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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Entschädigung für ehemalige Heimkinder

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Autor Beitrag
Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 01.10.16, 14:39  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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(vollständige Länge dieser ZDF-Sendung 44 Min. und 22 Sek.) Frontal21 vom 2. Februar 2016 festgehalten auf YouTube: »Wie Heimkinder in den 60ern mit Truxal sediert wurden als Medikamententest in Überdosen !« @ www.youtube.com/watch?v=L2AsX3nVGIs (von der 8. Minute und 43. Sekunde an)

    Zitat:
    .
    ZDF - Frontal21 @ www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/42089626/1/data.pdf (insgesamt 6 Seiten).

    Manuskript

    Beitrag: Kinder als Versuchskaninchen –
    Medikamententests in Heimen


    Sendung vom 2. Februar 2016

    von Otto Langels und Daniela Schmidt-Langels

    Anmoderation:
    Es ist eine Geschichte aus der Vergangenheit, die erschreckend in die Gegenwart hineinragt. Bis in die 60er Jahre, womöglich sogar länger, haben Pharmafirmen Medikamente an Heimkindern testen lassen. Es ist eine Geschichte, die schwer zu ertragen ist und die schwer zu recherchieren war. Denn in den Archiven ist nicht viel übrig geblieben. Die Spuren sind verwischt. Die Täter, darunter auch Ärzte, die während der NS-Zeit Kinder als „lebensunwert“ in den Tod schickten, blieben unbehelligt. Die Opfer aber, die der Willkür solcher Ärzte wehrlos ausgesetzt waren, leiden bis heute. Mit Daniela Schmidt-Langels und Otto Langels haben sie erstmals über ihre Kindheit gesprochen. Eine Kindheit als Versuchskaninchen.

    .

SELBST WEITERLESEN IM ORIGINAL: ZDF - Frontal21 @ www.zdf.de/ZDF/zdfportal/blob/42089626/1/data.pdf (insgesamt 6 Seiten).
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Martin Mitchell
Gast
New PostErstellt: 03.10.16, 06:52  Betreff:  Helmut Jacob gibt wieder ein Interview mit Heidi Dettinger.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Seitdem ich mich am 21.05.2008 erstmalig hier in diesem »carookee.de-Forum« zu Euch gesellt habe, und
  1. mich irgendwann mal detailliert vorgestellt habe;
  2. die Themen die mich bewegen (u.a. „ehemalige Himkinder“ interniert in nachkriegsdeutschen Institutionen in OST und WEST) erklärt und besprochen habe;
  3. den „Verein ehemaliger Heimkinder“ („VEH“), dem auch ich angehöre, vorgestellt habe; und
  4. auch die Leiden der damals Behinderten in Heimen und Psychiatrisierten in Anstalten angesprochen habe,

möchte ich jetzt auch hier zwei meiner Verbündeten in diesen Angelegenheiten zu Wort kommen lassen und diese hier vorstellen (
natürlich geschieht dies auch jetzt hier nur mit deren voller Zustimmung!).


Helmut Jacob berichtet und gibt wieder ein Interview mit Heidi Dettinger @ jacobsmeinung.over-blog.com/2016/10/heidi-dettinger-geschlossene-heime-sind-einfach-nur-falsch.html (verwiesen auf dieses Interview wird, u.a., auch @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?p=1819).

    Zitat:
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    Heidi Dettinger: "Geschlossene Heime sind einfach nur falsch!"

    Posted on October 1 2016

    Im Rahmen meiner Arbeit in der "Freien Arbeitsgruppe JHH 2006", eine 9-köpfige Opferinitiative behinderter Kleinkinder und Kinder in Volmarstein, bin ich schriftlich oder virtuell einigen interessanten Persönlichkeiten begegnet. Heidi Dettinger vom "Verein ehemaliger Heimkinder e. V." hat an der Demonstration gegen die Verleihung [an Antje Vollmer] der Hans-Ehrenberg-Plakette [am 22.11.2011] in Bochum teilgenommen. Eine meiner Assistentinnen interviewte sie per Filmkamera. Jetzt ist es endlich Zeit, diese Persönlichkeit vorzustellen.

    Heidi Dettinger, Sie gehören zum „Verein ehemaliger Heimkinder e.V.“ (VEH). Was trieb Sie dorthin?

    Ich bin selber ehemaliges Heimkind mit Jahrzehnte langer Verdrängungsgeschichte. Aber das klappt offensichtlich nicht ein ganzes Leben lang und als ich anfing, mich mit diesem Teil meiner Geschichte auseinander zu setzen, brauchte ich dringend Verbündete. Nach einiger Sucherei fand ich dann den Verein.

    Was ist das eigentlich für ein Verein und wofür steht er?

    Wir sind ein selbstorganisierter Zusammenschluss von Ehemaligen. Unser Ziel ist Hilfen zur Selbsthilfe anzubieten, uns gegenseitig zu unterstützen und darüber hinaus den Betroffenen eine Plattform zu bieten, um über ihre Heimgeschichten zu reden, sie an die Öffentlichkeit zu tragen und in dem uns möglichen Umfange politische Arbeit zu leisten.

    Welche Tätigkeiten haben Sie in diesen Verein bisher ausgeübt und als was sind Sie jetzt im Vorstand?

    Ich bin seit Jahren im Vorstand, war anfangs Schriftführerin, wurde nach einiger Zeit zur zweiten Vorsitzenden gewählt und vor ca. eineinhalb Jahren zur ersten Vorsitzenden.

    Im Internet wird kolpotiert, dass ein Kassenwart vor längerer Zeit mit der Kasse durchgebrannt sei. Stimmt das und hat es Ihrem Verein geschadet?

    Leider hat das Internet hier mal (fast) Recht. Es war nicht der Kassenwart, sondern der Vorstandsvorsitzende damals. Der Verein hatte Geld von der „Aktion Mensch“ für die Einrichtung eines Büros bekommen, dieses Geld hat der damalige Vorsitzende dann irgendwie auf sein Privatkonto verschoben und ward nicht mehr gesehen. Unsere Versuche, dieses Geld von ihm zurück zu bekommen verliefen im Sande und vor zwei Jahren mussten wir dann auch noch das Geld an die „Aktion Mensch“ zurück zahlen, da wir natürlich keinen Nachweis darüber führen konnten, dass wir das Geld bestimmungsgemäß verwendet hätten. Das ist eine bittere Geschichte und hat uns finanziell ziemlich in die Bredouille gebracht. Aber wie gesagt: Es ist Geschichte!

    Auf Ihrer Agenda stehen auch immer wieder die damals zwangsweise in die Psychiatrie Eingewiesenen und die behinderten Heimopfer. Was bewegt Ihr Verein und Sie zu dieser Unterstützung der beiden Gruppen?

    Dafür gibt es verschiedene Gründe.
    1. Es leuchtet mir nicht wirklich ein, wieso überhaupt so ein Unterschied zwischen psychiatrisierten, behinderten und „anderen“ Heimopfern gemacht wird. In meinem Weltbild sind alle Menschen nämlich gleich. Punkt.
    2. Natürlich ist mir klar, dass – wenn schon ein Gefälle – dieses deutlich zugunsten von Heimkindern mit Behinderungen ausfallen müsste, da diese noch ausgelieferter sind und ihr Lebensaufwand im Alter mit Sicherheit höher liegt, als der von Nicht-Behinderten.
    3. Aus den beiden Punkten ergibt sich, dass das, was da geschehen ist bzw. immer noch geschieht, ein schreiendes Ungerecht ist, unserer Verfassung zuwider läuft und einfach entsetzlich beschämend ist.

    Ich habe bislang mit keinem einzigen Vereinsmitglied gesprochen, der oder die das anders sieht.

    Um den VEH werden viele Geheimnisse gesponnen. Weil nicht alle dem VEH grün sind. Verraten Sie uns beispielsweise die ungefähre Mitgliederzahl? Die "Freie Arbeitsgruppe JHH 2006" besteht aus 9 Mitgliedern.

    Ich kann Ihnen gern die genaue Mitgliederzahl nennen, die ist nämlich überhaupt kein Geheimnis. Der Verein hat zur Zeit 428 Mitglieder, von denen 352 aktiv sind. 2016 haben wir 13 neue Mitglieder begrüßen können, wir hatten einen Todesfall und keine Austritte.

    Was hat der VEH falsch gemacht; würde er heute so nicht mehr tun?

    Dazu kann ich Ihnen natürlich nur meine ganz private Meinung sagen... Ich glaube, der Verein war immer ein Stückchen zu brav, zu sehr auf Wohlverhalten bedacht. Manchmal kommt man mit einer gehörigen Portion Provokation weiter – erregt zumindest mehr Aufmerksamkeit. Das muss man natürlich immer genau abwägen, um nicht abzurutschen... Aber da sehe ich bei uns keine wirkliche Gefahr.

    Ihre Meinungsdarstellung ist sehr klar und direkt. Machen Sie sich dadurch Feinde? Überwiegt die Zahl der Sympathisanten?

    Nun ja. Ich liebe Sprache und bin der Überzeugung, dass dieses Instrument dazu dienen sollte, Klarheit zu schaffen. Sicher gibt es Leute, die mir nicht gerade wohl gesonnen sind, die sich brüskiert fühlen durch mich. Wäre das nicht der Fall würde ich fast denken, ich hätte etwas falsch gemacht. Es gab allerdings ein paar Vorfälle, die mir auch sehr nahe gegangen sind. Da wurde ich so ziemlich eklig quer durch das Internet verleumdet und verunglimpft. Aber im Allgemeinen würde ich schon sagen, dass die Zahl der SympathisantInnen überwiegt. Obwohl – vielleicht wünsche ich mir das auch nur, denn natürlich kenne ich weder alle negativen noch alle positiven Meinungen über mich.

    Anlässlich der Verleihung des Hans-Ehrenberg-Preises an die damalige Vorsitzende des „Runden Tisches Heimerziehung“, Antje Vollmer [am 22.11.2011], haben Sie auch demonstriert. Was haben Sie erreicht? Kamen die Demonstranten zu Wort und in welcher Form?

    Ich fand das eine richtig gute Aktion. Natürlich haben wir nicht erreicht, dass Frau Vollmer der Preis nicht zugestanden bekam, aber wir haben uns sehr deutlich bemerkbar gemacht und ließen uns auch nicht vertreiben aus der Kirche – obwohl dem verantwortlichen Pastor das wohl sehr Recht gewesen wäre.

    Zu Wort kamen wir einmal sehr laut, sehr mutig, sehr ausdrucksstark dadurch, dass ein Vereinsmitglied sich vor der Bühne, vor Frau Vollmer aufbaute und den Anwesenden sehr deutlich machte, was „Heim“ und das Leben mit all den Demütigungen, Schmerzen, Narben eigentlich heißt. Sie erzählte ihre eigene Geschichte und man hätte eine Stecknadel zu Boden fallen hören können, so still wurde es in dem großen Raum. Ich glaube nicht, dass auch nur eineR der BesucherInnen unberührt blieb.

    Nach der Veranstaltung verschwand Frau Vollmer durch einen Hinterausgang und die Demonstrierenden blieben noch lange und diskutierten lebhaft mit den BesucherInnen.

    Ihr Eindruck über Ingrid Matthäus-Meier?

    Ich fand es eindrucksvoll, dass Frau Matthäus-Meier sich auf der von uns organisierten Pressekonferenz (der Gegenpresseveranstaltung zu der von A. Vollmer zur Veröffentlichung des Abschlussberichtes „Runder Tisch Heimerziehung“ einberufenen) sehr deutlich auf unsere Seite geschlagen hat. Leider war mit dieser einen Veranstaltung [am 14.12.2010] der Kontakt zu ihr dann auch beendet. Ich bin mir nicht sicher, ob es an uns lag und daran, dass wir unfähig waren, ihr Interesse an uns und unserer Arbeit wach zu halten oder doch an ihrem Mangel an Interesse oder vielleicht einfach an ihrer Arbeitsüberlastung.

    Wie schätzen Sie die Arbeit von Antje Vollmer ein?

    Frau Vollmer war genau die richtige Frau am richtigen Platz. Sie hatte von allem etwas: Als ehemalige [Bundestags]Vizepräsidentin hatte sie den Respekt auch der konservativen Parteien, als Grüne hat sie die einzigen aus der Politik, die sich für die Heimerziehung explizit interessiert hatten, neutralisiert und als Theologin war sie auch für die Kirchen die richtige Ansprechpartnerin.

    Sie hat es verstanden, den Runden Tisch Heimerziehung zu einer Veranstaltung zu machen, in der es im Prinzip um zwei Dinge ging:

    1. Gesicht wahren

    2. Geld sparen.

    Das hat sie hervorragend geschafft. Dass das für uns als Heimkinder ein Schlag ins Wasser war, hat sie wissentlich angestrebt oder doch zumindest billigend in Kauf genommen. Denn natürlich war es nicht ihre Aufgabe, unsere Bedürfnisse zu befriedigen, sondern die der anderen Parteien.

    Ihre Meinung über den „Runden Tisch Heimerziehung“.

    Es wurde sehr schnell deutlich, dass der Runde Tisch Heimerziehung ein riesiger Betrug an ehemaligen Heimkindern war. Das kann man an verschiedenen Punkten ganz deutlich sehen:
    1. Die Ehemaligen waren in deutlicher Minderheit den anderen TeilnehmerInnen gegenüber;
    2. Es wurde ihnen verwehrt, eine eigene anwaltliche Vertretung bzw. Beratung dabei zu haben;
    3. psychische, physische und sexuelle Gewalt in den Heimen waren für den RTH weder systematisch noch systembedingt, sie kamen einfach häufig vor, waren irgendwie bedauerlich aber auch erklärlich (zu wenig überlastetes Personal, schlechte Zeiten im allgemeinen, autoritärer Erziehungsstil etc. pp);
    4. das Thema „Zwangsarbeit“ wurde in „Zwang zur Arbeit“ mit pädagogischem Hintergrund umdefiniert;
    5. sexuelle Gewalt (oder „Missbrauch“, wie das lieber genannt wird) wurden kaum beachtet und bei erster Gelegenheit an den RT Sexueller Missbrauch verwiesen;
    6. Arzneimittelmissbrauch wurde kaum diskutiert und auch im Abschlussbericht lediglich lapidar mit ein paar Sätzen und einigen Konjunktiven bedacht.

    Das schlug sich dann auch nieder in den Geldern, die die Überlebenden deutscher Heimerziehung beantragen konnten: 10.000 Euro Sachleistungen (was die meisten der Ehemaligen, die ich gesprochen und beraten habe, als kaum zumutbare Demütigung empfanden!) und einer Einmalzahlung von 300 Euro pro gearbeiteten Monat nach dem vollendeten 14. und bis zum 21. Lebensjahr als Rentenersatzleistung.

    Nicht berücksichtigt wurden hierbei die unterschlagenen Löhne und besonders auch die Kinderarbeit. Auch nicht berücksichtigt wurden die Zeiten, die in den Heimen nach 1975 gearbeitet wurde. Und: diejenigen, die Gelder aus dem Fonds Heimerziehung erhalten hatten, haben keinen Anspruch mehr auf Geld aus dem Fonds Sexueller Kindesmissbrauch. Für ehemalige Heimkinder gilt also: Vergewaltigt wurde in den Heimen nicht.

    Dass sich jetzt für die psychiatrisierten und behinderten Heimkinder ein noch schlechteres Bild ergibt, liegt genau mit an der Arbeitsweise des Runden Tisch Heimerziehung!

    Wieviel Zeit verbringen Sie jeweils mit dem Vereinsleben und mit Ihrer Familie?

    Meine Familie wohnt nicht in Deutschland, somit beschränkt sich meine Zeit mit ihr auf Telefonate, Skypegespräche und die Sommerferien meiner Enkelin. Das ist zeitmäßig recht beschränkt.

    Die Vereinsarbeit verläuft in Wellen – während der Zeit des RTH und besonders der Zeit der Antragstellung konnte es schon leicht passieren, dass ich 10 Stunden oder auch mehr am Tag für den Verein eingespannt war. Das hat sich jetzt beruhigt. Ich würde schätzen, dass ich täglich 5 – 7 Stunden am Rechner und am Telefon für den Verein tätig bin.

    Eine Antriebsfeder für das eigene Engagement ist laut Aussage eines Interviewpartners seine Tochter, die dem Vater vorhält: Wer macht es denn sonst? Woher beziehen Sie Kraft für Ihre ehrenamtliche Vereinsarbeit?

    Ich habe trotz eines recht miesen Einstiegs in mein Leben viel Glück gehabt! Ich habe einen Mann geheiratet, mit dem ich raus aus diesem Land kam – die Ehe hat nicht sonderlich lange gedauert, aber ich habe weite Teile der USA kennengelernt und wir haben uns schließlich freundschaftlich getrennt und - ich habe einen tollen Sohn mitgebracht. Nach einigen Umwegen, einer weiteren Sprache und weiteren Kindern bin ich schließlich zurück nach Deutschland gekommen, habe hier schnell Anschluss gefunden, mein Abi nachgemacht und studiert. Das hat mir zwar keine Reichtümer eingebracht aber doch viel Wissen und Können, dass ich nur allzu gerne mit anderen teile. Ich glaube, dass ist mein größter Antrieb: Ich will das, was ich mir aneignen konnte, mit anderen teilen, die dieses Glück nicht hatten.

    Kraft schöpfe ich beim Radfahren oder Spazierengehen mit den Hunden. Ich genieße das sehr und und liebe es zum Beispiel, die Nacht durchzuarbeiten und dann beim ersten Morgenlicht mit dem Hund rauszugehen und den unglaublichen Lärm wahrzunehmen, den die Vögel im Frühjahr machen. Das bringt mich immer wieder zum Lachen. Außerdem habe ich einen großen und interessanten Freundeskreis.

    Wie denken Sie heute über Erziehungsheime angesichts zunehmender, maßloser, grundloser und oft brutalster Gewalt in der Öffentlichkeit? Sollten neue geschaffen werden?

    Geschlossene Heime sind einfach nur falsch! Es gibt sicherlich manchmal Gründe, ein Kind aus dem Elternhaus zu nehmen – in der Regel aber sollte eher den Familien qualifiziert geholfen werden, in denen Probleme herrschen.

    Kinder werden weder maßlos noch gewalttätig geboren, sie werden, wenn überhaupt dazu gemacht. Und da muss angesetzt werden, nicht bei dem ohnehin schwächsten Glied, dem Kind.

    Hinzu kommt, dass ich wirklich nicht sicher bin, ob das mit der Gewalt auf der Straße wirklich stimmt. Was wohl stimmt, ist dass wir durch die Medien und die praktisch ständige Vernetzung viel mehr davon mitbekommen.

    Haben Sie durch Ihre Arbeit Freunde gewonnen? Sind Sie für andere ein Feind?

    Ich habe eine Reihe von Freunden gewonnen. So würde ich inzwischen die Mitglieder des Vorstandes durchaus zu meinen Freunden zählen. Aber auch anderen Vereinsmitgliedern fühle ich mich freundschaftlich verbunden.

    Bin ich für andere Feind? Ich denke, das bin ich. Und ich hoffe, dass bin ich!

    Was sollte ich Sie noch fragen? Was können Sie im Rahmen dieses Interviews der Leserschaft vermitteln? Stellen Sie sich ggfls. die Frage selbst und antworten Sie bitte darauf.

    Am liebsten den Text eines meiner (vielen) Lieblingslieder von Ton, Steine, Scherben teilen:

    Ich war oft am Ende, fertig und allein.
    Alles, was ich gehört hab, war: "Lass es sein!
    So viel Kraft hast du nicht, so viel kannst du nicht geben.
    Geh den Weg, den alle geh'n, du hast nur ein Leben."

    Doch ich will diesen Weg zu Ende geh'n,
    und ich weiß, wir werden die Sonne seh'n!
    Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten.

    Manchmal bin ich kalt und schwer wie ein Sack mit Steinen.

    Kann nicht lachen und auch nicht weinen.
    Seh' keine Sonne, seh' keine Sterne,
    und das Land, das wir suchen, liegt in weiter Ferne.

    Doch wir werden diesen Weg zu Ende geh'n,

    und ich weiß, wir werden die Sonne sehn!
    Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten.

    (1975)


    Danke für dieses Interview!

    .

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 04.10.16, 12:13  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Mit Bezug auf Berichte und Aussagen ausgehend vom Evangelischen Pressedienst veröffentlichte das Hamburger Abendblatt schon vor 12 Monaten einen aufschlussreichen Artikel zu diesem Thema, eine Veröffentlichung die weiterhin hier festghalten ist: www.abendblatt.de/region/niedersachsen/article205793077/Wurden-Medikamente-an-Bremer-Heimkindern-getestet.html?service=mobile

    Zitat:
    .
    24.9.2015

    BREMEN/DÜSSELDORF

    [ Symbolfoto ]

    Symbolfoto-Beschriftung: In westdeutschen Erziehungsheimen hätten anscheinend verschiedene Firmen flächendeckend Medikamente wie Psychopharmaka ausprobiert, sagt die Doktorandin Sylvia Wagner (Symbolfoto)

    Wurden Medikamente an Bremer Heimkindern getestet?

    Düsseldorfer Forscherin [
    Silvia Wagner] untersucht Vorgänge in den 50er bis 70er Jahren. Spur führt zu ehemaligen Rotenburger Anstalten in Bremen.

    Bremen/Düsseldorf. –
    Nach dem Krieg waren Bewohner geschlossener Heime in Deutschland offenbar Opfer von Medikamentenmissbrauch und pharmazeutischen Versuchsreihen.

    Indizien und einen Präzedenzfall hat die Düsseldorfer Doktorandin Sylvia Wagner (51) in den ehemaligen Rotenburger Anstalten bei Bremen gefunden. In westdeutschen Erziehungsheimen hätten anscheinend verschiedene Firmen flächendeckend Medikamente wie Psychopharmaka ausprobiert, sagte Wagner am Donnerstag in Rotenburg. Mit der Forschung dazu stehe sie noch "ganz am Anfang", das Thema sei schwierig und brisant.

    Wagner recherchiert zurzeit in den jetzigen
    Rotenburger Werken der Inneren Mission [ d.h. im Verbund der Diakonie - MM ] für eine Dissertation zum Thema "Medikamenteneinsatz in Erziehungseinrichtungen der BRD in den 1950er bis 1970er Jahren". Die Arbeit soll bis Anfang 2017 im Fachbereich Geschichte der Pharmazie an der Universität Düsseldorf vorliegen. Die Werke seien kooperativ und hätten selbst ein Interesse an der Aufarbeitung. Es sei gut, dass es hier überhaupt Akten gäbe: "Das ist oft nicht der Fall."

    Den Opfern sind Wagner zufolge oft verschiedene Pharmazeutika gleichzeitig in häufig viel zu hoher Dosierung verabreicht worden. Die Werke seien in dieser Hinsicht aber nur eine Einrichtung unter vielen. "Das hat größere Dimensionen."

    Die Wissenschaftlerin ist über einen ehemaligen Bewohner auf die diakonische Einrichtung aufmerksam geworden, in der heute knapp 1.600 Beschäftigte etwa 1.130 Bewohner begleiten. Der heute 56-Jährige war elf Jahre in den Rotenburger Anstalten für geistig behinderte Menschen, obwohl er gar nicht behindert war. "Wegen familiärer Probleme, meine Eltern waren ja nicht verheiratet, ich war ein uneheliches Kind, hielt man es für nötig, mich in einem Heim unterzubringen", sagte er dem Deutschlandfunk.

    Unter dem Medikamentenmissbrauch und der damals ihm gegenüber ausgeübten auch sexuellen Gewalt leide er bis heute, sagte der Mann, der mittlerweile in Berlin lebt. Die Erlebnisse in den Rotenburger Anstalten seien ihm "in den Knochen steckengeblieben, das werde ich auch mit in mein Grab nehmen".

    Forschungsteam soll Vorwürfen ehemaliger Bremer Heimkinder nachgehen


    Zeitgleich zu den Recherchen von Wagner will ab November ein dreiköpfiges Forschungsteam Vorwürfen ehemaliger Rotenburger Heimkinder nachgehen, die von zum Teil massiven Gewalterfahrungen berichten. Das solle durch Aktenstudium und Interviews geschehen, erläuterte der Bielefelder Historiker Karsten Wilke. Die Studie soll dann im Sommer 2017 vorliegen.

    Die historische Aufarbeitung liege der Einrichtung sehr am Herzen, sagte die Vorstandsvorsitzende der Rotenburger Werke, Jutta Wendland-Park. Nur so könnten Gegenwart und Zukunft gut gestaltet werden. "Wir bitten alle um Entschuldigung, die Leid und Unrecht erfahren haben", fügte die leitende Theologin hinzu. "Wir sind beschämt und werden alles tun, um das aufzuarbeiten." Das müsse jetzt geschehen, um die Zeitzeugen zu hören. Es gebe jetzt Fragen, "die wir vor ein paar Jahren noch nicht hatten".

    (epd) [ Der
    Evangelische Pressedienst (epd) ist eine unabhängig arbeitende Nachrichtenagentur, die von der evangelischen Kirche getragen wird. - MM ]

    .

Siehe diesbezüglich auch den aufschlussreichen Artikel in der ROTENBURGER RUNDSCHAU vom 26. September 2015, betitelt »Illegale Medikamententests?« @ www.rotenburger-rundschau.de/lokales/rotenburg-wuemme/rotenburger-werke-arbeiten-duestere-seite-der-geschichte-auf-von-dennis-bartz-113730.html
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 08.10.16, 01:08  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Siehe eine weitere diesbezügliche Stellungnahme von dem Evangelischen Pfarrer i.R. Dierk Schäfer, Diplom-Pädagoge und Diplom-Psychologe, in seinem Blog, Dierk Schaefers Blog vom Mi. 05.10.2016, um 18:47 Uhr (MEZ/CET) für die er folgende zutreffende Überschrift gewählt hat »Es geht nicht um das Ob von Medikamentenversuchen an Kindern und Jugendlichen, denn daran besteht kein Zweifel. Es geht um das Ausmaß – und das soll verheerend sein.« @ dierkschaefer.wordpress.com/2016/10/05/es-geht-nicht-um-das-ob-von-medikamentenversuchen-an-kindern-und-jugendlichen-denn-daran-besteht-kein-zweifel-es-geht-um-das-ausmass-und-das-soll-verhehrend-sein/#comments

    Zitat:
    .
    Es geht nicht um das Ob von Medikamentenversuchen an Kindern und Jugendlichen, denn daran besteht kein Zweifel. Es geht um das Ausmaß – und das soll verheerend sein.
    by dierkschaefer

    [ Weiterverbreitung des Ganzen erlaubt und ausdrücklich erwünscht! ]

    Sich darüber empören? Wer hat noch die Kraft dazu?
    Also listen wir ganz nüchtern auf: Berichte von ehemaligen Heimkindern über verabreichte Medikamente zur Ruhigstellung gab es schon lange, auch zu Zeiten des Runden Tisches [Heimerziehung] unter der betrügerischen Moderation von Frau Vollmer. Doch der ging es eher um den Schutz der Kassen von Staat, Kirchen und Auftraggebern für Kinderarbeit. Sie hätte ja einen Forschungsauftrag geben können, um auch diese Hintergründe zu erhellen. Gibt es nun eine neue Runde für den Runden Tisch? Keine Angst, hier gibt niemand eine Runde aus. Man gibt sich „beschämt“
    1 und entschuldigt sich2 – ja, wie üblich, reinigt man sich selbst von Schuld. Das wars aber noch nicht ganz, denn man bietet großzügig Hilfe an – und lässt die eigene Geldbörse zu: „Wir wollen allen Bewohnern der ehemaligen Rotenburger Anstalten helfen, ihre berechtigten Ansprüche bei der Stiftung Anerkennung und Hilfe geltend zu machen.“ Auch solche billigen Zusagen sind den Lesern dieses Blogs bekannt.

    Sich darüber empören? Wer hat noch die Kraft dazu? Es ist nur die nächste Runde in einem Spiel mit gezinkten Karten.


    1 Alle Zitate aus: www.rotenburger-rundschau.de/lokales/rotenburg-wuemme/rotenburger-werke-arbeiten-duestere-seite-der-geschichte-auf-von-dennis-bartz-113730.html

    Es gibt noch einen Link zum Vorfall, doch der ist kostenpflichtig: www.abendblatt.de/region/niedersachsen/article205793077/Wurden-Medikamente-an-Bremer-Heimkindern-getestet.html Das Geld kann man sich sparen, gibt ja ohnehin nichts Neues.

    2 „Der christliche Anspruch und die Wirklichkeit klafften damals weit auseinander. Ich entschuldige mich bei allen Bewohnern für das Leid und das Unrecht, das ihnen angetan wurde.“

    .

Und dann, am folgenden Tag, Do. 06.10.2016, um 18:47 Uhr (MEZ/CET), äußert sich Werner Bösen in Dierk Schaefers Blog @ dierkschaefer.wordpress.com/2016/10/05/es-geht-nicht-um-das-ob-von-medikamentenversuchen-an-kindern-und-jugendlichen-denn-daran-besteht-kein-zweifel-es-geht-um-das-ausmass-und-das-soll-verhehrend-sein/#comment-7662 ebenso wie folgt dazu.

    Zitat:
    .
    Werner Bösen sagte, am 6. Oktober 2016 um 12:05 Uhr (MEZ/CET)

    [ Weiterverbreitung des Ganzen erlaubt und ausdrücklich erwünscht! ]

    Was nutzt Empörung wenn Kinderrechte fehlen? Sie verhallt wie das Echo in den Bergen.

    Unser Staat, der sich kraft Artikel 6 Grundgesetz bemächtigt, im Zweifelsfall die Elternrolle durch bürokratische Institutionen wie Kinderheime und Jugendämter wahrnehmen zu lassen, scheitert im Sinne des Rechts eines Kindes auf dauerhafte Bezugspersonen. Wie der Verstand so ist auch die Liebe ein lebenslanger Reifungsprozess, der persönliche Bindungen dauerhaft braucht. Eine staatliche Institution schafft keine dauerhaften persönliche Bindungen und ist auch kraft der berufsmäßigen Ausrichtung von Erziehern und Bürokraten nicht gewollt.

    So wird sich auch an Medikamentenverabreichungen an Kindern zwecks Ruhigstellung nichts ändern, ist ja auch nur zum Wohl des Kindes, einem Kindeswohl verordnet von Staats wegen. Für mich als ehemaliges Heimkind ist der Begriff Kindeswohl eine Perfidie zum Kinderrecht, d.h. der Staat nutzt mit dem Begriff Kindeswohl mein kindliches Vertrauen aus zur Erlangung eines Vorteils. Da passen Medikamentenstudien an Heimkindern, denn der Staat erhält an einer Minderheit (Heimkinder sind eine Minderheit im Vergleich zur Gesamtpopulation der Kinder) den Vorteil Experimente machen zu können, von denen die Kindermehrheit profitieren kann. Das Heimkind kapiert es sowieso nicht und wenn es als Erwachsener dahinterkommt ist alles verjährt. Deutschland bleibt Entwicklungsland und wird es aus eigener Kraft kaum schaffen. Es braucht den Anstoß von draußen, wie den Vereinten Nationen, die Kinderrechte bereits 1959 formuliert haben. Deutschland schaffte es die UN-Kinderrechtskonvention 1989 zu ratifizieren, doch ziert sich weiterhin, das Grundgesetz anzupassen.

    .

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 11.10.16, 16:22  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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    Zitat:
    .
    NDR.de - Schleswig Holstein
    Stand: 11.10.2016 05:00 Uhr - Lesezeit: ca.6 Min.


    Medikamenten-Studien mit Schleswiger Heimkindern

    [ @ www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Medikamenten-Studien-mit-Schleswiger-Heimkindern,heimkinder168.html ]

    von Eike Lüthje, Stefan Eilts [ siehe sein Profil @
    www.ndr.de/wellenord/wir_ueber_uns/eilts150.html ], ConstantinGill [ siehe sein Profil @ www.ndr.de/wellenord/wir_ueber_uns/gill124.html ]

    Wie sehr sich Franz Wagle überwinden muss, an diesen Ort zurückzukehren, zeigt sich erst später. Sein rauer Humor, seine körperliche Präsenz lassen ihn - trotz Gehstocks - selbstsicher wirken. Wagle war ein Heimkind, hat viele Einrichtungen erlebt. Auch im früheren Landeskrankenhaus Schleswig war er mehrmals. Nach 37 Jahren betritt er das Grundstück zum ersten Mal wieder. Zwischen den Backsteinbauten und Grünflächen kommen die Erinnerungen hoch: Säfte und Tabletten habe er bekommen, ohne sich krank zu fühlen. "Du bist festgehalten worden, Nase zugehalten, Tablette rein", sagt Wagle. Die Wirkung der Tabletten? Er sei "nicht mehr Herr seiner Sinne" gewesen und habe nicht gewusst, welcher Tag gerade war. Auch an EEG-Untersuchungen und Spritzen erinnert er sich. Später an diesem Tag wird er sagen, ihm hätten sich bei seinem Besuch in Schleswig die Nackenhaare aufgestellt.

    [Fotos zeigen Franz Wagle – heute und damals]

    Was ihm in Schleswig damals passiert sein könnte, hat Wagle erst Jahrzehnte später, im Gespräch mit anderen ehemaligen Heimkindern, einordnen können. Sie berichteten teilweise von ähnlichen Erlebnissen. Der Verdacht kam auf: War Wagle in Schleswig Teil von medizinischen Versuchsreihen?


    50 Versuchsreihen in ganz Deutschland

    Für seinen konkreten Fall lässt sich das bislang nicht sicher belegen. Dass es medizinische Studien in Heimen und auch in Schleswig gegeben hat, bestätigt nun aber erstmals eine wissenschaftliche Untersuchung. Die Krefelder Pharmazeutin Sylvia Wagner hat umfangreich Archive und historische Fachzeitschriften ausgewertet, in denen die Mediziner damals ihre Ergebnisse publizierten.

    In einem Fachartikel hat Wagner nun erste
    Ergebnisse veröffentlicht [ siehe @ duepublico.uni-duisburg-essen.de/servlets/DerivateServlet/Derivate-42079/04_Wagner_Heime.pdf ]. Insgesamt hat sie bundesweit Belege für etwa 50 Versuchsreihen gefunden, die bis in die 70er-Jahre in deutschen Heimen durchgeführt wurden. Auf Grundlage dieser Ergebnisse hofft sie, Zugang zu weiteren Archiven zu bekommen.

    Zwei der rund 50 Studien lassen sich ins Landeskrankenhaus Schleswig zurückverfolgen. In der jugendpsychiatrischen Abteilung erprobte damals ein mittlerweile verstorbener Arzt zwei Medikamente. 1966 berichtete er in einer Fachzeitschrift von seinen Erfahrungen mit "Haloperidol". Das Medikament gibt es bis heute. Es wird bei Psychosen und schizophrenen Syndromen eingesetzt, zum Beispiel wirkt es gegen Wahnvorstellungen oder Halluzinationen. Das Medikament war seit 1958 auf dem Markt.


    Versuche mit Psychopharmaka in Schleswig

    In Schleswig startete der Mediziner einen Versuch mit 65 Kindern und Jugendlichen ab drei Jahren, bei denen "Zustände geistig-seelischer Behinderung im Sinne des Schwachsinns" festgestellt worden waren. Er wolle untersuchen, ob Haloperidol auch bei "psychomotorischen Erregungen" seiner Patienten eine Wirkung habe, hielt der Arzt in seiner damaligen Publikation fest. Offenbar sollte die sedierende, stark beruhigende Wirkung des Stoffes erforscht werden. Das Ergebnis der Studie: Der Wirkstoff helfe vor allem gegen "psychische Erregungszustände mit Neigung zu Aggressionen und Selbstbeschädigung" und auch bei "exzessiver Masturbation." auch bei "exzessiver Masturbation."

    In einer zweiten Versuchsreihe testete der gleiche Mediziner 1969 den Wirkstoff Encephabol, der eine Leistungssteigerung des Gehirns bei "antriebsarmen Kindern (...) mit Hirnschäden" bewirken sollte. Das Mittel wird bis heute bei Demenzerkrankungen oder Konzentrationsstörungen eingesetzt. In Schleswig bekamen gleich 300 "geistig-seelisch entwicklungsbehinderte" Kinder den Wirkstoff als Saft verabreicht. Die Ergebnisse interpretierte der Mediziner positiv: Das Intelligenzniveau sei in günstigen Fällen um bis zu zehn Prozent angehoben worden.


    ZITATE AUS DEN FACHAUFSATZEN ZU DEN VERSUCHSREIHEN [ingesamt fünf Auszüge aus diesen damaligen Schriftsätzen werden hier wiedergegeben! – der erste Auszug lautet:]
    "Bei diesem Versuch (mit Haloperidol, d.Red.), dem bisher 65 Heranwachsende im Alter von 3-18 Jahren unterzogen wurden, die mehr oder weniger ausgeprägte Zustände geistig-seelischer Behinderung im Sinne des Schwachsinns zu erkennen gaben, stellten wir uns folgende Fragen:"
    [
    für alle weiteren Auszüge siehe das ORIGINAL]

    Für die Forscherin Sylvia Wagner ist das Vorgehen des Arztes in Schleswig bedenklich. Vor allem zwei Zitate aus dessen Studien stoßen ihr auf. So schreibt der Mediziner in einer Studie, er wolle klären, ob das Mittel toxische Eigenschaften hat. Und bei der anderen Testreihe geht es ihm auch darum, "die Grenzen der Medikation" sowie eventuelle Nebenwirkungen kennenzulernen. "Das sind ganz klare Versuchsbedingungen", interpretiert Wagner die schriftlichen Schilderungen des Arztes: "Es wurden EEG-Untersuchungen gemacht, es wurden Blutbildkontrollen gemacht, die Leberwerte wurden untersucht, Harnwerte bestimmt. Das sind ganz klar keine therapeutischen Maßnahmen, sondern Versuchsbedingungen."

    Auch für Professor Philipp Osten, Medizin-Ethiker am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf, waren die damaligen Patienten "Probanden eines Pharmaversuches." Zwar sei Encephabol als Wirkstoff eher unproblematisch - den Einsatz des stark sedierenden Haloperidols sieht er aber kritisch. Leider seien solche Mittel in Heimen damals nicht ungewöhnlich gewesen.


    Rechtliche Bewertung ist schwierig

    Wie aber sind die Versuchsreihen rechtlich zu bewerten? Diese Frage lässt sich mit den bisher bekannten Fakten nicht eindeutig klären. Ein gesetzliches Zulassungsverfahren für Medikamente gab es damals noch nicht. Allerdings weist Medizin-Ethiker Osten auf berufsständische Regeln wie den "Nürnberger Kodex" hin, der auch damals medizinische Versuche verbot, wenn keine Einwilligung der Betroffenen vorlag. Hinweise auf eine solche Einwilligung durch Eltern oder gesetzliche Vertreter der Kinder hat die Pharmazeutin Wagner für die Schleswiger Fälle bislang jedenfalls nicht gefunden. Der "Runde Tisch Heimerziehung", der in Berlin die Geschichte der deutschen Kinderheime aufgearbeitet hat, hatte keine Kenntnisse von solchen Versuchsreihen. Er hielt aber fest: Sollte es entsprechende Tests gegeben haben, könne das eine schwere Körperverletzung darstellen. Die Fälle wären aber heute verjährt.

    Sozialministerium will Aufarbeitung vorantreiben

    Der Verein der Heimkinder in Schleswig-Holstein fordert nun, die Geschehnisse aufzuklären und aufzuarbeiten. Unterstützung bekommen die Mitglieder von Wolfgang Dudda. Der Abgeordnete der Piratenpartei hat einen Antrag in den Landtag eingebracht und fordert darin auch eine Entschädigung: "Was den Heimkindern in Schleswig angetan worden ist, ist moralisch und ethisch so entsetzlich, dass sich alleine daraus schon eine Bringschuld für eine Wiedergutmachung durch das Land ergibt."

    Im Kieler Sozialministerium kennt man die Schilderungen der ehemaligen Heimkinder. Allerdings seien die entsprechenden Akten in Schleswig nicht mehr vorhanden, so Staatssekretärin Anette Langner. Welche Heimkinder konkret welche Mittel bekommen haben, lasse sich nicht nachvollziehen. Das Ministerium setze sich aber für eine wissenschaftliche Aufarbeitung ein. Und ab 2017 können Betroffene Gelder aus einem Entschädigungs-Fonds beantragen. Im Maximalfall erhalten sie 9.000 Euro und außerdem eine Renten-Ersatzleistung von bis zu 5.000 Euro.

    .

Das Ganze kannn man sich auch in einem dazugehörenden Interview anhören (Länge: 3 Min. 4 Sek.), zu dem es in folgendem einleitenden Text heißt:

    Zitat:
    .
    Heimkinder berichten: Medizin gab es zwangsweise

    NDR 1 Welle Nord - Guten Morgen Schleswig-Holstein - 11.10.2016 06:40 Uhr

    In den 50er bis 70er-Jahren sind in Schleswig Psychopharmaka an Heimkindern getestet worden. NDR Redakteur Stefan Eilts hat in dem Fall recherchiert. Er spricht darüber mit Moderator Jan Bastick.


    Schleswig-Holstein Magazin

    Mehr zu diesem Thema erfahren Sie heute Abend ab 19.30 Uhr im Schleswig-Holstein Magazin.

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Martin MITCHELL
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New PostErstellt: 13.10.16, 12:30  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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    Zitat:
    .
    RTL - RTL interactive GmbH

    Medikamenten-Tests mit Heimkindern in den 1960er Jahren

    11.10.2016 | 22:35 Uhr

    Kinder als Versuchsobjekte?

    Ein Arzt soll in der Jugendpsychiatrie Schleswig in den 60er Jahren Medikamenten-Tests vorgenommen haben. Eine Forscherin fand Belege für bundesweit gut 50 Versuchsreihen. Das Land will die Fälle aus dem Norden nun aufarbeiten lassen.

    @
    rtlnext.rtl.de/cms/medikamenten-tests-mit-heimkindern-in-den-1960er-jahren-4019865.html

    .


    Zitat:
    .
    WELT - N24

    HAMBURG & SCHLESWIG-HOLSTEIN

    Medikamenten-Tests mit Schleswiger Heimkindern

    Stand: 11.10.2016

    Schleswig (dpa/lno) - An Heimkindern des damaligen Landeskrankenhauses in Schleswig sind laut einer Studie der Pharmazeutin Sylvia Wagner in den 1960er Jahren Medikamente getestet worden. Es sei «klar erkennbar, dass das Versuche waren», sagte die Wissenschaftlerin NDR 1 Welle Nord. Sie hat für ihre Untersuchung Archive und historische Fachzeitschriften ausgewertet und Belege für bundesweit etwa 50 Versuchsreihen gefunden.

    @
    www.welt.de/regionales/hamburg/article158679639/Medikamenten-Tests-mit-Schleswiger-Heimkindern.html

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 16.10.16, 08:41  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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    Zitat:
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    NDR.de - Schleswig Holstein
    Stand: 11.10.2016 16:01 Uhr - Lesezeit: ca. 3 Min.


    Medikamentenstudie an Schleswiger Heimkindern; Ruf nach Aufkärung

    [ @ www.ndr.de/nachrichten/schleswig-holstein/Medikamentenstudie-an-Heimkindern-Ruf-nach-Aufklaerung,heimkinder192.html ]

    von Constantin Gill [ siehe sein Profil @
    www.ndr.de/wellenord/wir_ueber_uns/gill124.html ]

    Warum ist das Unrecht bis heute nicht aufgeklärt? Wer ist verantwortlich? Wurde auch nach damaligen Kriterien gegen moralische Maßstäbe verstoßen? Das sind nur einige Fragen, die sich aufdrängen. CDU und FDP fordern [
    zumindest in Schleswig-Holstein] nach den NDR Berichten über Medikamententests an Heimkindern im ehemaligen Landeskrankenhaus Schleswig eine umfassende und transparente Aufklärung. Wolfgang Dudda von den Piraten findet, dass das Land eine moralische Verantwortung hat. Und fordert eine Entschädigung für die betroffenen Heimkinder.

    Betroffene sollen von Fonds profitieren

    Das Land [Schleswig-Holstein] stellt bereits eine Unterstützung in Aussicht: Der bestehende Fonds für Heimkinder soll laut Sozialstaatssekretärin Anette Langner für diejenigen geöffnet werden, die in Kinder- und Jugendpsychiatrien und in Behindertenheimen untergebracht waren – und dort Leid erfahren haben. Für Schleswig-Holstein wird eine Anlaufstelle beim Landesamt für soziale Dienste in Neumünster eingerichtet. Betroffene sollen einmalig bis zu 9.000 Euro und ebenfalls einmalig bis zu 5.000 Euro Rentenersatzleistungen bekommen können.

    Eckhard Kowalke, Vorsitzender des Vereins der ehemaligen Heimkinder in Schleswig-Holstein, nennt das einen "Witz." Damit gebe man sich nicht zufrieden. "Da sind Leute, die für ihr Leben beschädigt worden sind", sagt Kowalke. Er fordert neue Gespräche – und eine Aufarbeitung der Vorfälle.

    Aufarbeitung geplant

    Auch das Land ist an mehr Transparenz interessiert: Laut Staatssekretärin Langner soll es eine "systematische wissenschaftliche Aufarbeitung" geben. Es sei ein Signal für die Betroffenen, dass das, was sie erlebt hätten, auch zur Kenntnis genommen wird.

    Medizinethiker verurteilen die damaligen Studien aus Schleswig. Professor Phillip Osten vom Institut für Geschichte und Ethik der Medizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf sieht eine "flächendeckende Anwendung von Haloperidol" im Schleswiger Krankenhaus durch die Untersuchung belegt. Das sei zur dieser Zeit leider nicht ungewöhnlich gewesen, so Osten. Dem Arzt gesteht er immerhin zu, selbst Zweifel am Sinn der Behandlung geäußert zu haben. "Hoch problematisch" findet Osten jedoch, dass der Arzt in einem anderen Test die Wirkung von Encephabol mithilfe von Blutabnahmen überprüfte – für eine Behandlung sei das nicht nötig gewesen. Für Osten ist klar: "Die Patienten dienten als Probanden eines Pharmaversuchs."


    Medizinethiker: Hochproblematische Studien

    Dieses Vorgehen ist aus Sicht von Professorin Alena Buyx besonders deshalb problematisch, weil es sich um Kinder und Jugendliche handelte. Die Medizinethikerin von der Uni Kiel verweist darauf, dass diese Gruppe besonders schützenswert ist – zumal es um Kinder mit psychischen Problemen – und um Heimkinder ging: "Eine Gruppe, bei der wir heute extrem vorsichtig wären, Forschung zu betreiben. Und wir würden das ausschließlich dann tun, wenn sichergestellt ist, dass das einen direkten Nutzen für diese Kinder hätte. Und dass es ihnen so wenig wie möglich schadet." Alena Buyx fordert, aus solchen Fällen zu lernen – und es heute besser zu machen.

    Aus der Vergangenheit lernen. Das erhofft sich auch Sylvia Wagner. Die Pharmazeutin aus Krefeld hatte mit ihren Untersuchungen das Thema angestoßen. "Viele Kinder bekommen wieder Psychopharmaka, Ritalin zum Beispiel. Ich wünsche mir, dass man da eher andere Maßnahmen ergreift." Und auch die Diskussion um Versuche mit Demenzkranken findet Wagner vor diesem Hintergrund "erschreckend."

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Alles in Zusammenhang mit der (jetzt schon gelaufenen) in vorherigen Beiträgen erwähnten NDR.de - Schleswig Holstein Magazin Sendung vom 11.10.2016 um 19:30 Uhr.
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Martin MITCHELL
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New PostErstellt: 17.10.16, 22:16  Betreff:  DOKU: Österreich. Kinder in der Obhut perverser Erwachsenen.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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WORTWÖRTLICHE UND WEITMÖGLICHSTE WEITERVERBREITUNG NICHT NUR ERLAUBT, SONDERN AUCH AUSDRÜCKLICH ERWÜNSCHT! – MIT GENEHMIGUNG DES „VEREIN BETROFFENE KIRCHLICHER GEWALT“!

Österreichischer Dokumentarfilm: "DIE KINDER LASSEN GRÜßEN"

"DIE KINDER", die hier gemeint sind, sind österreichische „Ehemalige Heimkinder“ und andere „Minderjährige“ institutionalisiert! in der „Obhut“ perverser Erwachsenen.


    Zitat:
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    "DIE KINDER LASSEN GRÜßEN"

    [ Bekanntgebung @
    die-kinder-lassen-gruessen.at/ ]


    SIE WAREN MINISTRANTEN, SCHÜLER, SCHUTZBEFOHLENE, HEIMKINDER, UND WURDEN VON PRIESTERN UND NONNEN SEXUELL, EMOTIONAL UND KÖRPERLICH MISSHANDELT.

    „Die Machthaber wollten sich partout aus ihrer Verantwortung schleichen.“ (Joe Auer)

    Ein Dokumentarfilm von Patricia Marchart

    Begleitet von der Kamera suchen die Betroffenen die Tatorte von damals auf, viele machen ihre Geschichten erstmals öffentlich, auch ihre Familien erfahren zum ersten Mal von diesem verschwiegenen Schmerz. Ein beklemmender Einblick in das wohl größte Verbrechen der Nachkriegszeit. Der nicht aufgearbeitete Missbrauch bleibt ein Trauma quer durch die Gesellschaft, ermöglicht durch ein Milieu der Unterdrückung und der Gottesfürchtigkeit. Eine Anklage, die sprachlos macht, aber auch Hoffnung.

    [ Bekanntgebung @
    die-kinder-lassen-gruessen.at/premiere/ ]

    Premiere

    Donnerstag, 10. November 2016
    Urania Kino Wien Uraniastraße 1, 1010 Wien
    Filmstart: 20:15 Uhr (Länge 130min)
    Eintritt: € 10,-

    Empfang ab 19:00 Uhr im Foyer
    Anschließend besteht die Möglichkeit für Interviews mit der Regiseurin und Betroffenen

    Kartenreservierung [ Bestellung-Formular ]

    Wir haben freie Platzwahl. Die reservierte Tickets sind bis 30 Minuten vor Vorstellungsbeginn an der Abendkassa abzuholen, andernfalls verfällt die Reservierung!

    Name

    E-mail

    Anzahl Karten

    Abschicken

    [ Trailer @
    die-kinder-lassen-gruessen.at/#trailer (Länge: 2 Min. und 39 Sek.) ]

    [ Bekanntgebung des Impressums @
    die-kinder-lassen-gruessen.at/impressum/ ]

    Impressum

    Verein Betroffene kirchlicher Gewalt
    Verein, ZVR- Zahl: 1939 38 160
    Halbgasse 7, 1070 Wien

    betroffen.at - Plattform Betroffener kirchlicher Gewalt @ www.betroffen.at

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 18.10.16, 08:30  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Der Verein ehemaliger Heimkinder e.V. (in dem ich selbst aktives Mitglied bin) informiert Betroffene auf seiner Webseite @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1888 . Wer selbst persönliches Wissen was dieses Thema betrifft hat, sollte dies unbedingt kund tun.

    Zitat:
    .
    Medikamente 6: Versuche in Heimen auch in NRW

    Medikamentenversuche an Heimkindern auch in NRW

    Von Carolyn Wißing

    Mehr als 50 Medikamentenversuche an Kindern wurden in deutschen Heimen in den Fünfziger- bis Siebzigerjahren durchgeführt. Dafür hat die Krefelder Pharmazeutin Sylvia Wagner Belege gefunden. Auch in Heimen in NRW hat es Testreihen gegeben – teils auf Anordnung der Politik.

    [ Ein Foto zeigt die Krefelder Pharmazeutin Silvia Wagner ]

    Was Sylvia Wagner bei Recherchen im Rahmen ihrer Doktorarbeit herausgefunden hat, klingt unglaublich: Hunderte, wenn nicht sogar Tausende Kinder und Jugendliche in Heimen und Psychiatrien sollen zwischen 1950 und 1975 Opfer von Medikamententests geworden sein. Die Pharmazeutin untersuchte systematisch medizinische Fachzeitschriften aus dieser Zeit. Darin berichten Mediziner ganz offen von den Präparaten, die den Heimkindern versuchsweise verabreicht wurden, und den Wirkungen. „Ein Unrechtsbewusstsein scheint es damals nicht gegeben zu haben“, sagt Sylvia Wagner.


    Impfstoffe und Psychopharmaka mit gefährlichen Nebenwirkungen

    Bei den Medikamenten handelte es sich um Impfstoffe etwa gegen Kinderlähmung sowie Psychopharmaka und Neuroleptika, die normalerweise bei der Behandlung von schweren psychischen Störungen wie Wahnvorstellungen oder Schizophrenie verabreicht werden.„Es ist höchst unwahrscheinlich, dass all die Kinder, die die Medikamente bekamen, unter so massiven Störungen gelitten haben“, sagt Sylvia Wagner. Viel wahrscheinlicher kam es bei den Versuchen auf die sedierende Wirkung der Medikamente an. Die Kinder und Jugendlichen sollten ruhiggestellt werden.

    Die Opfer litten damals als Kinder unter den Medikamentenversuchen und tun dies heute als Erwachsene in den meisten Fällen wohl immer noch. „Wenn solche Mittel immer wieder über einen langen Zeitraum verabreicht werden, entstehen langfristige Schäden“, erklärt Sylvia Wagner. Entwicklungsstörungen, Hirnschäden und psychische Leiden sind nur einige mögliche Effekte. Wahrscheinlich aber wissen viele der Opfer nicht einmal, dass sie in der Kindheit als Versuchssubjekte missbraucht wurden – weil sie sich nicht erinnern können oder ihnen gegenüber falsche Aussagen gemacht wurden. Sylvia Wagner hat bisher in keinem Fall Belege für die Einwilligung oder Zustimmung von Elternbzw. Erziehungsbevollmächtigten für die Versuche gefunden.


    Mindestens vier Heime in NRW

    [ Foto: Blick auf ein Gebäude der Jugendpsychiatrie in Viersen-Süchteln | Die Kinder- und Jugendpsychiatrie in Viersen-Süchteln ]

    Sylvia Wagner ist unter anderem auf einen Fachartikel von 1972 über eine Versuchsreihe in der Jugendpsychiatrie Viersen-Süchteln gestoßen. Dort bekamen etwa 30 Kinder im Alter von 12 und 13 Jahren das Neuroleptikum „Dipiperon“ als Saft verabreicht – angeblich um erhöhte Aggressivität aufgrund von Hirnschädigungen zu behandeln. Zur Verfügung gestellt wurde das Präparat damals vom Pharmahersteller Janssen – heute mit Sitz in Neuss. Das Unternehmen übernahm laut dem Artikel auch die statistische Auswertung der Versuchsdaten.

    Der WDR hat bei Janssen nachgefragt, inwieweit heute Kenntnis über diese Versuche besteht und wie das Unternehmen sich zu Medikamententests an Heimkindern positioniert. Schriftlich teilte Janssen mit, dass man bei einer Recherche in den Unternehmensarchiven keine Informationen dazu habe finden können. „Wir nehmen dieses Thema sehr ernst und werden weitere Recherchen veranlassen, die uns eine abschließende Bewertung ermöglichen werden.“


    Auftrag vom Bund und Unterstützung vom Land?

    In einem weiteren Heim – vermutlich ein Waisenheim in Düsseldorf – sind laut eines Fachartikels von 1954 mehr als 50 Kinder unter zwei Jahren mit einem Pockenimpfstoff behandelt worden. Im Anschluss führten Ärzte bei einigen der Kinder mehrfach schmerzhafte Knochenmarksuntersuchungen durch, um dabei festzustellen, dass das Knochenmark durch die Impfung geschädigt worden war.

    Der Blick auf die Initiatoren dieses Versuches schockiert: Auftraggeber war das Bundesgesundheitsamt. „Materielle Unterstützung“ kam darüber hinaus vom Ministerium für Arbeit, Soziales und Wiederaufbau des Landes NRW. Die Zuständigkeiten liegen heute anders. Auch ein Arzneimittelprüfgesetz in heutiger Form gab es seinerzeit nicht. Der WDR hat das Bundesgesundheitsministerium und das Landesgesundheitsministerium gefragt, ob sie dieser Vergangenheit der Behörden nachgehen werden. Eine Antwort zur Sache steht bisher noch aus.


    Aufklärung, Entschuldigung und Entschädigung

    Der Landschaftsverband Rheinland (LVR) ist mit dem dort angegliederten Landesjugendamt zuständig für die Aufsicht über Heime und Jugendhilfeeinrichtungen. Auf Nachfrage versicherte man hier, dass der LVR seit mehr als 10 Jahren die Lebensverhältnisse ehemaliger Heimkinder aufarbeite. Politik und Verwaltung des LVR seien sich einig, „dass den ehemaligen Heimkindern Gerechtigkeit widerfahren muss“. Im Jahr 2014 sei ein Forschungsprojekt in Auftrag gegeben worden, das auch auf die Medikamentenvergabe blicke. „Diese wird allerdings nicht für alle früheren Kinder- und Jugendpsychiatrischen Abteilungen erfolgen, sondern exemplarisch.“

    Eine sorgfältige Aufarbeitung müsste allerdings wirklich alle Fälle berücksichtigen. Nur so können die Opfer von damals identifiziert werden. Ihnen stehen Entschuldigungen zu genauso wie eine genaue Aufklärung darüber, was damals geschehen ist. Und auch nur, wenn es gesicherte Informationen und Beweise für die Medikamententests gibt, haben die Opfer eine Chance auf Entschädigung.

    .

Siehe auch das YouTube-Video zu diesem Thema »Medikamententests in Heimen« @ www.youtube.com/watch?v=QpTYLyTu_-I&feature=youtu.be (Länge; 12 Min. und 3 Sek.)
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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 20.10.16, 06:54  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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    Zitat:
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    ARD1 - 1 Das Erste

    Fakt exklusiv | 18.10.2016

    [ @
    www.mdr.de/fakt/fakt-medikamenteversuche-merck-100.html ]


    Medikamentenversuche an Heimkindern

    FAKT - Di. 18.10.2016, um 21:45 Uhr - 08:27 Min.

    Video der Sendung @ www.ardmediathek.de/tv/FAKT/Medikamentenversuche-an-Heimkindern/Das-Erste/Video?bcastId=310854&documentId=38402270 [verfügbar bis 18.10.2017]
    Ende der 1950er-Jahre wurden Medikamentenversuche an Kindern in einem Essener Heim durchgeführt. Dabei wurde ihnen das Neuroleptikum Decentan verabreicht.


    Mit Medikamenten der Pharmafirma Merck sind in einem westdeutschen Heim Ende der 1950er-Jahre Medikamentenversuche an Kindern durchgeführt worden. Das ergaben Recherchen des ARD-Magazins FAKT, die auf den Einschätzungen des Medikamentenexperten Gerd Glaeske und des Historikers Uwe Kaminsky fußen. Vor allem die überproportional hohen Dosierungen sprechen gegen eine therapeutische Anwendung und für Versuche an Kindern.

    Demnach erhielten 28 Kinder im Franz Sales Haus in Essen das sogenannte Medikament T-57. Die Abkürzung steht für das hochwirksame Neuroleptikum Decentan aus einer klinischen Erprobungsphase. Das Medikament war seit Ende 1957 auf dem deutschen Markt. Die betroffenen Kinder waren laut einer Liste der Pharmafirma Merck aus dem Jahr 1958 zwischen 5 und 13 Jahre alt.

    Die Firma Merck wollte sich zu den Recherche-Ergebnissen nicht vor der Kamera äußern, stehe jedoch einer Aufarbeitung nicht im Wege. Die Heimleitung des Franz Sales Hauses reagierte geschockt auf die Archiv-Funde, aus denen auch hervorgeht, wie die Probanden auf die Medikamentenversuche reagierten. "Es ist total erschreckend. Da muss ich Ihnen also zweifelsohne Recht geben. Und das ist ungeheuerlich", sagte Direktor Günter Oelscher dem Magazin FAKT im Interview. Wenn man das so lese, sei es so, dass man das nicht glauben mag. Oelscher will den Fällen nachgehen und bietet den Geschädigten Gespräche an. Im Franz Sales Haus führte ein angestellter Arzt die Versuche durch. Nach der heutigen Gesetzeslage wären sie strengstens verboten, so Arzneimittelexperte Glaeske.

    Das Medikament Decentan ist laut Arzneimittel-Experten typischerweise bei Psychosen oder Schizophrenien eingesetzt worden. Missbräuchlich wurde es auch in der Psychiatrie zur Ruhigstellung von schwierigen Patienten genutzt. Die Dokumente zu den Medikamentenstudien im Franz Sales Haus hat die Doktorandin Silvia Wagner entdeckt, die zu diesem Thema forscht.

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 20.10.16, 06:58  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Hier stelle ich euch mal den Fragebogen zu der gerade erst (Ende 2015/Anfang 2016) begonnenen Studie über die »Medikamentenversuche an Heimkindern« ein; da findet sich auch die Adresse der dazu forschenden Doktorandin Frau Silvia Wagner.
Wir sollten alle nachfragen, denn mich beschleicht so das Gefühl, der Sumpf ist deutlich tiefer, als geahnt.


Fragebogen-Medikamente.pdf
heimkinder-forum.de/v4x/index.php/Attachment/27964-Fragebogen-Medikamente-pdf/ (63.61 KB)

Wer selbst persönliches Wissen was dieses Thema betrifft hat, sollte dies unbedingt kund tun.

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Martin MITCHELL
Gast
New PostErstellt: 23.10.16, 04:08  Betreff:  Medikamententests an Heimkindern in WESTDEUTSCHLAND.  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Der »Verein ehemaliger Heimkinder e.V.« (»VEH eV.«) auf seiner Vereinswebseite (Basis-URL www.veh-ev.eu ) zum Thema »Medikamentenmissbrauch in Heimen« / »Medikamentenversuche an Heimkindern« listet und dokumentiert, berichtet und informiert @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?s=Medikamente+1 :

Medikamente 1: ZDF-Frontal, Feb. 2016 (ca 02.02.2016) @ www.zdf.de/frontal-21/medikamententests-deutscher-pharmafirmen-in-kinderheimen-42014560.html

Medikamente 2: Studie „Medikamente in Heimen“ (ca September 2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/wp-content/uploads/2016/10/04_Wagner_Heime-1.pdf

Medikamente 3: Moralisch nicht zu rechtfertigen (ca 11.10.2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1837

Medikamente 4: Studien in Schleswig-Holstein (ca 11.10.2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1835

Medikamente 5: Ruf nach Aufklärung (ca 11.10.2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1833

Medikamente 6: Versuche in Heimen auch in NRW (ca 17.10.2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1888

Medikamente 7: Jahrelang als Versuchskaninchen (ca 19.10.2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1892

Medikamente 8: Versuchskaninchen auch in Schleswig-Holstein (ca 19.10.2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1897

Medikamente 9: Schreikrampf und gelähmte Zunge (ca 19.10.2016) @ www.veh-ev.eu/home/vehevinf/public_html/?page_id=1901

Medikamente 10: Medikamentenversuche beschäftigen die NRW-Politik (ca 19.10.2016) (kommt demnächst auch auf die Liste); jetzt erst einmal nur hier zu finden @ www1.wdr.de/nachrichten/reaktionen-medikamententests-heimkinder-100.html

„Außerdem sammeln wir auf unserem YouTube-Kanal alle Videoveröffentlichungen zum Thema.“
Siehe @
www.youtube.com/channel/UCKQem7K3SjUULD0Z_Kgdh9g

Und auch auf der Facebook-Seite des »Vereins ehemaliger Heimkinder e.V.« (»VEH eV.«) @ de-de.facebook.com/VEHeV kann man sich jederzeit bezüglich all diesen, und allen anderen Aspekten der »Ehemalige-Heimkinder-Thematik« auf dem laufenden halten.

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