HEILIGER, Anita (2003) Das sogenannte "PAS" und die Mißachtung des Kindeswillens. Neuer Boden für Vaterrechte, S. 229, in: HEILIGER, Anita; WISCHNEWSKI, Traudl (Hrsg.)(2003): Verrat am Kindeswohl. Erfahrungen von Müttern mit dem Sorg- und Umgangsrecht in hochstrittigen Fällen, München: Frauenoffensive
Neuer Boden für Vaterrechte
Im Zuge der Forderung nach mehr Vaterschaft zur Einlösung von Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern und zur Entwicklung egalitärer Geschlechterrollen seit den 80er Jahren hat sich die Rede von der Notwendigkeit des Vaters für das Kind immer stärker verallgemeinert. Diese Rede ist nicht ausreichend durch Forschung belegt worden, die bisher deutlich macht, daß eine positive Bedeutung des Vaters an Bedingungen geknüpft ist und als generalisierte, quasi biologisch begründete Behauptung falsch bleiben muß. Kenntnisse liegen u.a. aus der Alleinerziehendenforschung vor, daß Kinder keine ideologisch besetzten Vater- oder Mutterfiguren brauchen, sondern Menschen, die sich ihnen positiv und verläßlich emotional zuwenden und sie verantwortlich versorgen (vgl. Heiliger 1991, Emmerl 2000). Quer zur gesellschaftlichen Entwicklung formierte sich eine neue Vaterrechtsbewegung, die in wachsendem Maß und mit zunehmender Militanz (vgl. u.a. "radikale Väter") mehr Rechte am Kind (zurück-)fordert und die Debatte um väterliche Beteiligung am Erziehungsalltag aushebelt zugunsten eines feindseligen Kampfes gegen Mütter2.
Mit dem neuen Kindschaftsrecht, das die Rechte des Kindes auf Beziehung zu beiden Eltern stärken wollte, fühlen sich nun immer mehr Gerichte veranlaßt, die Rechte des Vaters zu vertreten: Wenn die Mutter dem Vater den Umgang mit dem Kind verweigert oder erschwert, Mutter und Kind zum Umgang mit dem Vater zu zwingen in der Annahme, daß "dies sowohl seinem Recht als Kindsvater als auch dem Wohl des Kindes entspricht"3. Dies geht u.U. so weit, die Mutter mit der Drohung unter Druck zu setzen, ihr könne das Sorgerecht entzogen und die Übersiedelung des Kindes zum Vater angeordnet werden, "auch wenn kaum eines der klassischen Sorgerechtskriterien in der Person des Vaters erfüllt ist"(Pötz-Neuburger 1999, S. 152). Das Recht auf Umgang des Vaters mit dem Kind scheint als grundsätzliche Linie ohne Rücksicht auf bestehende Konflikte und den Willen und den Schutz des Kindes, durchaus auch mit einer Umgangspflegschaft oder der letzten Konsequenz des Sorgerechtsentzugs für die Mutter durchgesetzt zu werden. "So werden die Umgangsrechte von Vätern selbst dann besonders betont, wenn Anlaß zur Besorgnis besteht" (Jakob 1998, S. 104).
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