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FPR 2002 Heft 08 410
Verpflichtung zum Umgang mit nichtehelichem Kind
Ein Vater ist verheiratet und hat zwei eheliche Kinder und ein außereheliches, 1999 geborenes Kind. Das AG hat den Antrag der Mutter des nichtehelichen Kindes, den Vater zu Umgangskontakten zu verpflichten, abgelehnt. Das OLG hingegen verpflichtete den Vater in einer vorläufigen Anordnung zu einem Umgang zu bestimmten Zeiten an einem bestimmten Ort. Für den Fall der Zuwiderhandlung drohte es ein Zwangsgeld an. Gegen die Zwangsgeldandrohung hat der Vater Verfassungsbeschwerde erhoben und vorläufige Aufhebung begehrt. Die Abwägung des BVerfG ergibt, dass die Nachteile, die bei Ablehnung des Antrags entstünden, nämlich Zwangsgeldfestsetzungen, schwerer wiegen als die Nachteile, die bei Erlass der einstweiligen Anordnung, also bei einstweiliger Aussetzung der Wirkungen der Zwangsgeldandrohung, auftreten.
GG Art. 1 , 2 , 6 ; BVerfGG § 32 I
Erfolgreicher Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gegenüber einer gerichtlichen Zwangsgeldandrohung, mit der der Beschwerdeführer angehalten werden soll, mit seinem nichtehelichen Kind an bestimmten Tagen und an einem bestimmten Ort in Umgangskontakt zu treten. (Leitsatz der Redaktion)
BVerfG3. Kammer des Ersten Senats, Beschluß vom 30. 1. 2002 - 1 BvR 2222/01
Zum Sachverhalt:
Der Bf. ist verheiratet und hat zwei ehelich geborene Kinder. Darüber hinaus ist er Vater des aus einer außerehelichen Beziehung hervorgegangenen Kindes F, das am 15. 2. 1999 geboren wurde. Mit Beschluss vom 6. 11. 2000 wies das AG den Antrag der Kindesmutter, den Bf. zum Umgang mit F zu verpflichten, mit der Begründung ab, dass ein erzwungener Umgang dem Kindeswohl nicht entsprechen dürfte. Das OLG beauftragte mit Beschluss vom 8. 3. 2001 einen Sachverständigen zur Erstellung eines Gutachtens über die Frage, ob dem Kind F durch den Umgang mit dem Bf. ein nachhaltiger, tief greifender Schaden drohe. Dieser stellte in seinem Gutachten fest, dass bei mehrmaligen Begegnungen ein nicht begleiteter Umgang, bei welchem der Bf. das Kind entsprechend seiner Ankündigung ignorieren würde, eine gravierende Verunsicherung und Schädigung des Kindes zu erwarten wäre. Bei begleitetem Umgang hingegen würde F Kontakt zu der weiteren Person aufnehmen, so dass er zumindest über eine gewisse Zeit keinen Schaden davontragen würde. Über eine längere Zeit würde ihn allerdings die Ablehnung verunsichern, er würde die Begegnung negativ besetzen, ablehnen und als Zwang erleben. In diesem Fall bestünde die Gefahr eines gravierenden Schadens. Mit Beschluss vom 15. 11. 2001 verpflichtete das OLG den Bf. im Wege der vorläufigen Anordnung zum Umgang mit F am 1. 12. 2001, 5. 1. 2002, 2. 2. 2002 und 2. 3. 2002 jeweils von 11.00 Uhr bis 12.00 Uhr in den Räumen des Sachverständigen. Für jede Zuwiderhandlung drohte das Gericht ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 10000 DM an. Mit Beschluss vom 6. 12. 2001 hat das OLG gegen den Bf. inzwischen ein Zwangsgeld in Höhe von 1000 DM festgesetzt, weil dieser den festgesetzten Umgangstermin vom 1. 12. 2001 nicht wahrgenommen habe und deshalb zu befürchten sei, dass er auch die künftig vorgesehenen Umgangstermine nicht wahrnehmen werde. Der Bf. hat gegen den Beschluss des OLG vom 15. 11. 2001 - soweit hier ein Zwangsgeld angedroht wird - Verfassungsbeschwerde erhoben und die vorläufige Aufhebung der Zwangsgeldandrohung durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt.
Der Antrag auf einstweilige Anordnung hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
II. 1. Nach § 32 I BVerfGG kann das BVerfG im Streitfall einen Zustand durch einstweilige Anordnung vorläufig regeln, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund zum gemeinen Wohl dringend
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geboten ist. Dabei haben die Gründe, die für die Verfassungswidrigkeit des angegriffenen Hoheitsakts vorgetragen werden, grundsätzlich außer Betracht zu bleiben, es sei denn, die Verfassungsbeschwerde erweist sich von vornherein als unzulässig oder offensichtlich unbegründet (BVerfGE 88, 185 [186] = NVwZ 1993, 767; st. Rspr.). Bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die einstweilige Anordnung nicht erginge, die Verfassungsbeschwerde aber später Erfolg hätte, gegenüber den Nachteilen abzuwägen, die entstünden, wenn die begehrte einstweilige Anordnung erlassen würde, der Verfassungsbeschwerde aber der Erfolg zu versagen wäre (BVerfGE 88, 185 [186] = NVwZ 1993, 767; st. Rspr.).
2. Die Verfassungsbeschwerde ist weder unzulässig noch offensichtlich unbegründet.
3. Die danach gebotene Abwägung ergibt Folgendes:
Erginge die einstweilige Anordnung, so würde die Wirkung der Zwangsgeldandrohung einstweilen ausgesetzt und es könnte kein weiteres Zwangsgeld festgesetzt werden. Damit entfiele der von dieser Androhung ausgehende Druck auf den Bf., welcher somit nicht mehr mit Zwangsmitteln zum Umgang angehalten werden könnte. Würde das BVerfG die Verfassungsbeschwerde später als unbegründet zurückweisen, so wäre eine Verzögerung bei dem Unterfangen eingetreten, den Bf. mit Hilfe von Zwangsmitteln zum Umgang mit seinem Kind zu bewegen. Die gerichtlich avisierte Umgangsanbahnung könnte hierdurch gegebenenfalls erst zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Da der Bf. mit dem Kind allerdings bislang keinerlei Umgang hatte, träte für das Kind durch den zeitlichen Aufschub keine Veränderung seiner bisherigen personellen Beziehungen ein, sondern es verzögerte sich lediglich seine Option, mit seinem Vater erstmalig in Kontakt kommen zu können. Erginge die einstweilige Anordnung hingegen nicht, erwiese sich die Verfassungsbeschwerde gegen den angegriffenen Beschluss aber als begründet, so könnten zwischenzeitlich weitere Zwangsgeldfestsetzungen in Höhe von bis zu 10000 DM erfolgen. Die Festsetzung sowie die drohende Eintreibung des Zwangsgelds könnte zu einer erheblichen finanziellen Belastung des Bf. führen. Auch der durch die Zwangsgeldandrohung hervorgerufene psychische Druck, unter dem der Bf. steht, weil er sich einer zwangsweisen Durchsetzung eines Treffens mit dem Kind nicht gewachsen fühlt und seine Ehe dadurch in Gefahr sieht, könnte sich mit weiteren Zwangsgeldfestsetzungen noch weiter verstärken und gesundheitliche Folgen nach sich ziehen, wie dies sein behandelnder Psychologe auf Grund seines derzeitigen Zustands nicht ausschließt.
Im Übrigen könnte es zu erzwungenen Treffen des Bf. mit dem Kind kommen, die dann, sollte sich die Verfassungsbeschwerde als begründet erweisen, nicht fortgesetzt würden. Das Kind würde hierdurch zunächst zum Vater in Beziehung treten, kurz danach aber wieder einen Abbruch dieser Beziehung erfahren, was zu einer erheblichen psychischen Belastung des Kindes führen könnte.
Nach alledem wiegen die Nachteile, die bei Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung drohen, schwerer als die nachteiligen Folgen, die eintreten, wenn die einstweilige Anordnung erlassen wird.
Anm. d. Schriftltg.:
Zum Umgang zwischen Vater und nichtehelichem Kind s. Lakies, ZRP 1990, 229; LG Bonn, NJW 1990, 128. - Vgl. ferner zur neuesten Rechtsprechung zum Umgangsrecht Oelkers, FPR 2002, 248.
Urteil aus der Originalveröffentlichung von der HP des BVerfG:
Zitierung: BVerfG, 1 BvR 2222/01 vom 20.5.2003, Absatz-Nr. (1 - 21), http://www.bverfg.de/entscheidungen/rk20030520_1bvr222201.html
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BUNDESVERFASSUNGSGERICHT
- 1 BvR 2222/01 -
Im Namen des Volkes
In dem Verfahren
über
die Verfassungsbeschwerde
des Herrn B...
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Heike Hase und Koll.,
Ritterstraße 102, 14770 Brandenburg -
gegen den Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. November 2001 - 15 UF 233/00 -
und Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe
und Beiordnung der Rechtsanwältin Heike Hase, Brandenburg
hat die 3. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch
den Präsidenten Papier,
den Richter Steiner
und die Richterin Hohmann-Dennhardt
am 20. Mai 2003 einstimmig beschlossen:
Der Beschluss des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 15. November 2001 - 15 UF 233/00 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes, soweit er die Androhung von Zwangsgeld ausspricht (Ziffer IV). Die Entscheidung wird insoweit aufgehoben.
Das Land Brandenburg hat dem Beschwerdeführer seine notwendigen Auslagen zu erstatten.
Gründe:
I.
Mit der Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen die zwangsweise Durchführung von Umgangskontakten mit seinem 1999 geborenen Sohn im Beisein eines Sachverständigen.
1
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel wies mit Beschluss vom 6. November 2000 den Umgangsrechtsantrag der Kindesmutter mit der Begründung zurück, ein erzwungener Umgang entspreche nicht dem Wohl des Kindes, das noch keinen Kontakt mit dem Beschwerdeführer gehabt habe.
2
Das Oberlandesgericht ordnete im Beschwerdeverfahren eine familienpsychologische Begutachtung an. Der Beschwerdeführer lehnte es jedoch ab, sich von dem Sachverständigen in Interaktion mit dem Kind beobachten zu lassen. Daraufhin verpflichtete das Oberlandesgericht den Beschwerdeführer im Wege der vorläufigen Anordnung mit Beschluss vom 15. November 2001 zum Umgang mit dem Kind an insgesamt vier von ihm festgelegten Terminen, und zwar jeweils in den Räumen des Sachverständigen; der letzte Umgangskontakt war für Anfang März 2002 vorgesehen. Für jede Zuwiderhandlung drohte das Gericht dem Beschwerdeführer ein Zwangsgeld von 10.000 DM an. Es sei zunächst eine zeitlich befristete Umgangsregelung zu treffen, um insbesondere mit Hilfe eines noch zu erstellenden ergänzenden Sachverständigengutachtens endgültige Klarheit darüber zu finden, welche Umgangsregelung für das Kindeswohl am besten sei. Den Sachverständigen wies das Gericht an, nach Durchführung der von ihm zu beobachtenden Umgangskontakte entsprechend Stellung zu nehmen. Schließlich setzte das Oberlandesgericht gegen den Beschwerdeführer ein Zwangsgeld fest, weil dieser den festgesetzten Umgangstermin nicht wahrgenommen hat.
3
Der Beschwerdeführer hat gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts vom 15. November 2001, soweit er die Androhung von Zwangsgeld ausspricht, Verfassungsbeschwerde erhoben und rügt unter anderem eine Verletzung seiner Rechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
4
II.
Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr nach § 93 c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG statt.
5
1. a) Die Verfassungsbeschwerde ist zulässig. Obgleich sich der angegriffene Beschluss wegen des Ablaufs der festgesetzten Umgangstermine erledigt hat, besteht das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers fort, weil die Wiederholung der angegriffenen Maßnahme zu besorgen ist (vgl. BVerfGE 33, 247 <257 f.>; 69, 161 <168>). Das Oberlandesgericht hat das Umgangsrechtsverfahren weder abgeschlossen noch ist erkennbar, dass es von seiner Rechtsansicht abweichen wird.
6
b) Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts des Beschwerdeführers aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Voraussetzungen für eine stattgebende Kammerentscheidung liegen vor (§ 93 c BVerfGG). Die für die Beurteilung maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen zum Persönlichkeitsrecht sind durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bereits entschieden (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194 f.>; 89, 69 <82>).
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2. Die angefochtene Entscheidung verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.
8
a) aa) Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistet in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Dieses Recht schützt grundsätzlich vor der Erhebung und Weitergabe von Befunden über den Gesundheitszustand, die seelische Verfassung und den Charakter (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 ff.>; 44, 353 <372 f.>; 65, 1 <41 f.>; 78, 77 <84>; 84, 192 <194 f.>; 89, 69 <82>; vgl. auch Fehnemann, FamRZ 1979, S. 661, 662 f.). Der Schutz ist umso intensiver, je näher die Daten der Intimsphäre des Betroffenen stehen, die als unantastbarer Bereich privater Lebensgestaltung gegenüber aller staatlichen Gewalt Achtung und Schutz beansprucht (vgl. BVerfGE 32, 373 <378 f.>; 65, 1 <45 f.>; 89, 69 <82>).
9
bb) Der angeordnete, in den Räumen des Sachverständigen und unter dessen Beaufsichtigung durchzuführende Umgang des Beschwerdeführers mit seinem Kind sollte der Erstellung eines ergänzenden Gutachtens dienen. Hierfür wäre die Erhebung von Befunden erforderlich gewesen, die nicht nur das Kind, sondern auch den Beschwerdeführer betroffen hätte. Der Sachverständige hätte untersuchen müssen, wie der Beschwerdeführer - der eine Verhaltensbeobachtung gegenüber dem Sachverständigen wiederholt abgelehnt hat - sich seinem ihm noch unbekannten Kind gegenüber verhält. Eine solche Exploration erfasst sehr persönliche Angelegenheiten, Denkweisen und Verhaltensweisen des Beschwerdeführers, die Rückschlüsse auf seine seelische Verfassung und seinen Charakter zulassen und damit den Schutzbereich seines Persönlichkeitsrechts berühren. In diesen Schutzbereich hat das Oberlandesgericht durch die Anordnung sowie die Androhung eines Zwangsgeldes eingegriffen, denn dadurch sollte der Beschwerdeführer zu dem vom Gericht bestimmten Verhalten angehalten werden (vgl. zum Eingriffscharakter BVerfGE 74, 264 <282>; 89, 69 <84>).
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b) Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist nicht absolut geschützt. Vielmehr muss jeder Bürger staatliche Maßnahmen hinnehmen, die im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit auf gesetzlicher Grundlage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgebots getroffen werden, soweit sie nicht den unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung beeinträchtigen (vgl. BVerfGE 32, 373 <379>; 65, 1 <44>; 89, 69 <84>). Aus der gesetzlichen Grundlage müssen sich die Voraussetzungen und der Umfang der Beschränkungen klar und für den Bürger erkennbar ergeben (vgl. BVerfGE 65, 1 <44>). In grundlegenden normativen Bereichen hat der Gesetzgeber dabei alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu treffen (vgl. BVerfGE 61, 260 <275>; 88, 103 <116>).
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An einer solchen verfassungsrechtlich gebotenen klaren und unmissverständlichen gesetzlichen Grundlage fehlt es für den hier vorliegenden weitreichenden Eingriff. Die Anordnung, die den Betroffenen zwingt, sich im Rahmen eines sorge- bzw. umgangsrechtlichen Verfahrens psychologisch untersuchen zu lassen und zu diesem Zweck bei einem Sachverständigen zu erscheinen, kann sich auf keine sie legitimierende Gesetzesnorm stützen (vgl. hierzu auch OLG Koblenz, FamRZ 2000, S. 1233; OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, S. 1479 <1480>; OLG Hamm, 1. FamS, FamRZ 1982, S. 94 <95>; 4. FamS, FamRZ 1981, S. 706 <707>; BayObLG, FamRZ 1979, S. 737 <739>; OLG Stuttgart, OLGZ 1975, 132 ff.; Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 15 Rz. 49; Bassenge/Herbst, FGG/RPflG, 8. Aufl., § 15 Rz. 31; Jansen, FGG I. Bd., 2. Aufl., § 12 Rz. 68; Weychardt, ZfJ 1999, S. 326 <332>; Säcker, FamRZ 1971, S. 81 <83, 84>). Als Ermächtigungsgrundlagen können weder § 33 FGG noch § 1684 Abs. 1 BGB bzw. §§ 12, 15 Abs. 1 FGG herangezogen werden.
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aa) § 33 FGG, der die Verhängung von Zwangsmitteln regelt, setzt voraus, dass die durch eine gerichtliche Verfügung einem Verfahrensbeteiligten aufgegebene Handlung, Unterlassung bzw. Duldung ihrerseits eine gesetzliche Grundlage hat; aus § 33 FGG selbst kann diese nicht hergeleitet werden (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, S. 1479 <1480>; BayObLG, FamRZ 1979, S. 737 <739>; OLG Stuttgart, OLGZ 1975, 132 ff.; vgl. auch OLG Koblenz, FamRZ 2000, S. 1233; OLG Hamm, 1. FamS, FamRZ 1982, S. 94; 4. FamS, FamRZ 1981, S. 706; Zimmermann, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 33 Rz. 1; Fehnemann, FamRZ 1979, S. 661 <662 f.>; Säcker, FamRZ 1971, S. 81).
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bb) Als gesetzliche Grundlage für die dem Beschwerdeführer mit der Anordnung auferlegte Handlung und Duldung scheidet § 1684 Abs. 1 BGB aus. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die in dieser Norm statuierte Umgangsverpflichtung die zwangsweise Durchführung eines Umgangskontaktes gegen den Willen des betroffenen Elternteils legitimieren kann. Denn der durch das Oberlandesgericht angeordnete "Umgang" in den Räumen des Sachverständigen sollte zugleich, wenn nicht sogar vorrangig der weiteren Sachverhaltsermittlung und –aufklärung als Grundlage einer Begutachtung auch des Beschwerdeführers und seines Verhaltens dienen. Die zwangsweise Beobachtung und Begutachtung des Umgangs durch einen Sachverständigen wird aber von § 1684 Abs. 1 BGB nicht erfasst.
14
cc) Auch § 12 und § 15 Abs. 1 FGG können nicht als Rechtsgrundlage für die gerichtliche Anordnung herangezogen werden.
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(1) Gemäß § 12 FGG hat das Gericht von Amts wegen die zur Feststellung der Tatsachen erforderlichen Ermittlungen anzustellen und die geeignet erscheinenden Beweise aufzunehmen. Im Gegensatz zu §§ 68b Abs. 3, Abs. 4, 70e Abs. 2 FGG, die die Gutachtenerstellung im Betreuungs- bzw. Unterbringungsverfahren regeln, räumt § 12 FGG dem Gericht keine Befugnis ein, die Untersuchung des Betroffenen zur Vorbereitung eines Gutachtens zu erzwingen (vgl. OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, S. 1479 <1480>; OLG Hamm, 4. FamS, FamRZ 1981, S. 706; BayObLG, FamRZ 1979, S. 737 <739>; OLG Stuttgart, OLGZ 1975, 132 <133>; Fehnemann, FamRZ 1979, S. 661 <662 f.>; Säcker, FamRZ 1971, S. 81; Jansen, FGG I. Bd., 2. Aufl., § 12 Rz. 68).
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(2) § 15 FGG erklärt die Vorschriften der Zivilprozessordnung für die Beweisaufnahme im FGG-Verfahren im Wesentlichen für entsprechend anwendbar. Zwar enthält § 372a ZPO für Fälle, in denen die Abstammung einer Person gerichtlicher Klärung bedarf, die Verpflichtung der Beteiligten, Untersuchungen, insbesondere die Entnahme von Blut, zu dulden. Bei dieser Norm handelt es sich indes um eine spezielle Ausnahmevorschrift, der eine allgemeine Verpflichtung, gerichtliche Anordnungen vergleichbarer Art hinzunehmen und ihre Vollziehung bei Vermeidung von Zwangsmaßnahmen zu dulden, nicht entnommen werden kann (OLG Hamm, 4. FamS, FamRZ 1981, S. 706 <707>; OLG Stuttgart, OLGZ 1975, 132 <133>; im Ergebnis ebenso: OLG Koblenz, FamRZ 2000, S. 1233; OLG Karlsruhe, FamRZ 1993, S. 1479 <1480>; OLG Hamm, 1. FamS, FamRZ 1982, S. 94 <95>; BayObLG, FamRZ 1979, S. 737 <739>; Schmidt, in: Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 14. Aufl., § 15 Rz. 49; Bassenge/Herbst, FGG/RPflG, 8. Aufl., § 15 Rz. 31; i.E. wohl auch Säcker, FamRZ 1971, S. 81 <82 f.>).
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3. Die angegriffene Entscheidung beruht auf dem dargelegten Grundrechtsverstoß. Es ist nicht ausgeschlossen, dass das Oberlandesgericht bei Beachtung der Bedeutung und Tragweite des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
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Da die angegriffene Entscheidung schon gegen Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verstößt und deshalb aufzuheben ist, bedarf es keiner weiteren Prüfung, ob die darüber hinausgehenden vom Beschwerdeführer gerügten Grundrechtsverstöße vorliegen.
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG. Damit erledigt sich der Antrag des Beschwerdeführers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwaltes für das Verfahren der Verfassungsbeschwerde (vgl. BVerfGE 62, 392 <397>; 71, 122 <136 f.>).
20
Diese Entscheidung ist unanfechtbar.
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Papier Steiner Hohmann-Dennhardt
[editiert: 28.10.05, 21:56 von Ingrid]