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...Vorwegabzug von Unterhalt eines nicht gemeinsamen Kindes bei der Ermittlung der Haftungsquote für
den Volljährigenunterhalt (BGB § 1606 III 1)
Leistet ein Elternteil für ein nicht gemeinsames minderjähriges Kind Barunterhalt, scheidet dessen Vorwegabzug bei der Bemessung der Haftungsanteile für das gemeinsame privilegiert volljährige Kind nicht zwingend aus.
Die in jedem Einzelfall gebotene Billigkeitsabwägung kann den Vorwegabzug rechtfertigen,
wenn dadurch keine unangemessene Belastung des anderen Elternteils in seinen wirtschaftlichen Verhältnissen eintritt. (amtlicher Leitsatz)
(OLG Hamm, Beschl. v. 11. 1. 2011 – II-2 WF 191/10, 2 WF 191/10
Das Urteil mit einer genauen tabellarischen Berechnung ist zu finden unter http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2011/II_2_WF_191_10beschluss20110111.html
http://openjur.de/u/149627.html :
Gericht: OLG Hamm openJur #: 149627 (openJur 2011, 77611)
Datum: 11. Januar 2011
Az: II-2 WF 191/10
Typ: Beschluss
Verfahrensgang: 22 F 197/10 vorher
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 30. 07. 2010 gegen den Beschluss des Amtsgerichts -Familiengericht - Witten vom 21.07.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat dem für den Unterhaltsantrag des Schriftsatzes vom 27.05.2010 gestellten Verfahrenskostenhilfeantrag nur teilweise entsprochen, nämlich für ein Unterhaltsverlangen in Höhe von monatlich 261,00 € ab Juni 2010. Insoweit wird auf die Begründung des Beschlusses verwiesen. Gegen diesen Beschluss wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde, die er im Wesentlichen mit dem Argument begründet, zu Unrecht habe das Amtsgericht bei der Berechnung des Haftungsanteils der Eltern für seinen Unterhalt die Unterhaltsverpflichtungen des Antragsgegners gegenüber den aus einer anderen Beziehung stammenden minderjährigen Kindern M, geb. am 16.12.2007, und L, geb. am 18.03.2010, vorweg abgezogen; die angemessene Berechnung sei die ohne Vorwegabzug. Der Haftungsanteil des Antragsgegners betrage danach 323,00 €.
Das Amtsgericht hat dem Rechtsmittel nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Der Antragsgegner bittet um Zurückweisung des Rechtsmittels.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, § 127 Abs. 2 ZPO zulässig; sie hat in der Sache keinen Erfolg.
Die weitergehende Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf der Grundlage der von dem Rechtsmittelführer zur Berechnung der Haftungsanteile vertretenen Auffassung kommt nicht in Betracht.
Der Senat tritt der Auffassung des Amtsgerichts bei, wonach entsprechend der Regelung in Nr. 13.3.2 HLL - außerhalb des Mangelfalls- grundsätzlich bei der Bemessung der Haftungsanteile der einem privilegiert volljährigen gemeinsamen Kind unterhaltspflichtigen Eltern - also nicht bei der Ermittlung des Bedarfs - auch der von einem Elternteil geschuldete und gezahlte Unterhalt für minderjährige Kinder vorweg abgezogen wird. Der Vorwegabzug gilt - nach dem Wortlaut der Nr. 13.3.,2 2. Satz HLL - auch dann, wenn es sich um minderjährige Kinder aus einer anderen Beziehung handelt.
Zutreffend verweist der Antragsteller auf Nr. 13.3.2 3. Satz HLL, wonach hiervon im Einzelfall abgewichen werden kann, wenn der Vorwegabzug zu einem unbilligen Ergebnis führt wie z.B. bei der Berücksichtigung nicht gemeinsamer minderjähriger Kinder. Hintergrund dieses angeführten Beispiels ist die Erwägung, dass der Elternteil, in dessen Haushalt das privilegiert volljährige Kind lebt, wirtschaftlich nicht durch von dem anderen Elternteil allein zu verantwortende weitere Unterhaltslasten belastet werden soll. Ob dies der Fall ist, ist auch in dem aufgeführten Beispielsfall jeweils nach den individuellen Umständen des Einzelfalls zu entscheiden.
Insoweit ist im Einzelfall im Rahmen einer Angemessenheitskontrolle unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Ansätze - mit oder ohne Vorwegabzug - zu befinden, ob die wirtschaftliche Belastung der Elternteile im einen oder im anderen Fall angemessen ist.
Insoweit stellen sich die alternativen Berechnungen auf der Grundlage der vom Amtsgericht zugrundegelegten Einkommensverhältnisse und nach der Düsseldorfer Tabelle, Stand: 1.1.2010, mit folgendem wirtschaftlichen Ergebnis dar:
Berechnung mit Vorwegabzug Einkommensermittlung bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen des Vaters 1.923,83 € bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen der Mutter 1.274,00 € Bedarfsberechnung Der Bedarf bestimmt sich nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern; Unterhaltsansprüche Dritter bleiben unberücksichtigt 3.197,83 € Bedarf nach Altersstufe IV der DT oder pauschaler Bedarf eines Studenten/Kindes mit eigenem Hausstand 6. Egr. 625,00 € ./. Ausbildungsvergütung 0,00 € ggf. ausbildungsbedingter Mehrbedarf 0,00 € ./. Kindergeld - 184,00 € 441,00 € Bestimmung der Haftungsanteile der Eltern Einkommen des Vaters 1.923,83 € abz. Unterhaltsverpflichtungen M * 16.12.2007 2. EGr. wegen Herabstufung 333,00 € abz. hälftiges Kindergeld -92,00 € - 241,00 € L * 18.3.2010 2. EGr. wegen Herabstufung 333,00 € abz. hälftiges Kindergeld -92,00 € - 241,00 € verbleibendes Einkommen 1.441,83 € abz. Selbstbehalt - 900,00 € Haftungsmasse des Vaters 541,83 € Einkommen der Mutter 1.274,00 € abz. Unterhaltsverpflichtungen 0,00 € 0,00 € abz. Selbstbehalt - 900,00 € Haftungsmasse der Mutter 374,00 € Haftungsmasse der Eltern insgesamt 915,83 € (Rest)Bedarf 100,00% Anteil des Vaters 59,16% 260,91 € Anteil der Mutter 40,84% 180,09 € Kontrollberechnung: alleinige Upflicht für vj. Kind bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen des Vaters 1.923,83 € Bedarf nach Altersstufe IV der DT oder Bedarf eines Studenten/Kides mit eigenem Hausstand 513,00 € abz. volles Kindergeld - 184,00 € 329,00 € Zahlungspflichten des Vaters 1.923,83 € vj. Kind - 260,91 € mj. Kind M - 241,00 € mj. Kind L - 241,00 € verleiben 1.180,92 € Zahlungspflichten der Mutter 1.274,00 € vj. Kind - 180,09 € verbleiben 1.093,91 €
Berechnung ohne Vorwegabzug bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen des Vaters 1.923,83 € bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen der Mutter 1.274,00 € Bedarfsberechnung Der Bedarf bestimmt sich nach dem zusammengerechneten Einkommen der Eltern; Unterhaltsansprüche Dritter bleiben unberücksichtigt 3.197,83 € Bedarf nach Altersstufe IV der DT oder pauschaler Bedarf eines Studenten/Kindes mit eigenem Hausstand 6. Egr. 625,00 € ./. Ausbildungsvergütung 0,00 € ggf. ausbildungsbedingter Mehrbedarf 0,00 € ./. Kindergeld - 184,00 € 441,00 € Bestimmung der Haftungsanteile der Eltern Einkommen des Vaters 1.923,83 € abz. Unterhaltsverpflichtungen M * 16.12.2007 2. EGr. wegen Herabstufung 333,00 € abz. hälftiges Kindergeld - 92,00 € - L * 18.3.2010 2. EGr. wegen Herabstufung 333,00 € abz. hälftiges Kindergeld - 92,00 € - verbleibendes Einkommen 1.923,83 € abz. Selbstbehalt - 900,00 € Haftungsmasse des Vaters 1.023,83 € Einkommen der Mutter 1.274,00 € abz. Unterhaltsverpflichtungen 0,00 € 0,00 € abz. Selbstbehalt - 900,00 € Haftungsmasse der Mutter 374,00 € Haftungsmasse der Eltern insgesamt 1.397,83 € (Rest)Bedarf 100,00% 441,00 € Anteil des Vaters 73,24% 323,01 € Anteil der Mutter 26,76% 117,99 € Kontrollberechnung: alleinige Upflicht für vj. Kind bereinigtes unterhaltspflichtiges Nettoeinkommen des Vaters 1.923,83 € Bedarf nach Altersstufe IV der DT oder Bedarf eines Studenten/Kides mit eigenem Hausstand 513,00 € abz. volles Kindergeld - 184,00 € 329,00 € Zahlungspflichten des Vaters 1.923,83 € vj. Kind - 323,01 € mj. Kind M - 241,00 € mj. Kind L - 241,00 € verbleiben 1.118,82 € Zahlungspflichten der Mutter 1.274,00 € vj. Kind - 117,99 € verbleiben 1.156,01 €
Der Senat erachtet in dieser Fallkonstellation den Vorwegabzug als angemessen. Die für den Unterhalt des gemeinsamen Kindes mit haftende Mutter wird dadurch nicht unangemessen benachteiligt. Die nicht so auskömmlichen Einkommensverhältnisse der Eltern werden durch die Unterhaltspflichten in erheblichem Umfang belastet, so dass beiden letztlich nur ein Einkommen zwischen 1100 € und rund 1150 € verbleibt. Den Vater treffen 3 Unterhaltsverpflichtungen, er ist also deutlich stärker wirtschaftlich belastet. Anders wäre es möglicherweise zu sehen, wenn der Vater über weit bessere Einkünfte verfügen und, ihm trotz der Unterhaltspflichten noch ein auskömmliches Einkommen verbleiben würde, während die Mutter - wie im Fall- nur ein geringes Einkommen hätte und sie durch den Vorwegabzug einem demgegenüber zu hohen Haftungsanteil ausgesetzt wäre.
Durch den Vorwegabzug ist der Gleichrang der Unterhaltsberechtigten nicht verletzt. Dieser ist auf der Bedarfsebene berücksichtigt. Die Bemessung der Haftungsanteile hat vornehmlich unter Leistungsfähigkeitsgesichtspunkten auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern Bedacht zu nehmen. Die stets nach den Umständen des Einzelfalls gebotene Billigkeitsabwägung versperrt den Weg zu einer pauschalen Handhabung möglicher Ausnahmen von dem grundsätzlich nach Nr. 13.3.2 HLL vorgesehenen Vorwegabzug des Unterhalts minderjähriger Kinder.
III.
Eine Kostenentscheidung ist im Blick auf §§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, 127 Abs. 4 ZPO nicht veranlasst
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