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OLG Brandenburg: Herabsetzung des Zugewinnausgleichs wegen überzahlten Unterhalts NJW-RR 2003 Heft 16 1083
Herabsetzung des Zugewinnausgleichs wegen überzahlten Unterhalts
BGB § 1381 I
1. Zu viel gezahlter Unterhalt kann zur Herabsetzung des Zugewinnausgleichsanspruchs gem. § 1381 BGB führen, insbesondere wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte auf Grund gerichtlicher Verpflichtung über längere Zeit zu Unrecht überhöhten Unterhalt bezahlt hat und ihm kein Rückforderungsanspruch zusteht.
2. Etwaiges Fehlverhalten des Ausgleichspflichtigen während der Ehe - hier: behauptete sexuelle Übergriffe - sind für die Anwendung des § 1381 BGB ohne Bedeutung.
OLG Brandenburg, Beschluß vom 10. 2. 2003 - 9 WF 191/02
Zum Sachverhalt:
Die Parteien streiten um Zugewinnausgleich. Die Kl. ist von Beruf Köchin und Kellnerin. Sie lebt seit der Trennung (25. 1. 1998) mit ihrem neuen Lebensgefährten (Herrn R) zusammen und betreut derzeit ihr weiteres Kind J (geb. 11. 5. 2002). Der gemeinsame Sohn T (geb. 15. 10. 1983) blieb bei dem Bekl. Dieser ist von Beruf Maurer. Er zahlte seit März 1998 bis einschließlich November 2001 monatlich 700 DM an die Kl. als Ehegattenunterhalt, insgesamt unstreitig einen Betrag von 31500 DM. Ein Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchsetzung eines entsprechenden Unterhaltsanspruchs ab Januar 1999 war vom AG mit Beschluss vom 26. 4. 1999 mit der Begründung fehlender Erwerbsbemühungen der Kl. zurückgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete Beschwerde blieb erfolglos (9 WF 138/99). Nachdem die Kl. im März 2001 die Scheidung beantragt und der Bekl. dieser zugestimmt hatte, schlossen die Parteien am 20. 3. 2001 eine privatschriftliche Vereinbarung, in der die Kl. auf bestimmte Vermögenswerte verzichtete. Gleichzeitig verpflichtete sich der Bekl. zur Zahlung von Restunterhalt für das Jahr 1998 sowie weiteren Unterhalts bis zur endgültigen Entscheidung des FamG, darüber hinaus zur Zahlung von 50% einer an ihn geflossenen Abfindung der Firma S.
Die Kl. vertritt die Ansicht, ihr Anspruch auf Zugewinnausgleich in Höhe von 45094 DM (= 23056,70 Euro) sei nicht wegen grober Unbilligkeit teilweise ausgeschlossen. Die seitens des Bekl. erfolgten Unterhaltszahlungen seien nicht rechtsgrundlos gewesen und daher auch nicht auf ihren Zugewinnausgleichsanspruch anzurechnen. Einerseits habe es sich um freiwillige Zahlungen gehandelt, die der Bekl. in Kenntnis der ablehnenden Prozesskostenhilfebeschlüsse sowie in Kenntnis der Unwirksamkeit der Vereinbarung vom 20. 3. 2001 erbracht habe. Zum anderen seien diese Zahlungen als Schmerzensgeld für die Gewalttätigkeiten und sexuellen Übergriffe anzusehen. Der Bekl. ist der Ansicht, die Kl. müsse sich die Unterhaltszahlungen auf ihren Zugewinnausgleichsanspruch anrechnen lassen, da er zu Unterhaltszahlungen gesetzlich nicht verpflichtet gewesen sei. Auch habe eine solche Verpflichtung nicht auf Grund der Vereinbarung vom 20. 3. 2001 bestanden, die Kl. berufe sich diesbezüglich selbst auf die Nichtigkeit dieser Vereinbarung wegen Formwidrigkeit. Daher entspreche es der Billigkeit, die rechtsgrundlos erfolgten Unterhaltszahlungen beim Zugewinnausgleich zu berücksichtigen. Das AG - FamG - hat unter Zurückweisung des Antrags im Übrigen der Kl. Prozesskostenhilfe insoweit bewilligt, als sie einen Zugewinnausgleich in Höhe von 13594,99 DM (= 6951,01 Euro) geltend macht. Zur Begründung hat es darauf abgestellt, dass von dem von der Kl. errechneten Ausgleichsanspruch in Höhe von 45094,99 DM die Unterhaltszahlungen von insgesamt 31500 DM abzuziehen seien, da es sich um berücksichtigungsfähige überobligationsmäßige Leistungen des Bekl. handele. Es sei unbillig, der Kl. neben dem aus Kulanzgründen gewährten Unterhalt über mehr als dreieinhalb Jahre, trotz deren bestehender Lebensgemeinschaft zu Herrn R, vollen Zugewinnausgleich zuzusprechen. Die sofortige Beschwerde der Kl. hatte keinen Erfolg.
Aus den Gründen:
II. . Die Klage der Kl. hat keine Erfolgsaussicht i.S. von § 114 ZPO, soweit sie einen höheren als den vom AG angenommenen Zugewinnausgleichsanspruch begehrt. Zutreffend hat das AG die Ausgleichsforderung der Kl. mit Rücksicht auf die besonderen Gegebenheiten des Falles aus dem Gesichtspunkt der groben Unbilligkeit gem. § 1381 I BGB wegen überzahlten Unterhalts auf 13594,99 DM gekürzt.
Nach der genannten Vorschrift kann der ausgleichspflichtige Ehegatte die Erfüllung der Ausgleichsforderung verweigern, soweit der Ausgleich des Zugewinns nach den Umständen des Falles grob unbillig wäre. Das ist auch nach Auffassung des BeschwGer. hinsichtlich des überzahlten Unterhalts der Fall, welchen die Kl. u.a. auf Grund der von ihr selbst nicht mehr anerkannten und nach Auffassung beider Parteien unwirksamen Vereinbarung vom 20. 3. 2001 laufend bezogen hat.
Dass der Kl. kein Anspruch auf Trennungsunterhalt zusteht, hat der Senat bereits mit Beschluss vom 6. 8. 1999 im Parallelverfahren 9 WF 138/99 festgestellt; die Ausführungen der Kl. in der Beschwerdebegründung geben keinen Anlass, hiervon abzuweichen. Ohne eine hinreichende Anzahl vergeblicher Bewerbungen kann allein auf Grund der Ausbildung der Kl. nicht festgestellt werden, dass sie keine Aussicht hatte, eine ihrer Erwerbsobliegenheit entsprechende Anstellung zu finden.
Diese erheblichen - unstreitig 31500 DM betragenden - Überzahlungen bei der Bemessung des Zugewinnausgleichs außer Betracht zu lassen, würde im Streitfall zu einem unerträglichen Ergebnis führen. Zweck des § 1381 BGB ist es nämlich, dem ausgleichspflichtigen Ehegatten die Möglichkeit zu eröffnen, gegen den rein rechnerisch ermittelten Ausgleichsanspruch im Einzelfall Billigkeitserwägungen zur Geltung zu bringen und dadurch auch solche Differenzen auszugleichen, die sich zwischen dem gesetzlich vorgesehenen Berechnungsschematismus und dem Sinn und Ziel des Zugewinnausgleichs ergeben, beide Ehegatten an dem erwirtschafteten Zugewinn gleichmäßig zu beteiligen (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1995, 3193 = FamRZ 1995, 1145 [1146]; OLG Köln, NJWE-FER 1998, 194 = FamRZ 1998, 1370). Es ist in diesem Zusammenhang anerkannt, dass überobligationsmäßige Mehrleistungen des Ausgleichsschuldners, die einen Bezug zum Vermögen aufweisen, wie dies bei zu viel gezahltem Unterhalt der Fall ist, dazu führen können, dass der Zugewinnausgleichsanspruch herabgesetzt werden kann (vgl. OLG Celle, FamRZ 1981, 1066 [1069f.]; Palandt/Diederichsen, BGB, 61. Aufl., § 1381 Rdnr. 13). Das im Unterhaltsrecht herrschende Gegenseitigkeitsprinzip verlangt von dem Unterhalt in Anspruch nehmenden Ehegatten, dass er den Unterhaltsschuldner nicht mehr als angemessen belastet.
Wie in dem vorstehend benannten Parallelverfahren im Einzelnen ausgeführt, traf die Kl. in Anwendung des § 1361 BGB für den Zeitraum, in dem sie Unterhalt bezog, eine eigene Erwerbsobliegenheit, die ihrer Unterhaltsberechtigung entgegenstand.
Der Anwendung von § 1381 BGB steht auch nicht entgegen, dass der Bekl. den Unterhalt - zumindest teilweise - in Kenntnis seiner fehlenden Verpflichtung hierzu gezahlt hat. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs jedenfalls dann in Betracht kommt, wenn der ausgleichspflichtige Ehegatte auf Grund gerichtlicher Verpflichtung über längere Zeit zu Unrecht überhöhten Unterhalt bezahlt hat und ihm kein Rückforderungsanspruch zusteht (vgl. Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 3. Aufl., Rdnr. 433, S. 99; Schwab, Hdb. des ScheidungsR, VII. Teil, Rdnr. 261, S. 1868; OLG Celle, FamRZ 1981, 1068; OLG Köln, NJWE-FER 1998, 194 = FamRZ 1998, 1371). Insoweit ist das im Unterhaltsrecht herrschende Gerechtigkeitsprinzip zu berücksichtigen, wonach von dem Unterhalt in Anspruch nehmenden Ehegatten verlangt wird, dass er den Unterhaltsschuldner nicht mehr als angemessen belastet.
Für den vorliegenden Fall gelten diese Erwägungen entsprechend. Der Gerechtigkeitsgrundsatz gilt unabhängig davon, ob der Unterhaltsanspruch gerichtlich festgestellt ist oder nicht. Hierfür spricht auch, dass der Kl. ebenfalls der Inhalt der Beschlüsse bekannt war und sie somit wusste, dass ihr ein Unterhaltsanspruch nicht zustand. Bereits die Entgegennahme nicht geschuldeten Unterhalts fällt jedoch unter § 1381 BGB (vgl. Palandt/Brudermüller, § 1381 Rdnr. 13), sofern die Rückzahlung nicht oder nur schwer realisierbar ist (vgl. Duderstadt, Zugewinnausgleich, 2. Aufl., S. 68).
Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Kl. - nach dem bisherigen Streitstand - auch ihrer Barunterhaltspflicht bezüglich des gemeinsamen Sohnes T nicht nachkam, was ebenfalls im Rahmen des § 1381 BGB zu berücksichtigen ist (vgl. OLG Düsseldorf, FamRZ 1987, 821; Palandt/Brudermüller, § 1381 Rdnr. 13).
Vorstehenden Erwägungen steht auch nicht der Einwand der Kl. entgegen, die Unterhaltszahlungen seien als Schmerzensgeldzahlungen wegen ihr zugefügter Misshandlungen anzusehen. Insoweit fehlt es bereits an einer schlüssigen Darlegung der Kl., dass der Bekl. die Zahlungen - entgegen der Vereinbarung vom 20. 3. 2001 und der Übereinstimmung des Zahlbetrags mit den wiederholt von der Kl. geforderten Unterhaltsbeträgen - als solche geleistet hat. Vielmehr gingen beide Parteien erkennbar davon aus, dass Zweck der Zahlungen eine Unterhaltsgewährung war. Da des Weiteren der Bekl. als Leistender das alleinige Bestimmungsrecht bezüglich des Zwecks der Zahlungen hatte, wäre eine einseitige Zweckänderung seitens der Kl. nicht möglich.
Zudem gilt die Billigkeitsklausel des § 1381 BGB nur zu Gunsten des Ausgleichspflichtigen, so dass etwaiges Fehlverhalten des Ausgleichspflichtigen während der Ehe damit unerheblich ist (vgl. Haußleiter/Schulz, Vermögensauseinandersetzung bei Trennung und Scheidung, 3. Aufl., Rdnr. 453, S. 92).
Der Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen im Rahmen des § 1381 BGB steht auch nicht der Umstand entgegen, dass die Zahlungen teilweise erst nach dem für die Berechnung des Zugewinns maßgeblichen Zeitpunkt erfolgten. Die Zugewinnausgleichsforderung entsteht gem. § 1387 III 1 BGB erst mit Beendigung des Güterstandes, also der Rechtskraft des Scheidungsurteils. Folglich ist der für die Entstehung des Anspruchs maßgebliche Zeitpunkt unabhängig davon, dass für die Berechnung des Zugewinns bei der Ehescheidung an die Stelle der Beendigung des Güterstands der Zeitpunkt der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrags tritt (vgl. OLG Köln, NJWE-FER 1998, 194 = FamRZ 1998, 1372 m.w. Nachw.).
Entgegen der Auffassung der Kl. besteht auch kein Aufrechnungsverbot gem. § 393 BGB. Zum einen geht es im Rahmen des § 1381 BGB nicht um eine Aufrechnung i.S. der §§ 387 ff. BGB, sondern lediglich um eine Berücksichtigung bzw. Anrechnung unter Billigkeitsgesichtspunkten, zum anderen ist - wie bereits dargelegt - keine Forderung aus unerlaubter Handlung Gegenstand der Beurteilung.
Die für die Herabsetzung der Ausgleichsforderung nach § 1381 BGB erforderliche Erhebung einer entsprechenden Einrede des ausgleichspflichtigen Ehegatten liegt ebenfalls vor. Der Bekl. hat sich zwar nicht wörtlich auf ein Leistungsverweigerungsrecht wegen überzahlten Unterhalts berufen, aber den Ausschluss eines Zugewinns unter Berufung auf die Regelung des § 1381 BGB und unter Hinweis auf die Unterhaltszahlungen gefordert, was der Senat als Erhebung der Einrede wegen überzahlten Unterhalts gewertet hat (§§ 133 , 157 BGB).
Der Höhe nach war die unstreitige Zahlung von 31500 DM in der Weise zu berücksichtigen, dass die errechnete Ausgleichsforderung um den errechneten Betrag zu reduzieren war (vgl. OLG Köln, NJWE-FER 1998, 194 = FamRZ 1998, 1370; Duderstadt, S. 68), der Bekl. in Höhe der Unterhaltszahlungen die Erfüllung der Ausgleichsforderung gem. § 1381 I BGB verweigern darf, so dass sich allenfalls ein schlüssig dargelegter Zugewinnausgleichsanspruch im vom AG errechneten Umfang ergeben kann.
(Mitgeteilt von Richter am OLG F. Götsche, Brandenburg)
Anm. d. Schriftltg.:
Zum Anspruch auf Rückzahlung überzahlten Unterhalts s. auch OLG Düsseldorf, FamRZ 1995, 742; OLG Hamburg, FamRZ 1998, 294; AG Eschwege, FamRZ 2001, 840; vgl. ferner BGH, NJW 1992, 2415, m.Anm. Hohloch, LM H. 1/1993 § 812 BGB Nr. 231.
[editiert: 06.07.04, 12:22 von Ingrid]