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OLG Bremen: Abtretung von Unterhaltsansprüchen NJW-RR 2002 Heft 06 361
Abtretung von Unterhaltsansprüchen
BGB § 400
Unterhaltsansprüche sind grundsätzlich unpfändbar und damit unabtretbar. Eine Ausnahme vom Abtretungsverbot gilt für Ansprüche auf rückständigen Unterhalt, wenn der Unterhaltsberechtigte vom Abtretungsempfänger den vollen Unterhalt erhalten hat.
OLG Bremen, Beschluß vom 11. 10. 2001 - 4 U 20/01
Zum Sachverhalt:
Das LG hat der Zahlungsklage des Kl. (Regressforderung des Bürgen) gegen die Bekl., seine frühere Ehefrau, stattgegeben. Die Bekl. begehrt Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die beabsichtigte Berufung. Sie trägt vor, entgegen dem Urteil des LG sei die Aufrechnung mit ihren Ansprüchen auf Ehegattenunterhalt sowie den ihr abgetretenen Ansprüchen auf Zahlung von Barkindesunterhalt in Höhe von insgesamt 40000 DM wirksam und führe zum Erlöschen der Klageforderung. Das OLG hat den Prozesskostenhilfeantrag der Bekl. zurückgewiesen.
OLG Bremen: Abtretung von Unterhaltsansprüchen NJW-RR 2002 Heft 06 362
Aus den Gründen:
Die Bekl. hat zum einen in der Berufungsinstanz bisher keine Unterlagen i.S. des § 117 I ZPO über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt. Die Verweisung auf die erstinstanzlich vorgelegten, ein Jahr alten Unterlagen reicht nicht aus. Zum anderen bietet die Berufung nach dem bisherigen Sach- und Streitstand keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S. des § 114 ZPO. Gegenwärtig stellt sich die Rechtslage hinsichtlich der allein im Streit befindlichen, zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung wie folgt dar:
1. Anders als das LG erachtet der Senat die geltend gemachten Unterhaltsansprüche als hinreichend substanziiert. Die Bekl. stellt den durch die beiden Schuldurkunden von April und Mai 1984 titulierten Kindesunterhalt (monatlich 450 DM) und Ehegattenunterhalt (monatlich 650 DM) für den Zeitraum Juni 1992 bis Mai 1997 zur Aufrechnung. Das ist der Zeitraum, der Gegenstand der Vereinbarung vom 15. 5. 1992 ist. Dass der Kl. in dieser Zeit den titulierten Unterhalt nicht gezahlt hat, ist unstreitig. Der danach offene Gesamtbetrag beträgt (60 Monate x 1100 DM =) 66000 DM. Davon zieht die Bekl. die in Nr. 2-4 der Vereinbarung vom 15. 5. 1992 genannten Beträge von insgesamt 26000 DM ab, so dass die zur Aufrechnung gestellten 40000 DM verbleiben.
2. Die vom Kl. vertretene Ansicht, der Unterhalt sei nicht zu zahlen gewesen "auf Grund der weiteren Darlehnsverbindlichkeiten bzw. Bürgschaften, die der Kl. zu Gunsten der Bekl. eingegangen war", findet in der Vereinbarung vom 15. 5. 1992 keine Stütze. Der Kl. will wohl sagen, in Nr. 1 der Vereinbarung sei nicht Stundung, sondern Erlass gemeint. Das aber hat die Bekl. bestritten. Für einen mit dem Wortlaut der Vereinbarung nicht übereinstimmenden Willen der Parteien hat der Kl. keinen Beweis angetreten.
3. Mit den Ansprüchen auf Kindesunterhalt aus dem oben genannten Zeitraum kann die Bekl. entgegen der Ansicht des LG grundsätzlich aufrechnen, da die Bekl. auf Grund wirksamer Abtretung selbst Forderungsinhaberin geworden ist. Zwar sind Unterhaltsansprüche als nach § 850b I Nr. 2 ZPO unpfändbare Forderungen grundsätzlich nicht abtretbar (§ 400 BGB). Das gilt aber dann nicht, wenn die Schutzfunktion dieser Vorschriften nicht greift, die dahin geht, zu verhindern, dass dem Unterhaltsgläubiger die Lebensgrundlage entzogen werden kann. Dieser Schutzfunktion bedarf es insbesondere dann nicht mehr, wenn der Abtretende vom Abtretungsempfänger den vollen Gegenwert seiner Unterhaltsansprüche erhalten hat (vgl. BGH, NJW 1972, 1703 [1705]; Soergel/Häberle, BGB, 12. Aufl., Vorb. § 1601 Rdnr. 4; Gießler, FamRZ 1994, 800 [803]). Danach war hier eine Abtretung der Ansprüche auf rückständigen Kindesunterhalt durch das Kind I an die Bekl. dann möglich, wenn die Bekl. in der Vergangenheit auch für den Barunterhalt des Kindes in der vom Kl. geschuldeten Höhe (monatlich 450 DM) aufgekommen ist.
Davon ist trotz des Bestreitens des Kl. auszugehen. Wie in der vergleichbaren Situation des familienrechtlichen Ausgleichsanspruchs in den Fällen, in denen ein Elternteil das Kind betreut und versorgt hat, ohne den vom anderen Elternteil geschuldeten titulierten Barunterhalt bekommen zu haben (vgl. Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 2. Aufl., Rdnr. 696 m.w. Nachw.), besteht eine Vermutung dafür, dass die Bekl. den Barbedarf des Kindes in Höhe seines Unterhaltsanspruchs gedeckt hat, zumal dieser im fraglichen Zeitraum teils unter, teils nur geringfügig über dem Unterhalt nach der ersten Gruppe der Düsseldorfer Tabelle gelegen hat. Diese Vermutung hat der Kl. nicht entkräftet. Der rückständige Kindesunterhalt war damit abtretbar und ist durch die Erklärung vom 13. 2. 2001 wirksam an die Bekl. abgetreten worden. Soweit die Abtretungserklärung auch künftige Ansprüche erfasste und damit unwirksam war, ist entgegen der Grundregel des § 139 BGB von der Teilwirksamkeit der die Rückstände betreffenden Abtretung auszugehen, weil eine Teilwirksamkeit der Interessenlage der Vertragschließenden entsprach.
Allerdings war die abgetretene Forderung betreffend den Zeitraum bis Ende 1996 zum Zeitpunkt der Abtretung bereits verjährt (§§ 197 , 201 BGB). Der Kl. beruft sich auch auf Verjährung. Bezüglich dieser im Zeitpunkt der Abtretung verjährten Forderung hilft der Bekl. auch nicht § 390 S. 2 BGB, denn die Forderung stand der Klagforderung erst nach der am 13. 2. 2001 erfolgten Abtretung aufrechenbar gegenüber, zu einem Zeitpunkt also, als sie bereits verjährt war. Es bleiben als aufrechenbar und unverjährt die Kindesunterhaltsansprüche aus der Zeit von Januar bis Mai 1997 (5 x 450 = 2250 DM).
4. Die Ansprüche der Bekl. auf Ehegattenunterhalt (60 x 650 = 39000 DM) sind grundsätzlich aufrechenbar. Sie sind auch nicht verjährt, soweit es den Zeitraum bis 1996 betrifft, weil hier § 390 BGB greift: Die Klagforderung, der gegenüber aufgerechnet worden ist, bestand schon zu einer Zeit, zu der diese Unterhaltsansprüche noch nicht verjährt waren (die Verjährung der Ansprüche aus der Zeit von 1992 bis 1995 hat auf Grund der Stundungsvereinbarung in Nr. 1 des Vertrages vom 15. 5. 1992 erst am 1. 1. 1996 zu laufen begonnen), nämlich vor dem 1. 1. 2000. Schon vor diesem Zeitpunkt war der Kl. aus der für die Bekl. gestellten Bürgschaft in Anspruch genommen worden, so dass der Rückgriffsanspruch gegen die Bekl., der Gegenstand der Klage ist, entstanden und fällig war.
5. Gleichwohl verhilft die erklärte Aufrechnung der Bekl. nach dem gegenwärtigen Sachstand nicht zum Erfolg. Denn nach ihrem bisherigen Vortrag bleibt unklar, worauf sie die 26000 DM verrechnet, die nach ihrem Vorbringen dem Kl. zustehen. Das führt zur Unzulässigkeit der Aufrechnungserklärung.
(Mitgeteilt von Richter am OLG R. Wever, Bremen)
Anm. d. Schriftltg.:
Vgl. zu § 400 BGB auch BGH, NJW 1995, 323 = LM H. 4/1995 § 399 BGB Nr. 35; BGH, NJW 1982, 515; s. ferner OLG Köln, FamRZ 1995, 308.
[editiert: 03.07.04, 23:51 von Ingrid]