Frauen wieder einige intellektuelle Berufe offen. Zögernd wurde der Anstieg der weiblichen Studierenden geduldet. Vor allem Ärztinnen, auch Juristinnen durften ihre Berufe erneut ausüben. Daß viele deutsche Frauen im weiteren Kriegsverlauf von der allgemeinen Dienstverpflichtung verschont blieben, war der Tatsache zu verdanken, daß im Zuge der Eroberung fremder Länder zahlreiche Frauen und Männer aus ihrer Heimat nach Deutschland zur Zwangsarbeit verschleppt wurden. 1942 befanden sich eine Million "Ostarbeiterinnen" im Reich. Sie waren billige und bequeme, weil rechtlose Arbeitskräfte, so daß die deutsche Industrie gern auf einheimische Arbeitskräfte verzichtete. Ab 1942 wurden auch weibliche KZ-Häftlinge von der SS an die Rüstungswerke verliehen, oder ihre Arbeitskraft wurde in den bei den Lagern errichteten Zweigstellen der großen Konzerne ausgebeutet. Als einzige Vergünstigung erhielten sie, denen der "Tod durch Arbeit" zugedacht war, eine trockene Scheibe Brot am Tag zusätzlich, die "Betriebsbrotscheibe". Zum Ende des Krieges hin mußten sich viele Mütter von ihren Kindern trennen, die durch eine gewaltige Kinderlandverschickungsaktion mit ihren Schulen aus den bombengefährdeten Städten aufs Land und in die besetzten Gebiete transportiert wurden. Die Trennung von liebsten Familienangehörigen, die Sorge um den Ehemann, Vater, Sohn und Bruder, um den Verlobten und Freund an der Front, die sich häufenden Todesnachrichten und Vermißtenmeldungen, dies alles ließ in vielen Frauen den Überdruß am Krieg wachsen, verstärkte die Friedenssehnsucht und führte nicht selten zu Verweigerungshaltungen sowie Ausflüchte in die Krankheit. Doch nur eine Minderheit von Frauen fand in den zwölf Jahren Naziherrschaft den Mut zum Widerstand. Wenn Statistiken davon ausgehen, daß etwa 800.000 bis 900.000 Deutsche Widerstand leisteten und der Frauenanteil daran bei 20 % liegt, so waren es 160.000 bis 180.000 Frauen, die sich aus der Masse derer, die mitmachten, sich anpaßten, politisch desintessiert waren, hervorhoben, die sich mit ihren Handlungen entgegen der ihnen zugewiesenen Rolle in die Politik einmischten und sich durch tolerante Einstellung zu ihren - vor allem auch jüdischen - Mitmenschen über den herrschenden Rassismus hinwegsetzten. Sicher sind dies keine streng zuverlässigen Zahlen, werden sie sich doch nur auf aktenkundige Fälle gründen und nicht die verborgen gebliebenen, gerade von Frauen so oft praktizierten heimlichen Hilfeleistungen gegenüber Verfolgten und Ausgegrenzten berücksichtigen. Erstaunlich ist die Breite des Frauenwiderstandes, was die soziale Herkunft der Frauen und ihre Motivation betrifft. Der Bogen spannte sich von der Arbeiterin bis zur Gräfin, von der organisierten Marxistin bis zur Christin aus der Bekennenden Kirche. Meine besondere Hochachtung gilt den Widerstandskämpferinnen aus der Arbeiterbewegung, die oft weitgehend unbekannt blieben. Mit dem Verbot der Arbeiterparteien, Gewerkschaften und proletarischen Hilfsorganisationen wurden sie sofort 1933 vom Nazi-Terror betroffen, eingesperrt, gequält, freigelassen, mehrmals verhaftet, und sie gaben nie auf. Sie wurden nicht müde, politische Aufklärung gegen die NS-Diktatur zu leisten, ihre Verbrechen zu benennen, vor der Kriegsgefahr zu warnen. In ihren Handtaschen oder am Körper versteckt, beförderten sie im Ausland herausgegebene Materialien illegal über die Grenze nach Nazideutschland, brachten als harmlose Broschüren getarnte antifaschistische Schriften von Ort zu Ort, legten unter der Kinderwagendecke verborgene Flugblätter unbeobachtet auf Parkbänke oder
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schmuggelten sie listenreich in Kaufhäusern auf Wühltische zwischen Stoffballen, vermittelten illegale Treffs zwischen Angehörigen von Widerstandsgruppen, stellten dafür ihre Wohnungen zur Verfügung, sammelten Geld zur Unterstützung der Familien von inhaftierten und ermordeten Genossen und kümmerten sich um die Frauen und Kinder. Später, als 1938 die Synagogen brannten, als jüdische Menschen durch den gelben Stern sichtbar ausgegrenzt wurden, als 1941 ihre Massendeportationen begannen, wurde eine weitere große Anzahl von Frauen aus familiären, freundschaftlichen oder einfach menschlichen Gefühlen in den Widerstand getrieben durch Hilfeleistung für die am grausamsten Verfolgten. Die jüdischen Männer und Frauen, die sich zum Kampf um ihr Leben und damit zum Untertauchen in die Illegalität entschlossen, konnten dies meistens nur mit Hilfe anderer, sogenannter arischer Menschen, und durch den Krieg bedingt, vielleicht auch durch jahrhundertelange Sozialisation zum stärkeren Mitleiden befähigt, waren die Hilfeleistenden häufig Frauen. So haben sie, um die verbotene Wahrheit zu verbreiten, um Gleichgesinnten zu helfen oder fremden Verfolgten ein Überleben zu ermöglichen, Freiheit und Leben riskiert, zermürbende Haft und die Hölle des Konzentrationslagers auf sich genommen. Schwer traf die Mütter unter ihnen die Ungewisse Trennung von ihren Kindern. Bei Verhören drohte die Gestapo damit, diese in ein Waisenhaus einzuliefern und sie nationalsozialistisch zu erziehen. Jede hatte irgendwie Vorsorge getroffen, daß sich Verwandte oder Freundinnen während ihrer erzwungenen Abwesenheit der Kinder annehmen sollten. Den inhaftierten oder verurteilten Müttern entzogen die Nazibehörden das Sorgerecht für ihre Kinder, das sie nach Freilassung nur selten wiedererlangen konnten. In einem mir bekannten Fall hat das Jugendamt die zwei Kinder einer Inhaftierten in eine Nazifamilie gegeben, in der die Frau aktives Mitglied der NS-Frauenschaft war, und sie der Mutter damit für immer entfremdet. Im Nachkriegsdeutschland ist den Widerstandskämpferinnen für ihre Taten keine gesellschaftliche Anerkennung zuteil geworden. Erst eine neue Generation hat in den 70er und 80er Jahren einiges wiedergutgemacht. Abschließend möchte ich noch einmal vor Augen führen, daß die Wirkungskraft der NS-Frauenpolitik, wie sie sich in der herrschenden Ideologie sowie in den Gesetzen und Verordnungen äußerte, und ihre Umsetzung für die einzelnen Frauen eben unterschiedlich war. Es gab nie "die" Frauen. Eine jede war abhängig von ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihrem politischen Bewußtsein, ihren individuellen Möglichkeiten. Neben der illegal kämpfenden Verfolgten stand die eifrige Denunziantin, neben der nicht angepaßten "Asozialen" die bürokratisch für Aussonderung sorgende Fürsorgerin, neben der psychisch Kranken und körperlich Behinderten die bei der Euthanasie behilfliche Krankenschwester. So verhielt sich auch die Masse der Frauen zu den neuen Verhältnissen nach 1945 nicht einheitlich. Die ehemaligen Widerstandskämpferinnen versuchten ihre Träume von einer humanen, friedlichen Gesellschaft und einer besseren sozialen Ordnung zu verwirklichen und stießen damit in der restaurativen Nachkriegszeit bald an ideologische und staatlich gesetzte Grenzen. Den fanatischen Nationalsozialistinnen wurde es leicht gemacht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Beispielsweise konnte Dr. Herta Oberheuser, als KZ-Ärztin verantwortlich für die Ermordung von Kindern in Ravensbrück, in den 50er Jahren in Schleswig-Holstein eine Kinderarztpraxis eröffnen, und nur der empörte Protest vieler Antifaschisten, besonders aus dem Ausland, erzwang die Schließung. Die Mehrzahl der deutschen Frauen war aufgrund der schlechten Erfahrungen ihres Mißbrauchs durch die NS-Obrigkeit
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erst recht jeglicher Politisierung abhold. "Gebranntes Kind scheut das Feuer" war ihre Devise. Erst Ende der 60er Jahre wurde in den neu aufbrechenden demokratischen Bewegungen, auch der Frauenbewegung, die Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dieser Zeit erkannt, um Konsequenzen daraus zu ziehen und immer wieder spürbare rückschrittliche Tendenzen in bezug auf Frauenbild und Frauenberufsarbeit heute zu bekämpfen.
Literatur
Boberach, H. (Hg.): Meldungen aus dem Reich. Die geheimen Lageberichte des Sicherheitsdienstes der SS, Herrsching 1984 Elling, H.: Frauen im deutschen Widerstand 1933-1945, Frankfurt 1978 Frauengruppe Faschismusforschung: Mutterkreuz und Arbeitsbuch, Frankfurt 1981 Schmidt, M./Dietz, G. (Hg.): Frauen unterm Hakenkreuz, Berlin 1983 Szepansky, G.: Frauen leisten Widerstand 1933-1945, Frankfurt 1983 Dies.: "Blitzmädel", "Heldenmutter", " Kriegerwitwe". Frauenleben im Zweiten Weltkrieg, Frankfurt 1986 Westenrieder, N.: Deutsche Frauen und Mädchen. Vom Alltag 1933-1945, Düsseldorf 1984 Wittrock, Gh.: Weiblichkeitsmythen. Das Frauenbild im Faschismus und seine Vorläufer in der Frauenbewegung der 20er Jahre, Frankfurt 1983
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