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Oberlandesgericht Nürnberg, Beschluss vom 17.12.1997,
Az. 11 UF 3697/97; 11 WF 3769/97
Leitsatz: Bei einer erweiterten Barunterhaltspflicht gegenüber einem minderjährigen, unverheirateten Kind aus erster Ehe (§ 1603 Abs. 2 S. 1 BGB) muß die verpflichtete Mutter zur Deckung des Mindestunterhalts des Kindes Erziehungsgeld, anteiliges Kindergeld und die Unterhaltsleistungen, die sie von ihrem zweiten Ehemann erhält, bis zur Grenze des notwendigen Selbstbehalts einsetzen.
Unterhaltsrecht
Erweiterte Barunterhaltspflicht einer Mutter
Anrechnung von Erziehungsgeld, anteiligem Kindergeld und eigenen Unterhaltsleistungen
Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg
vom 17.12.1997, Az. 11 UF 3697/97
Beschluss:
I. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Amtsgerichts ... wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagten wird die für das Berufungsverfahren beantragte Prozeßkostenhilfe versagt.
Gründe:
Zu Recht hat das Familiengericht der Beklagten für das Verfahren erster Instanz Prozeßkostenhilfe versagt. Ihr kann auch für das Berufungsverfahren Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden. Ihre Rechtsverteidigung gegen den geltend gemachten Anspruch auf Bezahlung von Kindesunterhalt hat nämlich keine hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO). Die Beklagte ist verpflichtet, für ihren minderjährigen Sohn .., geb. am ...1985, den auf den Kläger gemäß § 7 UVG übergegangenen Unterhaltsanspruch von monatlich 324,00 DM (Zeitraum vom 01. April 1996 bis 31. Dezember 1996) bzw. von 314,00 DM (Zeitraum vom 01. Januar 1997 bis 31. Mai 1997) zu bezahlen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat zunächst Bezug auf die Gründe in dem angefochtenen Beschluß und im Endurteil vom 09. Oktober 1997, denen er sich anschließt. Ergänzend ist folgendes auszuführen:
1. Die Beklagte ist zur Bezahlung des geltend gemachten Mindestunterhalts leistungsfähig (§ 1603 BGB).
1.1 Sie trifft gegenüber ihrem minderjährigen, unverheirateten Sohn eine erweiterte Unterhaltspflicht (§ 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB).
Zwar tritt nach § 1603 Abs. 2 Satz 2 BGB eine erweiterte Unterhaltspflicht eines barunterhaltspflichtigen Elternteils dann nicht ein, wenn der sorgeberechtigte Elternteil den Mindestunterhalt in vollem Umfang ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Unterhalts gewähren kann (vgl. BGH in FamRZ 1980, S. 555 ff.). Auch kommt in Abweichung von dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt (§ 1606 Abs. 3 BGB) eine vollständige oder anteilige Barunterhaltspflicht des sorgeberechtigten Elternteils in Betracht, wenn der barunterhaltspflichtige Elternteil über wesentlich geringere Einkünfte verfügt als der betreuende (vgl. BGH in FamRZ 1991, S. 182; OLG Bamberg in NJW 1995, S. 1433 f; Wendl/Staudigl-Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 4. Aufl., § 2, RN 274, 287 ff.). Für eine Barunterhaltspflicht des Vaters von S fehlt es jedoch an einem substantiierten Vortrag der Beklagten.
Macht der auf Barunterhalt in Anspruch genommene Elternteil eine Ausnahme von dem Grundsatz der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt geltend, muß er konkret darlegen und nachweisen, daß die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des betreuenden Elternteils sowie die sonstigen Umstände dessen - zumindest teilweise - Heranziehung zum Barunterhalt rechtfertigen (BGH in FamRZ 1981, S. 347; Wendl/Staudigl-Scholz, a.a.O., § 2, RN 288). Die Beklagte hat insoweit lediglich angegeben, daß sie davon ausgehe, daß der Vater von S ein Einkommen in Höhe von mindestens 4.000,00 DM netto im Monat erziele. Daraus läßt sich eine Barunterhaltspflicht des sorgeberechtigten Vaters von S nicht errechnen. Insbesondere fehlen Angaben zu dessen allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen, zu dessen familiärer Situation und zu dessen Unterhaltsverpflichtungen.
Die für eine Barunterhaltspflicht des sorgeberechtigten Vaters des Kindes S darlegungspflichtige Beklagte kann sich nicht darauf berufen, mangels ausreichender Informationen keine näheren Angaben machen zu können. Ihr steht nämlich ein Auskunftsanspruch aus § 242 BGB gegen den Vater von S zu, den sie geltend machen muß (vgl. Wendl/Staudigl-Haußleiter, a.a.O., § 1, RN 566).
1.2 Wegen ihrer erweiterten Unterhaltspflicht gegenüber S sind die Unterhaltsleistungen von monatlich 1.629,00 DM, die die Beklagte von ihrem zweiten Ehemann X. Y. erhält, zur Abdeckung des Mindestunterhalts als Einkommen einzusetzen (vgl. BGH in FamRZ 1980, S. 555 ff.). Bei einer erweiterten Unterhaltspflicht muß nämlich der barunterhaltspflichtige Elternteil auch die Unterhaltsbeträge, die er für den eigenen Unterhalt erhalten hat und für seinen angemessenen Unterhalt benötigt, zum Unterhalt für ein Kind insoweit verwenden, als sie den notwendigen Selbstbehalts übersteigen. Die erweiterte Unterhaltspflicht der Eltern gemäß § 1603 Abs. 2 Satz 1 BGB beruht nämlich auf der besonderen familienrechtlichen Verantwortung der Eltern gegenüber ihren minderjährigen, unverheirateten Kindern, die es nach dem Willen des Gesetzgebers nicht zuläßt, daß im Falle nicht ausreichender Mittel vorweg die Eltern ihren eigenen angemessenen Unterhalt voll abdecken und ein Kind auf den Rest verweisen (BGH, a.a.O., S. 556). Dabei ist gleichgültig, woher die zur Verfügung stehenden Mittel stammen.
1.3 Zu dem von der Beklagten zum Unterhalt von S einzusetzenden Einkommen gehört auch das Erziehungsgeld. Zwar hat der Gesetzgeber in § 9 BerSchG (Bundesgesetzblatt 1985 I 2156) bestimmt, daß Unterhaltsverpflichtungen durch die Gewährung des Erziehungsgeldes nicht berührt werden. In Satz 2 dieser Vorschrift sind jedoch Ausnahmen genannt, die auf der einen Seite Unterhaltsansprüche einer Erziehungsgeldbezieherin betreffen, auf der anderen Seite aber durch die Zitieren des § 1603 Abs. 2 BGB auch für Unterhaltsverpflichtungen eine Ausnahme von diesem Grundsatz gesetzlich festlegen. Der gesetzliche Zweck des Erziehungsgeldes - die Ermöglichung der Babybetreuung - soll zwar grundsätzlich gewährleistet bleiben, darunter dürfen aber minderjährige Kinder der Erziehungsgeldbezieherin nicht leiden. Die Verpflichtung der Beklagten, für ihren Sohn S Unterhalt zu bezahlen, zählt zu den in § 9 Satz 2 BErzGG angeführten Ausnahmen mit der Folge, daß auch das Erziehungsgeld für die Erfüllung einer erweiterten Unterhaltspflicht heranzuziehen ist (vgl. OLG Nürnberg in FamRZ 1994, S. 1402 f; OLG Düsseldorf in FamRZ 1991, S. 592 ff.).
2. Der notwendige Selbstbehalt der Beklagten beträgt im Monat 1.425,00 DM. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus dem notwendigen Selbstbehalt eines nicht erwerbstätigen Unterhaltsverpflichteten nach der Nürnberger Tabelle, Stand 01. Januar 1996, von 1.300,00 DM, der Krankenversicherung von ca. 25,00 DM sowie einen monatlichen Zuschlag von 100,00 DM für erhöhte Mietkosten.
2.1 Obwohl die Beklagte tatsächlich eine monatliche Kaltmiete von 700,00 DM zu bezahlen hat und in dem notwendigen Selbstbehalt von 1.300,00 DM lediglich Mietkosten von 500,00 DM berücksichtigt sind, erhöht sich ihr Selbstbehalt lediglich um 100,00 DM. Denn in der von der Beklagten angemieteten Wohnung leben auch ihre Kinder aus zweiter Ehe, ... für die sie monatlich Kindesunterhalt von insgesamt 671,00 DM erhält. Von diesem Kindesunterhalt sind 15 % = ca. 100,00 DM als Mietkostenanteil zu berücksichtigen (Nürnberger Tabelle, Stand 01. Januar 1996 II. 3.1).
2.2 Die weiteren von der Beklagten geltend gemachten monatlich Ausgaben erhöhen ihren Selbstbehalt nicht. Bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit bleiben die an die Sparkasse .... zu zahlenden Kreditraten von monatlich 200,00 DM und die Prozeßkostenhilferaten von monatlich 230,00 DM aus den vom Amtsgericht dargestellten Gründen unberücksichtigt.
Bei den übrigen Ausgaben handelt es sich um Kosten der allgemeinen Lebensführung, die die Beklagte aus ihrem Selbstbehalt und den Unterhaltsleistungen ihres zweiten Ehemannes für die Kinder V und P bestreiten muß. Dies gilt insbesondere auch für die PKW-Kosten. Auf ein Kraftfahrzeug ist die Beklagte nicht dringend angewiesen. Es ist ihr zuzumuten, eine Wohnung anzumieten, von der sie aus Ärzte, den Kindergarten und Geschäfte mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen kann. Sie ist nicht berechtigt, auf Kosten des Mindestunterhalts ihres Sohnes S sich einen PKW zu halten.
3. Aufgrund ihres einzusetzenden Einkommens und des errechneten notwendigen Selbstbehalts ist die Beklagte zur Bezahlung des geltend gemachten Mindestunterhalts von 324,00 DM (Zeitraum vom 01. April 1996 bis 31. Dezember 1996) bzw. 314,00 DM (Zeitraum 01. Januar 1997 bis 31. Mai 1997) in der Lage (§ 1603 BGB).
3.1 Ohne Berücksichtigung des staatlichen Kindesgeldes, das sie für ihre Kinder ... erhält, betrug ihr monatliches Einkommen von April 1996 bis einschließlich September 1996 2.038,00 DM, das sich aus 1.629,00 DM Unterhaltszahlungen ihres zweiten Ehemannes .... und 409,00 DM Erziehungsgeld zusammensetzt. Da sie von Oktober 1996 bis März 1997 nur noch Erziehungsgeld von monatlich 341,00 DM bezog, belief sich ihr monatliches Einkommen in diesem Zeitraum auf 1.970,00 DM, nämlich 1.629,00 DM Unterhaltsleistungen und 341,00 DM Erziehungsgeld. Somit standen der Beklagten zur Bezahlung des Mindestunterhalts für S monatlich 613,00 DM (2.038,00 DM - 1.425,00 DM) bzw. 545,00 DM (1.970,00 DM - 1.425,00 DM) zur Verfügung. Diese Beträge übersteigen den geltend gemachten Mindestunterhalt.
3.2 Auch für die Monate April und Mai 1997 ist die Beklagte aufgrund ihres Einkommens in der Lage, den Mindestunterhalt von 314,00 DM für S zu bezahlen. Von ihrem eigenen Unterhalt in Höhe von 1.629,00 DM hat sie 204,00 DM (1.629,00 DM - 1.425,00 DM) dazu zu verwenden. Den Restbetrag von 110,00 DM (314,00 DM - 204,00 DM) muß sie aus dem Kindergeld von 520,00 DM leisten, das sie in diesen Monaten für ihre beiden bei ihr lebenden Kinder ... unstreitig bezogen hat. In Höhe von mindestens 110,00 DM ist das staatliche Kindergeld der Beklagten als Einkommen zuzurechnen, da sie eine erweitere Unterhaltspflicht zur Bezahlung des Mindestunterhalts trifft (vgl. Wendl/Staudigl-Gutdeutsch, a.a.O., § 5, RN 83 ff.). Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, daß die Beklagte für ihren Sohn ... nur deshalb 300,00 DM anstelle von 220,00 DM Kindergeld erhält, weil auch S bei der Höhe des Kindergeldes berücksichtigt wird und deshalb ... als das dritte Kind der Beklagten gilt. Eine teilweise Anrechnung des Kindergeldes als Einkommen ist auch deshalb gerechtfertigt, weil die Beklagte für die Kinder .... Unterhaltszahlungen erhält, die deutlich über dem Mindestunterhalt liegen.
Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg
vom 17.12.1997, Az. 11 UF 3697/97
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