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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 
Glückstadt: Schläge, Zwangsarbeit und Nazi-Uniformen

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Gast
New PostErstellt: 15.11.07, 01:49  Betreff: Glückstadt: Schläge, Zwangsarbeit und Nazi-Uniformen  drucken  Thema drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

14.11.2007 13:19 Uhr
Ehemaliges Jugendheim Glückstadt
Schläge, Zwangsarbeit und Nazi-Uniformen

Es war eines der berüchtigsten Jugendheime der Nachkriegszeit. Anhand neuer Akten wird nun der Skandal um das Heim Glückstadt in Schleswig-Holstein neu aufgerollt.
Heim Glückstadt; dpa
"Ich war ein Hippie, damit konnten sie nichts anfangen": Otto Behnck, ehemaliger Insasse der Landesfürsorgeanstalt Glückstadt, zeigt in Kiel seine Anstaltskleidung.
Foto: dpa


Otto Behnck schüttelt immer wieder seinen Kopf mit dem kurzen grauen Haar. "Falscher Film", "Das ist irre", "Kann sich heute keiner mehr vorstellen" - so lauten Satzfetzen, die aus ihm raussprudeln. Der heute 56-Jährige war 1970 als Jugendlicher Insasse der Landesfürsorgeanstalt in Glückstadt an der Elbe, einem der berüchtigtsten westdeutschen Jugendheime der Nachkriegszeit.

Verbrochen hatte Behnck nichts, er trug nur das Haar etwas zu lang und hatte Stress mit seinen Eltern. "Ich war Hippie, damit kamen sie nicht klar." Drei Monate lang knüpfte er im Heim in Glückstadt Fischernetze. Für 1000 Maschen gab es eine "Aktive", eine Zigarette. Ein anderer erhielt nach vier Jahren Arbeit in der Ziegelei 164 Mark. "Das war Zwangsarbeit", sagt Behnck. "Und die muss noch bezahlt werden."

Bis 1945 war das Gebäude Konzentrationslager für Arbeitshäftlinge. Fünf Jahre später wurden hier aufmüpfige Jugendliche und Straftäter staatlicher Obhut anvertraut - bis 1974. Später wurde der historisch belastete Komplex abgerissen. Schläge, unbezahlte Zwangsarbeit und Drillich-Anzüge im Stil von KZ-Uniformen - Glückstadt war nach den Berichten früherer Insassen kein Hort der Nächstenliebe.

Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) ist mittlerweile unter Druck geraten, das Thema aufarbeiten zu lassen. Medienberichte, Entschädigungsforderungen und 7000 im Staatsarchiv in Schleswig aufgetauchte Akten verleihen diesem bisher tabuisierten Justizskandal neue Brisanz.

Offensichtlich seien die Betroffenen erst jetzt in der Lage, über ihre Erfahrungen zu reden. "In Gesprächen mit sechs Betroffenen ist deutlich geworden, wie wichtig es ihnen ist, mit dem notwendigen zeitlichen Abstand über ihre traumatischen Erlebnisse zu sprechen“, sagte Trauernicht der Deutschen Presse-Agentur dpa.

Junge Menschen aus ganz Deutschland kamen kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur wegen Straftaten nach Glückstadt. In vielen Fällen beantragten überforderte Eltern im Einvernehmen mit dem Jugendamt staatliche Fürsorge. Ehemalige Insassen berichten von brutalen Übergriffen der Erzieher und von Selbstmorden. Sie fordern eine Bezahlung der dort geleisteten Arbeit. "Die Frage möglicher Entschädigungen wird vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages geprüft", sagte Trauernicht.

Die Ministerin will eine Aufarbeitung der Akten ermöglichen, dies wird 200.000 Euro kosten. Das Kieler Ministerium hat den Heimerziehungsforscher Prof. Christian Schrapper von der Universität Koblenz nun mit einer Analyse der Causa Glückstadt beauftragt. Er schätzt, dass in den fünfziger bis siebziger Jahren bis zu 70.000 Jugendliche pro Jahr in staatliche Fürsorge kamen.

Davon deutlich zu unterscheiden sind Hunderttausende Kinder und Jugendliche, die auf Grundlage des Jugendwohlfahrtsgesetzes zum Beispiel als Waisenkinder in Heimen lebten. "Glückstadt gehörte unter den Fürsorgeeinrichtungen sowohl vom Zustand als auch vom Personal her zu den am wenigsten guten Heimen", sagt Schrapper diplomatisch. Er hält die Berichte von Menschen wie Otto Behnck für authentisch.

Heim Glückstadt; dpa
vergrößern Ein Dokument eines Insassen des Heims in Glückstadt: Arbeitserziehungslager wird zum Landesfürsorgeheim; aus den Häftlingen machte man Zöglinge.
Foto: dpa


Behnck erzählt von Dingen wie diesen: Nach einem gescheiterten Fluchtversuch kam ein Erzieher nachts in sein Zimmer, zog die Decke weg und schrie "Du Hund! Du Hund!" Dabei schlug er mit einem Totschläger immer wieder zwischen die Beine des 19-Jährigen. Behnck war nach Glückstadt gebracht worden, weil sich seine Eltern nach einer Tramper-Reise nach Dänemark guten Glaubens an das Jugendamt gewandt hatten. Das Amtsgericht Ahrensburg ordnete "staatliche Fürsorge" an.

Die Polizei verhaftete Behnck in der elterlichen Wohnung, im Streifenwagen ging es nach Glückstadt 30 Kilometer westlich von Hamburg. "Es war alles so irreal, ich konnte es nicht glauben, ich war 19." Diese Maßnahme war möglich, weil in Westdeutschland ein junger Mensch bis in die siebziger Jahre erst mit 21 Jahren volljährig wurde. Weihnachten 1970 besuchten ihn plötzlich die Eltern. "Meine Mutter wurde kreidebleich wegen der Zustände." Die Eltern setzten vor Gericht durch, dass sie wieder die Fürsorge übertragen bekamen.

Im damaligen Verhalten der Erzieher und den Methoden sieht Behnck eine vielfältige Kontinuität zur Nazi-Zeit. Behnk verweist auf die Karteikarten der Häftlinge, die noch aus der NS-Zeit stammten. "Arbeitserziehungslager" wurde auf diesen Karten mit Bleistift durchgestrichen und mit "Landesfürsorgeheim" überschrieben. Als Grund der Einlieferung stand auf der Karte des mit 15 Jahren nach Glückstadt gekommenen Frank Leesemann: "Asozial, kriminell, kann sich
der Gesellschaft nicht anpassen." Er hatte ein Mofa gestohlen.

"Die Ideologie lebte weiter. Ducken und Ja sagen, als solche Menschen sollten wir Glückstadt verlassen", sagt Behnck, der heute auf Märkten Wollpullover aus Peru verkauft "oder was gerade gut läuft". Er spricht von Selbstmorden, die sich ereignet haben. Auch das mit dem Brechen und Kaputtmachen habe geklappt.

Er zählt Namen von Heimkumpels auf und beschreibt den Werdegang nach der Entlassung: "9 Jahre Knast, 17 Jahre Knast, 20 Jahre Knast". Der Boock war auch in Glückstadt, sagt Behnk. Er meint Peter-Jürgen Boock, den Terroristen
der Roten-Armee-Fraktion. "Da ist mächtig was schiefgelaufen."

"Wir müssen den ehemaligen Heimkindern nach der wissenschaftlichen Auswertung auch die Möglichkeit geben, ihre eigenen Akten zu lesen", sagte
Trauernicht. Anfang der siebziger Jahre hatte sich die 56-Jährige SPD-Politikerin auch selbst mit der Überwindung der autoritären Strukturen im staatlichen Erziehungswesen und mit den Heimrevolten befasst.

1969 ereignete sich auch in Glückstadt ein solcher Aufstand, als Insassen Matratzen und Betten aus Protest gegen die Zustände in Brand steckten. Trauernicht promovierte über diese Themen und schrieb als Mitautorin das Buch "Ausreißer und Trebegänger".

(dpa/cag/bavo)
http://www.sueddeutsche.de/panorama/artikel/88/142773/
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Gast
New PostErstellt: 17.11.07, 06:43  Betreff: Re: Glückstadt: Schläge, Zwangsarbeit und Nazi-Uniformen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Freitag, 16. November 2007
Jugendfürsorge in Glückstadt
Skandal wird aufgerollt

Otto Behnck schüttelt immer wieder den Kopf: "Falscher Film", "Das ist irre", "Kann sich heute keiner mehr vorstellen" - so lauten Satzfetzen, die aus ihm raussprudeln. Der heute 56-Jährige war 1970 als Jugendlicher Insasse der Landesfürsorgeanstalt in Glückstadt an der Elbe, einem der berüchtigtsten westdeutschen Jugendheime der Nachkriegszeit. Verbrochen hatte Behnck nichts, er trug nur damals das Haar etwas zu lang und hatte Stress mit seinen Eltern. Drei Monate lang knüpfte er im Heim in Glückstadt Fischernetze. Für 1000 Maschen gab es eine "Aktive", eine Zigarette. Ein Anderer erhielt nach vier Jahren Arbeit in der Ziegelei 164 Mark. "Das war Zwangsarbeit", sagt Behnck. "Und die muss noch bezahlt werden." Nun soll das Thema aufgerollt werden.

Bis 1945 war das Gebäude in Glückstadt Konzentrationslager für Arbeitshäftlinge. Fünf Jahre später wurden hier aufmüpfige Jugendliche und Straftäter staatlicher Obhut anvertraut - bis 1974. Später wurde der historisch belastete Komplex abgerissen. Schläge, unbezahlte Zwangsarbeit und Drillich-Anzüge im Stil von KZ-Uniformen - Glückstadt war nach den Berichten früherer Insassen kein Hort der Nächstenliebe.

Bundestag prüft Entschädigungsansprüche

Medienberichte, Entschädigungsforderungen und 7000 im Staatsarchiv in Schleswig aufgetauchte Akten verleihen diesem bisher tabuisierten Justizskandal neue Brisanz. Offensichtlich seien die Betroffenen erst jetzt in der Lage, über ihre Erfahrungen zu reden, sagt Schleswig-Holsteins Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD). Die Frage von Entschädigungszahlungen müsse vom Petitionsausschuss des Bundestages geprüft werden. Die Ministerin will aber eine Aufarbeitung der Akten ermöglichen, dies wird 200.000 Euro kosten.

Otto Behnck in Glückstadt.
Das Kieler Ministerium hat den Heimerziehungsforscher Prof. Christian Schrapper von der Universität Koblenz nun mit einer Analyse der Causa Glückstadt beauftragt. Er schätzt, dass in den 50er bis 70er Jahren bis zu 70.000 Jugendliche pro Jahr in staatliche Fürsorge kamen. Davon zu unterscheiden sind Hunderttausende Kinder und Jugendliche, die zum Beispiel als Waisenkinder in Heimen lebten. "Glückstadt gehörte unter den Fürsorgeeinrichtungen sowohl vom Zustand als auch vom Personal her zu den am wenigsten guten Heimen", sagt Schrapper diplomatisch. Er hält Berichte von Menschen wie Otto Behnck für authentisch.

Beschimpft und geprügelt

Behnck erzählt von Dingen wie diesen: Nach einem gescheiterten Fluchtversuch kam ein Erzieher nachts in sein Zimmer, zog die Decke weg und schrie "Du Hund! Du Hund!" Dabei schlug er mit einem Totschläger immer wieder zwischen die Beine des damals 19-Jährigen. Behnck war nach Glückstadt gebracht worden, weil sich seine Eltern guten Glaubens an das Jugendamt gewandt hatten. "Ich war Hippie, damit kamen sie nicht klar." Das Amtsgericht Ahrensburg ordnete "Staatliche Fürsorge" an.

Die Papiere eines Insassen der Landesfürsorgeanstalt
Die Polizei verhaftete Behnck in der elterlichen Wohnung, im Streifenwagen ging es nach Glückstadt, einer Kleinstadt 30 Kilometer westlich von Hamburg. "Es war alles so irreal, ich konnte es nicht glauben, ich war 19." Diese Maßnahme war möglich, weil in Westdeutschland ein junger Mensch bis in die 70er Jahre erst mit 21 Jahren volljährig wurde. Weihnachten 1970 besuchten ihn plötzlich die Eltern. "Meine Mutter wurde kreidebleich wegen der Zustände." Die Eltern setzten vor Gericht durch, dass sie wieder die Fürsorge übertragen bekamen.

Landesfürsorge ersetzt Arbeitslager

Im damaligen Verhalten der Erzieher und den Methoden sieht Behnck eine vielfältige Kontinuität zur Nazi-Zeit. So habe es Karteikarten gegeben, die noch aus der NS-Zeit stammten. Die Aufschrift "Arbeitserziehungslager" darauf wurde mit Bleistift durchgestrichen und mit "Landesfürsorgeheim" überschrieben. Als Grund der Einlieferung stand auf der Karte des mit 15 Jahren nach Glückstadt gekommenen Frank Leesemann: "Asozial, kriminell, kann sich der Gesellschaft nicht anpassen." Er hatte ein Mofa gestohlen.

"Die Ideologie lebte weiter. Ducken und Ja sagen, als solche Menschen sollten wir Glückstadt verlassen", sagt Behnck, der heute als Markthändler sein Geld verdient. Er spricht von Selbstmorden, die sich ereignet haben. Auch das mit dem Brechen und Kaputtmachen habe geklappt. Er zählt Namen von Heimkumpels auf und beschreibt den Werdegang nach der Entlassung: "9 Jahre Knast, 17 Jahre Knast, 20 Jahre Knast". Der Boock war auch in Glückstadt, sagt Behnk. Er meint Peter-Jürgen Boock, den Terroristen der Roten Armee-Fraktion. "Da ist mächtig was schiefgelaufen."

Von Georg Ismar, dpa
http://www.n-tv.de/880488.html
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Gast
New PostErstellt: 17.11.07, 06:53  Betreff: Re: Glückstadt: Schläge, Zwangsarbeit und Nazi-Uniformen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

Glückstadt Ehemalige Insassen sprechen von Justizskandal, fordern nachträgliche Bezahlung
Zwangsarbeit im Jugendheim?
Arbeitete die Anstalt mit Methoden "in Kontinuität zur Nazizeit"? Kiels Sozialministerin Trauernicht will den Fall jetzt aufarbeiten lassen.

Otto Behnck, ehemaliger Insasse der Landesfürsorgeanstalt Glückstadt, zeigt seine Anstaltskleidung. Der heute 56-Jährige hatte nichts verbrochen, nur sein Haar trug er etwas zu lang und hatte Stress mit seinen Eltern. Das Foto rechts zeigt Behnck als Jugendlichen in Glückstadt.

Otto Behnck, ehemaliger Insasse der Landesfürsorgeanstalt Glückstadt, zeigt seine Anstaltskleidung. Der heute 56-Jährige hatte nichts verbrochen, nur sein Haar trug er etwas zu lang und hatte Stress mit seinen Eltern. Das Foto rechts zeigt Behnck als Jugendlichen in Glückstadt. Foto: dpa

Glückstadt -

Otto Behnck schüttelt immer wieder seinen Kopf mit dem kurzen grauen Haar. "Falscher Film", "Das ist irre", "Kann sich heute keiner mehr vorstellen" - so lauten Satzfetzen, die aus ihm raussprudeln. Der heute 56-Jährige war 1970 als Jugendlicher Insasse der Landesfürsorgeanstalt in Glückstadt an der Elbe, eines der berüchtigtsten westdeutschen Jugendheime der Nachkriegszeit. Verbrochen hatte Behnck nichts, er trug nur das Haar etwas zu lang und hatte Stress mit seinen Eltern. Drei Monate lang knüpfte er im Heim in Glückstadt Fischernetze. Für 1000 Maschen gab es eine "Aktive", eine Zigarette. Ein anderer erhielt nach vier Jahren Arbeit in der Ziegelei 164 Mark. "Das war Zwangsarbeit", sagt Behnck. "Und die muss noch bezahlt werden." Nun soll das Thema aufgerollt werden.

Bis 1945 war das Gebäude Konzentrationslager für Arbeitshäftlinge. Fünf Jahre später wurden hier aufmüpfige Jugendliche und Straftäter staatlicher Obhut anvertraut - bis 1974. Später wurde der historisch belastete Komplex abgerissen. Schläge, unbezahlte Zwangsarbeit und Drillichanzüge im Stil von KZ-Uniformen - Glückstadt war nach den Berichten früherer Insassen kein Hort der Nächstenliebe.

Die schleswig-holsteinische Sozialministerin Gitta Trauernicht (SPD) ist mittlerweile unter Druck geraten, das Thema aufarbeiten zu lassen. Medienberichte, Entschädigungsforderungen und 7000 im Staatsarchiv in Schleswig aufgetauchte Akten verleihen diesem bisher tabuisierten Justizskandal neue Brisanz. Offensichtlich seien die Betroffenen erst jetzt in der Lage, über ihre Erfahrungen zu reden. Die Frage von Entschädigungszahlungen müsse vom Petitionsausschuss des Bundestages geprüft werden. Die Ministerin will eine Aufarbeitung der Akten ermöglichen, dies wird 200 000 Euro kosten.

Das Kieler Ministerium hat den Heimerziehungsforscher Professor Christian Schrapper von der Universität Koblenz nun mit einer Analyse der Causa Glückstadt beauftragt. Er schätzt, dass in den 50er- bis 70er-Jahren bis zu 70 000 Jugendliche pro Jahr in staatliche Fürsorge kamen. Davon deutlich zu unterscheiden sind Hunderttausende Kinder und Jugendliche, die auf Grundlage des Jugendwohlfahrtsgesetzes zum Beispiel als Waisenkinder in Heimen lebten. "Glückstadt gehörte unter den Fürsorgeeinrichtungen sowohl vom Zustand als auch vom Personal her zu den am wenigsten guten Heimen", sagt Schrapper diplomatisch. Er hält die Berichte von Menschen wie Otto Behnck für authentisch.

Behnck erzählt von Dingen wie diesen: Nach einem gescheiterten Fluchtversuch kam ein Erzieher nachts in sein Zimmer, zog die Decke weg und schrie: "Du Hund! Du Hund!" Dabei schlug er mit einem Totschläger immer wieder zwischen die Beine des 19-Jährigen. Behnck war nach Glückstadt gebracht worden, weil sich seine Eltern nach einer Tramper-Reise nach Dänemark guten Glaubens an das Jugendamt gewandt hatten. "Ich war Hippie, damit kamen sie nicht klar." Das Amtsgericht Ahrensburg ordnete "staatliche Fürsorge" an.

Die Polizei verhaftete Behnck in der elterlichen Wohnung, im Streifenwagen ging es nach Glückstadt 30 Kilometer westlich von Hamburg. "Es war alles so irreal, ich konnte es nicht glauben, ich war 19." Diese Maßnahme war möglich, weil in Westdeutschland ein junger Mensch bis in die 70er-Jahre erst mit 21 Jahren volljährig wurde. Weihnachten 1970 besuchten ihn die Eltern. "Meine Mutter wurde kreidebleich wegen der Zustände." Die Eltern setzten vor Gericht durch, dass sie wieder die Fürsorge für ihren Sohn übertragen bekamen.

http://www.abendblatt.de/daten/2007/11/16/816985.html
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Gast
New PostErstellt: 17.11.07, 07:07  Betreff: Re: Glückstadt: Schläge, Zwangsarbeit und Nazi-Uniformen  drucken  weiterempfehlen Antwort mit Zitat  

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Glückstadt Ehemalige Insassen sprechen von Justizskandal, fordern nachträgliche Bezahlung
Zwangsarbeit im Jugendheim?
Arbeitete die Anstalt mit Methoden "in Kontinuität zur Nazizeit"? Kiels Sozialministerin Trauernicht will den Fall jetzt aufarbeiten lassen.

Im damaligen Verhalten der Erzieher und den Methoden sieht Behnck eine vielfältige Kontinuität zur Nazi-Zeit. Behnck verweist auf die Karteikarten, die im Jugendheim benutzt wurden, die noch aus der NS-Zeit stammten. "Arbeitserziehungslager" wurde auf diesen Karten mit Bleistift durchgestrichen und mit "Landesfürsorgeheim" überschrieben. Als Grund der Einlieferung stand beispielsweise auf der Karte des mit 15 Jahren nach Glückstadt gekommenen Frank Leesemann: "Asozial, kriminell, kann sich der Gesellschaft nicht anpassen." Er hatte ein Mofa gestohlen.

"Die Ideologie lebte weiter. Ducken und Ja sagen, als solche Menschen sollten wir Glückstadt verlassen", sagt Behnck, der heute auf Märkten Wollpullover aus Peru verkauft "oder was gerade gut läuft". Er spricht von Selbstmorden, die sich ereignet haben. Auch das mit dem Brechen und Kaputtmachen habe geklappt. Er zählt Namen von Heimkumpels auf und beschreibt den Werdegang nach der Entlassung: "Neun Jahre Knast, 17 Jahre Knast, 20 Jahre Knast." Der Boock war auch in Glückstadt, sagt Behnck. Er meint Peter-Jürgen Boock, den Terroristen der Roten Armee Fraktion. "Da ist mächtig was schiefgelaufen."
dpa

erschienen am 16. November 2007
http://www.abendblatt.de/daten/2007/11/16/816985.html?s=2
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