Beitrag 66 von 76 (87%) | Anfang zurück weiter Ende |
|
Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Nürnberg in Familiensachen
Kürzung des Ehegatten-Unterhalts
wegen hartnäckiger Vereitelung
des Umgangsrechts mit gemeinsamen Kindern
Kurzfassung
Ein geschiedener Ehegatte, der dem anderen grundlos und hartnäckig den Umgang mit den gemeinsamen Kindern verweigert, muß mit einer Kürzung seines Unterhaltsanspruchs rechnen. Das entschied das Oberlandesgericht Nürnberg. Nach Auffassung des Familiensenats wäre es grob unbillig, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte für sich den vollen Unterhalt fordern könnte, während er gleichzeitig alle Hebel in Bewegung setzt, um das Umgangsrecht seines Ex-Ehegatten zu vereiteln. Die Kürzung das Ehegatten-Unterhalte bleibe allerdings auf fortgesetzte, massive und schuldhafte Verstöße beschränkt, betonten die OLG-Richter. Außerdem lebe der volle Unterhaltsanspruch wieder auf, sobald der Grund für die Herabsetzung entfallen sei.
Im konkreten Fall kürzte das Oberlandesgericht den Unterhaltsanspruch der geschiedenen Ehefrau auf den (damaligen) Mindestbetrag von 1.150 DM statt bisher 1.680 DM. Auf die Höhe des Unterhalts für die Kinder selbst hat dagegen der Streit zwischen den Eltern keinen Einfluß.
Sachverhalt
Schon während des Getrenntlebens der damals noch verheirateten Eheleute gab es ständig Schwierigkeiten mit dem Umgangsrecht. Nachdem der Ehemann aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen war, verwehrte ihm die Frau zunächst jeglichen Kontakt zu den Kindern. Als Grund hierfür gab sie an, er sei psychisch krank und gefährde das Wohl der Kinder. Für eine solche Befürchtung gab es jedoch keinerlei stichhaltige Anhaltspunkte.
Anders als beim Vater vermochten die Sachverständigen bei der Mutter keine echte Kompromiß-Bereitschaft zu erkennen. Im Zuge gerichtlicher Auseinandersetzungen machte die Frau zwar einen kleinen Rückzieher und lehnte den Umgang des Vaters mit den Kindern nicht mehr rundweg ab. Bei der praktischen Umsetzung legte sie aber ihrem Ex-Ehemann so viele Schwierigkeiten in den Weg, daß er sein Umgangsrecht nur ganz sporadisch wahrnehmen konnte.
Erschwerend kam hinzu, daß auch die Kinder selbst inzwischen nichts mehr von ihrem Vater wissen wollten. Ursache hierfür war nach Meinung psychologischer Sachverständiger eine Entfremdung, hervorgerufen durch die von der Mutter praktizierte "Kontaktsperre". Außerdem habe die Frau ihre Kinder unter einen starken Loyalitätsdruck gesetzt. Die Kinder fürchteten inzwischen, die mütterliche Zuneigung zu verlieren, wenn sie gegen deren vielleicht unausgesprochenen, aber deutlich erkennbaren Willen zum Vater Kontakt hielten.
Entscheidung
Schuld an der verfahrenen Situation, so das Oberlandesgericht nach eingehender Analyse, sei die grundlose Verweigerungs-Haltung, die die Kindsmutter seit Jahren an den Tag lege. Offenbar sei sie nicht bereit, ihr Verhalten freiwillig zu ändern. Unter diesen Umständen wäre es grob unbillig, dem Ex-Ehemann die volle Unterhaltslast aufzubürden, obwohl die davon begünstigte Ex-Ehefrau sein gesetzliches Umgangsrecht hintertreibe. Vielmehr müsse sich die Frau bis auf weiteres mit dem Mindestunterhalt begnügen (damals 1.150 DM pro Monat).
Mit Blick auf die gemeinsamen Kinder heißt es in den Urteilsgründen weiter:
"Das Wohl der Kinder wird durch die vorgenommene Reduzierung nicht ernsthaft gefährdet. Der Mutter der Kinder verbleibt mit dem Mindestunterhalt eine hinreichende Existenzgrundlage. Sie wird dadurch nicht gezwungen, die Betreuung der Kinder zugunsten einer Erwerbstätigkeit zurückzustellen.
Es ist ferner zu berücksichtigen, daß die Aufrechterhaltung einer persönlichen Beziehung zum umgangsberechtigten Elternteil im wohlverstandenen Interesse der Kinder selbst liegt. Auch diesem Ziel dient die Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin. Sie erleidet Nachteile aufgrund ihrer Verweigerungshaltung, und es ist zu erwarten, daß sie dadurch zu einem Umdenken angeregt wird."
(Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg von 8. Februar 1994,
Az. 11 UF 2641/93; rechtskräftig)
Anmerkungen
In seinem Urteil stellt der Familiensenat klar, daß eine Kürzung des Unterhaltsanspruchs nicht schon für jede noch so geringfügige Beeinträchtigung des Umgangsrechts in Betracht komme. Voraussetzung seien vielmehr "nachhaltige und langandauernde schuldhafte Verstöße". Außerdem, so betont der Senat, habe die Klägerin den Anspruch auf vollen Unterhalt nicht ein für allemal verwirkt. Sobald sie ihren Teil dazu beitrage, daß der Ex-Ehemann sein Umgangsrecht wieder wahrnehmen könne, lebe ihr Unterhaltsanspruch wieder auf.
Den Betrag von 1.150 DM entnahm der Familiensenat der damals gültigen Fassung der "Nürnberger Tabelle". Hierbei handelte es sich - ähnlich wie bei der weiter verbreiteten "Düsseldorfer Tabelle" - um Richtlinien, nach denen die Familiengerichte im gesamten Oberlandesgerichtsbezirk Nürnberg die Unterhaltsansprüche geschiedener Ehegatten festsetzten.
Seit 1. Juli 1998 wenden die drei bayerischen Oberlandesgerichte (neben Nürnberg noch Bamberg und München) erstmals gemeinsame Unterhaltsleitlinien an. Näheres hierzu unter: Bayerische Unterhaltsleitlinien.
(Verfasser der Presseinformation: Ewald Behrschmidt, Richter am Oberlandesgericht - Leiter der Justizpressestelle
[editiert: 22.04.04, 00:35 von Ingrid]