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Oberlandesgericht Köln
im Namen des Volkes
Urteil
In der Familiensache
der Schülerin S.S., F. xx, XXXXX XXXXXXXX
Klägerin und Berufungsklägerin
- Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte M. -
gegen
Frau X. X. xxxxstr. 00, 5114x Köln
Beklagte und Berufungsbeklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwältin xxxx –
hat der 25. Zivilsenat – Senat für Familiensachen – des Oberlandesgerichts Köln
auf die mündliche Verhandlung vom 18.06. 2002
durch die Richter am Oberlandesgericht Winn und Wolf sowie die Richterin am Oberlandesgericht Scholz
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. Oktober 2001 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Köln teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die Zeit vom 01.11.1999 bis 28.02.2001 einen Unterhaltsbetrag von 4.992,26 Euro zu zahlen.
Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen die Klägerin 1/5 und die Beklagte 4/5.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 2 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nur teilweise begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte gem. §§ 1601, 1602, 1603 f, 1610, 1612, 1612 b BGB ein Anspruch auf Unterhalt für die Zeit vom 01. November 1999 bis einschließlich 28.02.2001 zu. An der Bedürftigkeit der Klägerin in diesem Zeitraum bestehen keine Zweifel, weil sie als Schülerin ohne eigenes Einkommen war. Da sie in der fraglichen Zeit aus schulischen Gründen nicht bei ihrem sorgeberechtigten Vater, sondern in einer eigenen Wohnung in Köln lebte, beträgt ihr Unterhaltsbedarf unter Zugrundelegung der Düsseldorfer Tabelle 1.120 DM monatlich.
Die Beklagte ist in dem ausgeurteilten Umfang leistungsfähig i. S. des § 1603 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 BGB. Die im August 1962 geborene Beklagte hat die mittlere Schulreife und war vor der 1980 geschlossenen Ehe als ungelernte Bürokraft tätig. Sie hat seit Frühjahr 1999 eine Ausbildung zur „Versicherungsfachfrau (BWV)“ gemacht und diese am 17. November 2000 erfolgreich beendet. Während der Ausbildung war sie bei der X-Versicherung als Versicherungsvertreterin tätig. Zum 31. Mai 2001 ist ihr von der X-Versicherung gekündigt worden. Schom zum 31. März 2001 hat sie ihr Gewerbe abgemeldet. Sie bezieht zudem seit November 2000 Sozialhilfe. Seit dem 03. April 2001 ist sie als arbeitslos gemeldet. Sie betreut nach wie vor den am XX. September geborenen Sohn F.
Für die Zeit ihrer Berufstätigkeit ist – entsprechend dem Vortrag der Klägerin und der Gewinnermittlung der Beklagten – bei der Beklagten von einem Einkommen aus Erwerbstätigkeit in Höhe von mindestens monatlich 1.123,44 DM auszugehen. Soweit die Beklagte eine weitere Gewinnerermittlung mit einem Gewinn von lediglich 2.873,01 DM (jährlich Anmerkung von mir) vorgelegt hat, hat sie den offensichtlichen Widerspruch zwischen diesen beiden Gewinnermittlungen, die mit dem Stempel desselben Steuerberaters versehen sind, auch nicht ansatzweise ausgeräumt.
Weiteres Einkommen erzielte die Beklagte durch Trennungsunterhalt in Höhe von monatlich 1.100 DM sowie 200 DM aus Nebeneinnahmen, so dass sie insgesamt über ein monatliches Nettoeinkommen von 2.423,44 DM verfügte.
Auch unter der Berücksichtigung der Tatsache, dass die Beklagte dieses Einkommen aus teilweiser überobligationsmäßiger Tätigkeit erzielte – sie betreute den in diesem Zeitraum 13 Jahre alten Bruder F. der Klägerin - , war sie unter Berücksichtigung eines notwendigen Selbstbehaltes von 1.500 DM stets in der Lage, einen monatlichen Unterhalt von 582 DM bzw. ab März 2000 von 653 DM zu zahlen. Dabei handelt es sich lediglich um einen Unterhaltsbeitrag, wie der Bedarf der Klägerin – auch unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldanteils – stets wesentlich höher lag. Unter Berücksichtigung der von der Beklagten geleisteten Zahlungen verbleibt für die Zeit von November 1999 bis Februar 2000 ein Rückstand von 1.928,01 DM, der zusammen mit den 12 x 653 DM für die Zeit von März 2000 bis Februar 2001 einen Gesamtbetrag von 9.764,01 DM = 4.992,26 Euro ergibt.
Für die Zeit ab März 2001 steht der Klägerin hingegen nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kein Unterhaltsanspruch gegen die Beklagte mehr zu, weil diese jedenfalls bis August 2002 nicht leistungsfähig war. Grund dafür ist allerdings nicht, dass die Beklagte seit März 2001 arbeitslos ist. Denn die Beklagte ist verpflichtet, sich in ausreichendem Maße um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen. Dieser Anforderung ist sie bislang auch nicht annähernd in dem erforderlichen Umgang nachgekommen. Dieses Verhalten der Beklagten bleibt jedoch aus den nachfolgenden Gründen ohne unterhaltsrechtliche Konsequenzen.
Die Klägerin ist im März 2001 volljährig geworden. Da sie weiterhin Schülerin war, dauerte zwar ihre Unterhaltsbedürftigkeit weiter an. Die gesteigerte Unterhaltsverpflichtung der Beklagten gem. § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB entfiel jedoch mit der Volljährigkeit. Die Klägerin ist auch nicht einer Minderjährigen gleichzustellen i.S.d. § 1603 Abs. 2 S. 2 BGB. Sie besucht zwar noch die Gesamtschule, ist also in der allgemeinen Schulausbildung. Jedoch ist die weitere, zusätzliche Voraussetzung nicht erfüllt, dass sie bei einem der beiden Elternteile wohnt; die Klägerin bewohnt vielmehr eine eigene Wohnung in Köln.
Das hat zur Folge, dass der Beklagten im Verhältnis zur Klägerin der angemessene Unterhalt verbleiben muss, der von März bis Juni 2001 1.800 DM sowie von Juli bis Dezember 2001 1.960 DM betrug und seit Januar 2002 bei mindestens 1.000 Euro liegt. Darüber hinaus ist zu beachten, dass die Beklagte den minderjährigen und damit vorrangigen Bruder der Klägerin betreut, der in dem maßgeblichen Zeitraum 14 bzw. 15 Jahre alt war bzw. ist. Nach Nr. 24 der Kölner Unterhaltsleitlinien ist bei einem Kind unter 16 Jahren in der Regel nur eine Teilerwerbstätigkeit zumutbar. Gründe, die vorliegende Ausnahme von dieser Regel gebieten würden, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Soweit die Klägerin geltend macht, die Beklagte habe doch früher, als sie – Klägerin – noch bei ihr gewohnt habe, doch auch vollschichtig gearbeitet, so ist dies zwar richtig. Allerdings folgt allein daraus nicht, dass die Beklagte gezwungen wäre, diese überobligationsmäßige Tätigkeit nach Erreichen der Volljährigkeit der Klägerin fortzusetzen.
Unter Berücksichtigung der vorstehenden genannten Umstände und angesichts der Tatsache, dass die Beklagte aus vollschichtiger Tätigkeit im Jahre 2000/2001 lediglich ein Nettoeinkommen von rund 1.200 DM erzielt hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte aus einer Teilerwerbstätigkeit ein Nettoeinkommen von mehr als rund 1.500 DM hätte erzielen können. Ein solches Einkommen müsste sie aber im Hinblick auf die oben genannten Freibeträge und unter Berücksichtigung eines durchschnittlichen nachehelichen Unterhalts von monatlich 238,60 Euro = 466,67 DM erzielen, um leistungsfähig zu sein. Nur aus diesen Gründen ist der vorgenannte Verstoß der Beklagten gegen ihre Verpflichtung, sich ausreichendem Maße um Arbeit zu bemühen, derzeit ohne Relevanz.
Ab September 2002 vollendet der Bruder der Kläger das 16. Lebensjahr vollendet. Dies hat zur Folge, dass die Beklagte zur Aufnahme einer Vollzeiterwerbstätigkeit verpflichtet ist. Dass im Hinblick darauf eine Unterhaltsverpflichtung der Beklagten gegenüber der Klägerin besteht, kann jedoch derzeit deswegen nicht bejaht werden, weil die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin unklar ist. Ob sie ein Studium oder eine andere Ausbildung aufnehmen oder einer sonstigen Tätigkeit nachgehen wird, ist ebenso unklar wie der für Frage der Unterhaltsbedürftigkeit relevante Umstand, ob und in welcher Höhe sie – vorrangige und anzurechnende – Ausbildungerförderung bzw. Ausbildungsvergütung erhalten wird.
Die im Schriftsatz der Klägerin vom 05. September 2002 mitgeteilte Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten am 19. August 2002 hindert die Verkündung dieses Urteils nicht, weil die letzte mündliche Verhandlung vor der Eröffnung stattgefunden hat, §§ 240, 249 Abs.3 ZPO.
Der Schriftsatz gibt auch keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung widerzueröffnen. Die Eröffnung eines Regelinsolvenzverfahrens erklärt sich aus der Vorschrift des § 304 InsO und der früheren Tätigkeit der Beklagten als Versicherungsvertreterin.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 92, 708 Nr. 11, 713 ZPO. Bei der Kostenentscheidung ist berücksichtigt worden, dass die Klägerin im Hinblick auf den Gebührenstreitwert gem. §§ 17 Abs. 1 und 4 GKG zwar voll obsiegt hat, ihre Klage aber andererseits für den nachfolgenden Zeitraum keinen Erfolg hat.
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[editiert: 06.11.07, 22:33 von Ingrid]