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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

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Gast
New PostErstellt: 29.05.07, 08:38     Betreff: Medienberichte zu Missbrauch und Gewalt in BRD-Kinderheimen Antwort mit Zitat  

Medienberichte zu BRD-Kinderheimen




HNA, Samstag. 22. Mai 2004, Nr. 119, Seite 1

KASSEL

Misshandelte Heimkinder

Sie wurden mit Peitschen und Dachlatten geschlagen, sexuell missbraucht und mussten in der Landwirtschaft für Pfennige knochenharte Arbeit leisten. In den Erziehungsheimen des Landeswohlfahrtsverbandes und der katholischen Kirche erlebten die Kinder und Jugendlichen nach dem Krieg bis Ende der 70er-Jahre ihre schlimmsten Zeiten, die viele für ein ganzes Leben traumatisierten.
Am 29. Mai trifft sich in Kassel erstmals die Bundesinteressengemeinschaft der misshandelten und missbrauchten Heimkinder, bei der sich inzwischen 370 Betroffene, gemeldet haben. (TOM)
weiter rubkrik: NORDHESSEN

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HNA, Samstag. 22. Mai 2004, Nr. 119, Rubkrik: NORDHESSEN

Schläge mit dem Ochsenziemer
Gemeinschaft misshandelter Heimkinder will in Kassel Betroffene anhören


Von Thomas Stier
KASSEL. Für Heinz Peter Junge war das Heim die Hölle: Schläge mit Ochsenziemer, Dachlatte und Keilriemen, sexueller Missbrauch, knochenharte Arbeit in der Landwirtschaft und Demütigungen ohne Ende durch die Erzieher. Mit 14 kam Junge 1959 ins Erziehungsheim Kalmenhof in Idstein im Taunus, das bis heute vom Landeswohlfahrtsverband Hessen (LWV) geführt wird. Die sechs Jahre dort be-zeichnet Junge auch jetzt noch als die "schlimmste Zeit meines Lebens".
Heute ist der 58-Jährige Vorsitzender der VdK-Ortsgruppe Kassel-Niederzwehren und nordhessischer Sprecher der Bundesinteressengemeinschaft der misshandelten und missbrauchten Heimkinder in Deutschland von 1945 bis 1985". Junge organisiert den ersten Bundeskongress der Vereinigung, der am 29. Mai im Olof-Palme-Haus in Kassel beginnt.
Dort sollen ehemalige Heimbewohner von ihrer Leidenszeit berichten. Denn der Kasseler Heinz Peter Junge ist kein Einzelfall. Nach Berichten im Fernsehen haben sich inzwischen 370 Männer und Frauen gemeldet, die ähnliche Qualen durchleiden mussten.
Bundesweit seien es vermutlich zehntausende Opfer von Schlägen und sexuellem Missbrauch, erklärte Pierre de
Picco, Vorsitzender der Vereinigung. Derzeit werde eine Datenbank für alle Misshandlungsfälle und Heime angelegt. Zu 90 Prozent seien dies nach bisherigen Erkenntnissen katholische Erziehungsheime gewesen, in denen die Kinder und Jugendlichen von Nonnen, Priestern und weltlichen Erziehern "aufs Schlimmste misshandelt wurden". Der heute 46-Jährige lebte selbst neun Jahre in einem Heim.
Bei dem Kasseler Kongress sollen auch Forderungen formuliert werden: Die systematische Vernichtung von Akten in den Jugendämtern solle sofort gestoppt werden. Weil die Heimbewohner als billige Arbeitskräfte missbräucht wurden, sollten ihnen die Zeiten bei der Rente angerechnet werden. Für Heinz Peter Junge wurde im Kalmenhof ein Lebenstrauma geschaffen. Die Narben von den Peitschenhieben des Ochsenziemers trägt er ebenso am Körper, wie die schlecht verheilte Wunde im Rücken, als ein Erzieher beim Schlag mit einer Dachlatte mit zehn Zentimeter langem Nagel knapp die Niere verfehlte. Die Narben auf der Seele hatten nicht weniger schlimme Folgen: Aggressivität, Drogen, Alkohol, fünf Jahre Jugendhaft, drei gescheiterte Ehen, drei Jahre Zwangseinweisung in die Psychiatrie in Merxhausen - erst im fortgeschrittenen Alter hat Heinz Peter Junge in vierter Ehe sozialen Halt gefunden. Und die Kraft, anderen Menschen zu helfen. Junge führt den Sozialverband VdK in Niederzwehren und arbeitet in einem Kasseler Behindertenprojekt. Kontakt: Heinz Peter Junge, Meißnerstr. 26, 34134 Kassel, Telefon: 0561/4009917.

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MISSBRAUCH
Ex-Heimkinder wollen klagen

Frühere Heimkinder, die sich in einem neu gegründeten Bundesinteressenverband zusammengeschlossen haben, fordern für angeblich erlittene Qualen finanzielle Entschädigung. Auf ihrem ersten Bundeskongress Ende Mai in Kassel will der Verband darüber entscheiden, wie er seine Schadenersatzforderungen durchsetzen kann. „Wir prüfen eine Klage in den USA", kündigt der Vorsitzende Jean-Pierre de Picco an.
Misshandlungen und sexueller Missbrauch seien in vielen staatlichen und kirchlichen Einrichtungen „alltäglich" gewesen. „Diese Methoden gehörten zum System", behauptet de Picco, der selbst neun Jahre im Heim gelebt hat.
Derzeit baue der Interessenverband eine Datenbank auf, „in der alle Misshandlungen zwischen 1945 und 1985 erfasst werden", so der Vorsitzende. Darunter befänden sich auch Todesfälle. Teilweise existierten Zeugen, „die mit ansehen mussten, wie Kinder von Erziehern erschlagen oder erstickt wurden", so der 46-Jährige. Bisher hätten sich fast 400 Opfer gemeldet. De Picco vermutet, dass es in Deutschland „einige 100 000 Fälle gibt".

FOCUS 21/2004, S.12


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Quelle:
http://www.freistatt.de.vu/

( 09.12.2003 )

30.08.2003

SYSTEMISCHE KINDESMISSHANDLUNG IN KIRCHLICHEN HEIMEN – AUSBEUTUNG VON KINDERN IN MASSIVEN WIRTSCHAFTSUNTERNEHMEN DER KIRCHEN IN DEUTSCHLAND.

WER SCHWEIGT, MACHT SICH (MIT)SCHULDIG.

Hier geht es um ein noch immer verschwiegenes, dunkles Kapitel der jüngsten deutschen Nachkriegsgeschichte. Kein fiktives Psycho-Drama, sonder um einen gesellschaflich-politischen Skandal, um Verbrechen größten Ausmaßes: Hunderttausende von Kindern und Jugendlichen wurden von Kriegsende bis hinein in die 80er Jahre in kirchlichen Kinder- und Fürsorge-Erziehungsheimen gefangengehalten, geprügelt, gedemütigt, psychisch und physisch gefoltert. Sie wurden all´ ihrer Menschenrechte beraubt, lebten in einem Vakuum der Entrechteten. Vom Grundgesetz 1949 durch die Volksvertretungen, Artikel 1: ``Die Würde des Menschen ist unantastbar´´ waren sie ausgeschlossen, sie waren Parias. Durch Staat und Kirche waren sie unmenschlichen und herabwürdigenden Erziehungsmethoden ausgesetzt, sodaß die meisten von ihnen noch heute durch diese brachialen Gewaltanwendungen zu leiden haben. Sie sind traumatisiert, leben oft am Rande der Gesellschaft und haben schwer zu kämpfen.

Obwohl es für jeden Mißstand in der Gesellschaft einen Verein oder eine Lobby gibt, für diese Opfer gibt es sie nicht. Im Gegenteil, ein großer Teil der Gesellschaft zeigt ausgeprägtes Desinteresse. ``Was nicht sein darf, ist auch nicht´´, scheint die Maxime zu sein. Man schielt in´s Ausland und empört sich über die Menschenrechtsverletzungen dort, anstatt erst einmal nachzufragen, wie es möglich war, daß mitten unter uns, in einer neuen Demokratie, während des Wirtschaftswunders und des Wiederaufbaus, Kinder und Jugendliche lautlos verschwinden konnten und oft jahrelang nicht wieder auftauchten. Eltern und Verwandte vermuteten sie in guten Händen bei den frommen ``Schwestern´´, Lehrer fragten nie nach, wo die Kinder eigentlich sind, Nachbarn waren zu sehr mit sich beschäftigt. Aber die Initiatoren, die Landschaftsverbände und Jugendämter, zusammen mit den Vormunden wußten, in welch horribles Terrain sie die Minderjährigen schickte. Sie übergaben das Sorgerecht den ``Schwestern´´ und ``Brüdern´´, die diese familienbezeichnende Anrede nicht verdienten. Sie praktizierten, nur kurz nach Kriegsende, weiterhin Alt-Nazi-Methoden, diesmal aber in fundamentalistisch-christlichen Sinne. Die Täterschaft waren die Ordensleute der beiden Amtskirchen, im Habit Gottes.

Verstreut in jedem Bundesland existierten diese Heime, umzäunt oder hochummauert, nicht selten auch mit Wachhunden für die Nacht. In den Heimen herrschte ein Terror-Regime, das heutzutage nur schwer verständlich ist. Dort war man sich jeder Minute seiner Wehrlosigkeit bewußt und wagte deshalb auch nicht zu rebellieren, es hatte ja doch keinen Sinn: Kinder mußten ruhig sein, das war oberstes Gebot, und da setzte es dann Ohrfeigen, falls man trotzdem sprach.

Zur Ruhigstellung gab´s morgens Valium oder Truxaletten-Saft, und die Müdigkeit machte es vielen Kindern unmöglich, effektiv lernen zu können. Die Spuren der Schläge waren den Sportlehrern bekannt, oft waren Wunden und Striemen sichtbar, aber das kümmerte niemanden, es handelte sich ja sowieso ``nur´´ um ungewollte, verwaiste oder vernachlässigte Kinder, die kaum der Rede wert waren.

Diese Kinder, die sich schon durch familienbedingte Defizite nach einem besonderen Maß an Liebe und Zuwendung sehnten, wurden nicht durch notwendiges Verständnis oder Schutzbedürfnis seelisch kompensiert, sondern zusätzlich durch Spott, Hohn und Erniedrigungen im Schmerz noch akzentuiert.

Die ``Barmherzigen Schwestern´´ hatten kein Erbarmen, im Gegenteil, wer am wenigsten an Familienangehörigen aufzuweisen hatte, wurde zur besonderen Zielscheibe auserkoren. ``Du Taugenichts, kein Wunder daß du deine Mutter in´s Grab gebracht hast´´, oder ``wer will dich denn schon, du bist nicht umsonst hier, bist nichts und wirst auch nichts werden´´, oder ``bist eine Teufelsbrut deiner Mutter, wirst auch in der Gosse landen, der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.....´´. Das waren die Standard-Verbal-Injurien, die aus frommen Kehlen auf die Kinder niederprasselten. Wer eine Widerrede wagen sollte, wurde weggesperrt.

Wer weinte, bekam noch zusätzlich eine Tracht Prügel, denn auch Emotionen waren verboten. Mit verzerrten, glühenden Gesichtern schlugen sie zu, als wollten sie ``den Teufel austreiben´´, und das verbalisierten sie auch simultan mit kreischenden Wortfetzen. Rage konnte hervorgerufen werden durch ``Schwätzen´´, durch plötzliches Aufstehen vom Stuhl oder Ähnliches. Dinge, die normale Kinder naturgemäß tun. Danach ging´s dann oft in die Kapelle zum Beten und eine andere Nonne kam und dann war erstmal wieder Ruhe. Bis eines der nächsten Kinder wieder gegen irgendein Gebot verstieß und dann ging das Geschrei von vorne los.

Der Bedarf an sehnsüchtiger Liebe wurde jäh zurückgewiesen, denn das gehörte nicht in das restriktive, gottgewollte Schema. So resultierte aus Terror Angst, und Angst erzeugt Schweigen. Und geschwiegen haben sie, die Kinder. Sehr lange sogar.

Geschwister wurden oft über Jahre hinweg voneinander separiert, denn Ordnung mußte ja schließlich sein: Mädchen gehörten, auch im Kindesalter, einfach nicht zu den Jungs. Da gab es nun viele Geschwister, die durch diese perverse ``Ordnungsliebe´´jahrelang nebeneinander her lebten, sich aber nicht sehen oder besuchen durften. Familienbande mußten durchschnitten werden, auch Elternliebe wurde verhöhnt oder durch ironische Bemerkungen in´s Lächerliche gezogen. Sowas lockte dann schallendes Gelächter aus den ``Bräuten Christi´´. Die frommen Schwestern waren keine identitätsstiftenden Vorbilder. Für viele Kinder, die sonst niemanden auf der Welt hatten, waren sie nichts anderes als Schimären. Zerrbilder einer Erwachsenenwelt, die aus der Hölle zu kommen schienen.

Der Modus Vivendi der Kinder schloß jede Individualität aus. Ergebenheit, Resignation und eine zehrende Tristesse waren die täglichen Begleiter dieser wehrlosen und hilfsbedürftigen Geschöpfe. Dazu kam dann noch die soziale Stigmatisierung durch die Gesellschaft. Als ``dumme und verlogene´´ Heimkinder wurden sie in der Schule, oft genug auch von Lehrern, geächtet. Spielkameraden grenzten sich ab, der Umgang mit Heimkindern wurde von vielen Eltern verboten.

Viele von den lieben Schwestern leben noch heute, man trifft sie lächelnd bei Einkäufen oder auf Spaziergängen. Viele dieser Kinderheime reichten dann ihre Kinder, sobald sie 14 Jahre alt waren, weiter an die Fürsorge-Erziehungs-Heime.

Für diese Kinder bedeutete das eine Fortsetzung ihrer jahrelangen Misere. Jungs kamen zu den Mönchen, Mädchen wieder zu den Nonnen. Dort wartete dann die berüchtigte Zwangsarbeit auf sie, mit der sie zu Tausenden die Gottesleute bereicherten. Aus der Bevölkerung wurden dann auch, aus lächerlichen Nichtigkeitsgründen, Jugendliche eingewiesen. Als ``verwahrlost´´ wurden fast alle eingestuft: einen Freund zu haben war sittenwidrig, Grund genug für eine Einweisung. Gerne zu flirten oder sich zu schminken ebenfalls, zu enge Nietenhosen oder zu kurze Röcke, eben alles, was nicht in die damalige, heuchlerische und miefige Zeit paßte. Auch Flüchtlings- oder Schlüsselkinder wurden gezielt verfolgt und eingesperrt, damit sie Zucht und Ordnung lernten.

Auch bei sexuell mißbrauchten Jugendlichen gab es kein Pardon, sie wurden gezielt bestraft, denn für die Nonnen waren sie die Täter. Das wurde ihnen jede Minute des Tages klargemacht: Sie seien des Teufel´s Verführung in Menschengestalt. Betont werden muß noch, dass der Prozentsatz der Ausreißer oder Suizide beächtlich war, auch darüber herrscht Schweigen.

Wie konnte das passieren, noch dazu so kurz nach Kriegsende? In einem von Kultur scheinbar saturiertem Land? Man müßte doch denken, wir hätten uns damals mit sozial-politischem Wissen etabliert, denn schon zur Weimarer Zeit hatten progressive Ärzte und Pädagogen den richtigen Durchblick. Auch an Veröffentlichungen und Literatur mangelte es nicht: Erich Fromm und Bruno Bettelheim waren schon damals ein Begriff. Die große Anna Freud schrieb über ``Heimatlose Kinder´´ und blickte den Kleinen in die Seele. Alexander und Margarethe Mitscherlich veröffentlichten ihre Studien. Ging all´ dies pädagogische Wissen, zusammen mit der jüdischen Kultur, in Rauch auf ? Es scheint so. Denn für uns galten, durch die kirchlichen Institutionen, weiterhin die Theorien der erb-biologischen Belastung, die lebende Erbsünde, der mit regelrechtem Exorzismus entgegengesetzt werden mußte. Die menschenverachtende Ideologie der katholischen Kirche setzte sich kontinuierlich nach 1945 fort, wir fielen also unter die ``Minderwertigen´´, bzw. ``Volksschädlinge´´.

Der Jesuit Hermann Muckermann (1877-1962), ein rastloser Wanderprediger der Erbhygiene schon während der Weimarer Zeit, gönnte in seinen Schriften den ``Fürsorge-Zöglingen´´ das Leben nicht. Aus dem Jahrbuch der Caritas-Wissenschaft, Herausgeber Prof. Dr. Franz Keller, lesen wir:`` Echter Caritasdienst muß Dienst der Rassenhygiene sein, weil nur durch die Aufartung des Volkes auch die beste Grundlage für die Ausbreitung des Reiches Gottes auf Erden geschaffen wird, weil die Aufartung des Volkes Lebensgestaltung, Lebensbereicherung bedeutet und so im Dienste des Schöpfers und Erlösers steht.´´ Diese ideologischen Auswüchse des Dritten Reiches wurden nach 1945 in den Erziehungsheimen weiter befolgt. Ein anderer Hecht im Karpfenteich ist aber der katholische Theologe Joseph Mayer aus Paderborn, der für Himmler ein Gutachten – natürlich ein positives – zur Euthanasie der ``Minderwertigen´´ ausstellte. Unter die ``Minderwertigen´´ fielen auch die ``Fürsorge-Zöglinge´´, die sogenanten ``Ballastexistenzen´´ am deutschen Volkskörper.

Das ist die unglückselige katholische Tradition, die wir ja leider bei den Nonnen damals kennengelernt haben. Von deren reform-pädagogischen Ausbildung kann also keine Rede sein. Stöcke, Fäuste und ein unerschöpfliches Vokabular an Gemeinheiten dienten zur Beseitigung unserer Erbsünden. Gegenseitig haben sie sich in ihren Grausamkeiten gestärkt und übten ihr kollektives Machtpotential an uns aus.

Schwestern, die sich diesen Brutalitäten nicht anschließen wollten, denn das gab es durchaus, wurden entweder versetzt oder waren schlimmen Schikanen ihrer Mitschwestern ausgesetzt.

Straffällig war kaum jemand der Fürsorge-Zöglinge, dafür dienten die Arbeitslager, bewacht von Justizvollzugsbeamten, oft mit scharfen Hunden. Dem Gottespersonal in den Heimen ging es grundsätzlich nur um eines: Durch unbezahlte Zwangsarbeit unsere Sünden reinzuwaschen und damit ihnen zu dienen. Oft auch mit Arbeiten im Akkord für Firmen wie Claas, Schlaraffia oder Hella-Lampen. Diese Firmen lieferten ihr Material an die Heime und die Jugendlichen mußten unter menschenunwürdigsten Bedingungen dann die Fertigprodukte liefern.

In manchen Heimen, z.B. in dem massiven Wirtschaftsunternehmen der Diakonie, Anstalt Freistatt im Hannoverschen (Teilanstalt der v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, bei Bielefeld), wurden die Jugendlichen zur Schwerarbeit im Moor zur Schwarz- und Weißtorfgewinnung herangezogen. Reitgurten,Torflatten und Forkenstiele standen den durchweg pädagogisch ungeschulten ``Erziehern´´ dort zur Verfügung, und da gab´s dann mal öfter was drüber, wenn´s nicht schnell genug ging.

Mädchen schufteten in Wäschereien bis zum Umfallen. Dabei mußte das strenge Redeverbot eingehalten werden. Nur das Singen von Marienliedern war Pflicht. In diesen Liedern wurde dann die Liebe, Güte und Gnade gepriesen, mit der wir doch jetzt gesegnet seien.

Wer nicht parierte, wurde, unter Umständen tagelang, in eine Isolierzelle gesperrt, mit Pritsche und Eimer als einziges Inventar. Kein Sozial-Pädagoge, Sozialarbeiter oder Ansprechpartner war für uns da. Keine Inspektionen, bei denen Interesse an uns gezeigt wurde. Wir waren verdammt in diesem Höllenhaus, zusammengepfercht in eine Notgemeinschaft—jedoch war jeder für sich allein in seinem Leid.

Wer einen sehnsüchtigen Blick durch die vergitterten Fenster wagte, wurde bestraft. Nach draußen kamen wir überhaupt nicht, alle Türen waren permanent verschlossen. Viele, auch ich, sehnten sich nach einem staatlichen Gefängnis ohne Nonnen, nur um unsere Ruhe zu haben. Dies wurde mir verweigert mit der Begründung: ``Nein, du bleibst hier, es liegt doch keine Anklage vor´´.

Hervorgehoben werden muß die Tatsache in diesem ganzen Elend: Diese seelischen Vernichtungsmaßnahmen hatten nur ein Ziel im Auge: das Brechen des Willens. Devot, roboterhaft und apathisch sollte die Arbeit erledigt werden, Buße tun für die Sünden. Das war in ihrem Sinne, denn gleichzeitig versorgten wir sie, die Nonnen und Mönche und somit die Kirche, mit immensen Geldeinnahmen. Die einem relgiösen Wahn entsprechende, rigide Form der Gehirnwäsche, der sie uns unterzogen, diente dafür als Fundament.

Individualitäten, welcher Art auch immer, mußten ebenfalls beseitigt werden, denn nur durch Uniformismus war reibungsloses Arbeiten garantiert. Persönliche Charaktereigenschaften, die doch oft einen Menschen erst recht liebenswert machen, wurden verhöhnt und wenn nötig, mit Einzelhaft bestraft, ``bis man wieder zur Besinnung kommt´´.

Die Lebensessenz wurde uns entzogen, wovon viele von uns sich nie mehr erholten. Alles wurde bestraft: Lachen, Weinen, ein Fünkchen Humor, falls noch vorhanden, das Schließen von Freundschaft. Und immer wieder: SCHWEIGEN.

Petzen oder gegenseitiger Neid, kombiniert mit Mobbing, wurde allerdings gern gesehen, das war ganz im Sinne der frommen Schwestern und das verwendeten sie dann auch für ihre Zwecke.

Jegliche Post, ein- und ausgehend, wurde zensiert. Besuche von Eltern waren erlaubt, allerdings nur alle paar Wochen, die Gespräche wurden allerdings von einer Nonne belauscht. Telefon, sowie Print-Medien gab es nicht. Presse, TV und Radio umwehte ein verruchter Wind, denn im Grunde war alles `Teufelszeug´. Außer religiösen Sendungen, die dann dem Zwecke der Belohnung dienten, bekamen wir von der Welt nichts mit.

Gegessen werden mußte alles, und war es noch so ekelhaft. Oft schwammen im Eintopf glänzende Speckschwarten, an denen noch die Borsten hafteten. Mußte man erbrechen, so wurde man gezwungen, das Erbrochene ebenfalls zu verzehren. Oft auch aus der Kloschüssel.

Nun verlangen wir, Jahre nach diesem Inferno, ein offenes Gespräch, eine Erklärung, eine Entschuldigung. Aber immer noch fühlen sich die Kirche im Recht, ignoriert uns und hofft, ``dieser Kelch möge an ihnen vorübergehen.´´

Viele von uns, die ehemaligen Heimkinder, haben ihr unerträgliches Leben selbst frühzeitig beendet, viele sind krank, psychisch und physisch. Wir alle haben keine Rentenansprüche für diese Zeit der harten Arbeit, alle Akten seien vernichtet oder unauffindbar.

Wir waren ihre Schutzbefohlenen, FÜRsorge-Kinder, Minderjährige, sie hatten das SORGErecht! Sie haben uns in jeder Hinsicht mißbraucht, ein Kirchen-Verbrechen in zig-tausendfacher Ausführung. Sie, die doch Armut gelobt haben, bereicherten sich an uns. Sie ließen uns zerstört zurück.

Wenn sie aus ihren Klostermauern hervorkommen, dann schweigen und lächeln sie. Sie lächeln viel und grüßen immer sehr nett.

Verfasser: © 2003 Regina Gazelle

Mit Erlaubnis verbreitet von Martin Mitchell aus Australien, Eigentümer, Betreiber und Webmaster von *DiakonieFreistatt.de.vu.* @ www.freistatt.de.vu,
*Bund der jetzt aktiven von den Kirchen in Deutschland in Heimen misshandelten Kinder, 1945-1985*
*Union of now activist adults abused as children in church homes in Germany, 1945-1985*
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