Beitrag 24 von 76 (32%) | Anfang zurück weiter Ende |
|
OLG Oldenburg: Befristung des nachehelichen Unterhalts wegen schweren einseitigen Fehlverhalten NJWE-FER 2001 Heft 09 227
Verweise
Befristung des nachehelichen Unterhalts wegen schweren einseitigen Fehlverhalten BGB §§ 1570 , 1579 Nr. 6
Hat die unterhaltsberechtigte Ehefrau zwei minderjährige Kinder zu versorgen, kommt bei Vorliegen eines Verwirkungstatbestandes eine Befristung ihres nachehelichen Unterhalts in Betracht (hier: bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres des jüngsten Kindes). (Leitsatz der Redaktion)
OLG Oldenburg, Urteil vom 10. 5. 2001 - 14 UF 6/01
Zum Sachverhalt:
Die 1961 geborene und als technische Zeichnerin ausgebildete Kl. begehrt nachehelichen Unterhalt. Aus ihrer 1986 geschlossenen und durch Urteil des Senats vom 16. 9. 1999 geschiedenen Ehe mit dem 1935 geborenen Bekl., der bis zum 28. 2. 1999 Chefarzt war, sind die Kinder R (geb. 12. 5. 1987) und N (geb. 3. 5. 1989) hervorgegangen, die bei der Mutter leben und für die der Bekl. monatlich zusammen 1390 DM Unterhalt sowie Krankenversicherungsbeiträge in Höhe von 127 DM zahlt. Das AG - FamG - hat den Bekl. verurteilt, ab August 2000 monatlichen Unterhalt von 1800 DM an die Kl. zu zahlen. Mit seiner Berufung macht der Bekl. geltend, die Kl. sei nicht bedürftig, weil sie noch über die 1995 erhaltenen 230000 DM aus dem Verkauf ihres Hausanteils verfüge. Dieser Erlös sei nicht eheprägend gewesen; während der Ehe habe das Haus nur - steuerlich interessante - Verluste erbracht. Die Hauslasten habe er immer getragen. Etwaige Unterhaltsansprüche der Kl. seien mehrfach verwirkt. So habe sie Anfang 1997 und im September 1998 nach Kontaktanzeigen intime Beziehungen zu anderen Männern aufgenommen. Im Sommer 2000 habe sie mit den Kindern Zaun und Briefkasten beschädigt. Nach seinem Auszug habe sie seine gesamte wertvolle Bibliothek und Plattensammlung sowie seine persönlichen Sachen wie Bekleidung, Flieger- und Motorradkleidung und Modellflugzeugzubehör vernichtet. Darüber hinaus habe sie im Zusammenhang mit der familienrechtlichen Auseinandersetzung ihn und seine Bevollmächtigten durch Telefonanrufe und Faxe terrorisiert und massiv belästigt.
Die Berufung des Bekl. war teilweise erfolgreich.
Aus den Gründen:
Der Unterhaltsanspruch der Kl. in Höhe von 1700 DM ist bis Mai 2004, dann ist N 15 Jahre alt, zu befristen (§ 1570 , 1579 Nr. 6 BGB).
Der nacheheliche Unterhaltsanspruch bemisst sich nach den ehelichen Lebensverhältnissen (§ 1578 I BGB). Diese waren geprägt durch die Einkünfte des Bekl. als Chefarzt, das Wohnen im eigenen Heim und die Vermögensanlage in Gebäuden. Seine Einkünfte haben sich durch die Pensionierung verringert, das Gebäude in Berlin ist veräußert, der Bekl. bewohnt weiterhin das in seinem Alleineigentum stehende Haus. Auf dieser Grundlage sind der Unterhaltsbemessung folgende Beträge zuzurechnen.
a) Nettoeinkommen nach Abzug der Krankenversicherungsbeiträge auch für die Kinder: 4831 DM.
b) 350 DM Zinseinnahmen. Diese errechnen sich aus dem angelegten Verkaufserlös von 100000 DM. Der Erlös ist berücksichtigungsfähig, weil die Einnahme aus der Steuerentlastung durch die Hausverluste die ehelichen Lebensverhältnisse geprägt haben.
c) Ein Wohnvorteil von mindestens 1000 DM unter Berücksichtigung der verbrauchsunabhängigen Gebäudelasten (vgl. BGH, NJW 1998, 753 = FamRZ 1998, 87; NJW 2000, 2439). Die vorübergehende Hausbelastung von rund 250000 DM, die der Bekl. mit dem Berliner Verkaufserlös abgelöst hat, steht offenbar im Zusammenhang mit der Zahlung von 230000 DM an die Kl. im Jahr 1995 und stellt insoweit keine dauerhafte Belastung der ehelichen Lebensverhältnisse dar. Der Bekl. bewohnt also „mietfrei“ wie früher die Familie das in seinem Alleineigentum stehende Hausgrundstück.
d) Zahlungen auf den Kindesunterhalt in Höhe von 1393 DM. Der Tabellenunterhalt nach Gruppe 9 beträgt 690 DM bzw. 816 DM, das heißt insgesamt 1506 DM abzüglich Krankenversicherung.
Bei Halbteilung der zurechenbaren Einkünfte ergibt sich dann ein rechnerischer Anspruch der Kl., der den vom FamG festgesetzten jedenfalls nicht unterschreitet. Zu Recht beruft sich der Bekl. aber darauf, dass das Verhalten der Kl. nach der Trennung die Zahlung des vollen Unterhalts für unbegrenzte Zeit unbillig erscheinen lässt (§ 1579 Nr. 6 BGB).
Grundgedanke dieser Vorschrift ist die Widersprüchlichkeit des Verhaltens des Unterhaltsberechtigten, nämlich Lösung aus den ehelichen Bindungen bei gleichzeitiger Inanspruchnahme der ehelichen Solidarität durch ein Unterhaltsbegehren, Verletzung des Prinzips der Gegenseitigkeit, während vom Ehegatten Hilfe in Form einer Unterhaltszahlung verlangt wird (vgl. BGH, NJW 1981, 1214 = FamRZ 1981, 439). Die offensichtliche Schwere des einseitigen Fehlverhaltens der Berechtigten ergibt sich hier aus den konkreten Einzelfallumständen; den Verpflichteten muss das Verhalten in erheblichem Maß treffen.
Es kann dahinstehen, ob das einseitige Fehlverhalten der Kl. hier bereits bei der einseitigen Abkehr von der Ehe durch die Suche nach einem Partner durch Anzeige und die anschließende Aufnahme einer Liebesbeziehung zu einem anderen begonnen hat. Jedenfalls stellen die Eingriffe in das Eigentum des Bekl. und die persönlichen Diskriminierungen ein einseitig gegen den Bekl. gerichtetes Fehlverhalten von einer erheblichen Bedeutung dar.
So hat die Kl. eingeräumt, etliche in der Wohnung verbliebene persönliche Gegenstände des Bekl. „entsorgt“ zu haben. Da es sich dabei mit der Bibliothek, den Schallplatten, den Flugzeugmodellen und der Ausrüstung als Flieger oder Motorradfahrer um Dinge von beträchtlichem materiellen, möglicherweise aber noch höherem ideellen Wert gehandelt hat, deren mutwillige Vernichtung nicht allein mit der bereits eingetretene „Erosion“ der Ehe erklärt werden kann, ist dieses Verhalten als schwerwiegendes Fehlverhalten zu werten. Daran ändert nichts, dass die Kl. die Angaben des Bekl. zum Wert bestritten und teilweise die Vernichtung pauschal bestritten hat. Unstreitig waren die Gegenstände bei Auszug in der ehelichen Wohnung im Arbeitszimmer des Bekl. Es bestand überhaupt kein Anlass, dieses auszuräumen und die Sachen - wie behauptet - zum Teil in die nicht abschließbare Garage zu bringen.
Der Bekl. zahlte immerhin alle Lasten für das Haus und das Grundstück und 2000 DM Unterhalt für die Familie. Konkrete Gegenvorwürfe hat die Kl. insoweit auch nicht dargelegt. Auch ihr jetzt eingeräumtes Verhalten gegenüber dem Bekl. persönlich, seinen Bevollmächtigten und deren Angestellten sowie weiteren unbeteiligten Dritten durch Telefonanrufe und Übermittlung von Faxen mit unzutreffendem und den Bekl. jeweils herabsetzendem Inhalt stellt in diesem Zusammenhang ein einseitig und nicht durch Erregung erklärbares schuldhaftes Fehlverhalten dar, das für sich allein vielleicht nicht die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1579 Nr. 6 BGB erfüllen würde, hier aber den Vorwurf des offensichtlich schwerwiegenden Fehlverhaltens ergänzt. Das gilt ebenso für das nach eigenem Vorbringen geduldete Zerstören des Briefkastens und der Zaunbeschädigung nach dem Auszug aus dem Haus und die zeitweise Verhinderung des Umgangs mit den Kindern.
Aus alledem folgt, dass die Verpflichtung, in vollem Umfang Unterhalt zu zahlen, für den Bekl. unter diesen Umständen grob unbillig ist. Es ist allerdings zu bedenken, dass der Unterhaltsanspruch der Kl. deshalb gerechtfertigt ist, weil sie die gemeinsamen Kinder betreut (§ 1570 BGB). Da von der Kl. zur Zeit wegen des Alters der Kinder (von nahezu zwölf bzw. 14 Jahren) eine Erwerbstätigkeit nicht verlangt werden kann, erfordert der Gesichtspunkt der Wahrung der Kindesbelange, dass das Interesse des Bekl. am Fortfall seiner Unterhaltslast zurücktritt, denn die Kindesbelange sollen durch Ausschluss oder Einschränkung des Unterhalts nicht ernsthaft beeinträchtigt werden; es soll verhindert werden, dass der betreuende Elternteil aus wirtschaftlicher Not die Kinder zu Gunsten eigener Erwerbstätigkeit vernachlässigt oder zu Lasten der Kinder Kindesunterhalt für den eigenen Bedarf mitverwendet (vgl. BGH, NJW 1984, 986). Deshalb erscheint es gerecht und billig, einen monatlichen nachehelichen Unterhalt von 1700 DM bis zum Eintritt der vollen Erwerbspflicht der Kl. mit dem 15. Geburtstag der Tochter N im Mai 2004 zu befristen. Dabei ist auch berücksichtigt, dass die Kl. den Verbleib der mindestens vom Bekl. erhaltenen 200000 DM nicht hinreichend erläutert hat.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt G. Tegge, Wilhelmshaven
Anm. d. Schriftltg.:
Zu § 1579 Nr. 6 BGB s. auch Wellenhofer-Klein, FamRZ 1995, 905.
____________________
Unser Kopf ist rund, damit unsere Gedanken die Richtung ändern können
Schumacher @ zweitfrauen.de
[editiert: 17.06.05, 13:52 von Ingrid]