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BGH XII ZB 94/00
(XII. ZS, Beschluß v. 30. 01. 2002
XII ZB 94/00 [OLG Dresden])
BGB § 1618
1. Es ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, daß der Gesetzgeber das Interesse des nicht sorgeberechtigten Elternteils an der Beibehaltung des Namensbandes erst dann zurücktreten läßt, wenn zwingende Gründe des Kindeswohls die Namensänderung erforderlich machen.
2. Das Vorhandensein von (den neuen Namen tragenden) Halbgeschwistern macht eine Namensänderung nicht regelmäßig für das Kindeswohl erforderlich.
(Leitsätze der Redaktion)
Aus den Gründen:
I.
Die Kinder M., geb. 1990, und E., geb. 1993, sind aus der 1996 geschiedenen Ehe des AGg. mit der ASt. hervorgegangen, die das alleinige Sorgerecht innehat, seit November 1997 erneut verheiratet ist und mit ihrem Ehemann den gemeinsamen Ehenamen W trägt. Aus dieser Ehe stammt der 1998 geb. Sohn K. W
Auf Antrag der ASt. ersetzte das FamG die Einwilligung des AGg in die Einbenennung der Kinder M. und E. Auf die Beschwerde AGg. änderte das OLG den Beschluß des FamG ab und wies den Antrag der ASt. zurück. Dagegen richtet sich die zugelassene weitere Beschwerde der ASt.
II.
Die weitere Beschwerde ist nicht begründet.
1. Ohne Erfolg rügt die weitere Beschwerde, das OLG habe die Voraussetzungen verkannt, unter denen die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils in eine Namensänderung ersetzt werden könne. Auch nach der Neufassung des § 1618 BGB durch Art. 1 Nr. 7 KindRG sei die Einwilligung bereits zu ersetzen, wenn die Einbenennung dem Kindeswohl diene, weil alles, was das Kindeswohl fordere, zum Wohl des Kindes auch erforderlich sei.
Dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden, weil sie der vom Reformgesetzgeber bewußt vorgenommenen Verschärfung der Eingriffsvoraussetzungen und seiner Absicht, den Schutz der namensrechtlichen Bindung des Kindes zum nicht sorgeberechtigten Elternteil stärker als bisher auszugestalten, zuwiderlaufen würde. Vielmehr kann die Einwilligung des nicht sorgeberechtigten Elternteils erst dann ersetzt werden, wenn konkrete Umstände vorliegen, die das Kindeswohl gefährden, und die Einbenennung daher unerläßlich ist, um Schäden von dem Kind abzuwenden (Vgl. Senatsbeschlüsse v. 24. 10. 2001 - XII ZB 88/99 - FamRZ 2002, 94 f., m. N., und v. 9. 1.2002 - XII ZB 166/99 - FamRZ 2002, 1330).
Der Senat vermag auch nicht die verfassungsrechtlichen Bedenken zu teilen, die die weitere Beschwerde gegen diese Auslegung des § 1618 S. 4 BGB erhebt.
Die weitere Beschwerde vertritt die Auffassung, bei verfassungskonformer Interpretation dieser Vorschrift unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgebotes habe eine Rücksichtnahme auf Interessen, die ausschließlich Interessen eines der bei den Elternteile sind, vollkommen zu unterbleiben. Denn nach dem Gleichheitsgrundsatz könne das Interesse des nichtsorgeberechtigten Elternteils an der Beibehaltung des Kindesnamens grundsätzlich keinen Vorrang vor dem Interesse des anderen Elternteils an der Einbenennung des Kindes beanspruchen, mit der Folge, daß ihre gegenläufigen Interessen einander im Prinzip aufhöben. Da die Interessen des sorgeberechtigten Elternteils hier mit den Interessen der Kinder übereinstimmten und die Kollision lediglich gegenüber dem Interesse des anderen Elternteiles bestehe, müsse dieses zurückstehen.
Diese Argumentation, die letztlich darauf hinausläuft, einander widerstreitende Elterninteressen ohne differenzierende Wertung im Wege der Kompensation für unbeachtlich zu erklären und somit in den Fällen des § 1618 S. 4 BGB allein das (gegenwärtige) Interesse des Kindes an einer Namensänderung ausreichen zu lassen, wird der Problematik nicht hinreichend gerecht.
Zwar ist grundsätzlich davon auszugehen, daß Kindes- und Elterninteressen gleichrangig sind
(vgl. OLG Naumburg, FamRZ 2001, 1161, 1162; OLG Saarbrücken, ZfJ 2000,437,438;OLG Stuttgart, FamRZ 1999, 1375, 1376; OLG Frankfurt, FamRZ 1999, 1376, 1377; Wagenitz, FamRZ 1998, 1545, 1552; Willutzki, KindPrax 2000,76, 77).
Eine Ersetzung der Einwilligung in die Einbenennung setzt daher eine umfassende Abwägung der Interessen der Beteiligten voraus. Auch wenn es grundsätzlich dem Wohl des Kindes entspricht, den gleichen Namen zu tragen wie die neue Familie, in der es jetzt lebt (so bereits BVerfG, FamRZ 1992, 1284, 1285), darf dabei nicht übersehen werden, daß diese Wertung regelmäßig ihrerseits das Ergebnis einer Abwägung einander widerstreitender Interessen des Kindes ist. Denn auch die Kontinuität der Namensführung ist ein wichtiger Kindesbelang (vgl. Wagenitz, a.a.O., S. 1545; Staudinger/Coester; BGB, 2000, § 1618 Rz. 32), dessen Bedeutung weit über das Kindesalter hinausreicht und daher nicht allein aus der Perspektive der aktuellen Familiären Situation beurteilt werden darf. Immerhin ist der Name ein nicht beliebig austauschbarer Ausdruck der Identität und Individualität, der die Lebensgeschichte seines Trägers begleiten und sie unter diesem Namen als zusammenhängende erkennbar werden lassen soll (vgl. BVerfGE 97, 391, 399). Demgegenüber stellt die Funktion des Namens als Kennzeichen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Familie nur einen Teilaspekt dar.
Zugleich ist die Beibehaltung des Namens äußeres Zeichen der für das Wohl des Kindes gleichfalls wichtigen Aufrechterhaltung seiner Beziehung zu dem nicht sorgeberechtigten Elternteil, die ebenfalls verfassungsrechtlichen Schutz genießt. Dies gilt auch und insbesondere dann, wenn der Kontakt zu diesem bereits eingeschränkt oder gar gefährdet ist und durch die Einbenennung als nach außen sichtbarer endgültiger Ablösung von ihm verfestigt würde.
(vgl. Senatsbeschluß v. 24.10.2001, a.a.O.; OLG Hamm, FamRZ 1999, 1380, 1381).
Es ist daher auch aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber das Interesse des nicht sorgeberechtigten Elternteils an der Beibehaltung des Namensbandes nicht schon dann zurücktreten läßt, wenn eine Namensänderung dem Kindeswohl förderlich wäre, sondern erst dann, wenn zwingende Gründe des Kindeswohls die Namensänderung erforderlich machen.
2. Die Wertung des OLG, angesichts der getroffenen Feststellungen sei die begehrte Einbenennung zum Wohl der Kinder nicht erforderlich, hält der rechtlichen Prüfung durch das Gericht der weiteren Beschwerde stand.
a) Wie die Anhörung der Kinder ergeben hat und auch von der ASt. nicht in Abrede gestellt wird, ist die Einbindung der Kinder in ihre neue Familie gelungen und kann als stabil bezeichnet werden, ohne daß die Namensverschiedenheit dem entgegengestanden hätte oder noch entgegensteht. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn das OLG, das vor allem aus diesem Grunde bereits in Frage stellt, ob eine Einbenennung dem Kindeswohl überhaupt dienlich sei, jedenfalls die Erforderlichkeit einer Einbenennung verneint.
b) Diese ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, daß der Halbbruder K. der Kinder einen anderen Familiennamen trägt als diese selbst. Zwar kommt dem Grundsatz der Namensgleichheit unter Geschwistern auch nach Inkrafttreten des KindRG besonderes Gewicht zu, wie sich aus § 1617 I S. 3 BGB ersehen läßt. Daraus folgt jedoch nicht, daß das Vorhandensein von Halbgeschwistern eine Namensänderung regelmäßig als für das Kindeswohl erforderlich erscheinen läßt (vgl. VGH Baden- Württemberg, FamRZ 2001, 1551, 1554, m. N.). Dies gilt hier um so mehr, als die Kinder ihren Halbbruder K. ungeachtet der bestehenden Namensverschiedenheit als vollwertigen Teil ihrer neuen Familie betrachten.
c) Ohne Erfolg rügt die weitere Beschwerde zudem, das OLG habe die Bemühungen des AGg. um eine Ausweitung seines Umgangsrechts zu Unrecht als einen Umstand gewertet, der es rechtfertige, das Interesse der Kinder gegenüber dem Interesse des AGg. zurücktreten zu lassen. Soweit die Gründe der angefochtenen Entscheidung dessen Anstrengungen erwähnen, das Umgangsrecht trotz inzwischen größerer örtlicher Entfernung wahrzunehmen und abschließend regeln zu lassen, dienen diese Ausführungen ersichtlich nur dazu, die auch auf weitere Gründe gestützte Überzeugung des Gerichts darzulegen, daß das Anliegen des AGg., die Kinder mögen seinen Namen behalten, nicht etwa schon deshalb unbeachtlich sei, weil es auf eigensüchtigen Motiven beruhe und gleichsam nur aus Opposition geltend gemacht werde.
d) Nicht zu beanstanden ist ferner die Wertung des OLG, die Erforderlichkeit einer Einbenennung ergebe sich auch nicht aus den von der ASt. angeführten Belastungen der Kinder durch die Namensverschiedenheit und deren einen Wunsch, den Namen der neuen Familie zu tragen.
Die bestehende Namensverschiedenheit trifft grundsätzlich jedes Kind, das aus einer geschiedenen Ehe stammt und bei einem wiederverheirateten Elternteil lebt, der den Namen des neuen Ehepartners angenommen hat. Bloße Unannehmlichkeiten infolge der Namensverschiedenheit und der Notwendigkeit, diese auf Nachfragen zu erklären, können die gedeihliche Entwicklung eines Kindes nicht ernsthaft beeinflussen und vermögen daher die Erforderlichkeit einer Namensänderung nicht zu begründen (vgl. Senatsbeschluß v. 9. 1. 2002, FamRZ 2002, 1330; Staudinger/Coester a.a.O., § 1618 Rz. 32).
e) Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob die - von der sofortigen Beschwerde nicht angegriffene - Vermutung des OLG gerechtfertigt ist, der Wunsch der Kinder, den Namen ihrer neuen Familie zu tragen, beruhe letztlich auf extern gesetzten Ursachen. Selbst wenn es sich um ein ureigenes, ernsthaftes Anliegen der Kinder handeln sollte, ist diesem hier kein solches Gewicht beizumessen, daß sich daraus die Erforderlichkeit einer Namensänderung ableiten ließe. Die Anhörung der Kinder hat nämlich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß sie ihrem derzeitigen Namen aus anderen Gründen als dem bloßen Wunsch, den neuen Namen der Familie zu tragen, völlig ablehnend gegenüberstünden.
f) Ohne Erfolg rügt die weitere Beschwerde schließlich, das OLG habe das Vorbringen der ASt. nicht gewürdigt, die Kinder hätten seit einem 1997 gemeinsam mit ihrem Vater verbrachten Urlaub Angst vor ihm. ... [wird ausgeführt] ...
[editiert: 17.05.04, 15:56 von Ingrid]