- weiterempfehlen
Hallo @ll
trotz Gerichtsbeschluss zum Wechselmodel
(Die Auffassung der Gutachter und die Stellungname zum Gutachten besagen folgendes:
„der Lebensmittelpunkt der Kinder bei der Mutter hat sich nicht bewährt. Es wird das Wechselmodel vorgeschlagen, sollte das Wechselmodel sich nicht bewähren ist der Lebensmittelpunkt der Kinder beim Vater Anzusiedeln.“
Dem schloss sich auch das Familiengericht an.)
sollen die Kids im zweifelsfall bei der Mutter gemeldet werden, klarer verfassungsbruch:
Das Verfassungsgericht urteilt in ständiger Rechtssprechung zugunsten der
Bürger, wenn der Bürger zum blossen Objekt staatlichen Handelns wird.
D.h. wird nur zur Erfüllung gesetzter Rechtsnormen staatliche Gewalt
ausgeübt mit der Folge, dass Familien drangsaliert werden ihre
Lebensverhältnisse konform zu den gesetzlichen Bestimmungen zu gestalten,
so ist dies verfassungswidrig. Ebenso verfassungswidrig ist es, wenn die
Lebensverhältnisse in einer Form interpretiert und verbogen werden, dass
sie in das vorgegebene staatliche Schema passen.
Weitere „minutiöse“ Angaben zur Sorgerechtsausgestaltung würden unseren verfassungsrechtlich geschützten Autonomiebereich der Familie verletzen und dürfen deshalb nicht gefordert werden.
Diesbezüglich verweisen wir auf die ständige Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichtes zur Elternautonomie und zum Schutz der Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes (vgl. Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes 2 BvR 231/00 )(GG Art. 2, 3 und 6 BGB 11 und 1626).
Auch wird hier das Einwohnermeldeamt zur Urkundenfälschung (Melderegister) aufgefordert, durch das Innenministerium!!!!!!!! Der Vater soll Diskriminiert werden!!!! Und Genötigt!!! von Amtswegen.
So nun hier die Auffassung des Innenministeriums (entsprechende Schritte sind bereits eingeleitet):
Sehr geehrter Herr Rxxxxx,
das Innenministerium Baden-Württemberg hat am 01.12.2004 mitgeteilt, dass bei mehreren Wohnungen die Feststellung einer dieser Wohnungen als Hauptwohnung nach § 17 Meldegesetz (MG) zwingend ist.
Bei Minderjährigen ist Hauptwohnung die vorwiegend benutzte Wohnung des Personen-sorgeberechtigten. Ist eine solche nicht feststellbar, weil das Kind/die Kinder bei beiden, in verschiedenen Wohnungen lebenden Elternteilen eine Wohnung hat, so ist die Hauptwohnung bei dem Elternteil, bei dem der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt. Für den höchst seltenen Fall, dass ein Schwerpunkt der Lebensbeziehungen eines minderjährigen Kindes nicht eindeutig feststellbar ist, hat die Meldebehörde darauf hinzuwirken, dass beide Elternteile einvernehmlich eine der von den Kindern bewohnte Wohnung als Hauptwohnung bestimmen. Sollte ein Einvernehmen zwischen den personensorgeberechtigten Eltern nicht herstellbar sein, müsste letztlich die Meldebehörde durch Verwaltungsakt die Hauptwohnung bestimmen und im Melderegister eintragen
Das Innenministerium Baden-Württemberg hat weiter mitgeteilt, dass es für unwahrscheinlich gehalten wird, dass beide Kinder sowohl beim Vater als auch bei der Mutter den Schwerpunkt der Lebensbeziehungen haben sollen.
Nach Auffassung des Innenministeriums Baden-Württemberg sind Ihre Angaben im Antrag vom 10.08.2004, insbesondere die Berufung auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 03.08.2004, nicht ausreichend für die Beurteilung, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt. Das Innenministerium Baden-Württemberg hat deshalb vorgeschlagen, beide Sorgeberechtigten konkret dazu zu hören. Sollte auch danach nicht zweifelsfrei beurteilt werden können, wo der Schwerpunkt der Lebensbeziehungen liegt, wäre nach Auffassung des Innenministeriums Baden-Württemberg der Hauptwohnsitz bis auf Weiteres bei der Mutter zu belassen.
Wir haben das Bürgermeisteramt Nürtingen am 06.12.2004 gebeten, entsprechend dem o.g. Erlass des Innenministeriums Baden-Württemberg vorzugehen und uns über den Ausgang des Verfahrens zu informieren.
Mit gleicher Post werden wir das Bürgermeisteramt Nürtingen nochmals entsprechend informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Sxxxxxx
Grüßle Thomas
Re: Wechselmodel- Verfassungsbruch durch das Innenministerium BW " 2 BvR 231/00
tfpmr,
24.01.05, 17:29
- drucken - weiterempfehlen
2 BvR 231/00 Seite 1 von 8
Zitierung: BVerfG, 2 BvR 231/00 vom 30.1.2002, Absatz-Nr. (1 -38), http://www.bverfg.de/
Frei für den privaten Gebrauch. Kommerzielle Nutzung nur mit Zustimmung des Gerichts.
BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
-2 BVR 231/00
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
- des Herrn S...,
- des Kindes K...
die Beschwerdeführerin zu 2. gesetzlich vertreten durch den Beschwerdeführer zu 1. und
Frau K..., ebenda,
-Bevollmächtigte: Rechtsanwältin Gudrun Weckmann-Lautsch und Koll.,
Bahnhofstraße 27, 73728 Esslingen
gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 1. Februar
2000 -4 G 64/00.A (1)
und Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung
hat die 2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Richter Sommer,
die Richterin Osterloh
und den Richter Di Fabio
gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung
der Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 30. Januar 2002
einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel vom 1. Februar 2000 -4 G 64/00.A (1)
verletzt Artikel 6 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 des Grundgesetzes. Er wird aufgehoben.
Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Kassel zurückverwiesen.
Das Land Hessen hat den Beschwerdeführern die notwendigen Auslagen für das
Verfassungsbeschwerde-Verfahren und das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung zu erstatten.
G r ü n d e :
A.
Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Frage aufenthaltsrechtlicher Schutzwirkungen
aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG zugunsten des mitsorgeberechtigten nichtehelichen Vaters
eines deutschen Kindes.
1
I.
1. Der 1970 geborene Beschwerdeführer zu 1. ist türkischer Staatsangehöriger
kurdischer Volkszugehörigkeit. Er ist der nichteheliche Vater der im Januar 1997
geborenen Beschwerdeführerin zu 2., die ebenso wie ihre Mutter deutsche
Staatsangehörige ist. Der Beschwerdeführer zu 1. reiste erstmals im Februar 1989 in die
Bundesrepublik Deutschland ein und betrieb erfolglos ein Asylverfahren und ein
Asylfolgeverfahren. Nach mehreren vergeblichen Abschiebungsversuchen wurde er im
November 1996 festgenommen und in die Türkei abgeschoben.
2 BvR 231/00 Seite 2 von 8
2. Im April und Juli 1997 erhielt die Ausländerbehörde mehrere -teilweise anonyme
Hinweise darauf, dass sich der Beschwerdeführer zu 1. wieder in der Bundesrepublik
Deutschland befinde und bei seiner deutschen Freundin und der mittlerweile geborenen
gemeinsamen Tochter, der Beschwerdeführerin zu 2., aufhalte. Verschiedene
Kontrollbesuche verliefen jedoch ergebnislos. Nachdem der Beschwerdeführer zu 1. im
November 1997 einen Asylfolgeantrag gestellt hatte, der nach Durchführung eines
weiteren Asylverfahrens bestandskräftig abgelehnt wurde, tauchte er erneut unter und
wurde zur Fahndung ausgeschrieben.
3. Im Mai 1999 stellte der Beschwerdeführer zu 1. einen Antrag auf Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung zum Zwecke der Mitbetreuung seiner Tochter. Im Juli 1999
gaben er und die Mutter der Beschwerdeführerin zu 2. vor dem Notar eine gemeinsame
Sorgerechtserklärung für die Beschwerdeführerin zu 2. ab. Während des
ausländerrechtlichen Verwaltungsverfahrens stellten die Beschwerdeführer beim
Verwaltungsgericht mehrfach Anträge auf Gewährung vorläufigen Abschiebungsschutzes
für den Beschwerdeführer zu 1., die das Gericht im Wesentlichen mit der Begründung
ablehnte, dem untergetauchten Beschwerdeführer zu 1. drohten keine konkreten
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen. Eine dagegen erhobene Verfassungsbeschwerde
nahm die 1. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts nicht zur
Entscheidung an (Beschluss vom 31. August 1999 -2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000, S.
67 = NVwZ 2000, S. 59).
4. Mit Bescheid vom 19. August 1999 lehnte die Ausländerbehörde die Anträge des
Beschwerdeführers zu 1. auf Befristung der Wirkungen der Abschiebung sowie auf
Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsbefugnis oder Duldung ab und verwies
darauf, dem Beschwerdeführer zu 1. könne eine vorübergehende, wenn auch nicht
kurzfristige Trennung von seinem Kind zugemutet werden. Über den dagegen erhobenen
Widerspruch sowie eine auf Erteilung einer Duldung gerichtete Klage ist bislang nicht
entschieden worden.
5. Im Oktober 1999 sprach der Beschwerdeführer zu 1. erneut bei der
Ausländerbehörde vor, die ihm eine Ausreisefrist bis zum 30. November 1999 gewährte.
Nachdem er weiteren Vorladungen der Ausländerbehörde nicht nachgekommen und
auch nicht ausgereist war, wurde der Beschwerdeführer zu 1. erneut zur Fahndung
ausgeschrieben. Nach Stellung eines Asylfolgeantrages im Dezember 1999 wurde er
festgenommen und in Abschiebehaft genommen. Das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge lehnte die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens ab,
über die dagegen erhobene Klage ist noch nicht entschieden worden.
6. Im Januar 2000 beantragte der Beschwerdeführer zu 1. beim Verwaltungsgericht
erneut einstweiligen Rechtsschutz zur Verhinderung der drohenden Abschiebung und
berief sich zur Begründung darauf, ihm drohe in der Türkei politische Verfolgung. Zudem
wäre er im Falle einer zwangsweisen Rückführung in die Türkei längerfristig oder sogar
endgültig gehindert, seine Tochter wieder zu sehen.
7. Mit dem von der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 1. Februar
2000 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung einstweiligen
Rechtsschutzes ab, weil ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht worden sei. Zur
Begründung führte es im Wesentlichen aus, Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 EMRK stünden
einer Abschiebung nicht entgegen, weil bereits nicht davon auszugehen sei, dass
zwischen den Beschwerdeführern überhaupt eine aufenthaltsrechtlich schützenswerte
Bindung bestehe. Der Beschwerdeführer zu 1. habe nicht hinreichend dargetan, dass er
für das Kind tatsächlich wesentliche elterliche Betreuungsleistungen erbringe. Die
vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen der Mutter der Beschwerdeführerin zu 2.
und einer Bekannten seien zu pauschal gehalten. Die Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens sei zu Recht abgelehnt worden.
II.
1. Mit ihrer Verfassungsbeschwerde rügen der Beschwerdeführer zu 1. eine Verletzung
von Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 6, 16a Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG, die
Beschwerdeführerin zu 2. eine Verletzung von Art. 6 GG.
a) Beide Beschwerdeführer seien in ihrem aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgenden
5
2 BvR 231/00 Seite 3 von 8
Grundrecht auf Schutz von Ehe und Familie verletzt. Wenn der Beschwerdeführer zu 1.
Probleme gehabt habe, seinen sorgerechtlichen Verpflichtungen nachzukommen, dann
beruhe das darauf, dass sein Aufenthalt nicht abgesichert gewesen sei. Gerade diese
Absicherung habe herbeigeführt werden sollen, um endlich die Wiederherstellung der
familiären Lebensgemeinschaft zu ermöglichen. In welchem Umfang er seiner
Vaterpflicht nachgekommen sei, sei ausreichend substantiiert dargetan. Der
Beschwerdeführer zu 1. sei zur elterlichen Sorge nicht nur berechtigt, sondern auch
verpflichtet. Damit korrespondiere das Recht der Beschwerdeführerin zu 2. auf Ausübung
der elterlichen Sorge durch ihren Vater. Um den Weg für die Geltendmachung dieses
Rechts frei zu machen, seien die ausländerrechtlichen Voraussetzungen zu schaffen,
was zumindest zur Erteilung einer Duldung nach § 55 AuslG führen müsse. Welche
überwiegenden ausländerrechtlichen Belange der Erteilung einer
Aufenthaltsgenehmigung oder einer Duldung entgegenstünden, habe das Gericht nicht
dargetan. Es mute dem Beschwerdeführer zu 1. zudem zu, seinen Militärdienst in der
Türkei anzutreten, ohne in Betracht zu ziehen, dass hierdurch eine weitere mehr als
kurzfristige Trennung von der Beschwerdeführerin zu 2. bewirkt werde. Durch den
Beschluss des Verwaltungsgerichts werde die beabsichtigte Wiederherstellung der
familiären Lebensgemeinschaft zwischen den Beschwerdeführern in grundrechtswidriger
Weise vereitelt.
b) Die zu Unrecht erfolgte Ablehnung eines weiteren Asylverfahrens und die Versagung
einstweiligen Rechtsschutzes verletze den Beschwerdeführer zu 1. zudem in seinen
Grundrechten auf Asyl und körperliche Unversehrtheit nach Art. 16a Abs. 1 sowie Art. 1
Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; zugleich liege eine Verletzung der
Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vor.
2. Zu der Verfassungsbeschwerde haben sich das Bundesministerium des Innern für
die Bundesregierung, die Landesregierungen aller Bundesländer mit Ausnahme des
Landes Schleswig-Holstein und die Präsidenten der 16 Oberverwaltungsgerichte und
Verwaltungsgerichtshöfe sowie die Thüringer Landesanwaltschaft geäußert. Ferner
wurden Stellungnahmen des Verbandes allein erziehender Mütter und Väter,
Bundesverband e.V. sowie des Verbandes binationaler Familien und Partnerschaften iaf
e.V. eingeholt.
B.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies zur
Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte der Beschwerdeführer
angezeigt ist (§ 93b i.V.m. § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die
Verfassungsbeschwerde ist zulässig und -in einer die Entscheidungszuständigkeit der
Kammer begründenden Weise (§ 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG) -auch offensichtlich
begründet; denn die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen hat
das Bundesverfassungsgericht bereits entschieden (vgl. zu den aufenthaltsrechtlichen
Schutzwirkungen aus Art. 6 GG: BVerfGE 76, 1 <41 ff.>; 80, 81 <90 ff.>; zur
Einbeziehung des nichtehelichen Vaters in den Schutzbereich des Art. 6 GG: BVerfGE
92, 158 <176 ff.>; zum verfassungsrechtlichen Schutz des Umgangsrechts: BVerfGE 64,
180 <187 f.>; zur Beschwerdebefugnis von Familienangehörigen eines von Ausweisung
und Abschiebung bedrohten Ausländers: BVerfGE 51, 386 <395>; 76, 1 <37>).
I.
Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig.
1. Für die Beschwerdeführerin zu 2. ist die Verfassungsbeschwerde in zulässiger Weise
von ihren sorgeberechtigten Eltern als gesetzlichen Vertretern erhoben worden (vgl.
BVerfGE 72, 122 <133>). Die Beschwerdeführerin zu 2. ist von der angegriffenen
Entscheidung auch selbst unmittelbar in ihrem von der Verfassung geschützten Recht
auf familiäres Zusammenleben mit ihren Eltern betroffen, weil ihr als Folge der
Entscheidung eine jedenfalls zeitweilige Trennung von ihrem Vater zugemutet wird. Es
ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anerkannt, dass die
Ausreiseverpflichtung eines Ausländers auch dessen bleibeberechtigte
Familienangehörige unmittelbar betrifft und von ihnen mit der Verfassungsbeschwerde
angegriffen werden kann (vgl. BVerfGE 51, 386 <395>; 76, 1 <37>).
11
2 BvR 231/00 Seite 4 von 8
2. Die Beschwerdeführer haben auch den Rechtsweg im Sinne von § 90 Abs. 2 Satz 1
BVerfGG erschöpft.
a) Der Beschwerdeführer zu 1. konnte unmittelbar gegen die erstinstanzliche
Entscheidung des Verwaltungsgerichts Verfassungsbeschwerde erheben, weil
Beschlüsse, die Abschiebemaßnahmen auf der Grundlage einer
asylverfahrensgesetzlichen Abschiebungsandrohung betreffen, nach der ständigen
Rechtsprechung der hessischen Verwaltungsgerichte nach § 80 AsylVfG unanfechtbar
sind. Vor diesem Hintergrund war es dem Beschwerdeführer zu 1. nicht zuzumuten,
zunächst -entgegen dem ihm im angegriffenen Beschluss erteilten Hinweis auf dessen
Unanfechtbarkeit -die Zulassung der Beschwerde gegen den verwaltungsgerichtlichen
Beschluss durch den Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu beantragen.
b) Die Beschreitung und Erschöpfung des Rechtswegs durch den Beschwerdeführer zu
1. wirkt auch gegenüber der Beschwerdeführerin zu 2., weil die von ihr geltend
gemachten familiären Rechte und Interessen untrennbar mit den vom Beschwerdeführer
zu 1. geltend gemachten Schutzwirkungen des Art. 6 GG verbunden sind und daher im
Rahmen der fachgerichtlichen Prüfung und Beurteilung des vom Beschwerdeführer zu 1.
angestrengten Rechtsschutzverfahrens zu berücksichtigen waren, so dass dem
Erfordernis einer umfassenden Prüfung durch die Fachgerichte Genüge getan worden ist
(vgl. auch BVerfGE 51, 386 <395>; 76, 1 <39>).
c) Die Beschwerdeführer können auch nicht auf die noch ausstehenden
Entscheidungen in den Widerspruchs-und Klageverfahren verwiesen werden. Denn der
geltend gemachte Grundrechtsverstoß beruht gerade auf der Versagung von
Eilrechtsschutz (vgl. dazu BVerfGE 35, 382 <397 f.>). Bereits die Versagung
einstweiligen Rechtsschutzes hat die Möglichkeit einer Abschiebung des
Beschwerdeführers zu 1. und damit die Vereitelung des von den Beschwerdeführern
beanspruchten Rechtes aus Art. 6 GG auf ein ununterbrochenes familiäres
Zusammenleben im Inland zur Folge.
II.
Die Verfassungsbeschwerde ist auch offensichtlich begründet. Der angefochtene
Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel verletzt den Beschwerdeführer zu 1. in
seinem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG und die Beschwerdeführerin zu 2. in
ihrem Grundrecht aus Art. 6 Abs. 1 GG.
1. Die in Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG enthaltene wertentscheidende
Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat,
verpflichtet die Ausländerbehörde, bei der Entscheidung über aufenthaltsbeendende
Maßnahmen die familiären Bindungen des den (weiteren) Aufenthalt begehrenden
Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten,
pflichtgemäß, d.h. entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen, in ihren Erwägungen
zur Geltung zu bringen. Dieser verfassungsrechtlichen Pflicht des Staates zum Schutz
der Familie entspricht ein Anspruch des Trägers des Grundrechts aus Art. 6 GG, dass
die zuständigen Behörden und Gerichte bei der Entscheidung über
aufenthaltsbeendende Maßnahmen seine familiären Bindungen an im Bundesgebiet
lebende Personen angemessen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 76, 1 <49 ff.>, 80, 81
<93>). Ausländerrechtliche Schutzwirkungen entfaltet Art. 6 GG freilich nicht schon
aufgrund formal-rechtlicher familiärer Bindungen. Entscheidend ist vielmehr die
tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern (vgl. BVerfGE 76, 1
<42 f.>), wobei grundsätzlich eine Betrachtung des Einzelfalls geboten ist (vgl. BVerfG,
Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 -2 BvR 1523/99 -,
InfAuslR 2000, S. 67).
Der Schutz des Art. 6 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 2 GG gilt zunächst und zuvörderst
der Familie als Lebens-und Erziehungsgemeinschaft; in der Familie und der elterlichen
Erziehung findet die leibliche und seelische Entwicklung des Kindes eine wesentliche
Grundlage (vgl. BVerfGE 80, 81 <90>). Besteht eine solche Lebens-und
Erziehungsgemeinschaft zwischen dem Ausländer und seinem Kind und kann diese
Gemeinschaft nur in der Bundesrepublik Deutschland verwirklicht werden, etwa weil das
Kind deutscher Staatsangehörigkeit und ihm wegen der Beziehungen zu seiner Mutter
das Verlassen der Bundesrepublik nicht zumutbar ist, so drängt die Pflicht des Staates,
16
17
2 BvR 231/00 Seite 5 von 8
die Familie zu schützen, einwanderungspolitische Belange regelmäßig zurück (vgl.
BVerfG, Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 1. Oktober 1992 -2 BvR
1365/92 -, InfAuslR 1993, S. 10 <11> und vom 10. August 1994 -2 BvR 1542/94 -,
InfAuslR 1994, S. 394 <395>; vgl. auch BVerfGE 80, 81 <95> zur
Erwachsenenadoption). Dies kann selbst dann gelten, wenn der Ausländer vor
Entstehung der zu schützenden Lebensgemeinschaft gegen aufenthaltsrechtliche
Bestimmungen verstoßen hat (vgl. BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten
Senats vom 10. August 1994 -2 BvR 1542/94 -, InfAuslR 1994, S. 394 <395>; Beschluss
der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 31. August 1999 -2 BvR 1523/99 -, InfAuslR
2000, S. 67 <68 f.>). Dem gegenüber kann die Versagung einer Aufenthaltserlaubnis und
die Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen jedenfalls dann unbedenklich sein,
wenn keine Lebensverhältnisse bestehen, die einen über die Aufrechterhaltung einer
Begegnungsgemeinschaft hinausgehenden familienrechtlichen Schutz angezeigt
erscheinen lassen (vgl. BVerfGE 80, 81 <94 f.>; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten
Senats vom 10. August 1989 -2 BvR 67/85 -, NVwZ 1990, S. 455 <456>; Beschluss der
1. Kammer des Zweiten Senats vom 17. Oktober 1997 -2 BvQ 34/97 -, veröffentlicht in
JURIS). Solche besonderen Lebensverhältnisse liegen etwa vor, wenn ein Kind auf die
dauernde Anwesenheit eines nicht sorgeberechtigten Elternteils in seiner unmittelbaren
Nähe angewiesen ist, wobei es in diesem Zusammenhang nicht darauf ankommt, ob
eine Hausgemeinschaft vorliegt. Ebenso unerheblich ist, ob die Betreuung auch von
anderen Personen, beispielsweise der Mutter des Kindes, erbracht werden kann, weil der
spezifische Erziehungsbeitrag des Vaters nicht schon durch Betreuungsleistungen der
Mutter entbehrlich wird, sondern eigenständige Bedeutung für die Entwicklung des
Kindes haben kann (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 1.
August 1996 -2 BvR 1119/96 -, FamRZ 1996, S. 1266; vom 20. März 1997, -2 BvR
260/97 -, veröffentlicht in JURIS; vom 31. August 1999 -2 BvR 1523/99 -, InfAuslR 2000,
S. 67 <68>). Bei der vorzunehmenden Bewertung der familiären Beziehungen verbietet
sich eine schematische Einordnung und Qualifizierung als entweder aufenthaltsrechtlich
grundsätzlich schutzwürdige Lebens-und Erziehungsgemeinschaft oder
Beistandsgemeinschaft oder aber als bloße Begegnungsgemeinschaft ohne
aufenthaltsrechtliche Schutzwirkungen (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des
Zweiten Senats vom 1. August 1996 -2 BvR 1119/96 -, FamRZ 1996, S. 1266), zumal
auch der persönliche Kontakt mit dem Kind in Ausübung eines Umgangsrechts
unabhängig vom Sorgerecht Ausdruck und Folge des natürlichen Elternrechts und der
damit verbundenen Elternverantwortung ist und daher unter dem Schutz des Art. 6 Abs.
2 Satz 1 GG steht (vgl. BVerfGE 64, 180 <187 f.>).
Die Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht ist nicht auf offensichtliche
Verletzungen der aus Art. 6 GG folgenden Schutzpflicht beschränkt. Die Dichte der
verfassungsgerichtlichen Kontrolle entspricht vielmehr dem Rang und der Bedeutung, die
das Grundgesetz der Familie in ihren verschiedenen Gestaltungsformen und Funktionen
als einem gegen den Staat abgeschirmten und die Vielfalt rechtsstaatlicher Freiheit
stützenden Autonomiebereich beimisst (vgl. BVerfGE 76, 1 <51 f.>; 80, 81 <93 f.>).
2. Gemessen an diesen Grundsätzen halten die Erwägungen des Verwaltungsgerichts,
mit denen eine aufenthaltsrechtlich schützenswerte Bindung zwischen den
Beschwerdeführern verneint worden ist, einer verfassungsgerichtlichen Prüfung nicht
Stand.
a) Die familiäre Beziehung zwischen dem Beschwerdeführer zu 1. und der
Beschwerdeführerin zu 2. unterfällt dem Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG, wobei sich
beide Beschwerdeführer als Angehörige derselben Einheit "Familie" darauf berufen
können. Ferner ist auch der Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 2 GG eröffnet. In den
persönlichen Schutzbereich dieser die Elternautonomie im Interesse des Kindeswohls
schützenden Vorschrift sind auch Väter nichtehelicher Kinder einbezogen, wenn sie nach
den einschlägigen gesetzlichen Vorschriften als Väter feststehen, ohne dass es insoweit
auf die Qualität der Beziehung des Vaters zum Kind oder der Mutter ankommt (vgl.
BVerfGE 92, 158 <176 ff.>). Auch der Beschwerdeführer zu 1. ist mithin Träger dieses
Elternrechts.
Die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, es bestünden keine aufenthaltsrechtlich
schützenswerten Bindungen zwischen den Beschwerdeführern, beruht auf der Annahme
von Darlegungserfordernissen zur Qualität und insbesondere Quantität der familiären
Kontakte, die mit den staatlichen Schutzpflichten aus Art. 6 GG nicht vereinbar und im
2 BvR 231/00 Seite 6 von 8
vorliegenden Fall auch nicht durch besondere Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt
sind. Die Anforderungen an die Darlegungslast des Beschwerdeführers zu 1. werden
insbesondere der als emotional gebunden bezeichneten Beziehung der
Beschwerdeführerin zu 2. zu ihrem Vater nicht hinreichend gerecht.
b) Das Verwaltungsgericht hat aufenthaltsrechtlich schützenswerte Bindungen
zwischen den Beschwerdeführern verneint, weil der Beschwerdeführer zu 1. nicht
hinreichend dargetan habe, dass er für seine Tochter auch tatsächlich wesentliche
elterliche Betreuungsleistungen erbracht habe. Die Begründung des Verwaltungsgerichts
hierfür wird Inhalt und Bedeutung der verfassungsrechtlichen Gewährleistungen des Art.
6 Abs. 1 und 2 GG nicht gerecht.
Das Verwaltungsgericht stützt sich im Wesentlichen darauf, die vorgelegten
eidesstattlichen Versicherungen der Mutter der Beschwerdeführerin zu 2. vom Mai 1999
und Januar 2000 sowie einer Bekannten vom Januar 2000 seien zu vage und pauschal
gehalten und ließen das Maß der vom Beschwerdeführer zu 1. tatsächlich erbrachten
Betreuungsleistungen nicht hinreichend erkennen. In ihrer eidesstattlichen Versicherung
vom Mai 1999 hat die Mutter der Beschwerdeführerin zu 2. im Wesentlichen erklärt, der
Beschwerdeführer zu 1. habe bis zum Januar 1999 mit ihnen zusammen gewohnt, die
Vaterrolle gegenüber seiner Tochter in vollem Umfang wahrgenommen, häufig mit ihr
gespielt, sie gebadet und sei mit ihr spazieren gegangen. Die Tochter liebe ihren Vater
und brauche ihn dringend. Nachdem der Beschwerdeführer zu 1. sie im Januar 1999 aus
Furcht vor einer Abschiebung verlassen habe, leide die Tochter in starkem Maße und
weine regelmäßig bei den häufigen Telefonaten.
Soweit das Verwaltungsgericht diese Angaben als zu pauschal bewertet und konkretere
Angaben zu Art und Umfang der väterlichen Betreuungsleistungen für erforderlich
gehalten hat, wird dies dem von Art. 6 Abs. 1 und 2 GG gewährleisteten Schutz der
Familie nicht gerecht. Eine verantwortungsvoll gelebte und dem Schutzzweck des Art. 6
GG entsprechende Eltern-Kind-Gemeinschaft lässt sich nicht nur quantitativ etwa nach
Datum und Uhrzeit des persönlichen Kontakts oder genauem Inhalt der einzelnen
Betreuungshandlungen bestimmen. Die Forderung nach Erfüllung objektiv messbarer
und bestimmbarer Mindestkriterien für die Annahme aufenthaltsrechtlich schützenswerter
Betreuungsleistungen lässt die in Art. 6 Abs. 2 GG gewährleistete und vom Staat zu
respektierende Autonomie der Eltern bei der konkreten Umsetzung ihrer elterlichen
Pflichten und Rechte und der Ausgestaltung der gemeinsam getragenen
Elternverantwortung außer Acht. Hinzu kommt, dass die Entwicklung eines Kindes nicht
nur durch quantifizierbare Betreuungsbeiträge der Eltern, sondern auch durch die
geistige und emotionale Auseinandersetzung geprägt wird.
Soweit das Verwaltungsgericht eine besondere Darlegung des Umfangs der väterlichen
Betreuung deshalb für erforderlich gehalten hat, weil der Beschwerdeführer zu 1.
während des Jahres 1997 weitgehend unbekannten Aufenthalts gewesen sei, sind die
dem Bundesverfassungsgericht vorliegenden Verwaltungsvorgänge der
Ausländerbehörde, auf die das Gericht seine Erwägungen stützt, nicht vollständig
ausgewertet worden. So ist zwar zutreffend, dass die Mutter der Beschwerdeführerin zu
2. und deren Schwägerin bei einem Kontrollbesuch im April 1997 einen Aufenthalt des
Beschwerdeführers zu 1. bei ihnen bestritten haben und der Beschwerdeführer zu 1.
auch bei weiteren Versuchen dort nicht angetroffen werden konnte. Dabei
unberücksichtigt geblieben ist jedoch, dass diese Überprüfungen gerade dadurch
veranlasst worden waren, dass die Ausländerbehörde im Frühjahr 1997 von
verschiedenen Seiten Hinweise auf einen Aufenthalt des Beschwerdeführers zu 1. bei
Mutter und Kind erhalten hatte. Dass dies auf Befragen gegenüber der Polizei bestritten
wurde, ist angesichts der dem Beschwerdeführer zu 1. drohenden Abschiebung
nachvollziehbar und spricht nicht von vornherein gegen einen Kontakt des
Beschwerdeführers zu 1. zu seinem Kind.
Bedenken unterliegen auch die Ausführungen des Gerichts zum Verhalten des
Beschwerdeführers zu 1. seit seinem "Untertauchen" im Januar 1999. Hierzu hat die
Mutter der Beschwerdeführerin zu 2. in ihrer eidesstattlichen Versicherung vom Januar
2000 im Einzelnen ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer zu 1. trotz einer
kurzzeitigen Aufenthaltsbescheinigung aus Angst vor einer drohenden Abschiebung
immer nur kurz bei ihnen aufgehalten habe. Sie habe der Ausländerbehörde nicht getraut
und den Beschwerdeführer zu 1. deshalb veranlasst, nur hin und wieder abends zu
27
2 BvR 231/00 Seite 7 von 8
erscheinen und dann morgens wieder zu gehen. Sie und ihre Tochter wünschten
dringend, dass der Beschwerdeführer zu 1. endlich bei ihnen bleiben könne, was jedoch
zu gefährlich scheine, solange er keinen festen Aufenthaltsstatus habe. Bei ihrer
Vernehmung durch die Ausländerbehörde habe sie sich stark unter Druck gesetzt gefühlt
und deswegen nicht zugeben wollen, dass ihr Verlobter häufiger die Nächte bei ihnen
verbracht habe. Eine Freundin der Familie hat hierzu ergänzend eidesstattlich versichert,
der Beschwerdeführer zu 1. habe sich in der Vergangenheit ständig um seine Tochter
und seine Verlobte durch Besuche und Telefonate gekümmert, habe aber Angst, sich
über einen längeren Zeitraum dort aufzuhalten, weil es Nachbarn oder angebliche
Freunde gebe, die die Polizei gerufen hätten. Die Tochter hänge sehr an ihrem Vater und
liebe ihn abgöttisch. Soweit das Verwaltungsgericht auch diese eidesstattlichen
Versicherungen als nicht hinreichend konkret angesehen hat, hat es nicht die
geschilderten emotionalen Bindungen zwischen den Beschwerdeführern gewürdigt.
Der Hinweis, dass der Beschwerdeführer zu 1. es während der ihm von der
Ausländerbehörde zugebilligten Ausreisefrist von fünf Wochen im Oktober/November
1999 unterlassen habe, sich bei der Mutter der Beschwerdeführerin zu 2. anzumelden,
vermag den Schluss des Verwaltungsgerichts auf das Fehlen schützenswerter familiärer
Bindungen ebenfalls nicht zu tragen. Die Mutter der Beschwerdeführerin zu 2. hat
insoweit auf die Furcht vor einer drohenden Abschiebung des Beschwerdeführers zu 1.
nachdrücklich hingewiesen. Dies ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts
nachvollziehbar.
Soweit das Verwaltungsgericht schließlich auf einen Vermerk in der Ausländerakte zu
einem Gespräch mit der Tante der Beschwerdeführerin zu 2. -der Schwester der Mutter
-Bezug nimmt, ist auch diese Erwägung wegen unvollständiger Auswertung des
Gesprächsvermerks nicht tragfähig. Zwar ist es zutreffend, dass die Tante von nur einem
Besuch des Beschwerdeführers zu 1. berichtet hat, sie hat aber weiter angegeben, die
Beschwerdeführerin zu 2. würde nach ihrem Vater jammern, weshalb die Eltern der
Beschwerdeführerin zu 2. auch unbedingt heiraten wollten. Auch insoweit werden
wiederum weder die besondere aufenthaltsrechtliche Situation des Beschwerdeführers
zu 1. noch die Interessen der Beschwerdeführerin zu 2. vom Verwaltungsgericht in den
Blick genommen.
c) Es kann offen bleiben, inwieweit die durch das Gesetz zur Reform des
Kindschaftsrechts (Kindschaftsrechtsreformgesetz -KindRG) vom 16. Dezember 1997
(BGBl I S. 2942) bewirkten Veränderungen der familienrechtlichen Rahmenbedingungen,
insbesondere die Einführung einer gemeinsamen elterlichen Sorge getrennt lebender
Eltern, die gewachsene Bedeutung des Umgangsrechts sowie grundsätzlich die
Stärkung der Rechtsposition des Kindes (vgl. §§ 1626, 1626a, 1684 BGB n.F.)
möglicherweise mit einer auch verfassungsrechtlich erheblichen Modifikation des
Leitbilds der Familie in Art. 6 GG korrespondieren (so zum Familienbegriff der Berliner
Verfassung BerlVerfGH, Beschluss vom 22. Februar 2001 -VerfGH 103 A/00, 103/00 -,
NVwZ-RR 2001, S. 687 <688>) und welche Auswirkungen dies auf den Inhalt der
staatlichen Schutzpflichten des Art. 6 GG im Zusammenhang mit aufenthaltsrechtlichen
Maßnahmen hat (vgl. dazu etwa OVG Hamburg, Beschluss vom 28. April 1999 -4 Bs
92/99 -, NVwZ 2000, S. 105 ff.; OVG Niedersachsen, Beschlüsse vom 19. April 2000 -11
M 1343/00 -, InfAuslR 2000, S. 392 ff. und vom 18. September 2000 -11 M 2929/00 -,
InfAuslR 2001, S. 75 ff.; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 10. April 2000 -10 B
10369/00.OVG -, InfAuslR 2000, S. 388 ff.). Insbesondere kann dahinstehen, ob der
gemeinsamen Sorgeerklärung -auch im Hinblick auf die grundsätzlich von Behörden und
Gerichten zu respektierende Elternautonomie -eine eigenständige Bedeutung etwa im
Sinne einer Vermutung für die Begründung schützenswerter familiärer Beziehungen
beider Eltern zu ihrem Kind zuzumessen ist (vgl. die im Verfahren abgegebene
Stellungnahme des Innenministeriums von Baden-Württemberg vom 28. Juni 2000, S.
2 f., wonach das Vorliegen einer solchen Erklärung auch bei getrennt lebenden Partnern
zu einer Vermutung dafür führe, dass die Personensorge einerseits dem
Wohl des Kindes diene und andererseits auch tatsächlich ausgeübt werde; in diesem
Sinne auch OVG Sachsen, Beschluss vom 31. August 2000 -3 BS 713/99 -, NVwZ-RR
2001, S. 689 <690>; Laskowski/Albrecht, ZAR 1999, S. 100 <102>).
3. Soweit das Verwaltungsgericht einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf den
Asylfolgeantrag des Beschwerdeführers zu 1. versagt hat, weil die Voraussetzungen für
die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens nicht vorlägen, sind die Ausführungen
32
2 BvR 231/00 Seite 8 von 8
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden und die Voraussetzungen des § 93a Abs. 2
BVerfGG für eine Annahme der Verfassungsbeschwerde deshalb nicht erfüllt. Von einer
weiteren Begründung wird insoweit gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.
III.
1. Der Beschluss des Verwaltungsgerichts Kassel ist somit aufzuheben und die Sache
an das Verwaltungsgericht Kassel zurückzuverweisen (§§ 93c Abs. 2 i.V.m. 95 Abs. 2
BVerfGG). Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 BVerfGG ist
damit erledigt (vgl. BVerfGE 7, 99 <109>).
36
2. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung beruht auf § 34a Abs. 2, 3 BVerfGG.
Die Erstattung der Auslagen auch für das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung entspricht der Billigkeit, weil der Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung im Hinblick auf die dem Beschwerdeführer zu 1. damals konkret drohende
Abschiebung zunächst erforderlich war und die begehrte einstweilige Anordnung (nur)
deswegen nicht erlassen wurde, weil die Ausländerbehörde später zugesagt hat, von
aufenthaltsbeendenden Maßnahmen vorläufig abzusehen.
37
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 93d Abs. 1 Satz 2 BVerfGG). 38
Sommer Osterloh Di Fabio
[editiert: 26.01.05, 09:52 von tfpmr]
Dateianlagen:
2 BvR 231-00.pdf (103 kByte)
anzeigen - speichern
Datei wurde schon 84-mal heruntergeladen.