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OLG Frankfurt a.M.: Absehen von der Anhörung in Sorgerechtsverfahren aus schwerwiegenden Gründen NJW 2007 Heft 4
Absehen von der Anhörung in Sorgerechtsverfahren aus schwerwiegenden Gründen FGG § 50a I
In Sorgerechtsverfahren darf von der Anhörung nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden (§ 50a III FGG). Ein schwerwiegender Grund in diesem Sinne kann jedenfalls nicht in dem einmaligen Nichterscheinen eines Elternteils zu einem anberaumten Gerichtstermin gesehen werden.
OLG Frankfurt a.M., Beschluß vom 30. 8. 2006 - 1 UF 196/06
Zum Sachverhalt:
Die Parteien sind geschieden. Aus der Ehe sind die gemeinschaftlichen Kinder B, geb. am 2. 1. 1997, und U, geb. am 13. 11. 2000, hervorgegangen. Erstinstanzlich hat die Ast. beantragt, ihr die alleinige elterliche Sorge für das Kind U zu übertragen. Nach Eingang der Stellungnahme des Jugendamtes hat das FamG Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt und zugleich das persönliche Erscheinen der Parteien angeordnet. Im Termin ist der ordnungsgemäß geladene Ag. nicht erschienen.
Mit der angegriffenen Entscheidung hat das AG - FamG - daraufhin noch am Ende der Sitzung die elterliche Sorge für U auf die Ast. alleine übertragen. Die dagegen gerichtete Beschwerde hatte Erfolg.
Aus den Gründen:
Nach § 50a I FGG hört das Gericht in einem Verfahren, das die Personensorge für eine Kind betrifft, die Eltern in der Regel persönlich an. Von der Anhörung darf nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden (§ 50a III FGG). Ein schwerwiegender Grund in diesem Sinne kann jedenfalls nicht in dem einmaligen Nichterscheinen eines Elternteils zu einem anberaumten Gerichtstermin gesehen werden. Denn eine andere Wertung trägt der Bedeutung einer persönlichen Anhörung der Eltern in sorgerechtlichen Verfahren nicht die gebotene Rechnung. Sie dient nicht nur der nach § 12 FGG gebotenen Sachaufklärung. Es kommt hinzu, dass sorgerechtliche Entscheidungen besonders eingriffsintensiv sind, werden doch durch diese die persönlichen Verhältnisse und Beziehungen der Verfahrensbeteiligten wesentlich mitgestaltet. Vor diesem Hintergrund gebietet es auch der verfassungsrechtlich gebotene Grundrechtsschutz durch Verfahren, einen Elternteil in sorgerechtlichen Angelegenheiten persönlich anzuhören und hiervon nicht wegen einmaligem unentschuldigtem Ausbleiben abzusehen.
Da es sich um einen wesentlichen Verfahrensmangel handelt und weitere Ermittlungen geboten sind, ist es entsprechend § 572 ZPO (vgl. OLG Frankfurt a.M., FPR 2003, 321 = FamRZ 2003, 321) erforderlich, die erneute Sachentscheidung dem FamG zu überlassen. Mit Blick auf die Mitwirkung des Ag. im jugendbehördlichen Verfahren und unter Einbeziehung seiner in der angegriffenen Entscheidung nicht berücksichtigten Stellungnahme vom 10. 5. 2006 ist auch nicht ausgeschlossen, dass das FamG nach einer persönlichen Anhörung des Ag. und gegebenenfalls weiter erforderlichen Ermittlungen zu einer anderen Entscheidung gelangt. Zumal auch der Rechtsprechung des BVerfG Rechnung zu tragen sein wird, nach welcher sich das Familiengericht im Rahmen des § 1671 BGB unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit gegebenenfalls auf eine teilweise Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge zu beschränken hat (vgl. BVerfG, FPR 2004, 393 = FamRZ 2004, 1015).
Anm. d. Schriftltg.:
Zur Gestaltung des Verfahrens bei Sorgerechtsentscheidungen vgl. BerlVerfGH, NJOZ 2006, 3137. Vgl. zur Ausgestaltung des Rechts der Eltern auf Umgang mit ihren Kindern BVerfG, NJOZ 2006, 3846.