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Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen
Staatsterror durch staatliche Eingriffe in das Familienleben
Verletzung von Menschenrechten, Kinderrechten, Bürgerrechten durch Entscheiden und Handeln staatlicher Behörden im familienrechtlichen Bereich, in der Kinder- und Jugendhilfe, in der Familienhilfe unter anderem mit den Spezialgebieten Jugendamtsversagen und Jugendamtsterror
Fokus auf die innerdeutsche Situation, sowie auf Erfahrungen und Beobachtungen in Fällen internationaler Kindesentführung und grenzüberschreitender Sorgerechts- und Umgangsrechtskonflikten
Fokus auf andere Länder, andere Sitten, andere Situtationen
Fokus auf internationale Vergleiche bei Kompetenzen und Funktionalitäten von juristischen, sozialen und administrativen Behörden

"Spurensuche nach Jugendamtsterror und Familienrechtsverbrechen"
ist ein in assoziiertes Projekt zur
angewandten Feldforschung mit teilnehmender Beobachtung
"Systemkritik: Deutsche Justizverbrechen"
http://www.systemkritik.de/

 

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Autor Beitrag
Gast
New PostErstellt: 06.05.07, 10:28     Betreff: Re: Induzierte Umgangsverweigerung (PAS) Antwort mit Zitat  

Mit dem Rucksack nach Indien

Süddeutsche Zeitung

16. Februar 2002

Wie Baron Instetten die kleine Annie abrichtete;
Nur gedankenlose oder grausame Eltern wetteifern um die Zeit ihres Kindes - Neue Studien zum Entfremdungssyndrom;
Christine Brinck

Drei Jahre hatte Effie Briest ihre kleine Tochter Annie nicht gesehen; nervös freute sie sich auf die erste Begegnung mit ihrem einzigen Kind. Die Begegnung geriet nicht zur selig- rührenden Wiedervereinigung, sondern zur Katastrophe. Entnervt schickte die Mutter das Kind nach kurzer Zeit heim zu Kindermädchen und Mann. "So also sieht ein Wiedersehen aus", lässt Fontane seine Heldin krampfhaft lachend hervorstoßen. Dass ihr geschiedener Ehemann, Baron von Instetten, die drei Jahre nach der Scheidung gut genutzt hatte, Annie der Mutter komplett zu entfremden, damit hatte sie nicht gerechnet. Ihre Sehnsucht und Liebe waren ungebrochen, seitdem sie das Kind nach der Aufdeckung ihrer ehebrecherischen Beziehung zu Major Crampas an den Vater verloren hatte.

Das könnte heute nicht passieren. In Zeiten schuldfreier Scheidung und gemeinsamen Sorgerechts seien wir gegen die Willkür von sorgeberechtigten Elternteilen gefeit, glaubt der moderne Zeitgenosse. Falsch. Fontane schildert einen Fall, der sich zwar im späten 19. Jahrhundert zugetragen hat, doch solche Tragödien spielen sich trotz moderner Umgangsregelungen so oder ähnlich täglich ab. Auch heute werden Elternteile nach Trennung und Scheidung brutal ausgegrenzt und von den Kindern ferngehalten.

Scheiden tut sehr weh

Catherine L. zum Beispiel. Sie hat ihre zwei Söhne, die aus den Ferien beim Vater nicht zu ihr zurückkehrten, in sieben Jahren hauptsächlich nur bei Gericht gesehen. Umgangsrecht wird ihr verweigert. Begründung: Die Kinder wollen nicht. Dass die neun- und siebenjährigen Kinder schon wenige Wochen nach der Trennung nichts mehr von der Mutter, mit der sie vorher recht glücklich zusammenlebten, wissen wollten, hat Richter und Jugendamt nie verwundert.

Dies ist kein Einzelfall. Etwa ein Fünftel aller Scheidungen gelten als hochstrittig, und die Konflikte der ehemüden Partner werden oft auf dem Rücken der Kinder ausgetragen. Der betreuende Elternteil (meistens die Mutter) besteht auf der ausschließlichen Zuneigung der Kinder. Dazu muss freilich die Liebe zum anderen Elternteil zerstört werden. Die Mutter will den Ehemann (der Vater die Ehefrau) aus ihrem (seinem) Leben eliminieren, ergo soll auch das Kind den Vater (die Mutter) vertreiben. Dahinter steckt selten nur Gemeinheit, sondern meistens tiefe seelische Not. Entweder wird der Verlust des anderen als so existenziell empfunden, dass allein die Vorstellung, die Liebe der Kinder mit ihm teilen zu müssen, als unerträglich erscheint. Oder die Schuld am Scheitern der Ehe wird so einseitig dem anderen angelastet, dass aus dem unfähigen Partner automatisch auch der unfähige Elternteil wird.

Im Falle von Effie Briest war die Eliminierung der Mutter moralisch- gesellschaftlich sanktioniert. Sie hatte gefehlt, der Vater bekam das volle Sorgerecht. "Seine Erziehung geht dahin, das Kind von der Mutter fern zu halten", heißt es lapidar bei Fontane. Einmal darf Effie diese Ausgrenzung durchbrechen, aber vergebens. Der Grund, warum die Mutter das geliebte Kind so schnell wieder fortschickt, liegt an dessen vom Vater eingeübten Verhalten. Ehe er es zur Mutter schickt, richtet er es ab wie einen "Papagei und bringt ihm die Phrase bei ,wenn ich darf´".

Der kluge Fontane hat hier ein Syndrom beobachtet, das erst ein Jahrhundert später im Zeitalter der Massenscheidungen einen Namen bekam: PAS - Parental Alienation Syndrome, oder elterliches Entfremdungssyndrom. Richard A. Gardener, ein amerikanischer Kinderpsychiater, hat PAS 1984 zum ersten Mal beschrieben. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, beeinflusst das Kind gegen den abwesenden Elternteil. Begriffe wie Gehirnwäsche, Programmierung oder Manipulation werden ebenfalls für diesen Vorgang verwendet. Dass PAS so häufig vorkommt, liegt an der Psychodynamik der elterlichen Beziehung. Dass es aber zum radikalen Abbruch jeden Kontakts führt, liegt ironischerweise an Dritten - denjenigen, die professionell und von Staats wegen für das Kindeswohl zuständig sind: Familienrichter, Sozialarbeiter, Gutachter und Rechtsanwälte.

Diese machen sich allzu oft die subjektive Darstellung eines Elternteils zu eigen und werten dann, so die Freiburger Psychologin und Entfremdungsspezialistin Ursula Kodjoe, "folgerichtig den längst zerstörten Kindeswillen als Ausdruck emotionaler und rationaler Entscheidungsprozesse". Gerade weil die Scheidungsbegleiter so einseitig den Kindeswillen interpretieren, sind die entfremdeten Elternteile so hoffnungslos allein und hilflos. Jeder Monat, in dem sie ihre Kinder nicht sehen, vertieft die Ausgrenzung. Und Sanktionen gegen den entfremdenden Elternteil gibt es bei uns selten. Man scheut sich die "störrischen" Kinder zum Besuch zu zwingen. Das halten die Entfremdungsexperten für falsch.

So argumentiert Gardener in seinem gerade auf Deutsch erschienenen Buch "Das elterliche Entfremdungssyndrom: Anregungen für gerichtliche Sorge-und Umgangsregelungen" (VWB Verlag Berlin, 2002), dass Kinder, die unter dem PAS- Syndrom leiden, auf Anordnung des Gerichts bei dem entfremdeten Elternteil wohnen oder bei ihm Besuch machen sollten. Gardener beschreibt in seiner Studie 99 PAS-Fälle. Bei den 22, bei denen das Gericht seiner Empfehlung auf Sorgerechtsänderung oder Einschränkung des Kontakts mit dem entfremdenden Elternteil folgte, verbesserte sich die Symptomatik oder verschwand gar ganz. Wo die Empfehlungen missachtet wurden, verbesserte sich die Symptomatik der Kinder meistens nicht. Er vergleicht die Behandlung von PAS-Kindern mit der von Patienten, die in einer Sekte einer Gehirnwäsche unterzogen wurden. So wie der Kontakt zum Sektenführer eingeschränkt oder unterbunden werden muss, soll auch der Kontakt zum Entfremder reduziert werden. Für Familienrichter, Anwälte, Gutachter und Sozialarbeiter könnte diese Studie eine Quelle der Erleuchtung sein. "Nur grausame oder gedankenlose Eltern wetteifern um die Zeit, die Zuneigung und die Loyalität ihrer Kinder", schrieb 1988 Vance Packard.

Doppeltes Leid

Es scheint an grausamen und gedankenlosen Eltern kein Mangel zu herrschen. Ihnen und den Scheidungsprofis, die ihnen beistehen, wäre eine weitere Veröffentlichung nahe zu legen: "Eltern sägen ihr Kind entzwei - Trennungserfahrungen und Entfremdung von einemElternteil" von Siegried Bäuerle und Helgard Moll-Strobel(Auer-Verlag, Donauwörth). Die Autoren beleuchten das PAS-Feld aus juristischer, therapeutischer, sozialpädagogischer und soziologischer Sicht. Auch pädagogische Handlungsanweisungen und Interventionsmöglichkeiten fehlen in diesem nützlichen Handbuch nicht.

Das Leid, das durch Trennung und Scheidung vor allem über die Kinder kommt, ist Gegenstand zahlreicher Studien und Aufsätze. Dass die Entfremder freilich auch noch enormes Leid über den anderen Elternteil bringen, macht die Auseinandersetzung mit dem Entfremdungssyndrom um so dringlicher. "Es ist offensichtlich schmerzlicher und psychologisch vernichtender", schreibt Gardener am Ende seines Buchs, "ein Kind durch PAS zu verlieren als durch den Tod. Der Tod ist endgültig... das PAS-Kind aber noch am Leben, und es wohnt vielleicht sogar irgendwo in nächster Nähe." "Für manche entfremdete Eltern ist der ständige Schmerz eine Art lebender Tod des Herzens."

Fontanes Effie Briest starb an der Schwindsucht.

Bild: Das Kind wird hin- und hergezerrt und am Ende dem anderen Elternteil entzogen: In Fällen strittiger Scheidung gibt es nur Opfer. Foto: Cornelia Blomeyer


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