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OLG Schleswig: „Karrieresprung“ nach Trennung der Eheleute NJW-RR 2004 Heft 03 147
Ein „Karrieresprung“, dessen Grundlagen erst nach der Trennung der Eheleute gelegt werden, ist nicht eheangelegt. Veränderungen nach der Trennung, die auf einer unerwarteten Entwicklung beruhen, sind unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen.
2. Zur Frage, wann eine Erwerbstätigkeit als überobligationsmäßig zu qualifizieren ist.
OLG Schleswig, Urteil vom 24. 1. 2003 - 10 UF 209/01
Zum Sachverhalt:
Die Kl. verlangt von dem Bekl. nachehelichen Unterhalt, und zwar Elementar- und Altersvorsorgeunterhalt. Die Ehe der Parteien wurde im November 1998 rechtskräftig geschieden. Im Februar 1996 trennten sich die Parteien. Zu Beginn des Jahres 1998 wurde bei der D-Bank AG eine Arbeitsstelle „Fachkraft Problemkredite“ im Bereich Kreditmanagement und Kreditsekretariat ausgeschrieben, worauf sich der Bekl. erfolgreich zum 1. 5. 1998 bewarb. Aus diesem Grunde stieg sein Bruttoeinkommen um mehr als ein Drittel. 1999 kehrte er nach erfolgreicher Bewerbung als Abteilungsleiter zu seinem früheren Arbeitgeber zurück, wodurch sein Einkommen erneut deutlich anstieg. Die Parteien streiten im Wesentlichen darum, ob bei dem Bekl. eine unerwartete Einkommenssteigerung nach einem „Karrieresprung“ eingetreten ist.
Dies hat das AG bei seiner angefochtenen Entscheidung verneint. Ferner hat es die Auffassung vertreten, dass das Einkommen der Kl. als überobligatorisch zu bewerten sei und hat es deshalb bei der Unterhaltsberechnung um 20% ermäßigt. Gegen die Verurteilung zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt wendet sich der Bekl. mit seiner Berufung und meint, bei ihm liege unerwartet ein „Karrieresprung“ vor, sodass lediglich fiktiv seine Einkünfte als Gruppenleiter der D-Bank ab Dezember 1999 fortzuschreiben seien. Darüber hinaus arbeite die Kl. auch nicht überobligationsmäßig, da sie - unstreitig - schon während der Ehe der Parteien im bisherigen Umfang berufstätig war. Das Rechtsmittel hatte teilweise Erfolg. Aus den Gründen:
Der Bekl. schuldet der Kl. dem Grunde nach gem. §§ 1570 und 1573 II BGB nachehelichen Ehegattenunterhalt als Betreuungs- bzw. Aufstockungsunterhalt.
1. Bei der Unterhaltsberechnung ist von den Einkünften des Bekl. nach seiner bisherigen Tätigkeit als Gruppenleiter bei der D-Bank auszugehen. Zwar erhielt der Bekl. in dem hier streitgegenständlichen Zeitraum von Dezember 1999 bis heute wesentlich höhere Einkünfte, zuletzt als Abteilungsleiter der vorgenannten Bank. Diese Einkünfte sind jedoch bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs der Kl.gem. § 1578 BGB nicht zu Grunde zu legen. Nach § 1578 I 1 BGB bestimmt sich das Maß des Unterhalts nach den ehelichen Lebensverhältnissen, und zwar den Verhältnissen im Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung (BGH, NJW 1994, 935; NJW 1987, 1551). Nach der Zielsetzung des Gesetzgebers soll der berechtigte Ehegatte an dem Lebenszuschnitt beteiligt werden, wie er sich bis zu diesem Zeitpunkt der Ehe entwickelt hat (BT-Dr 7/650, S. 136), da die Ehe auch während der Trennung bis zur rechtskräftigen Scheidung fortbesteht und die eheliche Lebensgemeinschaft grundsätzlich jederzeit wieder aufgenommen werden könnte, sodass die Ehegatten bis dahin auf der Grundlage ihrer Lebensverhältnisse miteinander verbunden sind. Daher prägen auch auf Dauer angelegte Einkommensveränderungen zwischen Trennung und Scheidung in der Regel die ehelichen Lebensverhältnisse, da die Ehegatten auch während der Trennung bis zur Rechtskraft der Scheidung an der Entwicklung der ehelichen Lebensverhältnisse grundsätzlich teilnehmen (BGH, NJW 1999, 717).
Dieser Grundsatz gilt jedoch nach der Rechtsprechung des BGH bei beruflichen Entwicklungen, insbesondere bei Veränderungen der Einkommensverhältnisse, nur insoweit, als die Veränderungen nicht auf einer unerwarteten, vom Normalverlauf erheblich abweichenden Entwicklung der Einkommensverhältnisse seit der Trennung beruhen (BGH, NJW 1982, 2063; NJW 1984, 1685). Als Zeitpunkt für die Bemessung der ehelichen Lebensverhältnisse ist beim nachehelichen Unterhalt zwar die Rechtskraft der Scheidung maßgebend, die Frage, ob bei einer Einkommenssteigerung eine „normale“ Entwicklung und damit ein prägendes Einkommen vorliegt, richtet sich aber bereits nach den Verhältnissen bei der Trennung. Denn prägend können nur Einkünfte sein, deren Wurzel im gemeinsamen Zusammenleben liegen (BGH, NJW 1984, 292). Daher sind Veränderungen nach der Trennung dann nicht zu berücksichtigen, wenn sie auf einer unerwarteten Entwicklung beruhen. Unerwartet sind z.B. Einkommenssteigerungen nach einem „Karrieresprung“ (Kalthoener/Büttner, Die Rspr. zur Höhe des Unterhalts, 7. Aufl., Rdnr. 64 m.w. Nachw.).
Ein entsprechender „Karrieresprung“ ist bei dem Bekl. eingetreten. So hat sein Arbeitgeber mit Schreiben vom 12. 9. 2002 auf der Grundlage seines beruflichen Werdeganges bescheinigt, dass sein Arbeitgeberwechsel ab Mai 1998 einen vom üblichen Karriereverlauf im Bankensektor abweichenden Karrieresprung darstellt. Dies wird letztlich auch dadurch bestätigt, dass der Bekl. nach dem Realschulabschluss eine Berufsausbildung zum Bankkaufmann absolvierte, die er mit der Note „befriedigend“ abgeschlossen hat. Insoweit ist die berufliche Entwicklung des Bekl. unter Zugrundelegung einer Einkommenssteigerung von mehr als 1/3 als „unerwartet“ zu bezeichnen. Auch nach dem Vorbringen der Kl. ist dieser „Karrieresprung“ nicht schon während der intakten Ehe angelegt worden, da entsprechende berufliche Veränderungen des Bekl. sich in dieser Zeit zerschlugen und tatsächlich erst nach Trennung der Parteien eingetreten sind.
Deshalb sind bei der Unterhaltsberechnung im Gegensatz zur Auffassung des AG nicht die tatsächlich erzielten Einkünfte des Bekl. ab Dezember 1999 bei der Unterhaltsberechnung zu Grunde zu legen, sondern es ist vielmehr fiktiv mit seinen fortzuschreibenden Einkünften als Gruppenleiter der D-Bank ab Dezember 1999 zu rechnen. Daher sind die Einwände der Kl. zu den tatsächlichen Einkünften des Bekl. für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich.
2. Abweichend von der Entscheidung des AG beruhen die Einkünfte der Kl. nicht auf einer unzumutbaren Tätigkeit und sind somit auch nicht als überobligationsmäßig zu bewerten.
Zwar bewirkt die gemeinschaftliche Verantwortung der Eltern für ihre Kinder, dass bei deren Betreuung regelmäßig erst gearbeitet werden muss, wenn die Kinder ein bestimmtes Alter erreicht haben. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats beginnt dieses Alter erst ab dem zehnten/elften Lebensjahr (Beendigung der Grundschulzeit). Andererseits ist aber zu beachten, dass in vielen Fällen beide Eheleute während des Zusammenlebens berufstätig sind, obwohl sie kleine Kinder haben. Zum Teil erfolgt dies aus Not, weil der Ehepartner zur Finanzierung des gemeinsamen Haushalts zu wenig verdient, zum Teil beruht dies aber auch auf persönlichen Vorstellungen der Eheleute über die Gestaltung ihrer Ehegemeinschaft und damit aus freien Stücken. Nach der Rechtsprechung des BGH ist das aus der Erwerbstätigkeit erzielte Einkommen nur im ersten Fall überobligatorisch, während im zweiten Fall es als nachhaltig und dauerhaft zu bezeichnen ist, da es aus einer zumutbaren Tätigkeit stammt (BGH, NJW-RR 1998, 721 = FamRZ 1998, 1501 [1502]).
Konkrete Anhaltspunkte, dass die während der Ehezeit ab 1. 4. 1990 aufgenommene Berufstätigkeit der Kl. (Teilzeit mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 28,9 Stunden) aus einer wirtschaftlichen Not der Eheleute aufgenommen wurde, liegen nicht vor. Insoweit geht der Senat davon aus, dass die Erwerbstätigkeit der Kl. aus freien Stücken aufgenommen wurde und deshalb nicht als überobligatorisch anzusehen ist. Hierfür spricht auch die Tatsache, dass es den Parteien vor der Trennung bzw. der Kl. nach der Trennung ohne weiteres gelungen ist, die gemeinsamen Kinder durch die Großeltern mütterlicherseits zu betreuen. Darüber hinaus arbeitet die Kl. auch nach der Trennung weiterhin - wie zuvor - nur teilschichtig, nämlich mit 30 Wochenstunden. Anm. d. Schriftltg.:
Zur Berücksichtigung von „Karrieresprüngen“ beim nachehelichen Unterhalt s. auch Büttner/Niepmann, NJW 2003, 2492 (2494); s. ferner Bäumel, FPR 2002, 31
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