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Hallo Baby,
als ich diesen ersten Beitrag von Dir gelesen und die „Symptome“ Deines
Stiefsohnes gelesen habe, dachte ich, Du erzählst was von meinem Enkelsohn
wie er vier Jahre alt war. Er hat eine 2 ½ Jahre jüngere „Voll“-Schwester.
Dort war es genauso. Die Kleine nahm irgendein Spielzeug in die Hand, das
seit ewigen Zeiten unbeachtet in der Ecke lag. Sofort wollte er es haben und
hat es ihr aus der Hand gerissen. Gibt sie ihm das Teil nicht freiwillig,
gebraucht er durchaus auch Gewalt.
Das Verhalten begann, als die Kleine geboren wurde. Plötzlich war er nicht
mehr der Hahn im Korb, die Mutter (Papa, jede Oma usw.) musste sich um das
Baby kümmern, es wickeln, füttern usw. Er war, vor meinen Augen irre grob zu
dem einige Tage alten Baby, als die Mama wegen Wochenbettfieber im
Krankenhaus lag und die Beiden bei mir waren.
Hier denke ich, dass bei diesem Verhalten ein größeres Maß an Eifersucht
dabei ist. Wir haben viel von dem Verhalten (Gewalttätigkeit) wegbekommen,
in dem wir Maxi-Mama und Maxi-Papa-Zeiten u. ä. eingeführt haben. Wenn meine
Schwiegertochter hier bei mir war/ist, unternahm sie etwas alleine mit ihm,
ohne der Schwester. Umgekehrt habe ich mich mal nur um ihn gekümmert und
erzähle ihm, wenn er bei mir ist Abends extra für ihn erfundene
Mümmelchen-Gute-Nacht-Geschichten. Papa geht öfters alleine mal mit ihm ins
Schwimmbad. Mein Mann nimmt ihn mit in den Garten und lässt ihn umgraben
oder mit dem Schlauch „Blumen gießen“.
Die körperlichen Attacken hörten dann auf. Geblieben ist, dass er immer noch
ausgerechnet das Spielzeug haben will, was sie hat. Ich kann mich hier aber
an meine eigene Kindheit erinnern. Wir drei Geschwister hatten einen
Hamster. Der „vegetierte“ meist unbeachtet dahin. Hat ihn einer von uns aus
dem Käfig genommen, wollte auch ein (oder gar zwei) Anderer damit spielen.
Wir waren da aber schon wesentlich älter gewesen.
Das gewaltbereite Verhalten Deines Stiefsohnes konnte ich mir erst nicht
erklären, da er ja älter als mein Maxi ist und daher schon mehr die Folgen
von Gewalt erkennen können müsste. Als Du dann später geschrieben hast, dass
er in der Entwicklung nicht altersgemäß ist, rundete sich bei mir wieder das
Bild.
Für mich sieht es so aus, dass er eifersüchtig ist, weil Deine Tochter
seinen Papa öfters hat als er. Gleichzeitig ist er verunsichert, dass die
Mama, die er sonst immer um sich hat, eben nicht hat – wie damals als meine
Schwiegertochter im Krankenhaus lag.
Mein Tipp wäre, in den Umgangszeiten – evtl. als Belohnung für gutes
Verhalten – dass er ein paar Stunden ganz alleine mit Papa verbringt. Wenn
Du den Eindruck hast, dass er gerne auch mit Dir alleine wäre, „tauscht“ Ihr
halt mal die Kinder und Du unternimmst mit ihm ein kurzes Programm. Ich
achte nämlich bei meinen Bemühungen genau darauf, dass die Kleine auch nicht
zu wenig bekommt. Sie wird von mir und von ihren Eltern halt mal anders
altersgemäß verwöhnt. Wir versuchen die individuellen Bedürfnisse der Kinder
irgendwie gerecht zu werden. Dann muss sich keines der Kinder durch
irgendwelches Verhalten um mehr Aufmerksamkeit „bemühen“.
Das Wegnehmen von Spielzeug schlichten wir so, dass wir das Spielzeug dem
Kind geben, dass es zuerst hatte. Sonst bestraft man ja das „unschuldige“
Kind mit und es entstehen ungute Gefühle gegen den anderen „Geschwister“.
Wir erklären, warum das Spielzeug wieder an den „Erstinhandhalter“ geht und
schlagen manchmal ein „Geschäft“ vor. Wenn er ein Spielzeug hat, dass die
Kleine nicht anfassen darf, kann er dieses (wenn die Kleine einverstanden
ist) gegen das jetzt begehrte Spielzeug für eine gewisse Zeit „tauschen“.
Damit ist aber die Clownerie nicht aus der Welt geschafft. Die kann, nach
meinen Erfahrungen, mindestens zwei, wenn nicht sogar drei, Ursachen haben.
1. Meine Schwiegertochter geht mit Maxi zum Augenarzt. Klar kennt er alle
Begriffe, Farben und kann sogar schon Zahlen lesen. Was macht der Kasper?
Für blau sagt er rot, für Blume sagt er Auto usw. Natürlich versucht er die
dortigen Geräte genau zu inspizieren und auch zu zerlegen.
Das halte ich für Unsicherheit in einer nicht gewohnten Situation. Dein
Stiefsohn muss sich jedes Mal bei Euch eingewöhnen. Auch wenn er regelmäßig
bei Euch ist, habt Ihr als Familie in der Zwischenzeit eine Entwicklung
mitgemacht und Euch als Gruppe gefestigt. Er spürt das und weiß vielleicht
keinen anderen Weg, sich in die „Gruppe“ zu integrieren. Viele Kinder, die
normalerweise ganz „friedlich“ sind, lassen die „Sau raus“ wenn z. B. Besuch
kommt, man mit ihnen zu Besuch geht usw. Bei Euch kommt noch dazu, dass er
vielleicht durch seine Mutter erst mal gegen Euch eingestellt ist (auch wenn
er nicht aufgehetzt wird, spürt er ihre Ablehnung gegen Euch) und
verunsichert ist, ob ihr ihn wirklich in „Euerer Mitte“ aufnehmen wollt. Er
denkt, dass er sich als Clown in Euerer Herzen spielen kann.
oder
2. Er ist unterfordert. Mein Sohn war in der Grundschule der Clown in jeder
Klasse. Ihm ging das Lernen dort zu langsam und hat sich und den anderen
ganz einfach die Zeit vertrieben. Hier könnte man ihn mit kleinen bis
späteren größeren Aufgaben (beim Kochen helfen usw.) fordern. Das heftige
Loben dann aber nicht vergessen.
oder
3. Er wird Zuhause zu arg eingeengt. Das kann z. B. sein, dass er daheim
alles abgenommen bekommt, ständig erzogen wird (bei Tisch sind Kinder still,
bohre nicht in der Nase, sei leise usw.). Das habe ich schon bei vielen
Kindern in meinem Bekanntenkreis erlebt. Kinder die Zuhause nicht mal
unerzogen sein dürfen, leben dieses „Bedürfnis“ wo anders aus. Bei den
Kindern einer Bekannten war das ganz besonders schlimm gewesen. Sie erzählte
immer, wie brav die Kinder sind. Waren sie woanders – ohne Mama – waren sie
regelrechte Teufel.
Bei meinem Sohn war es gerade umgekehrt gewesen. Ich habe überall gejammert,
wie schlimm der Junge ist. War er dann bei anderen Leuten erzählten mir
diese beim Zurückbringen, dass er ein superbraves Kind ist, was ich denn
immer jammere.
Übrigens hat Maxi inzwischen Beschützerallüren gegenüber seiner Schwester
und dem jetzt hinzugekommenen Baby. Er zofft sich mit der (oben
beschriebenen) mittleren Schwester aufs Ärgste. Wenn man aber sagt, man
lässt die Franzi jetzt zurück, bekommt er regelrecht Panik, dass ihm seine
Schwester genommen wird. Das Baby (inzwischen 5 Monate alt) bewachte er von
Anfang an wie ein Hofhund.
Deine Tochter wird nicht so werden wie er, sie lernt sich nur zu wehren.
Franzi hat viel Durchsetzungsvermögen und Selbstbewusstsein. Das kommt ihr
zugute, weil sie schon mit zwei Jahren in den ganz normalen Kindergarten
geht.
Gruß
Ingrid
-----Ursprüngliche Nachricht-----
Von: BabyOne [mailto:@carookee.com]
Gesendet: Dienstag, 10. Juli 2007 21:54
An: Zweitfrauen, Zweitmänner und Zweitfamilien - Probleme mit seinen,
meinen, unseren Kindern
Betreff: [Zweitfamilienforum] Gerechtigkeit zwischen leiblichen und
Stiefkindern
Hallo,
ich habe gerade zwei Wochen Urlaub hinter mir (ja, war schön...)und im
Urlaub ist ein Thema in den Vordergrund getreten, zu dem ich gerne mal nach
Euren Erfahrungen fragen würde.
Wie schafft man es, sich neutral oder gerecht zu verhalten bei Konflikten
zwischen dem eigenen (leiblichen) Kind und dem älteren Stiefkind? Wann
mischt man sich ein, wann hält man sich zurück? Wie geht man damit um, wenn
der Partner da in manchen Bereichen nicht ganz die gleiche Auffassung hat?
Zum persönlichen Hintergrund möchte ich noch sagen, dass ich eine Tochter
von vier Jahren und einen Stiefsohn von sechs Jahren habe, der nicht bei uns
wohnt. Beide hängen sehr aneinander, allerdings ist er für sein Alter
ziemlich unbeherrscht. Er war in Ergotherapie und ist noch in
kinderpsycholog. Behandlung, wodurch sich sein Verhalten schon gebessert
hat. Leider hat es in der Vergangenheit ein paar Vorfälle gegeben, wo er
meine Tochter so geschubst hat, dass sie mit dem Kopf hart gegen den Boden,
ein Regal oder sonstwohin geschlagen ist, einmal hat er ihr einen Finger ins
Auge gestoßen, einmal ihr den Arm wie ein nasses Handtuch ausgewrungen,
einmal hatte sie eine Platzwunde, weil er spaßeshalber einen Karatetritt bei
ihr ausprobiert hat. Obwohl es besser geworden ist, habe ich Angst dass er
meine Tochter wegen Nichtigkeiten verletzen könnte, und ich habe reflexartig
das Gefühl sie beschützen zu müssen wenn es Streit zwischen beiden gibt.
Sicher liegt das auch daran, dass ich nur ein Kind habe und nicht den
Vergleich habe wie es wäre wenn meine eigenen zwei Kinder sich streiten.
Ein anderes Problem ist, dass er Grenzen nicht besonders gut einhalten kann,
und oft (oder eigentlich ständig) kaspert er herum, spielt den Clown, was
sich so äußert dass er um sich herum Chaos verbreitet (Sachen durch die
Gegend wirft), beim Frühstück dreimal am Stück das Brot auf den Boden fallen
lässt, den Kakao umschüttet, Grimassen schneidet, Explosionsgeräusche macht
etc., und oft macht er sich schlicht darüber lustig wenn man etwas von ihm
will. Das nervt mich ziemlich, weil es einfach dauernd so ist, nicht nur
gelegentlich. Besonders schwierig finde ich es, wenn meine Tochter dann bei
diesem Gekasper auch noch mitmacht. Erstns will ich nicht dass sie so wird
wie er (ich weiss, das klingt nicht nett, ist aber so) und zweitens könnte
ich ausflippen, wenn ich den Kindern im normalen Ton etwas sage und beide
solche Faxen machen, dass man eigentlich nur den Schluss ziehen kann, dass
sie sich gerade über mich lustig machen.Irgendwie reagiere ich da nicht mehr
souverän, sondern rege mich einfach auf und werde sauer.
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Unser Kopf ist rund, damit unsere Gedanken die Richtung ändern können
Schumacher @ zweitfrauen.de