HEILIGER, Anita (2003): Das sogenannte "PAS" und die Mißachtung des Kindeswillens. "PAS" als Pseudo-Theorie und die Vernachlässigung von Gewalterfahrungen. Carol S. Bruch: Schärf ste Kritik an "PAS" aus den USA, S. 239-240, in: HEILIGER, Anita; WISCHNEWSKI, Traudl (Hrsg.)(2003): Verrat am Kindeswohl. Erfahrungen von Müttern mit dem Sorge- und Umgangsrecht in hochstrittigen Fällen, München: Frauenoffensive
Carol S. Bruch: Schärfste Kritik an "PAS" aus den USA
In Deutschland hat sich die sogenannte PAS-Theorie auffällig verbreitet, unverständlich angesichts der Fragwürdigkeit der Theorie und des Schadens, der durch sie an Kindern angerichtet werden kann und oftmals bereits wurde. In den USA selbst, woher die Protagonisten die Theorie bezogen, ist dessen Erfinder Gardner stark umstritten bzw. wird seine Arbeit mittlerweile scharf kritisiert: "PAS als wissenschaftliche Theorie ist von berufenen Forschern des ganzen Landes auf das Schärfste kritisiert worden." (Keating, bei Bruch 2002, S. 1309) Es wird vor allem betont, daß es keine relevanten Forschungsergebnisse zu dieser Theorie gebe, die sie wissenschaftlich stützten.
Daß auch in den USA in Sorge- und Umgangsrechtsverfahren relativ häufig nach dieser Pseudo-Theorie (ebd.) gehandelt wird, bezeichnet Bruch als "zutiefst besorgniserregend" wegen des "weitgehenden Mangels an sorgfältigen Untersuchungen und des Mangels an wissenschaftlicher Genauigkeit, den diese Fachleute an den Tag legen" (Bruch 2002, S. 1305). Die Annahmen Gardners werden als falsch, übertrieben und Kinder eher schädigend bezeichnet: "Selbst bei extremen Fällen sind sich die... Wissenschaftler darin einig, daß die PAS-Theorie zu ungeeigneten und schädlichen Reaktionen auffordert, die das Problem eher verschärfen" (ebd., S. 1307).
Die Aufmerksamkeit der Pseudotheorie von Gardner werde von möglicherweise gefährlichem Verhalten des Elternteils, der Sorge- bzw. Umgangsrecht fordert, weg auf die das Kind versorgende und schützende Person verlagert. Der auch in Deutschland ja bereits nicht selten angeordnete Sorgerechtswechsel auf den beschuldigten Vater bringe Kinder in Gefahr, schon allein durch das Trauma, mit dem abrupten Wechsel die wichtigste Beziehungsperson zu verlieren, um so mehr bei Vorliegen von Gewalt: "So beschreiben Elterngruppen und eingehend recherchierte Presseberichte zahlreiche Fälle, in denen erstinstanzliche Gerichte das Sorgerecht für Kinder auf bereits einschlägig bekannte oder wahrscheinliche Mißbrauchstäter übertragen haben und den ursprünglich betreuenden Elternteilen der Kontakt mit den Kindern, die sie zu schützen versucht hatten, verweigert wurde" (ebd.). Solche Fälle gehen auch aus den Berichten von Frauen im Kontext des vorliegenden Buches hervor. Bruch appelliert daher an die Fachleute, statt dieses eher gefährlichen Vorgehens die Belastungen für Kinder zu reduzieren, ihre Ängste ernst zu nehmen und ihre emotionale Stabilität zu stärken (ebd., S. 13/4). Abschließend macht Bruch noch einmal unmißverständlich klar, was von der sogenannten PAS-Theorie zu halten ist: "PAS, wie es von
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Richard Gardner entwickelt und vorgelegt wurde, hat weder eine logisch konsistente noch eine wissenschaftlich erhärtete Grundier Es wird von verantwortungsvollen Sozialwissenschaftlern zurückgewiesen und verfügt weder in der psychologischen Theorie noch in der empirischen Forschung über ein stabiles Fundament" (ebd., S. 1315).