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OLG Hamm: Wegfall des Ausbildungsunterhalts
NJOZ 2005 Heft 4 437 BGB § 1610 II
Das Kind verliert seinen Unterhaltsanspruch aus § 1610 II BGB, wenn es seine Ausbildung nicht planvoll und zielstrebig durchführt (hier: Im Jahre 2000 Hauptschulabschluss, dann zweimaliger Abbruch einer auf jeweils zwei Jahre angelegten Ausbildung im Fachbereich Metall und Holz, danach Abbruch einer Maßnahme zur Berufsorientierung, nunmehr Besuch eines Kollegs zur Erreichung der mittleren Reife).
OLG Hamm, Beschluß vom 14. 10. 2004 - 11 WF 168/04
Zum Sachverhalt:
Der am 30. 6. 1984 geborene Ast. hat im Jahr 2000 den Hauptschulabschluss erworben. Anschließend hat er bis Mitte 2002 ohne weiteren qualifizierten Abschluss die Fachoberschule in Ahaus besucht, zunächst bis Mitte 2001 im Rahmen einer an sich auf zwei Jahre angelegten Ausbildung im Fachbereich Metall, anschließend im Rahmen einer gleichfalls auf zwei Jahre angelegten Ausbildung im Fachbereich Holz. Von August 2002 bis März 2003 schloss sich der Besuch des Berufstechnologiezentrums N., einer Einrichtung zur Berufsorientierung, an. Auch diese Maßnahme brach der Ast. vorzeitig ab. Seit Mitte 2003 besucht der Ast. mit dem Ziel des Erwerbs der mittleren Reife das D Kolleg in G.
Mit seiner beabsichtigten Klage, für deren Erhebung er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe begehrt, will der Ast. die Ag., seine Mutter, auf Kindesunterhalt in Anspruch nehmen.
Das AG hat den Prozesskostenhilfeantrag wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dem Ast. stehe gegen die Ag. kein Unterhaltsanspruch mehr zu, da er sich in der Vergangenheit nicht ausreichend zielgerichtet und ohne von ihm zu vertretende Verzögerungen um den Erwerb einer qualifizierten Berufsausbildung bemüht habe.
Hiergegen richtete sich die Beschwerde des Ast., der das AG nicht abgeholfen hat, ohne Erfolg.
Aus den Gründen:
II. Das AG hat dem Ast. zu Recht und aus zutreffenden Erwägungen die nachgesuchte Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten der beabsichtigten Rechtsverfolgung versagt, § 114 ZPO. Die Ausführungen der Beschwerde rechtfertigen keine abweichende, dem Ast. günstigere Beurteilung.
Gemäß § 1602 I BGB ist unterhaltsberechtigt nur, wer außer Stande ist, sich selbst zu unterhalten. Ein volljähriges Kind - wie der Ast. im hier interessierenden Zeitraum ab Oktober 2003 - muss für seinen Lebensbedarf grundsätzlich selbst durch eigene Erwerbstätigkeit aufkommen, sofern nicht nach § 1610 II BGB Ausbildungsunterhalt geschuldet wird. Diesen schuldet die Ag. dem Ast. indessen nicht.
- Nach gefestigter Rspr. (vgl. nur BGH, NJW 1998, 1555 = LM § 1610 BGB Nr. 30 = FamRZ 1998, 671; OLG Naumburg, OLG-Report 2001, 124) ist der aus § 1610 II BGB folgende Anspruch des Kindes auf Finanzierung eines angemessenen, seinen Begabungen, Neigungen und seinem Leistungswillen entsprechenden Berufsausbildung vom Gegenseitigkeitsprinzip geprägt. Der Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, dem Unterhaltsberechtigten eine angemessene, seinen Fähigkeiten und Neigungen entsprechende Berufsausbildung zu ermöglichen, steht auf dessen Seite die Obliegenheit gegenüber, die Ausbildung unverzüglich aufzunehmen und mit Fleiß sowie der gebotenen Zielstrebigkeit in angemessener und üblicher Zeit zu beenden. Unterhaltsleistungen nach § 1610 II BGB sind zweckgebunden und werden nur insoweit geschuldet, als sie für eine angemessene Vorbildung zu einem Beruf erforderlich sind. Zwar muss der Verpflichtete nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) Verzögerungen der Ausbildungszeit hinnehmen, die auf ein vorübergehendes, leichtes Versagen des Unterhaltsberechtigten zurückzuführen sind. Verletzt dieser aber nachhaltig seine Obliegenheit, seine Ausbildung planvoll und zielstrebig aufzunehmen und durchzuführen, büßt er seinen Unterhaltsanspruch ein und muss sich darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit selbst zu verdienen (BGH, NJW 1998, 1555 = LM § 1610 BGB Nr. 30 = FamRZ 1998, 671 m.w. Nachw.)
- Dass er seine Schul- und Berufsausbildung in der Vergangenheit den dargelegten Anforderungen entsprechend angemessen engagiert und insbesondere zielgerichtet betrieben hat, legt der Ast. auch mit der Beschwerde nicht dar. Selbst wenn man zu seinen Gunsten davon ausgeht, dass die Ag. seine Unentschlossenheit in Bezug auf den weiteren Gang seiner schulischen und beruflichen Ausbildung bis zum Eintritt seiner Volljährigkeit noch toleriert und durch fortdauernde Unterhaltsleistungen mit getragen hat, war von dem Ast. doch jedenfalls zu erwarten, dass er die im August 2002 aufgenommene Maßnahme zur beruflichen Orientierung nutzte, um konkrete Vorstellungen über seine berufliche Zukunft zu entwickeln und diese dann auch mit der gebotenen Stringenz zu verfolgen. Dem ist der Ast. indes erneut nicht gerecht geworden. So lässt der neuerliche vorzeitige Abbruch einer eingeschlagenen Schul- bzw. im letzten Fall Berufsorientierungsmaßname sowie die ab Mitte 2003 wieder aufgenommene Schulausbildung mit dem Ziel des Erwerbs der mittleren Reife nicht erkennen, welche beruflichen Ziele der Ast. hiermit verfolgt, ganz abgesehen von der Frage seiner persönlichen Eignung hierzu.
Soweit der Ast. dagegen pauschal und ohne nähere Darlegung darauf verweist, jeder Abbruch einer begonnenen Ausbildungs- oder Orientierungsmaßnahme sei jeweils mit der Ag. „abgesprochen“ gewesen, erweist sich dieser Vortrag im Hinblick auf die gegenteilige Darstellung der Ag. als unsubstanziiert und daher unschlüssig. So soll nach Behauptung der Ag. allein die Lustlosigkeit des Ast. und nicht etwa eine einvernehmlich getroffene Entscheidung Grund für den jeweiligen Abbruch gewesen sein.
3. Der Ast. muss sich danach darauf verweisen lassen, seinen Lebensunterhalt durch eigene Erwerbstätigkeit unter Ausnutzung jeder Arbeitsmöglichkeit - auch in ungelernter Tätigkeit oder durch Arbeiten unterhalt seiner gewohnten Lebensstellung -sicherzustellen. Der Senat teilt dabei - obwohl für die Beschwerdeentscheidung unerheblich - die Einschätzung des AG, dass die schulische Beanspruchung des Ast. durch den Besuch des D Kollegs mit einer wöchentlichen Stundenzahl von 18 Unterrichtsstunden ihm hierzu ungeachtet notwendiger Vor- und Nachbereitungszeiten ausreichend Zeit und Gelegenheit lassen sollte.
(Mitgeteilt vom 11. Familiensenat des OLG Hamm)
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